Urteil des SozG Düsseldorf vom 14.04.2008

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Sozialgericht Düsseldorf, S 13 AL 284/05
Datum:
14.04.2008
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 13 AL 284/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 9 AL 37/08
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Beklagte wird in Abänderung des Bescheides vom 18.02.2005 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2005 verurteilt,
dem Kläger Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen
Bemessungentgelt in Höhe von 730 EUR zu gewähren Im übrigen wird
die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten
des Klägers zu 3/5.
Tatbestand:
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten höheres Arbeitslosengeld.
2
Der 1974 geborene Kläger meldete sich am 30.08.2004 bei der Beklagten arbeitslos
und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er gab an, seit dem 15.04.2004
bei der Firma C1 J GmbH beschäftigt gewesen zu sein. Dort habe er jedoch seit dem
15.04.2004 kein Arbeitsentgelt erhalten. Der Arbeitgeber sei zahlungsunfähig. Er legte
eine Arbeitsbescheinigung der Firma L und I GbR. vor, bei der er vom 01.07.2003 bis
14.04.2004 als Malergeselle beschäftigt war. Nach der Arbeitsbescheinigung hat er von
September 2003 bis zum 14.04.2004 insgesamt ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von
15.575,82 EUR erhalten. Für seine Beschäftigung bei der Firma C1 GmbH legte er
zunächst nur eine Anmeldung der IKK Nordrhein ab dem 01.05.2004 vor. Am
30.09.2004 legte er die Arbeitsbescheinigung der Firma C1 GmbH vor. Er erklärte bei
der Vorlage, diese sei inhaltlich falsch. Nach dem Inhalt der Arbeitsbescheinigung war
er dort vom 01.05.2004 bis 31.08.2004 als Vorarbeiter tätig. Vom 01.05.2004 bis
31.08.2004 habe er insgesamt Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe von 7.087,50 EUR
gehabt. Ab dem 01.07.2004 sei wegen eines Zahlungsausfalles der Auftraggeber kein
Arbeitsentgelt mehr gezahlt worden. Der Kläger legte zwei am 04.09.2004 erstellte
Abrechnungen für die Monate Juli und August 2004 vor. Die darin ausgewiesenen
Beträge stimmten mit der Arbeitsbescheinigung überein. Mit Schreiben vom 08.10.2004
forderte die Beklagte die Arbeitgeberin zu ergänzenden Angaben bezüglich der
Arbeitsbescheinigung auf. Eine Antwort erfolgte trotz Erinnerung nicht.
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Am 15.11.2004 hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht X Klage gegen die frühere
Arbeitgeberin die Firma C1 J GmbH wegen rückständigem Arbeitsentgeltes erhoben. Er
hat für die Zeit vom 16.04.2004 bis 31.08.2004 insgesamt einen Arbeitsentgeltanspruch
in Höhe von 28.072,50 EUR geltend gemacht. Dieser ergebe sich unter
Zugrundelegung des vereinbarten Stundenlohnes in Höhe von 15 EUR und insgesamt
geleisteter 1.871,50 Arbeitsstunden, die er für die einzelnen Tage des
Arbeitsverhältnisses aufgelistet hat. Durch Versäumnisurteil vom 22.12.2004 wurde die
Arbeitgeberin zur Zahlung des geltend gemachten Arbeitsentgeltes in Höhe von
28.072,50 EUR verurteilt (Arbeitsgericht X 7 Ca 4984/04).
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Mit Bescheid vom 18.02.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld nach
einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 490,56 EUR und der
Leistungsgruppe A erhöhter Leistungssatz in Höhe von 206,99 EUR wöchentlich ab
dem 01.09.2004. Mit Bescheid vom gleichen Tag setzte sie die Höhe der Leistung ab
dem 01.01.2005 auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgeltes in Höhe von
70,08 EUR auf täglich 30,12 EUR fest. Mit seinem Widerspruch gegen diese Bescheide
machte der Kläger geltend, er müsse Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld haben, da
sich aus einem arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteil ergebe, dass er in der Zeit vom
16.04.2004 bis Ende August 2004 insgesamt 1871,50 Stunden bei einem Stundenlohn
von 15 EUR brutto tätig war. Daraus ergebe sich ein wesentlich höheres
Bemessungsentgelt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 17.10.2005 zurück. Darin führte sie aus, dass der Kläger im Bemessungszeitraum
vom 01.09.2003 bis 31.08.2004 nach den vorgelegten Arbeitsbescheinigungen
insgesamt ein Arbeitsentgelt in Höhe von 22.663,32 EUR erzielt habe. Daraus ergebe
sich ein durchschnittliches wöchentliches Entgelt von gerundet 453,27 EUR.
