Urteil des SozG Düsseldorf vom 12.09.2007

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Sozialgericht Düsseldorf, S 26 R 204/07
Datum:
12.09.2007
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Gerichtsbescheid
Aktenzeichen:
S 26 R 204/07
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 3 R 221/07
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die
Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Der Kläger begehrt die Gewährung der ihm zustehenden Altersrente mit einem
Zugangsfaktor von 1,0, also ohne Abschläge für vorzeitige Inanspruchnahme einer
Altersrente.
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Der am 00.00.1945 geborene Kläger erhält auf seinen Antrag vom 22.01.2007 hin mit
dem angefochtenen Rentenbescheid vom 14.03.2007 Altersrente wegen
Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit, ab 01.05.2007. Bei der Berechnung der
Rente hat die Beklagte den Zugangsfaktor von 1,0 vermindert für jeden Kalendermonat,
für den die Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen wird, um 0,003. Für
eine Verminderung für 40 Kalendermonate hat die Beklagte somit einen Zugangsfaktor
von 0,880 zugrunde gelegt (Anlage 6 des Rentenbescheides).
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Gegen diesen Rentenbescheid hat der Kläger am 12.04.2007 Widerspruch eingelegt. Er
begründete ihn damit, dass alle Bürger gleich zu behandeln seien, auch
unterschiedlicher z. B. früherer Geburtsjahrgänge. Es sollte auch nicht nach Beamten
oder Angestellten im öffentlichen Dienst differenziert werden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück
und nahm Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Rentenbescheides. Danach sei die
Verminderung des Zugangsfaktors nicht zu beanstanden. Sie ergebe sich aus § 77 Abs.
2 Ziff. 2 Buchstabe b des Sozialgesetzbuchs VI. Da der Kläger das 65. Lebensjahr erst
im August 2010 vollenden werde, habe er Altersrente vorzeitig in Anspruch genommen,
sodass sich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ein geringerer
Zugangsfaktor ergebe.
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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 20.07.2007 Klage zum Sozialgericht
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Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung bezieht er sich erneut darauf, dass seiner Meinung nach alle Bürger
gleich behandelt werden müssten. Rentenkürzungen und Pensionskürzungen müssten
für alle Gruppen zum gleichen Zeitpunkt erfolgen. Das gelte ebenso für das
Renteneintrittsalter. Nach einem mehr als 47-jährigen Arbeitsleben sei er letztlich nicht
freiwillig in die Altersteilzeit gegangen, sondern dazu von seinem Arbeitgeber gedrängt
worden. Er werde nicht besser behandelt als andere Rentenberechtigte, die nicht einmal
unmittelbar in die deutsche Rentenkasse eingezahlt hätten.
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Der Klägerin beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
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die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14.03.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21.06.2007 zu verurteilen, die ihm ab dem 01.05.2007
zustehende Altersrente mit einem Zugangsfaktor von 1,0 zu berechnen und demzufolge
auszuzahlen ohne Abschläge wegen vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
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Das Gericht hat den Beteiligten mit Schreiben vom 15.08.2007 mitgeteilt zu
beabsichtigen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Es sei
voraussichtlich mit Abweisung der Klage zu rechnen, da schon mehrere Senate des
Bundessozialgerichts in diversen Entscheidungen zwischen 2004 und 2006 keine
verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Abschläge bei Altersrenten gehabt
hätten, jedenfalls nicht bei nach 1941 bzw. erst in 1945 geborenen Versicherten.
Diverse Urteile wurde in diesem Schreiben des Gerichts genannt.
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Der Kläger hat mitgeteilt, er sei nicht mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid
einverstanden. Erneut berufe er sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, der hier
seiner Meinung nach nicht gewahrt sei. Ein sachlich rechtfertigender Grund für eine
Rentenkürzung sei seiner Meinung nach nicht gegeben.
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Die Beklagte hat mitgeteilt, mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid
einverstanden zu sein.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den
Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht konnte gemäß § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch
Gerichtsbescheid entscheiden, nachdem die Beteiligten schriftlich angehört wurden,
und weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art
aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Allein das fehlende Einverständnis des Klägers
mit einem Gerichtsbescheid steht einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht
entgegen.
