Urteil des SozG Düsseldorf vom 28.07.2006

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Sozialgericht Düsseldorf, S 25 AL 40/05
Datum:
28.07.2006
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 25 AL 40/05
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1.Der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 12.11.2004 in der
Gestalt des Änderungsbescheids vom 14.01.2005 in Form des
Widerspruchsbescheids vom 25.01.2005 wird abgeändert und die
Beklagte wird verurteilt, die noch ausstehenden
Versicherungsansprüche gemäß dem Abhilfebescheid vom 01.12.2004
anzuerkennen. 2.Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des
Klägers.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über den Versicherungsbeginn.
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Der Kläger stand in einem Beschäftigungsverhältnis, das mit Kündigung vom
17.08.2004 zum 31.12.2004 gekündigt wurde. Der Kläger meldete sich am 17.08.2004
dann auch bei der Beklagte. Mit Schreiben vom 28.09.2004 unterbreitete die Beklagte
dem Kläger sogar ein Arbeitsangebot bei der Firma U N F-und J als Sales engineer. Am
11.10.2004 fand ein Termin vor dem Arbeitsgericht statt; bei dem das Arbeitsverhältnis
des Klägers zu seinem ehemaligen Arbeitgeber bereits zum 30.09.2004 beendet wurde.
Am 25.10.2004 meldete sich der Kläger dann arbeitslos und beantragte
Arbeitslosengeld.
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Mit Bescheid vom 12.11.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger dann zwar
Arbeitslosengeld, aber erst für die Zeit ab dem 25.10.2004. Hiergegen legte der Kläger
mit Datum vom 17.11.2004 Widerspruch ein. Mit Abhilfebescheid vom 02.12.2004 wurde
dem Widerspruch zunächst in vollem Umfange entsprochen. Nach dem Abhilfebescheid
erhielt der Kläger jedoch keinen geänderten Bewilligungsbescheid sondern lediglich
korrigierte Leistungsnachweise. Nach entsprechenden Eingaben erließ die Beklagte
dann einen Änderungsbescheid vom 14.01.2005, der den Abhilfebescheid aufhob und
den Ausgangsbewilligungsbescheid wieder aufleben ließ. Hiergegen legte der Kläger
erneut Widerspruch ein, den die Widerspruchsstelle mit Widerspruchsbescheid vom
25.01.2005 als unbegründet zurückwies. Der Kläger habe sich erst am 25.10.2004
arbeitslos gemeldet; erst ab diesem Zeitpunkt stehe dem Kläger daher ein Anspruch auf
Leistungen zu.
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Mit seiner Klage vom 30.01.2005, beim Sozialgericht Düsseldorf eingegangen am
02.02.2005, verfolgt der Kläger weiterhin sein Begehren, Leistungen bereits ab dem
01.10.2004 zu erhalten.
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Der Kläger behauptet, er habe mit dem Sachbearbeiter Herrn T gesprochen, der ihm
erklärt habe, alle notwendigen Schritte für die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld
seien erfüllt. Ihm habe Herrn T auch erklärt, die Meldung am 17.08.2004 reiche aus.
Dies habe auch Herr M so bestätigt.
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Er ist der Ansicht, er habe sich am bereits am 17.08.2004 bei der Beklagte arbeitslos
gemeldet und alle notwendigen Unterlagen beigebracht. Es dürfe nicht zwischen
arbeitssuchend Meldung und Arbeitslosmeldung unterschieden werden. Die Meldung
gemäß § 37b SGB III und die Meldung gemäß § 122 SGB III seien inhaltsgleich in den
Augen des nicht geschulten Versicherten. Der Laie könne den Unterschied nicht
erkennen und könne daher auch nicht erkennen, dass eine zweite Meldung als
arbeitslos überhaupt erforderlich sei. Daher enthalte die Meldung am 17.08.2004 auch
die Arbeitslosmeldung. Die Beklagte habe auch ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen
Aufklärung verletzt. Es müsse daher mindestens ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt
des sozialrechtlichen Wiederherstellungsanspruch angenommen werden.
