Urteil des SozG Düsseldorf vom 11.10.2005

SozG Düsseldorf: arbeitslosenhilfe, öffentlich, existenzminimum, höchstbetrag, zusicherung, altersrente, rechtsstaatsprinzip, arbeitslosenversicherung, eingriff, arbeitsmarkt

Sozialgericht Düsseldorf, S 29 (35) AS 28/05
Datum:
11.10.2005
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
29. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 29 (35) AS 28/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 19 AS 9/05
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 06.12.2004 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.205 verurteilt, dem
Kläger zusätzlich einen Betrag in Höhe von 160,- Euro monatlich für die
Monate Januar bis Mai 2005 und in Höhe von 125,34 Euro für den Monat
Juni 2005 zu gewähren. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die
Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende, Arbeitslosengeld II. Der 61-jährige Kläger ist
verheiratet. Seine Ehefrau bezieht eine Altersrente in Höhe von 404,02 Euro monatlich.
Gemeinsam zahlen sie monatlich an Miete, inklusive Heiz- und Nebenkosten, 357,-
Euro. Seit Oktober 2001 ist der Kläger arbeitslos. Er übt eine Nebentätigkeit aus, aus der
er 160,- Euro im Monat an Einkommen erzielt.
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Am 23.04.2003 gab er eine Erklärung zur Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld und
Arbeitslosenhilfe unter erleichterten Voraussetzungen ab. In dem Vordruck der
Bundesanstalt für Arbeit hieß es u.a., Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe könne er –
abweichend von den sonst geltenden Regeln – auch dann erhalten, wenn er keine
Beschäftigung mehr aufnehmen wolle. Zudem könne er sich länger außerhalb seines
Wohnortes aufhalten. Im Gegenzug verpflichte er sich, eine abschlagsfreie Rente zum
frühestmöglichen Zeitpunkt zu beantragen. Letzteres müsse er ohnehin, sobald er
Arbeitslosenhilfe beziehe. In diesem Fall ergebe sich also keine zusätzliche
Verpflichtung. In dem Vordruck hieß es weiter, erhalte der Unterzeichner z.B. wegen
Einkommen und Vermögen keine Arbeitslosenhilfe, möge er sich an seinen
Arbeitsvermittler wenden.
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Der Kläger bezog bis zum 17.06.2004 Arbeitslosengeld in Höhe von 32,18 Euro täglich.
Im Anschluss daran bezog er Arbeitslosenhilfe in Höhe von 194,32 Euro wöchentlich.
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Mit Bescheid vom 06.12.2004 wurden dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01. bis
31.05.2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von
monatlich 552,03 Euro bewilligt. Dies unter Berücksichtigung einer
Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau. Für den Zeitraum vom 01.06. bis 30.06.2005
wurden ihm Leistungen in Höhe von 517,37 Euro bewilligt. Seinem Bedarf in Höhe von
311,- Euro zuzüglich 178,50 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung stehe ein
bereinigtes Einkommen aus der Nebentätigkeit in Höhe von 97,47 Euro gegenüber.
Zusätzlich zu dem danach ungedeckten Bedarf werde dem Kläger ein befristeter
Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 160,- Euro monatlich für
Januar bis Mai 2005 und in Höhe von 125,34 Euro für Juni 2005 gewährt.
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Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Das SGB II sei zumindest in großen Teilen
verfassungswidrig. Die Regelleistung biete keine Mindestsicherung mehr, da anders als
bei früherer Sozialhilfe vom scheinbar erhöhten Betrag nunmehr auch für Notlagen
anzusparen sei. Danach sei das Existenzminimum nicht sichergestellt. Nach 46 Jahren
Beitragszahlung zur Arbeitslosenversicherung, bestehe ein durch Artikel 14
Grundgesetz (GG) geschützter Anspruch, denn er habe nicht unerhebliche
Eigenleistungen erbracht.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Die Agentur für Arbeit sei nach Artikel 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden,
damit auch an die Pauschalsätze des Gesetzgebers im SGB II.
