Urteil des SozG Düsseldorf vom 25.02.2009

SozG Düsseldorf: grobe fahrlässigkeit, krankenkasse, anfang, rechtskraft, rechtsgrundsatz, versorgung, mahnkosten, form, mittäter, zwischenhändler

Sozialgericht Düsseldorf, S 2 KA 29/08
Datum:
25.02.2009
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 2 KA 29/08
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 11 KA 30/09
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von
53.533,13 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2006 zzgl. 1.761,08 EUR
vorgerichtlicher nicht anrechenbarer Anwaltsvergütung und 20,00 EUR
vorgerichtlicher Mahnkosten zu zahlen. Der Beklagte trägt die Kosten
des Verfahrens.
Tatbestand:
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Streitig ist ein Schadensersatzanspruch wegen der Aufwendungen für Zahnersatz-
Leistungen.
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Die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse.
Der Beklagte ist Zahnarzt und wurde 1989 zur vertragszahnärztlichen Versorgung im
Bereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Nordrhein zugelassen.
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Mit Urteil vom 30.08.2005 - 34 Kls 80 Js 429/03 - verurteilte das Landgericht (LG)
Duisburg den Beklagten wegen Betruges in 41 Fällen zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe
von 1 Jahr und 10 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach den gerichtlichen Feststellungen bezog der Beklagte für seine Praxis von der Fa.
H P-E-P D mbH (im Folgenden: Fa. H) Zahnersatz. Für die Geschäftsbeziehung galt ein
Rabattsystem, das er mit den Verantwortlichen dieses Unternehmens über einen
Außendienstmitarbeiter vereinbart hatte. Danach hatte der Beklagte die Rechnungen
der Fa. H, welche die vereinbarten Rabatte nicht auswiesen, in voller Höhe zu
bezahlen, erhielt aber nachträglich umsatzbezogene monatliche Rückvergütungen
("Kickbacks") in Höhe von 30 % bzw. 25 % der Nettobeträge oder sollte sie
absprachegemäß erhalten. Am Ende jedes Monats oder Anfang des Folgemonats ließ
der Beklagte von seinen Angestellten die Behandlungskosten mit der zuständigen KZV
Nordrhein und/oder - soweit es Eigenanteile oder Privatleistungen betraf - mit den
Patienten abrechnen und die Rechnungen der E zur Erstattung vorlegen. Dabei
verschwieg er die mit den Verantwortlichen der Fa. H vereinbarten Rückvergütungen.
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Die Sachbearbeiter der KZV Nordrhein und die Patienten, welche die Rechnungen
beglichen, gingen irrtümlich davon aus, dass der Beklagte die in den Rechnungen
angegebenen Preise für den Zahnersatz tatsächlich verauslagt hatte und er deshalb
Erstattung verlangen konnte. Sie bezahlten daher die geforderten Beträge. Mit Urteil
vom 16.11.2006 - 3 StR 204/06 - änderte der Bundesgerichtshof (BGH) dieses Urteil im
Schuldspruch teilweise dahin ab, dass der Beklagte in 36 der 41 Fälle des banden- und
gewerbsmäßigen Betruges schuldig war.
Mit Beschluss vom 15.03.2004 entzog ihm der Zulassungsausschuss wegen dieser
Falschabrechnung die vertragszahnärztliche Zulassung; der Berufungsausschuss
bestätigte diese Maßnahme mit Beschluss vom 09.11.2004. Rechts- mittel hiergegen
blieben in allen Instanzen erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2007
- S 19 KA 3/05 -; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom
28.05.2008 - L 11 KA 16/08 -; Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom
05.11.2008 - B 6 KA 59/08 B -).
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Die Klägerin macht nunmehr Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung
gegen den Beklagten geltend. Die KZV Nordrhein habe in Bezug auf den Beklagten
einen Gesamt-Kickback in Höhe von ca. 132.761,- EUR ermittelt, von dem ein Anteil in
Höhe von ca. 36.908,75 EUR auf die Klägerin entfalle. Diesen Anteil habe die KZV
Nordrhein aus laufenden Honoraransprüchen des Beklagten einbehalten und an die
Klägerin ausgezahlt. Ihr sei jedoch ein weitergehender, über die KZV Nordrhein nicht
ausgeglichener Schaden entstanden, nämlich der "Gewinnanteil", der auf die
handelnden Personen der Fa. H entfallen sei. Dieser Anteil sei gemäß § 830 BGB von
dem Beklagten in voller Höhe zu fordern. Dabei geht die Klägerin davon aus, dass sie
bei korrektem Abrechnungsverhalten des Beklagten nur die Preise nach den sog.
