Urteil des SozG Düsseldorf vom 06.07.2006

SozG Düsseldorf: fristlose kündigung, abfindung, vorläufiger rechtsschutz, unterkunftskosten, hauptsache, form, wohnungsmiete, pfändung, aufteilung, verordnung

Sozialgericht Düsseldorf, S 43 (28) AS 137/06 ER
Datum:
06.07.2006
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
43. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 43 (28) AS 137/06 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
1 Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung
verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 01.04.2006 bis zum
31.07.2006 Arbeitlosengeld II in Höhe von insgesamt 734,02 EUR zu
bewilligen, nämlich 60,82 EUR für den Monat April 2006 sowie
monatlich 224,40 EUR für die Monate Mai bis Juli 2006; im übrigen wird
der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt 55 % der
erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin. 2. Der
Antragstellerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt S aus T gewährt, soweit ihr Antrag darauf gerichtet ist, die
Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
ihr Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 734,02 EUR zu
bewilligen, nämlich 60,82 EUR für den Monat April 2006 sowie
monatlich 224,40 EUR für die Monate Mai bis Juli 2006; für den darüber
hinausgehenden Antrag wird der Antrag auf Gewährung von
Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Gründe:
1
1.
2
Den wörtlichen Antrag der Antragstellerin,
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die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten,
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts seit dem 01.02.2006 in gesetzlicher
Höhe zu leisten,
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legt das Gericht aus als Antrag ,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr
Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 224,40 EUR für den Zeitraum 01.02. -
31.07.2006 zu bewilligen.
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Diese Auslegung ergibt sich aus einer Würdigung des gesamten Antragsvorbringens.
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Die Beschränkung des Antrags auf die Zeit bis zum 31.07.2006 ergibt sich daraus, dass
Grund für die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit
ab dem 01.02.2006 durch die Antragsgegnerin die Aufteilung eines von der
Antragstellerin im Februar 2006 erzielten Einkommens auf sechs Monate, also auf den
Zeitraum 01.02. - 31.07.2006 war. Es ist daher bei sachgerechter Betrachtung davon
auszugehen, dass der ohne ausdrückliches Enddatum gestellte Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung nicht über den 31.07.2006 hinaus gestellt sein soll, da die
Antragsgegnerin die Möglichkeit hat, für die Zeit ab dem 01.08.2006 einen neuen
Leistungsantrag bei der Antragsgegnerin zu stellen und es deshalb für diese Zeit an
einem Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Die ermittelte Höhe des
Anspruchsbegehrens ergibt sich aus dem sich aus dem Regelsatz nach § 20 Abs. 2
SGB II in Höhe von 345,00 EUR und den tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von
330,00 EUR zusammensetzenden Bedarf der Antragstellerin abzüglich des unstreitig
feststehenden Einkommen in Höhe von 450,60 EUR (Arbeitslosengeld).
Der so verstandene Antrag hat in dem tenorierten Umfang Erfolg.
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Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache
- auf Antrag - eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in
Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der geltend gemachte
Rechtsanspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz beantragt wird (Anordnungsanspruch)
und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V.
m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
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Dabei gilt das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache. Eine
Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur, wenn der Leistungsberechtigte eine
existenzielle Notlage glaubhaft macht, die ein sofortiges Handeln erfordert,
beispielsweise, wenn die Führung eines menschenwürdigen Lebens in Frage steht. Es
muss zur Vermeidung schlechthin unzumutbarer Folgen für den betreffenden
Antragsteller notwendig sein, dass das Gericht die begehrte einstweilige Anordnung
erlässt (vgl. LSG NRW, Beschlüsse vom 01.12.2005 - L 9 B 22/05 SO ER -, vom
02.05.2005 - L 19 B 7/05 SO ER -, und vom 20.04.2005 - L 19 B 2/05 AS ER -).
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Ein Anordnungsgrund als Ausdruck besonderer Eilbedürftigkeit der Durchsetzung des
Begehrens ist vorliegend nicht für die Monate Februar und März 2006, also die Monate
vor Antragstellung bei Gericht, glaubhaft gemacht. Eine zusprechende Entscheidung
kommt grundsätzlich erst ab dem Monat der Antragstellung bei Gericht in Betracht (vgl.
LSG NRW, Beschluss vom 20.04.2005, - L 19 B 2/05 AS ER -). Ungeachtet dessen sind
für diese Monate aber vor allem auch keine wesentlichen Nachteile ersichtlich, weil die
Antragstellerin in den Monaten Februar und März 2006 in der Lage war, ihren
notwendigsten Lebensunterhalt einschließlich der Zahlung der Unterkunftskosten
sicherzustellen. Ihrem eigenen Vorbringen nach war sie erst ab April 2006 nicht mehr in
der Lage, die Wohnungsmiete zu zahlen.