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Der Kläger beantragt,
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der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 12.11.2004 in Gestalt des
Änderungsbescheids vom 14.01.2005 in Form des Widerspruchsbescheides vom
25.01.2005 wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, die noch ausstehenden
Versicherungsansprüche gemäß dem Abhilfebescheid vom 01.12.2004 anzuerkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, der Mitarbeiter T habe den Kläger darauf hingewiesen, der
Kläger habe sich mit der Vorstellung vom 17.08.2004 lediglich arbeitssuchend im Sinne
von § 37b SGB III gemeldet, er sein aber ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß
die Arbeitslosmeldung wegen der drei Monatsfrist noch nicht erfolgt und daher später
nachzuholen sei.
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Sie ist der Ansicht, im Gespräch vom 17.08.2004 läge folglich keine Arbeitslosmeldung.
Der Kläger habe sich nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2004
dann erst am 25.10.2004 arbeitslos gemeldet. Ein sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch sei nicht zu begründen, da keine Beratungspflicht verletzen
worden sei, der Kläger sei anlässlich der Arbeitssuchemeldung auf das Erfordernis der
persönlichen Arbeitslosmeldung hingewiesen worden.
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Die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Kd.-Nr. 000A000000) lag
vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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I. Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist im Übrigen auch zulässig
und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 IV SGG
statthaft.
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II. Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des
Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten im
Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Bescheide sind daher aufzuheben.
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1. Dem Kläger steht auch für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.2004
bis 24.10.2004 ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu. Die Anspruchsvoraussetzungen
auf Arbeitslosengeld im Sinne des § 117 Absatz 1 SGB III sind erfüllt.
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a. Durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich, mit dem das Beschäftigungsverhältnis des
Klägers bereits zum 30.09.2004 beendet wurde, trat die Arbeitslosigkeit im Sinne des §
117 Absatz 1 Nummer 1 SGB III in Verbindung mit § 118 Absatz 1 SGB III am
01.10.2004 ein.
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b. Der Kläger hat auch unstreitig die Anwartschaftszeit gemäß § 123 SGB III erfüllt.
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c. Auch hat der Kläger sich im Sinne des § 117 Absatz 1 Nummer 2 SGB III in
Verbindung mit § 122 Absatz 1 Satz 2 SGB III nicht erst - wie von der Beklagten
unterstellt - am 25.10.2004 erstmalig persönlich arbeitslos gemeldet, sondern bereits bei
seiner ersten persönlichen Vorsprache am 17.08.2004. Die persönliche
Arbeitslosmeldung nach §§ 117 Abs. 1 Nr. 2, 122 Abs. 1 S. 1 SGB III ist die bloße
(persönliche) Anzeige der Tatsache der bereits bestehenden oder drohenden
Beschäftigungslosigkeit. Eine persönliche Arbeitslosmeldung ist jedenfalls immer dann
anzunehmen, wenn durch persönliches Erscheinen des Arbeitslosen das
Leistungsverlangen oder das Vermittlungsbegehren bekundet wird. Diese Anforderung
erfüllt die persönliche Vorsprache des Klägers am 17.08.2004. Die Beklagte kann sich
nach Ansicht der Kammer auch nicht mit Erfolg auf § 122 Absatz 1 Satz 2 SGB III
berufen. Mit dieser Vorschrift erlaubt der Gesetzgeber eine ausdrücklich vorgezogene
Arbeitslosmeldung, zu deren Zeitpunkt die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten sein
muss. Dabei ist eine Meldung nach dem Wortlaut zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit
noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei
Monate zu erwarten ist. Es ist zwar zutreffend, dass der Kläger im persönlichen
Gespräch mit der Beklagten vom 17.08.2004 eine Kündigung des Arbeitgebers zu
Grunde legen musste, die ein Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses zum
31.12.2004 vorsah. Diese Situation zu Grunde gelegt, lag die Vorsprache des Klägers
am 17.08.2004 außerhalb des Drei – Monats - Zeitraums, den § 122 Absatz 1 Satz 2
SGB III als längst möglichen Zeitraum für eine vorgezogene Arbeitslosmeldung vorsieht.
Bei einem Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2004 wäre der
frühest mögliche Zeitpunkt für eine Arbeitslosmeldung innerhalb des Drei - Monats -
Zeitraums der 01.10.2004 gewesen.