"Standardpreislisten" der Fa. H zu zahlen gehabt hätte. Stattdessen habe sie aufgrund
des kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Beklagten und den Verantwortlichen
der Fa. H die überhöhten Preise nach dem sog. "Komforttarif" bezahlt, obwohl die
Leistungen beider Tarife vollständig gleich gewesen seien und der "Komforttarif"
lediglich der Täuschung gedient habe. Ihre Forderung ergebe sich daher aus der
Differenz des BEL II-Gesamtbetrages zum Standard-Gesamtbetrag zzgl. des auf diese
Differenz entfallenden MWSt.-Betrages unter Abzug der Erstattung durch die KZV
Nordrhein. Durch die überhöhten Auszahlungen an den Beklagten sei ihr zudem ein
Schaden in Form eines entgangenen Gewinns aus Anlagezins oder in Form der
Zahlung entsprechender Kreditzinsen entstanden.
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Die Klägerin hat zunächst im Mahnverfahren dem Beklagten am 06.09.2006 einen
Mahnbescheid zugestellt. Das Landgericht Duisburg, welches nach
Rechtsmitteleinlegung als Prozessgericht zuständig geworden ist, hat mit Beschluss
vom 12.02.2008 - 1 O 484/06 - den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für
unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düs- seldorf verwiesen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 53.533,13 EUR zzgl.
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basis zinssatz seit dem
01.04.2006 zzgl. 1.761,08 EUR vorgerichtlicher nicht anre- chenbarer Anwaltsvergütung
und 20,00 EUR vorgerichtlicher Mahnkosten zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor, dem Klagebegehren liege ein teilweise unrichtiger Sachverhalt zugrunde.
Ihm seien zu keinem Zeitpunkt die verschiedenen Tarifmodelle der Fa. H erläutert
worden; eine Wahlmöglichkeit zwischen Standard- und Komfortarif habe es für ihn nicht
gegeben. Ebenso habe er keine Kenntnis über die Gewinnberechnung bzw.
Preiskalkulation auf Seiten der Fa. H gehabt. Die erwirtschafteten Gewinne der Fa. H
stellten keinen Schaden dar, den er aus unerlaubter Handlung zu ersetzen hätte. Aus
den strafgerichtlichen Feststellungen ergäben sich Anhaltspunkte für das Bestehen
eines gestörten Gesamtschuldverhältnisses, nachdem verschiedene Absprachen
zwischen geschädigten Krankenkassen und Verantwortlichen der Fa. H im Rahmen von
Täter-Opfer-Ausgleichsvereinbarungen im Jahre 2003 getroffen worden seien.
Hilfsweise erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die übrigen Inhalte der
Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Klägerin sowie insbesondere
der den Beteiligten bekannten Urteile des LSG NRW vom 28.05.2008 - L 11 KA 16/08 -,
des LG Duisburg vom 30.08.2005 - 34 Kls 80 Js 429/03 - und des BGH vom 16.11.2006
- 3 StR 204/06 -, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Leistungsklage ist begründet.
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Die Klägerin ist unmittelbar aktivlegitimiert, einen Schadensersatzanspruch gegen den
Beklagten geltend zu machen, ohne dass zuvor die Prüfgremien der gemeinsamen
Selbstverwaltung einen entsprechenden Schaden festzustellen hatten. Gemäß § 23
Abs. 1 Satz 2 des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte (BMV-Z) haben die
Prüfungseinrichtungen nach §§ 21, 22 BMV-Z (Prüfungsausschüsse/-stellen und
Beschwerdeausschüsse) auch den sonstigen Schaden festzustellen, den der
Kassenzahnarzt infolge schuldhafter Verletzung kassenzahnärztlicher Pflichten einer
Krankenkasse verursacht hat. Diese Vorschrift ist indes restriktiv dahin auszulegen,
dass den Prüfungseinrichtungen die Kompetenz zur Feststellung von "sonstigen
Schäden" nur innerhalb des Rechtszwecks der Gewährleistung einer wirtschaftlichen
Versorgung der Kranken zugewiesen worden ist (BSG, Urteil vom 16.10.1991 - 6 RKa
32/90 - zur Parallelvorschrift des § 38 Abs 3 des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä)).