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Für die Monate April bis Juli 2006 ergibt sich ein Anordnungsgrund hingegen daraus,
dass die Antragstellerin seit April 2006 keine Wohnungsmiete mehr gezahlt hat und ihr
deshalb nunmehr nach einem Rückstand von mehr als zwei Monatsmieten, glaubhaft
gemacht durch das Schreiben ihrer Vermieterin vom 25. Mai 2006, der Verlust ihrer
Wohnung durch fristlose Kündigung droht.
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Ein Anordnungsanspruch für die Monate April bis Juli 2006 ist in dem tenorierten
Umfang glaubhaft gemacht.
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Nach § 19 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen
Kosten für Unterkunft und Heizung.
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Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist u.a. hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder
nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme
einer zumutbaren Arbeit 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen
sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von
Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
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Unmittelbar aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 SGB II ergibt sich, dass nicht jegliche
Mittel, insbesondere zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen, dazu führen,
dass eine Hilfebedürftigkeit zu verneinen ist. Entscheidend ist, dass der Betreffende aus
diesen Mitteln seinen Lebensunterhalt tatsächlich "sichern kann". Dies ist nur dann der
Fall, wenn die jeweiligen Mittel auch tatsächlich in der jeweiligen Situation gegenwärtig
zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen (sog. "bereite Mittel", vgl. zu § 11 Abs. 1
BSHG - ausführlich - BVerwG, 5. Senat, Urteil vom 15.12.1977 - V C 35.77 -, BVerwGE
55, 148-154 = BayVBl 1978, 281-283 = FEVS 26, 99-106).
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In Anwendung dieser Maßstäbe ist die erwerbsfähige Antragstellerin ist im tenorierten
Umfang hilfebedürftig i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II.
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Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob ein Anspruch der Antragstellerin im genannten
Zeitraum deshalb ausgeschlossen ist, weil dem Bedarf, der sich - soweit ersichtlich,
unstreig - auf 675,00 EUR (Regelsatz nach § 20 Abs. 2 SGB II in Höhe von 345,00 EUR
und den tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 330,00 EUR) bemisst, ein diesen
vollständig deckendes einsetzbares Einkommen als bereites Mittel gegenübersteht,
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Dies ist im Ergebnis nur zum Teil der Fall.
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Während des gesamten Zeitraums erhielt bzw. erhält die Klägerin Arbeitslosengeld in
Höhe von 450,60 EUR, mit dem sie bereits ihren überwiegenden Bedarf, nämlich den
gesamten vom Regelsatz erfassten Bedarf sowie einen Teil ihrer Unterkunftskosten
bestreiten konnte bzw. kann.
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Darüber hinaus erhielt die Antragstellerin im Februar 2006 eine Abfindung in Höhe von
4.000,00 EUR von ihrem ehemaligen Arbeitgeber.
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Soweit die Abfindung direkt gepfändet wurde, nämlich in Höhe von 2.404,40 EUR,
handelt es sich jedoch nicht um ein bereites Mittel, mit dem die Antragstellerin ihren
Lebensunterhalt sichern konnte: Dieser Teil der Abfindung stand der Antragstellerin bei
tatsächlicher Betrachtung nicht zur Verfügung, um ihren Lebensunterhalt
sicherzustellen. Er wurde aufgrund der erfolgten Pfändung direkt vom ehemaligen
Arbeitsgeber an das Vollstreckungsgericht abgeführt, ohne dass die Antragstellerin
Zugriff hierauf hatte. Auch nach der erfolgten Pfändung war eine Freigabe des
gepfändeten Betrages nicht mehr möglich, wie die Antragstellerin durch das Schreiben
des Amtsgerichts X vom 18.04.2006 glaubhaft gemacht hat (vgl. zur Frage gepfändetes
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Einkommen als bereite Mittel im Anwendungsbereich des BSHG BVerwG a.a.O.).