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Am 00.00.0000 hat der Kläger Klage erhoben. Er begehrt auch nach dem 01.01.2005
Leistungen in Höhe der bisherigen Arbeitslosenhilfe zu erhalten. Er trägt vor, im April
2003 sei eine entsprechende Vereinbarung geschlossen worden. Diese habe die
verbindliche Zusage enthalten, Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe in ungekürzter
Höhe in Anspruch nehmen zu können, wofür dem Kläger im Gegenzug jedes
Vermittlungsangebot entzogen worden sei. Diese vertragliche Regelung gelte bis zum
Bezug von Altersrente. Der Kläger habe nach dem Rechtsstaatsprinzip auf die damals
geltende Höhe und den Bestand der Vorschriften vertrauen dürfen. Insbesondere, da die
Erklärung noch vor Verabschiedung des SGB II erfolgt sei. Zumindest faktisch sei jede
Arbeitsvermittlung eingestellt worden. Dies sei dem Kläger durch die bereits ausgeführte
finanzielle Sicherung "abgekauft" worden. Nunmehr stehe er als Langzeitarbeitsloser
mit nur noch geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt da. Aus Bestandsschutzgründen
hätte es für seinen Fall eine Übergangsvorschrift geben müssen. Er werde ungleich
behandelt mit denen, die eine entsprechende Erklärung abgegeben hätten und früher in
Rente hätten gehen können. Dies verstoße gegen Artikel 3 Abs. 2 GG. Zudem liege in
der Kürzung der Leistungen ein Eingriff in die Vertragsfreiheit. Seine erdienten
Ansprüche fielen unter den Eigentumsschutz des Artikels 14 GG. Mit den gewährten
Leistungen sei keine Bedarfsdeckung möglich, was gegen das in Artikel 20 GG
niedergelegte Sozialstaatsprinzip verstoße.
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Der Kläger beantragt,
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1. den Bescheid vom 06.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.01.2005 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 01.01.2005 an
Leistungen in Höhe von 194,32 Euro wöchentlich entsprechend Bewilligungsbescheid
vom 21.05.2004 zu bewilligen, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Monate
Januar bis Mai 2005 weitere Leistungen in Höhe von 160,- Euro monatlich und für den
Monat Juni 2005 in Höhe von 125,34 Euro zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, die Arbeitslosenhilfe sei zum 01.01.2005 weggefallen. Allerdings bleibe es
nach § 65 Abs. 4 SGB II dabei, dass der Kläger sich keine Arbeit suchen müsse. Zudem
gebe es bis zu zwei Jahre nach Auslauf des Arbeitslosengeldes einen Zuschlag nach §
24 SGB II. Dies belege, dass dem Gesetzgeber die Problematik des Übergangs von der
Arbeitslosenhilfe in die Grundsicherung für Arbeitsuchende bekannt gewesen sei.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die
beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Bundesagentur für Arbeit
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht hat – wegen der Nachfolge der Beklagten in die Funktion der
Bundesagentur für Arbeit –, das Rubrum von Amts wegen berichtigt.
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Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet. Dem Kläger
steht nach § 24 Abs. 1 und 2 i. V. m. Abs. 3 Nr. 2 SGB II für den Zeitraum Januar bis Juni
2005 ein befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld in der doppelten bisher
gewährten Höhe zu.
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Nach diesen Vorschriften erhält der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Zuschlag,
soweit er Arbeitslosengeld II innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezuges
von Arbeitslosengeld bezieht. Dieser Zuschlag beträgt 2/3 des Unterschiedsbetrages
zwischen dem von ihm zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld und den an ihn und die mit
ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen zu zahlenden Leistungen nach dem
SGB II. Nach Ablauf des ersten Jahres wird der Zuschlag halbiert. Im ersten Jahr ist der
Zuschlag bei Partnern auf insgesamt höchstens 320,- Euro begrenzt.
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Für den Kläger liegen für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 17.06.2005 die
Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschlages in Höhe von 320,- Euro
monatlich und für den Zeitraum vom 18.06. bis zum 30.06.2005 in Höhe von 160,- Euro
monatlich vor. Der erwerbsfähige Kläger ist hilfebedürftig gemäß § 9 Abs. 1 SGB II.
Denn seinen Lebensunterhalt kann er nur in der zutreffend nach § 11 SGB II ermittelten
Höhe aus seinem Nebeneinkommen bestreiten. Unabhängig davon, ob überhaupt eine
entsprechende Möglichkeit bestünde, ist er nach § 65 Abs. 4 SGB II auch nicht zu einer
weitergehenden Arbeitsaufnahme verpflichtet. Auch zu verwertendes Vermögen über
den Freibetragsgrenzen des § 12 SGB II liegt nicht vor. Das Einkommen seiner Ehefrau
ist ihm nicht anzurechnen. Zwar bildet er nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II mit dieser als
seiner nicht dauernd getrennt lebenden Ehegattin eine Bedarfsgemeinschaft, doch
genügt deren Rente nicht einmal, um ihren eigenen Bedarf vollständig zu decken.