Vorliegend geht es nicht um Ansprüche wegen einer Verletzung des
Wirtschaftlichkeitsgebotes im Sinne des § 106 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche
Krankenversicherung (SGB V), sondern um ihrer Art nach andere
Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von
55.533,13 EUR aus §§ 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), 263
Strafgesetzbuch (StGB), 830 BGB in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Nach
der letztgenannten Vorschrift gelten für die Rechtsbeziehungen zwischen den
Krankenkassen und ihren Verbänden zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten und
sonstigen Leistungserbringern im Übrigen die Vorschriften des BGB entsprechend,
soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten
der Beteiligten nach dem 4. Kapitel des SGB V vereinbar sind. Aus diesem Wortlaut
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ergibt sich, dass den Regelungen des SGB V der Vorrang zukommt und die Vorschriften
des BGB ergänzend herangezogen werden können, soweit die genannten
Rechtsbeziehungen nicht abschließend im SGB V geregelt sind (vgl. BSG, Urteile vom
28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R -; vom 29.11.2006 - B 6 KA 21/06 R -). Letzteres ist hier
nicht der Fall. Das öffentlich-rechtliche Gefüge des SGB V enthält jedenfalls keine
abschließenden Regelungen zur Schadensersatzpflicht mehrerer kollusiv
zusammenwirkender Beteiligter zu Lasten einer Krankenkasse. Es ist daher nicht nur
"vereinbar", sondern geradezu geboten, über die ergänzende Anwendung
entsprechender Bestimmungen des BGB mögliche Regelungslücken im SGB V zu
schließen.
Es liegen auch die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB,
830 BGB vor.
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Der BGH hat in seinem Urteil vom 16.11.2006 rechtskräftig festgestellt, dass sich der
Beklagte in 41 Fällen wegen Betruges (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB), davon in 36 Fällen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 5 StGB), strafbar gemacht
hat. Die hierdurch entfaltete Tatbestandswirkung bedeutet, dass außer den unmittelbar
Beteiligten auch alle anderen Behörden und Rechtsträger, Dritte und Gerichte die
Tatsache, dass die Entscheidung erlassen wurde und somit existiert, und ihren Inhalt als
gegeben und maßgeblich hinnehmen müssen und in diesem Sinne gebunden sind,
soweit die Rechtskraft der Entscheidung reicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl.
2005, § 121 Rdnr. 5; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 43 Rdnr. 16 ff.). Bereits
aufgrund dessen bedurfte es keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen der Kammer
zu den schadensersatzbegründenden Voraussetzungen. Soweit der Beklagte sich
dahin einlässt, eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Standard- und dem Komforttarif
habe es für ihn nicht gegeben, hat schon das LG Duisburg in seinem Strafurteil vom
30.08.2005 überzeugend dargelegt, angesichts dessen, dass der Beklagte seit 1997 bei
seinen Bestellungen stets den mit den Kickback-Zahlungen verbundenen Komfort-Tarif
gewählt habe und sich die anderen Tarifvarianten, deren Bestehen ihm seiner eigenen
Einlassung nach der Zeuge L mitgeteilt hätte, seiner eigenen Einlassung nach nicht
einmal habe erklären lassen, liege es auf der Hand, dass er die Absicht gehabt habe,
sich mit den Kickback-Zahlungen jedenfalls in der Zeit von Juni 1999 bis zum Auffliegen
der Fa. H eine dauerhafte Einnahmequelle zu sichern. Dem schließt sich die Kammer
an.
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Der entstandene Schaden besteht darin, dass die Klägerin nur zur Erstattung von
Kosten in solcher Höhe verpflichtet war, wie sie tatsächlich entstanden waren. Die
Kosten nach der BEL II-Liste stellen nur die maximal abrechnungsfähigen Höchstpreise
dar, die ein Dentallabor berechnen darf. Wie schon das LSG NRW in seinem Urteil vom
28.05.2008 - L 11 KA 16/08 - ausgeführt hat, ist für jedermann der allgemeine
Rechtsgrundsatz evident, dass als Aufwendungen geltend gemachte Beträge
tatsächlich entstanden sein müssen und Beträge, die man im Endergebnis nicht zu
tragen hat, auch nicht als Aufwendungsersatz erstattungsfähig sind. Dies ergibt sich
auch anhand der Regelungen u.a. des § 3 Abs. 1a RVO-Gesamtvertrag Nordrhein i.V.m.
§ 667 BGB. Das behauptete Verständnis des Beklagten, § 3 Abs. 1a RVO-
Gesamtvertrag Nordrhein beziehe sich nur auf unmittelbar von einem Labor gewährte
Rabatte u.ä., nicht aber auf Rabatte, die ein ggf. eingeschalteter Zwischenhändler
gewährt, erschließt sich schon nach offenkundigem Sinn und Zweck der Regelung
nicht. Dies gilt erst recht im Hinblick auf den o.a. allgemeinen Rechtsgrundsatz. Dem
Beklagten hatte damit die Verpflichtung oblegen, die ggf. nachträglich erhaltenen Rück-
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erstattungen an die Krankenkassen - und damit auch an die Klägerin - bzw. an seine
Patienten weiterzuleiten. Dies gilt ungeachtet dessen, dass es ihm auch oblegen hatte,
von Anfang an die mit H bzw. deren Außendienstmitarbeiter L getroffenen
Rabattvereinbarungen zu offenbaren, anstatt auf seinen Abrechnungen gegenüber der
KZV Nordrhein trotz Kenntnis der Rabattvereinbarung und darauf beruhender
nachträglicher Rückvergütungen zu bestätigen, nur tatsächlich angefallene Kosten in
Rechnung gestellt zu haben.
