Urteil des SozG Düsseldorf vom 09.11.2006

SozG Düsseldorf: krankengeld, rentner, beitragssatz, beitragsbemessung, körperschaft, behörde, rente, einkünfte, zuschuss, krankenversicherungsbeitrag

Sozialgericht Düsseldorf, S 8 KR 216/05
Datum:
09.11.2006
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 8 KR 216/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 16 KR 231/06
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten.
Tatbestand:
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Der am 00.00.1939 geborene Kläger ist seit dem 01.01.2002 bei der Beklagten ohne
Anspruch auf Krankengeld freiwillig krankenversichert. Der Beitragsbemessung liegen
seine Versorgungsbezüge aus seiner ehemaligen Berufstätigkeit als Stadtrechtsrat zu
Grunde. Ein Gewinn aus selbständiger Tätigkeit als Rechtsanwalt resultierte bei
geringfügigen Einnahmen und hohen Ausgaben nicht.
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Mit Bescheiden vom 26.08.2004 und 30.08.2004 setzte die Beklagte den für die Zeit ab
September 2004 zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrag auf 284,02 Euro fest. Die
sich hieraus ergebende Erhöhung (35,18 Euro) sei Folge der Änderung des GKV-
Modernisierungsgesetzes. Danach gelte seit dem 01.01.2004 auch für freiwillig
Versicherte, dass den Beiträgen aus Versorgungsbezügen der volle allgemeine
Beitragssatz zugrundezulegen sei, während bisher der ermäßigte Beitragssatz
maßgebend gewesen sei.
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Mit Bescheid vom 27.09.2004 lehnte die Beklagte die beantragte Bewilligung von
Krankengeld ab. Dem Kläger stehe als Ruhegehaltsempfänger grundsätzlich kein
Anspruch auf Krankengeld zu.
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Gegen die Bescheide legte der Kläger jeweils Widerspruch ein, die der
Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2004
zurückwies.
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Der Kläger hat gegen die Bescheide der Beklagten Klage erhoben, mit der er sein
Begehren weiterverfolgt. Zu Unrecht habe die Beklagte den allgemeinen Beitragssatz
der Beitragsbemessung zu Grunde gelegt. Sie habe bereits einen Fehler gemacht,
indem sie ihn mit Bescheid vom 26.08.2002 als "Rentner" behandelt habe, obwohl er
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Selbständiger (Rechtsanwalt) sei. Er habe bei Vertragsbeginn ausdrücklich auf die
Gewährung eines Krankengeldes verzichtet, was der Erhebung des allgemeinen
Beitragssatzes entgegenstehe. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei § 248 Satz 1
des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) für ihn als freiwillig versichertes
Kassenmitglied nicht anwendbar. Dies ergebe sich bereits daraus, dass er am
14.06.2004 sein 65. Lebensjahr vollendet habe. Darüber hinaus ergebe sich aus der
Gesetzessymptomatik, dass § 248 SGB V nicht anwendbar sei. So habe § 240 Abs. 2
Satz 3 SGB V n. F. den 1. Absatz des § 243 SGB V ausdrücklich unberührt gelassen,
während er nur den 2. Absatz dieser Vorschrift für "entsprechend" anwendbar erklärt
habe. Somit gelte § 248 SGB V nicht für freiwillig Versicherte ohne
Krankengeldanspruch. Ausdrücklich bezieht sich der Kläger auf die Entscheidungen
des Bundessozialgerichts vom 26.06.1996 - 12 RK 1/95 - und - 12 RK 12/94 - sowie zur
Darlegung der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes auf das Urteil des BSG vom
07.05.2002 - B 1 KR 24/01 R -. Hinzu komme, dass ihm - anders als anderen
Versicherten - kein Anspruch auf einen Arbeitgeber-Zuschuss zustehe und er nach der
Entscheidung der Beklagten auch keinenAnspruch auf Zahlung von Krankengeld habe.
Soweit die Beklagte einerseits den vollen allgemeinen Beitragssatz zu Grunde lege und
andererseits einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld grundsätzlich negiere,
handele es sich um den "klassischen Selbstwiderspruch einer Behörde/Körperschaft
des öffentlichen Rechtes".
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
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1.unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 26.08.2004 in der
Änderungsfassung vom 30.08.2004 und in der Fassung des Widerspruchs- bescheides
vom 29.11.2004 die Beklagte zu verpflichten, die Erhöhung des
Krankenversicherungsbeitrags von 11,9 % auf 13,1 % ab dem 01.09.2004
zurückzunehmen, 2. unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 27.09.2004 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2004 die Beklagte zu
verpflichten, dem Kläger für die Arbeitsunfähigkeitszeit vom 22.09. bis 31.10.2004
Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort ausgeführten Gründen für
rechtmäßig.
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Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze
der Beteiligten, die Vorprozessakten des Sozialgerichts Düsseldorf und die
beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat weder einen Anspruch
auf eine über den 31.08.2004 hinausgehende Beitragsbemessung unter
Zugrundelegung des ermäßigten Beitragssatzes noch auf Zahlung von Krankengeld.
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I. Die Beklagte hat zu Recht mit den Bescheiden vom 26.08. und 30.04.2004 für die Zeit
ab 01.09.2004 die Beitragsbemessung unter Zugrundelegung des allgemeinen
Beitragssatzes vorgenommen.