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Der Bezug von Arbeitslosengeld ist in diesem Zeitraum auch noch keine zwei Jahre,
sondern vielmehr erst mit Ablauf des 17.06.2005 ein Jahr, her. Bis zum 17.06.2005 ist
der Zuschlag mit dem Höchstbetrag von 320,- Euro anzusetzen. Denn 2/3 der Differenz,
von 32,18 Euro täglichem Arbeitslosengeld zum dem Kläger gewährten
Arbeitslosengeld II (ohne Zuschlag) in Höhe von 392,03 Euro monatlich, liegen über
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diesem Höchstbetrag. Bei der Zuschlagsberechnung war nicht darauf abzustellen, ob
die Ehefrau des Klägers Rente bezieht oder nicht, da der Gesetzeswortlaut eindeutig
nur Leistungen nach dem SGB II in die Berechnung einfließen lässt. Als Höchstbetrag
war auf den Betrag bei Partnern von 320,- Euro und nicht nur auf den nach § 24 Abs. 3
Nr. 1 SGB II für erwerbsfähige Hilfebedürftige von 160,- Euro abzustellen. Die Ehefrau
des Klägers ist dessen Partnerin im Sinne des Gesetzes. Für den Bereich des SGB II
werden die Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II legal
definiert. Dies ist nach dem dortigen Buchstaben a) insbesondere der nicht dauernd
getrennt lebende Ehegatte. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass in § 7 Abs. 4
SGB II Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden für Bezieher von
Altersrenten. Hieraus folgt einzig, dass die Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf
Leistungen nach dem SGB II hat. Soweit ihre Altersrente zur Bedarfsdeckung nicht
genügt, ist sie auf Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII zu
verweisen. Der Zuschlag nach § 24 SGB II wird jedoch ausdrücklich dem
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gewährt und nicht, auch nicht hälftig, etwaigen
Partnern. Auch die systematische Stellung der Zuschlagsregelung im Unterabschnitt
Arbeitslosengeld II und nicht Sozialgeld spricht dafür. Arbeitslosengeld II wird nur den
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gewährt, Angehörige erhalten Sozialgeld. Die
Gewährung des erhöhten Zuschlages bei Partnern, unabhängig davon, ob auch beide
Leistungen nach dem SGB II erhalten, entspricht auch dem Sinn der Regelung des § 24
SGB II. Dieser soll finanzielle Härten abfedern, die entstehen können, wenn der Bezug
des entgeltbezogenen Arbeitslosengeldes endet und an seine Stelle das
bedarfsorientierte Arbeitslosengeld II auf Sozialhilfeniveau tritt (vgl. LPK-SGB II –
Brünner, § 24, Rdnr. 2). Dieser Abfederungsbedarf ist umso größer, je mehr Personen in
der Bedarfsgemeinschaft leben und bisher vom Arbeitslosengeld profitierten.
Dementsprechend ist die Höhe des Zuschlages in § 24 Abs. 3 SGB II danach gestaffelt,
ob eine Partnerschaft vorliegt und/oder Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben. Es
kann dahinstehen, ob eine größere Einzelfallgerechtigkeit dadurch bewirkt worden
wäre, wenn nicht allein zuletzt bezogenes Arbeitslosengeld und nunmehr gewährte
Leistungen nach dem SGB II einander gegenüber gestellt würden, sondern
Haushaltseinkommen vor und nach Schaffung des SGB II miteinander verglichen
worden wären. Denn der Gesetzgeber hat sich zur Verwaltungsvereinfachung bewusst
für den gesetzgewordenen pauschaleren Ansatz entschieden (vgl.
Bundestagsdrucksache 15/1516, Seite 58). Die Berücksichtigung der Ehefrau des
Klägers in dieser Berechnung ist auch schon allein deshalb gerechtfertigt, da für den
Fall, dass sie höheres Einkommen hätte, dieses beim Kläger in Abzug gebracht werden
würde, im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft. Eine Berücksichtigung des Partners
ausschließlich zu Lasten und nicht auch zugunsten des Hilfebedürftigen ergibt sich aus
dem Gesetz nicht.