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Nach Auffassung der Kammer ist aber der von § 122 Absatz 1 Satz 2 SGB III
vorgesehene Drei - Monats - Zeitraum aus verfassungsrechtlichen Überlegungen in
Anlehnung an die Regelung des § 37b SGB III auf einen Zeitraum von maximal sieben
Monaten auszudehnen. Die persönliche Vorsprache des Klägers am 17.8.2004 ist daher
auch als fristgemäße persönliche Arbeitslosmeldung auszulegen.
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Sinn und Zweck der Möglichkeit einer vorgezogenen Arbeitslosmeldung ist die
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möglichst frühzeitige Einbindung der Agenturen für Arbeit in den
Arbeitsvermittlungsprozess. Eben jenen Zweck verfolgt auch die hiervon abzugrenzen
persönliche arbeitssuchend Meldung im Sinne von § 37b SGB III. Beiden Normen liegt
in ihrer Zielrichtung im Umkehrschluss auch die Erfüllung des Anspruchs des von der
Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmers auf möglichst frühzeitige Arbeitsvermittlung zu
Grunde, um möglichst nahtlos nach Beendigung des einen Beschäftigungsverhältnisses
in ein weiteres Beschäftigungsverhältnis vermittelt zu werden. Dieser Anspruch ist nach
Ansicht der Kammer verfassungsrechtlich gesicherte Ausfluss aus Artikel 14 GG. Beim
Anspruch auf Arbeitslosengeld handelt es sich nicht um eine steuerfinanzierte Leistung,
sondern um eine echte Versicherungsleistung. Der Arbeitnehmer erwirtschaftet sich
seine Ansprüche – neben dem Leistungsbezug auch die Arbeitsvermittlung - durch die
Abführung seiner Sozialversicherungsbeiträge, die namentlich auch den Beitrag zur
Arbeitslosenversicherung beinhalten. Der Gesetzgeber sieht in § 37b Satz 1 SGB III
eine unverzüglich Meldeobliegenheit des von der Arbeitslosigkeit bedrohten
Arbeitnehmers vor, sobald er sichere Kenntnis von der Beendigung seines
Beschäftigungsverhältnisses erhält. Diese Meldeobliegenheit richtet sich bei
unbefristeten Arbeitsverhältnissen regelmäßig nach der Kündigung. Die Kündigungsfrist
unbefristete Arbeitsverhältnis regelt, soweit arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich nichts
anderes zwischen den Arbeitsvertragsparteien gilt, § 622 BGB. Die längste hier
vorgesehene Kündigungsfrist beträgt bei über zwanzigjährigen
Beschäftigungsverhältnissen sieben Monate.
Konnten sich Arbeitnehmer nach dem ursprünglich geltenden Recht vor der
Arbeitslosigkeit bei der Agentur für Arbeit persönlich arbeitslos melden, wenn der Eintritt
der Arbeitslosigkeit innerhalb der nächsten zwei Monate zu erwarten war, ist dieser
Zeitraum in der hier anzuwendenden Fassung des § 122 Absatz 1 Satz 2 SGB III vom
23. April 2004, gültig ab 1. Mai 2004 auf drei Monate angehoben worden. Dies dient der
Angleichung an die Regelung über die Verpflichtung zur frühzeitigen Arbeitssuche nach
§ 37b SGB III (hierauf weist zutreffend hin: Niesel - Brand, Kommentar zum SGB III, §
122 SGB III, Rdn. 3). Diese drei Monatsfrist sieht § 37b SGB III in Satz 2 jedoch nur für
befristete Arbeitsverhältnisse vor. Der Gesetzgeber hat daher die Angleichung des §
122 Absatz 1 Satz 2 SGB III an § 37b SGB III nur lückenhaft vollzogen und daher
gesetzeswidrig und in Verletzung der verfassungsrechtlich garantierten Ansprüche
gemäß Artikel 14 GG, die ein Arbeitnehmer im Rahmen dieses
Versicherungsverhältnisses erarbeitet hat, umgesetzt.
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Da beide Vorschriften dasselbe Ziel verfolgen und auch beide Meldungen tatsächlicher
Natur sind, da sie jeweils persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit
vorzunehmen sind, war die maximale Frist des § 37b Satz 1 SGB III von sieben Monaten
auch auf § 122 Absatz 1 Satz 2 SGB III aus verfassungsrechtlichen Überlegungen
heraus zu übertragen.
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Nach alldem war der Klage stattzugeben.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des
Rechtsstreits.
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