Anhaltspunkte dafür, dass höheres Arbeitsentgelt nur wegen der Zahlungsunfähigkeit
des Arbeitgebers nicht zugeflossen sei lägen nicht vor. Da der Kläger innerhalb der
letzten drei Jahre vor der Entstehung des Leistungsanspruches Arbeitslosengeld nach
einem Bemessungsentgelt in Höhe von 490,56 EUR bezogen habe, sei dieses höhere
Bemessungsentgelt gemäß § 133 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden
Fassung der Leistungsbemessung zugrunde zu legen.
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Der Kläger hat am 31.10.2005 Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.10.2005
erhoben. Mit dieser macht er geltend, dass die Beklagte berücksichtigen müsse, dass er
bei seiner letzten Arbeitgeberin einen höheren Arbeitsentgeltanspruch gehabt habe, als
diese bescheinigt habe. Wegen der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin habe er das
ihm zustehende Arbeitsentgelt nicht erhalten.
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Aufgrund des am 06.09.2004 gestellten Insolvenzantrages der AOK Rheinland bestellte
das Amtsgericht X mit Beschluss vom 20.09.2004 einen vorläufigen Insolvenzverwalter
für die Firma C1 GmbH erlangt. Der Insolvenzantrag wurde durch Beschluss des
Amtsgerichtes X von 24.05.2006 mangels Masse abgewiesen (145 IN 725/04). Auf den
Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld gewährte die Beklagte dem Kläger mit
Bescheid vom 18.09.2006 Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 6.237,82 EUR für die
Zeit vom 01.06.2004 bis 31.08.2004. Da eine Insolvenzgeldbescheinigung von der
Firma C1 GmbH nicht zu erlangen war legte sie dabei die eigenen Angaben des
Klägers über seine Arbeitszeit und das zustehende Arbeitsentgelt entsprechend den
Angaben im arbeitsgerichtlichen Verfahren zugrunde. Dabei berücksichtigte sie
allerdings lediglich die nach dem Arbeitszeitgesetz zulässigen Arbeitsstunden. Der
Kläger beantragt schriftsätzlich,
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die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 18.02.2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 17.10.2005 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab dem
01.09.2004 unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes in Höhe
von 900 EUR zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, dass ein höheres Arbeitsentgelt nicht berücksichtigt werden
könne, da die Höhe des zustehenden Arbeitsentgeltes nicht unstreitig sei, sodass das
Arbeitsentgelt dem Kläger nicht allein wegen der Insolvenz der Arbeitgeberin nicht
zugeflossen ist.
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Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne
mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Leistungsakte des Klägers bei der Beklagten
(Stamm-Nr. 385A237141) der Insolvenzgeldakten der Beklagten und der Akte des
Arbeitsgerichtes X 7 Ca 4984/04 Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung
waren.
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Entscheidungsgründe:
14
Die Kammer konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung durch Urteil entscheiden (vgl. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -
SGG -).
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Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
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Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosgengeld nach einem
wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 730 EUR. Das Bemessungsentgelt ist
gemäß § 132 Abs. 1 SGB III das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die
Woche entfallende Entgelt. Entgelt, von dem Beiträge nicht zu erheben sind bleibt außer
Betracht. Der Bemessungszeitraum umfasst gemäß § 130 Abs. 1 SGB III in der hier
maßgeblichen bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung die
Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des
Anspruches, in dem versicherungspflicht, bestanden sind und beim Ausscheiden des
Arbeitslosen aus dem Versicherungsverhältnis vor der Entstehung des Anspruches
abgerechnet sind. Erst § 134 Abs. 1 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung ist für
Zeiten einer Beschäftigung als Entgelt nur das beitragspflichtige Arbeitsentgelt zu
berücksichtigen, das der Arbeitslose erzielt hat. Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose
beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt,
wenn sie zugeflossen sind oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht
zugeflossen sind. Nach Maßgabe dieser Vorschriften geht die Kammer davon aus, dass
für den Kläger in der Zeit vom 01.09.2003 bis 31.08.2004 insgesamt ein Arbeitsentgelt in
Höhe von 37.930,82 EUR zu berücksichtigen ist. Dieses errechnet sich wie folgt: In der
Zeit vom 01.09.2004 bis 14.04.2004 hat der Kläger nach der Arbeitsbescheinigung der
Firma L und I GBR unstreitig ein Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 15.575,82 EUR
erzielt; für April 2004 sind 1.755 EUR zu berücksichtigen; für die Zeit vom 01.05. bis
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31.08.2004 insgesamt ein Arbeitsentgelt in Höhe von 20.600 EUR (4 x Arbeitsentgelt in
Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze von 5.150 EUR). Daraus errechnet
sich ein wöchentliches Bemessungsentgelt in Höhe von 729,44 EUR (37.930,82 EUR:
52) welches auf 730 EUR zu runden ist.