Der für den Monat Juni 2005 insgesamt zu zahlende Zuschlag von 250,68 Euro ergibt
sich daraus, dass nur für die ersten 17 Tage vom erhöhten Zuschlag auszugehen ist und
für die folgenden 13 Tage nur noch vom Zuschlag in der halben Höhe, da ab dem
18.06.2005 mehr als ein Jahr seit dem letzten Bezug von Arbeitslosengeld vergangen
ist. Von den ermittelten Zuschlagsbeträgen waren jeweils die tatsächlich bereits
erbrachten Zuschlagszahlungen für die Monate Januar bis Juni 2005 abzuziehen.
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Höhere Leistungen, dem Betrag nach der bisherigen Arbeitslosenhilfe in Höhe von
194,32 Euro wöchentlich entsprechend, stehen dem Kläger nicht zu. Die Bestimmungen
über die Arbeitslosenhilfe nach den §§ 190 ff. Sozialgesetzbuch 3. Teil sind für die Zeit
ab dem 01.01.2005 weggefallen, nach dem 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am
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Arbeitsmarkt. Im Rahmen des nunmehr geltenden SGB II sind dem Kläger keine
höheren Leistungen zu gewähren.
In der Vereinbarung vom 23.04.2003 ist weder ein öffentlich-rechtlicher Vertrag noch
eine Zusicherung zu sehen. Auszugehen ist vom Wortlaut des Erklärungsvordrucks,
denn sowohl ein öffentlich-rechtlicher Vertrag als auch eine Zusicherung bedürfen zu
ihrer Wirksamkeit nach § 56 i. V. m. § 58 Abs. 1 SGB X und § 125 BGB bzw. nach § 34
Abs. 1 SGB X der Schriftform.
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Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag scheitert schon daran, dass nicht ersichtlich ist,
inwiefern wechselseitige Willenserklärungen ausgetauscht worden sein sollten. Es
handelt sich um eine bloß einseitige Erklärung, die nur vom Kläger unterschrieben
wurde. Die Bundesagentur für Arbeit hat in dem Vordruck keine weitergehenden
Regelungen vorgesehen, als die sich unmittelbar aus § 428 SGB III ergebenden.
Irgendwelche spezifisch auf den Fall des Klägers bezogenen Abreden sind nicht
erkennbar. Insbesondere eine Regelung bezüglich der künftigen Leistungshöhe,
dahingehend, dass diese in der bisherigen Höhe bzw. der Höhe nach den bisherigen
Vorschriften garantiert wird, ist nicht ersichtlich. Schon in dem Begriff erleichterte
Voraussetzungen wird deutlich, dass für den Leistungsbezug weiterhin
Voraussetzungen zu erfüllen sind. Zudem wird ausdrücklich darauf hingewiesen,
welche Voraussetzungen nicht mehr vorliegen müssen. Der Kläger muss sich nicht
mehr um die Aufnahme einer neuen Beschäftigung bemühen und zur
Beschäftigungsaufnahme sogar nicht einmal mehr bereit sein. Zudem werden ihm
längere Aufenthalte außerhalb seines Wohnortes gestattet. Die weiteren Hinweise im
Erklärungsvordruck sind bloße Auskünfte und keine verbindlichen Regelungen. Im
übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass diese falsch wären. Es wird vielmehr klargestellt,
dass sonstige Voraussetzungen eines Leistungsbezuges vorliegen müssen.
Insbesondere wird schließlich darauf hingewiesen, dass es durchaus denkbar ist, dass
den Vordruck Unterzeichnende später – wegen Einkommens oder Vermögens – keinen
Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben könnten. Zudem wäre ein öffentlich-rechtlicher
Vertrag nach § 53 Abs. 2 SGB X hier unzulässig gewesen. Denn Arbeitslosengeld und
Arbeitslosenhilfe stellten Leistungen dar, auf die ein Anspruch bestand, ohne dass der
Bundesagentur für Arbeit diesbezüglich ein Ermessen zustand. Mangels
Vertragsschlusses ist ein vom Kläger vorgetragener Eingriff in die Vertragsfreiheit durch
die jetzige Leistungsgewährung gar nicht denkbar.
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Eine Zusicherung scheidet schon deshalb aus, da nach den obigen Ausführungen die
Bundesagentur für Arbeit keine eigene Erklärung abgegeben hat, sondern nur der
Kläger. Hierfür bediente er sich lediglich eines Vordrucks der Behörde.