Bei den verbliebenen, nicht gepfändeten 1.595,60 EUR handelt es sich um Einkommen
i.S.d. §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 11 Abs. 1 SGB II. Einkommen ist alles das, was jemand in der
Bedarfszeit wertmäßig dazuerhält, also alle eingehenden Einnahmen, Zahlungen,
Zuflüsse, Zuwendungen und andere Leistungen, und zwar unabhängig von deren
jeweiliger Zweckbestimmung, und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat;
dabei ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich
wird ein anderer Zufluss bestimmt (normativer Zufluss) (vgl. zu § 76 BSHG BVerwG,
Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35.97 -, BVerwGE 108, 296 = NJW 1999, 3649 = FEVS 51,
4, vgl. zu § 11 SGB II SG Düsseldorf, Beschluss vom 08.02.2006 - S 28 AS 143/05 ER -
). Bei tatsächlicher Betrachtung floss der Antragstellerin dieser Teil der Abfindung im
Februar 2006 zu. In diesem Monat wurde der Anspruch auf die Auszahlung der
Abfindung durch die Antragstellerin in der Form realisiert, dass sie ihren ehemaligen
Arbeitgeber veranlasste, die Summe an Rechtsanwalt C in T auszuzahlen bzw. zu
überweisen. Dass das Geld nicht auf ein Konto der Antragstellerin überwiesen wurde
oder etwa in bar an sie ausgezahlt wurde, ändert an der rechtlichen Einstufung als
"Zufluss" und damit als Einkommen nichts: Die Antragstellerin hatte die volle
Verfügungsgewalt über diesen Teil der Abfindung, die Überweisung an Rechtsanwalt C
geschah allein auf ihre Veranlassung. Der vorliegende Fall ist nicht anders zu
beurteilen, als wenn die Antragstellerin das Geld zunächst auf ihr eigenes Konto hätte
überweisen lassen - und es ihr damit auch "sichtbar" zugeflossen wäre - und es direkt
im Anschluss selbst an Rechtsanwalt C weiterüberwiesen hätte.
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Vorliegend ist jedoch nicht auf den tatsächlichen Zufluss abzustellen, sondern normativ
wird durch § 2 Abs. 3 Sätze 1 und 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen
sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld
II/Sozialgeld (ALG II-VO) ein anderer Zuflusszeitraum bestimmt. Nach dieser Vorschrift
sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen
(Satz 1). Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung
angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem
entsprechenden Teilbetrag anzusetzen (Satz 3). Der verbliebene Teil der Abfindung war
als einmalige Einnahme also auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen. Die von
der Antragsgegnerin vorgenommene Aufteilung auf sechs Monate, also die Monate
Februar bis Juli 2006, begegnet rechtlich keinen Bedenken. In jedem dieser Monate
hatte bzw. hat die Antragstellerin also (normativ) ein Einkommen in Höhe von 265,93
EUR.
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Das Auseinanderfallen von tatsächlichem und normativem Zufluss führt jedoch
vorliegend dazu, dass dieses Einkommen der Antragstellerin nicht im gesamten
Sechsmonatszeitraum Februar bis Juli 2006 als bereites Mittel zur Bedarfsdeckung zur
Verfügung stand bzw. steht.
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Stellt man auf den tatsächlichen Zufluss ab, erscheint es undenkbar, dass Einkommen,
über das ein Hilfeempfänger frei verfügen kann und das nicht gepfändet oder auf andere
Weise seinem Zugriff entzogen ist, kein bereites Mittel ist und nicht zur Bedarfsdeckung
eingesetzt werden könnte. So auch im vorliegenden Fall: Im Monat des tatsächlichen
Zuflusses, dem Februar 2006, stand es der Antragstellerin frei, den nicht gepfändeten
Abfindungsteil zur Deckung ihres in diesem Monat bestehenden Bedarfs zu verwenden,
anstatt ihn an Rechtsanwalt C überweisen zu lassen.
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Für jeden nachfolgenden Monat ist das Einkommen aber nur dann ein zur
Bedarfsdeckung bereites Mittel, wenn es in dem jeweiligen Monat auch noch tatsächlich
zur Verfügung steht. Mit anderen Worten: Ein Hilfeempfänger "kann" nur dann seinen
Lebensunterhalt i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II aus eigenen Mitteln "sichern", wenn er im
jeweiligen Bedarfszeitraum noch Zugriff auf die jeweiligen Mittel hat. Mit bereits vorher
ausgegebenem Geld kann sich ein Hilfeempfänger weder Lebensmittel kaufen noch die
Miete bezahlen.