Für die Beschäftigung bei der Firma C1 GmbH ist das Arbeitsentgelt in dieser Höhe
aufgrund der Vorschrift des § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III zu berücksichtigen, da es nur
wegen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen ist. Davon geht die
Kammer nach den gesamten Umständen und dem Akteninhalt aus. Die Beklagte
bestreitet dem Grunde nach die Angaben des Klägers zum vereinbarten Arbeitsentgelt
und zum Umfang der geleisteten Arbeitsstunden nicht, was sich aus dem Umstand
ergibt, das sie die eigenen Angaben des Klägers bei der Bewilligung des
Insolvenzgeldes zugrunde gelegt hat. Auch die Kammer sieht keine Veranlassung diese
Angaben des Klägers in Zweifel zu ziehen. Demgegenüber kommt den Angaben in der
Arbeitsbescheinigung des Firma C1 GmbH keine Bedeutung zu. Die
Arbeitsbescheinigung wurde zu einem Zeitpunkt erstellt, als bereits Insolvenzantrag
gestellt war und das Amtsgerichts bereits einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt
hatte. Diese ist offenbar vom ehemaligen Geschäftsführer C1 ausgestellt worden,
obwohl dieser im Insolvenzgeldverfahren gegenüber der Beklagten mehrfach
vorgetragen hat, er verfüge über keinerlei Informationen und sei bereits seit dem
09.09.2004 nicht mehr Geschäftsführer der Firma. Aus den im Insolvenzverfahren
erstellten Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters C2 vom 26.04.2006 geht
zudem hervor, dass bei der Firma keine ordnungsgemäße Buchführung erfolgte und das
Unterlagen nicht vorgelegt werden konnten, weil die Beteiligten jeweils wechselseitig
behaupteten, die Unterlagen übergeben bzw. nicht erhalten zu haben. Gegenüber dem
vorläufigen Insolvenzverwalter hat Herr C3 danach angegeben, er habe die
Geschäftsunterlagen vor Übertragung der Geschäftsanteile auf Herrn H am 09.09.2004
an diesen übergeben. Zudem hat Herr C3 gegenüber dem Insolvenzverwalter
angegeben, der Geschäftsbetrieb sei bereits seit dem 01.07.2004 eingestellt. Vor
diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage Herr C3 die
Angaben in der Arbeitsbescheinigung gemacht haben soll. Zumal die Unklarheiten in
der Arbeitsbescheinigung z. B. dass doppelt so hohe Arbeitsentgelt im August 2004 im
Vergleich zum Juli 2004 trotz mehrfacher Nachfrage seitens der Beklagten durch Herrn
C3 nicht aufgeklärt wurden. Die Kammer kann daher der Arbeitsbescheinigung und den
nach Betriebseinstellung Anfang September 2004 erstellten Abrechnungen für Juli und
August 2004 keine Bedeutung zumessen. Daraus kann auch nicht geschlossen werden,
dass seitens der Arbeitgeberin die Arbeitsentgeltansprüche des Klägers grundsätzlich
der Höhe nach bestritten wurden. Die Abrechnungen sind offenbar erst nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erstellt
worden. Ein substanziiertes bestreiten der Arbeitsentgeltansprüche des Klägers ist
durch die Firma C1 abgesehen von den Angaben in der Arbeitsbescheinigung weder im
Verfahren auf Gewährung von Arbeitslosengeld noch im Insolvenzgeldverfahren noch
im arbeitsgerichtlichen Verfahren erfolgt. Aus diesem Grunde geht die Kammer davon
aus, dass dem Kläger die Arbeitsentgeltsansprüche zustanden und ihm auch
zugeflossen wären, wenn die Firma C1 nicht insolvent geworden wäre. Die
Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III liegen damit vor.
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Die Beklagte war daher zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld nach einem
wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 730 EUR zu gewähren. Soweit der
Kläger ein darüber hinausgehendes höheres Bemessungsentgelt geltend gemacht hat,
war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG:
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