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Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der
Beklagten, nämlich der Rentenbescheid vom 14.03.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21.06.2007, sind nicht rechtswidrig und beschweren den
Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit den angefochtenen
Bescheiden zu Recht die Rente faktisch gekürzt hat durch Zugrundelegung eines
geringeren Zugangsfaktors wegen vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente vor
Erreichung des 65. Lebensjahres. Dem Begehren des Klägers nach einer
abschlagsfreien Rente war damit nicht zu entsprechen (§ 54 Abs. 4 SGG).
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Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß §
136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen
Bescheiden, erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe ab.
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Ergänzend führt das Gericht noch aus, dass die durch § 77 SGB VI angeordnete
Verringerung des Zugangsfaktors zur Überzeugung des Gerichts auch
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Denn wie bereits dem Kläger mitgeteilt
wurde, hat das Bundessozialgericht bereits durch mehrere Senate in diversen
Entscheidungen deutlich genug gemacht, dass es keine verfassungsrechtlichen
Bedenken hat hinsichtlich der Abschläge bei Altersrenten wegen vorzeitiger
Inanspruchnahme vor Vollendung des 65. Lebensjahres, jedenfalls dann nicht, wenn
Versicherte erst nach 1941 geboren sind bzw. wie der Kläger erst in 1945 geboren sind.
Denn die Versicherten des Geburtsjahrganges 1945 konnten sich, als das hier zur
Rentenkürzung führende Rentenreformgesetz 1999 vom 16.12.1997 zum 01.01.2000 in
Kraft trat (Bundesgesetzblatt I 1997, 2998) vor Inkrafttreten des Gesetzes noch darauf
einstellen, dass es für sie später zu Rentenabschlägen kommen würde, und
entsprechende Dispositionen treffen. Bedenken diesbezüglich hat selbst der 4. Senat
des Bundessozialgerichts nur gehabt bezüglich der vor 1942 geborenen Versicherten
(BSG mit Vorlagebeschluss vom 28.10.2004 - B 4 RA 3/03 R). Ansonsten ist es zur
Sicherung und Erhaltung der Finanzierbarkeit der Rentenversicherung anlässlich einer
immer älter werdenden Bevölkerung eine zulässige Anpassung gewesen, Renten vor
Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr ohne weiteres abschlagsfrei zu zahlen.
Dabei haben die bisherigen Entscheidungen des Bundessozialgerichts es dahingestellt
sein lassen, dass es einzelne Tätigkeitsgruppen geben mag, bei denen so noch nicht
verfahren wird; insoweit sind die Rentenversicherungssysteme und
Alterssicherungssysteme einfach zu unterschiedlich als dass man ohne weiteres zum
Beispiel Beamte und Angestellte gleichstellen könnte. Andererseits ist inzwischen auch
bei Beamten schon geplant, Pensionen nicht mehr mit Vollendung des 65.
Lebensjahres abschlagsfrei auszuzahlen. Soweit der Kläger sich darauf beruft, so
genannte "Nicht-Einzahler" würden auch nicht schlechter behandelt als er, ist darauf
hinzuweisen, dass er ihnen gegenüber jedenfalls nicht benachteiligt wird. Soweit
Spätaussiedler als Berechtigte nach dem Fremdrentengesetz nicht anders behandelt
werden als er, ist dieses systemimmanent angesichts der Eingliederung der wie
Deutsche angesehenen Gruppen. Wegen weiterer Entscheidungen des
Bundessozialgerichts zur Zulässigkeit von Rentenabschlägen wegen vorzeitiger
Inanspruchnahme einer Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres wird Bezug
genommen auf die dem Kläger bereits benannten Urteile vom 05.08.2004 - B 13 RJ
40/03 R; Urteil vom 25.02.2004 - B 5 RJ 44/02 R und Urteil des 13. Senats des
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Bundessozialgerichts vom 12.12.2006 - B 13 RJ 19/05 R. Die Rechtslage ist nach
alledem schon hinreichend höchstrichterlich geklärt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
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