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Nur der Vollständigkeit halber weist das Gericht darauf hin, dass der Kläger wohl auch
kaum ein Festhalten an den gesetzlichen Bestimmungen im Zeitpunkt der Erklärung
akzeptiert hätte, falls im Nachhinein – anders als tatsächlich geschehen – das Niveau
der Leistungen für Arbeitsuchende erhöht worden wäre. Im übrigen ist auch kein
Nachteil für den Kläger dadurch ersichtlich, dass er die Erklärung unterschrieb. Der
Vorteil, dass er sich nicht um Arbeit bemühen muss und sich länger als andere
Arbeitsuchende außerhalb seines Wohnortes aufhalten darf, gilt nach § 65 Abs. 4 SGB II
i. V. m. § 428 SGB III weiter. Dieser ist ihm auch schon seit Jahren gewährt worden.
Sollte er hingegen wieder vermittelt werden wollen, steht es ihm frei, entsprechende
Bemühungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen (vgl. Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Freiburg vom 12. August 2005, AZ: S 9 AS 1048/05).
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Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Ersetzung der Arbeitslosenhilfe durch
die Regelung des SGB II, teilt das Gericht nicht. Im Bereich der Höhe von
Sozialleistungen steht dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zu. Er ist nur an die
Vorgabe des Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz gebunden, nämlich das
Existenzminimum sicherzustellen. Diese Mindestvoraussetzung erfüllt das SGB II. Denn
bei den Kosten der Unterkunft werden individuelle Besonderheiten in gewissem
Rahmen berücksichtigt und die Lebenshaltungskosten enthalten nicht nur den zum
biologischen Überleben erforderlichen Bedarf an Lebensmitteln, sondern auch begrenzt
Beträge für die Wahrnehmung von kulturellen Möglichkeiten, Kontaktpflege und
sonstigen Bestandteilen eines menschenwürdigen Lebens. Insbesondere im Falle des
Klägers ist nicht ersichtlich, dass er mit den gewährten Leistungen kein
menschenwürdiges Leben führen können sollte. Erhält er doch zusätzlich zu den das
Existenzminimum sichernden Leistungen des SGB II noch den Zuschlag, der ihm
erheblich mehr Freiheiten in der Gestaltung seines Lebens eröffnet, als anderen
Leistungsbeziehern. Auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Grundgesetz kann sich der
Kläger nicht berufen. Denn schon vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II, erhielt er
Arbeitslosenhilfe. Letztere ist anders als das Arbeitslosengeld steuerfinanziert und setzt
Bedürftigkeit voraus. Es handelt sich gerade um keine erdiente Leistung (vgl. Urteil des
Bundessozialgerichts vom 04.09.2003, AZ: 11 AL 15/03 R). Auch die aus dem
Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Grundgesetz hergeleiteten Aspekte des Vertrauens und
Bestandsschutzes sind nicht verletzt. Gerade durch den auch dem Kläger gewährten
Zuschlag nach § 24 SGB II wurde eine Übergangsregelung geschaffen. Diese
berücksichtigt in vertretbarem Maße den vorherigen Arbeitslosengeldbezug und damit
die Beitragszahlungen des Klägers an die Arbeitslosenversicherung. Insbesondere aber
wird - wie bereits ausgeführt - die Regelung des § 428 SGB III in vollem Umfang für den
Kläger fortgeführt. Auch eine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung im Sinne des Art.
3 Grundgesetz ist nicht erkennbar. Dem Gesetzgeber sind Wechsel im System gestattet.
Es kann nicht jeder Leistungsbezieher verlangen, so gestellt zu werden, wie die
Leistungsbezieher vor einer Gesetzesänderung standen. Im Falle des Klägers drohte
vielmehr umgekehrt eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mit den über 58-
jährigen Arbeitslosen, die nicht eine Erklärung im Sinne des § 428 SGB III abgegeben
hatten, falls der Kläger - anders als diese - weiter Leistungen in Höhe der vorher
gezahlten Arbeitslosenhilfe erhalten sollte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz. Der
vom Kläger hilfsweise gestellte Antrag hatte hier keine weitere Bedeutung. Er war
bereits vom Hauptantrag zu 2) umfasst. Von den darin beantragten höheren Leistungen
hat die Beklagte etwa die Hälfte zu gewähren.
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