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Der vom Kläger geltend gemachte "klassische Selbstwiderspruch einer
Behörde/Körperschaft des öffentlichen Rechts" ist aus den ausgeführten Gründen nicht
in einer rechtswidrigen Auslegung der gesetzlichen Vorschriften durch die Beklagte
begründet. Vielmehr hat der Gesetzgeber selber in den genannten Vorschriften (§§ 240,
247, 248, 50 SGB V) ausdrücklich geregelt, dass Bezieher von Versorgungsbezügen
(ebenso wie Rentner) einerseits keinen Anspruch auf Krankengeld haben, andererseits
zur Zahlung des allgemeinen und nicht des ermäßigten Beitragssatzes verpflichtet sind.
Dass die Beklagte insoweit die anzuwendenden Vorschriften zutreffend ausgelegt hat,
ergibt sich aus den Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinen Entscheidungen
vom 24.08.2005 - B 12 KR 29/04 R - und vom 10.05.2006 - B 12 KR 13/05 R -
(veröffentlicht in: www.bundessozialgericht.de, Stichwort: Entscheidungen). In diesen
Entscheidungen geht das Bundessozialgericht davon aus, dass Rentner den vollen
allgemeinen Beitragssatz leisten müssen und kein Krankengeld erhalten. Es setzt sich
mit diesem bereits im damaligen Verfahren vorgebrachten Umstand auseinander und
begründet seine Verfassungsmäßigkeit. Es weist unter anderem darauf hin, dass die
jetzt geltende Regelung sich hinsichtlich der Geltung des allgemeinen Beitragssatzes
als Fortsetzung seit jeher bestehender besonderer Beitragssatzregelungen für
Versicherungspflichtige sowohl für die Beiträge aus der Rente als auch aus den
Versorgungsbezügen darstellt. Dies stelle auch keine systemwidrige besondere Last
der Rentner und Versorgungsbezieher dar, der keine entsprechenden Leistungen
entsprächen. Dies wäre allenfalls zur erörtern, wenn die Beitragseinnahmen aus der
Gruppe der Rentner die Leistungsaufwendungen für die Rentner überstiegen. Davon
könne jedoch nicht ausgegangen werden. Auf die weiteren diesbezüglichen
Ausführungen des Bundessozialgerichts wird Bezug genommen.
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II. Die bezüglich des geltend gemachten Krankengeldanspruchs erteilten Bescheide der
Beklagten vom 27.09./29.11.2004 sind ebenfalls rechtsmäßig. Dem Kläger steht kein
Anspruch auf Krankengeldzahlung zu.
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Zunächst kann zur Begründung auf die oben zu dem vom Kläger geltend gemachten
Selbstwiderspruch gemachten Ausführungen Bezug genommen werden. Insbesondere
aus den bereits zitierten Ausführungen des Bundessozialgerichts ergibt sich, dass die
Beklagte insoweit die Vorschriften richtig ausgelegt und angewandt hat. Inwieweit die
vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des BSG vom 07.05.2002 - B 1 KR
24/01 R - hierzu in Widerspruch zu stehen scheint, kann unter Berücksichtigung der
zitierten jüngsten Entscheidungen des Bundessozialgerichts, denen vergleichbare Fälle
zu Grunde lagen, dahingestellt bleiben. Es kann dahingestellt bleiben, aus welchen
Gründen das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 07.05.2002 vom
Erfordernis eines konkreten Verdienstausfalls Abstand genommen hat. Es hat die
Gründe bzw. den sachlichen Zweck für diese Entscheidung nicht näher dargelegt.
Vorliegend wäre jedoch maßgeblich, dass der damalige Sachverhalt des Verfahrens B
1 KR 24/01 R sich mit dem jetzt zu entscheidenden nicht vergleichen lässt. Darüber
hinaus müsste vorliegend ein Krankengeldanspruch bereits daran scheitern, dass der
Kläger als selbständiger Anwalt keine positiven Einkünfte hatte. Damit wäre ein
Krankengeldanspruch jedenfalls nach Ermittlung der berechtigten Höhe abzulehnen,
selbst wenn ein Krankengeldanspruch dem Grunde nach anzunehmen wäre. Der Kläger
hatte zudem bei Abschluss seiner freiwilligen Versicherung die Versicherungsart mit
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ausgeschlossenem Krankengeldanspruch gewählt. Darüber hinaus ist unter
Berücksichtigung des Einkommens des Klägers, das er weit überwiegend, wenn nicht
gar ausschließlich, aus seinen Versorgungsbezügen bestreitet und allenfalls in zu
vernachlässigendem Umfang aus seiner selbständigen Tätigkeit, von einer lediglich
nebenberuflichen Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt auszugehen (vgl. LSG
Berlin, Urteil vom 4.9.1996 - L 9 KR 71/94 -; in: juris.de). Insoweit schließt sich die
Kammer den entsprechenden Ausführungen der 34. Kammer des Sozialgerichts
Düsseldorf in seinem Beschluss vom 01.08.2005 - S 34 KR 147/05 ER- an.
Zur weiteren Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die
Ausführungen des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschlusses
vom 05.10.2004 - S 0 KR 000/00 ER - und die zitierten Entscheidungen des
Bundessozialgerichts vom 10.05.2006 und 24.08.2005 (a.a.O.) Bezug genommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
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Unter Berücksichtigung der jüngst zur Frage des allgemeinen Beitragssatzes für
Rentner und Versorgungsbezieher ergangenen Entscheidungen des
Bundessozialgerichts bestand keine Veranlassung, die Sprungrevision zuzulassen. Des
Weiteren sind zu dieser Frage bereits mehrere Verfahren beim
Bundesverfassungsgericht anhängig: 1 BvR 702/06, 1BvR 902/06, 1 BvR 948/06, 1 BvR
2137/06, 1 BvR 2257/06.
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