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Bei einem abweichend vom tatsächlichen Zufluss normativ auf mehrere Monate
verteilten Zufluss kann es also sein, dass Einkommen, welches normativ einem
bestimmten Monat zugeordnet wird, in diesem Monat nicht mehr als bereites Mittel zur
Bedarfsdeckung zur Verfügung steht, wenn es zuvor, als es tatsächlich schon verfügbar
war, bereits ausgegeben wurde. Ein solcher Fall kann nicht anders beurteilt werden als
ein Fall, in dem es um die Frage der Berücksichtigung von Vermögen geht: Hat ein
Hilfeempfänger in einem Monat ein hohes Vermögen, welches ausgereicht hätte, den
Bedarf zum Lebensunterhalt etwa für mehrere Jahre zu decken, verschleudert dieses
aber komplett, ist er im nächsten Monat bedürftig i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II. Zudem kann
für die Beurteilung der Frage der Hilfebedürftigkeit nicht allein entscheidend sein, ob ein
Einkommen, welches bei tatsächlicher Betrachtung in einem bestimmten Monat zufließt,
allein aufgrund normativer Betrachtung, nämlich aufgrund der Vorschriften der ALG II-
VO, auf nachfolgende Monate als Einkommen aufgeteilt wird oder ob es bei der
tatsächlichen Betrachtung bleibt, wonach dieses Einkommen in den nachfolgenden
Monaten, soweit noch vorhanden, Vermögen ist. § 2 Abs. 3 Sätze 1 und 3 ALG II-VO
regelt allein die normative Abgrenzung von Einkommen und Vermögen mit der
Auswirkung auf die Frage, inwieweit bestimmte Mittel den gesetzlichen
Vermögensfreibeträgen unterfallen oder nicht. Nicht geregelt wird jedoch durch die ALG
II-VO, ob es sich bei bestimmten Mitteln um "bereite Mittel", also zur Bedarfsdeckung
tatsächlich zur Verfügung stehende Mittel i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II handelt. Eine derartige
Regelung durch die ALG II-VO wäre im übrigen auch nicht durch die
Verordnungsermächtigung des § 13 SGB II gedeckt.
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Entscheidend ist zudem allein, dass jemand hilfebedürftig ist, nicht, aus welchem Grund
die Hilfebedürftigkeit herbeigeführt wurde. Leistungen nach dem SGB II werden
grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Ursache der Hilfebedürftigkeit geleistet, ein
Anspruch besteht auch bei schuldhaft herbeigeführter Hilfebedürftigkeit. (vgl. Conradis
in Münder (Hrsg.), Sozialgesetzbuch II, § 34 Randnr. 1). Deshalb ist es auch für die
Frage der Hilfebedürftigkeit unerheblich, wenn ein Hilfeempfänger seine
Hilfebedürftigkeit erst dadurch herbeiführt, dass er zunächst Schulden tilgt. Dass es
grundsätzlich nicht die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist, Schulden
von Hilfeempfängern zu übernehmen, steht hierzu nicht in Widerspruch. Konsequenzen
sind in solchen Fällen denkbar in Form von Ersatzansprüchen (§ 34 SGB II) oder
Leistungskürzungen (§§ 31f. SGB II).
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Im vorliegenden Fall stellt sich die Sachlage demnach wie folgt dar: Im Februar 2006
stand der Antragstellerin, wie bereits ausgeführt, der gesamte, nicht gepfändete Teil der
Abfindung in Höhe von 1595,60 EUR als bereites Mittel zur Verfügung. Nachdem diese
Summe an Rechtsanwalt C überwiesen worden war, behielt dieser hiervon 900,16 EUR
zur Begleichung einer offenen Forderung ein, was die Antragstellerin durch Vorlage
einer entsprechenden Rechnung mit dem Vermerk "dankend erhalten" glaubhaft
gemacht hat, und kehrte die Restsumme von 695,44 EUR nach deren eigenen Angaben
an die Antragstellerin aus. Das normative Einkommen in den Monaten Februar und
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März 2006 stand somit jeweils in voller Höhe (jeweils 265,93 EUR) als bereites Mittel
zur Verfügung, während für April 2006 nur noch 163,58 EUR als bereites Mittel
verblieben (insgesamt 695,44 EUR). Dass der Antragstellerin die Restsumme von
163,58 EUR im April 2006 tatsächlich nicht mehr zur Verfügung stand, hat sie nicht
glaubhaft gemacht. Insoweit besteht daher kein Anspruch der Antragstellerin. Von dem
nicht durch das bezogene Arbeitslosengeld gedeckten monatlichen Bedarf in Höhe von
224,40 EUR waren somit im April 2006 163,58 EUR gedeckt, so dass ein nicht
gedeckter Bedarf in Höhe von 60,82 EUR verblieb. Für die Monate Mai, Juni und Juli
2006 bestand bzw. besteht ein monatlicher, nicht durch das bezogene Arbeitslosengeld
als einziges bereites Mittel gedeckter Bedarf in Höhe von jeweils 224,40 EUR.
Dass der Antragstellerin in den Monaten April bis Juli 2006 keine weiteren bereiten
Mittel zur Verfügung standen, hat sie durch die vorgelegten Kontoauszüge glaubhaft
gemacht.
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Aufgrund der der Klägerin drohenden Gefahr des Verlusts ihrer Wohnung durch fristlose
Kündigung, welche eine schlechthin unzumutbare Folge darstellt, ist vorliegend eine
Vorwegnahme der Hauptsache in dem tenorierten Umfang gerechtfertigt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG analog und beruht darauf, dass
die Antragstellerin mit ihrem Begehren nur zu etwa 55 % durchgedrungen ist.
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2.
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Die Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe ergibt sich aus den
Gründen zu 1.
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