Der Beklagte ist daher im Sinne der §§ 823, 830 BGB Mittäter einer gemeinschaftlich
begangenen unerlaubten Handlung und damit für den gesamten Schaden
verantwortlich. Die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Vermögensschadens
ergibt sich aus der sog. Differenzhypothese. Danach stellt der Schaden die
Wertdifferenz zwischen der tatsächlichen, durch das schädigende Ereignis (mit-
)geschaffenen, und der hypothetischen Vermögenslage dar, die bestünde, wenn das
schädigende Ereignis hinweggedacht wird (st. Rspr. des BGH). Bei rechtmäßigen
Abrechnungsverhalten des Beklagten wären sowohl die ihm zugeflossenen "Kickback"-
Rabatte als auch die Gewinnanteile für die Verantwortlichen der Fa. H nicht entstanden.
Die Höhe des Schadens ist von dem Beklagten nicht bestritten worden; sie ergibt sich
im Detail aus den zutreffenden Berechnungen der Klägerin und den Nachweisen im
Anlagenkonvolut K 9. Die Haftung des Beklagten aus § 830 BGB entfällt nicht unter dem
Gesichtspunkt eines möglicherweise gestörten Gesamtschuldverhältnisses. An
möglichen Vereinbarungen zum Täter-Opfer-Ausgleich war jedenfalls die klagende B
S/I nicht beteiligt.
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Soweit die Klägerin entgangene Anlage- bzw. aufgewendete Kreditzinsen geltend
macht, entspricht es der Lebenserfahrung, dass bei einer gesetzlichen Krankenkasse
wie der Klägerin überschüssige Gelder als Tagesgelder angelegt bzw. fehlende als
Kredit aufgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 13.03.1997 - 12 RK 11/96 -).
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Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verjährt.
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Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt
gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem (1) der Anspruch
entstanden ist und (2) der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen
und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit
erlangen müsste.
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Positive Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des
Beklagten hatte die Klägerin erst in der zweiten Jahreshälfte 2003 im Rahmen der
gegen H geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (StA Wuppertal - 80 Js 29/03 -
). In diesem Verfahren wurde u.a. eine Datenbank sichergestellt, nach der auch der
Beklagte Rabattzahlungen von H erhalten hatte. Dies wurde von dem Geschäftsführer
von H, P2 K N, bei seiner Aussage vor dem Amtsgericht Essen - 44 Gs 1867/03 - am
22.10.2003 bestätigt. Auch der Beklagte selbst hatte bei seiner Vernehmung vor dem
Amtsgericht Wuppertal am 23.09.2003 - 8 (A) Gs 737/03 - und bei der Vernehmung vor
der Kreispolizeibehörde Essen am 29.10.2003 Kickback-Rabatte von H eingeräumt. Die
Verjährung begann danach zum Ende des Jahres 2003.
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Dass die AOK-Landesdirektion O bereits im August 2001 Strafanzeige gegen H erstattet
hatte, ohne allerdings ihren Erkenntnisstand an andere Krankenkassen weitergegeben
zu haben, und dass die mediale Präsenz der Durchsuchungen der Fa. H im November
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2002 der Klägerin möglicherweise nicht entgangen ist, verlegt den Verjährungsbeginn
nicht vor. Grob fahrlässige Unkenntnis von der Person des Gläubigers ist nur zu
bejahen, wenn der Gläubiger es in ungewöhnlich sorgfaltswidriger Weise versäumt, die
zur Durchsetzung seines Anspruchs erforderlichen Informationen zu beschaffen oder zur
Kenntnis zu nehmen (BGHZ 133, 138; 134, 346; BGH NJW 2001, 2536).
Gegebenheiten dieser Art liegen hier nicht vor. Die Klägerin durfte berechtigterweise
erst Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens abwarten, aus denen sich
herauskristallisierte, welche Zahnärzte in welchem Umfang in den H-
Abrechnungsbetrug involviert waren.
Die somit bis zum Jahresende 2006 reichende Verjährung wurde durch Zustellung
eines Mahnbescheides an den Beklagten im Mahnverfahren am 06.09.2006 gemäß §
204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt. Da das Verfahren durchgängig betrieben wurde (§ 204
Abs. 2 Satz 2 BGB), endet die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen
Entscheidung des eingeleiteten Verfahrens (§ 203 Abs. 2 Satz 1 BGB), d.h. dieses
Rechtsstreits. Ob und inwiefern zwischen den Beteiligten Anfang des Jahres 2006
Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände
geschwebt haben (§ 203 BGB), ist angesichts dessen unerheblich.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus der entsprechenden Anwendung der §§ 280, 286,
291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R -).
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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