Urteil des SozG Düsseldorf vom 20.03.2007

SozG Düsseldorf: firma, berufskrankheit, tod, witwe, unternehmen, benzin, belastung, wahrscheinlichkeit, sicherheit, kausalität

Sozialgericht Düsseldorf, S 16 U 124/04
Datum:
20.03.2007
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 16 U 124/04
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 17 U 91/07
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Die Klägerin, die Hinterbliebenenleistungen begehrt, ist die Witwe des am 00.00.1935
geborenen und am 30.03.1997 verstorbenen Versicherten S (Versicherter).
2
Der Tod des Versicherten war infolge eines Plasmozytoms mit multiplen
Knochenmetastasen eingetreten. Im Juni 2002 beantragte die Klägerin
Hinterbliebenenleistungen. Sie meinte, dass zum Tode des Versicherten führende
Plasmozytom müsse als Berufskrankheitsfolge anerkannt werden.
Aufrechnungsbescheinigungen und Versicherungskarten ist zu entnehmen, dass der
Versicherte vom 02.10.1964 bis zum 26.01.1965 bei der Firma X1 in N beschäftigt war,
danach (vom 01.02.1965 bis zum 30.06.1966 und vom 23.08.1967 bis zum 31.12.1968
bei der Firma G in N arbeitete und zwischenzeitlich - vom 01.07.1966 bis zum
17.08.1967 bei der Firma Q in N tätig gewesen war. Sodann war der Kläger bei der
Firma C, N, bis zu seiner ab 1995 bestehenden Arbeitsunfähigkeit als Hilfs- und
Betriebsschlosser beschäftigt. Zur Tätigkeit des Versicherten bei der Firma G äußerten
die Technischen Aufsichtsbeamten der Beklagten, nach Angaben der
Sicherheitsfachkraft der Firma G könne nicht mehr nachvollzogen werden, ob der
Versicherte an der Abgießstrecke tätig gewesen sei. Nur dort sei eine Benzolexposition
möglich gewesen. Während seiner Tätigkeit bei der Firma C als Hilfs- und
Betriebssschlosser, wobei er im Wesentlichen Hausmeistertätigkeiten habe verrichten
müssen, habe gelegentlicher Umgang mit Benzin beim Auffüllen des Tanks für
Rasenmäher bestanden. Lacke und Farben seien vom Versicherten nur äußerst selten
gehandhabt worden, da ein Betriebsanstreicher vorhanden gewesen sei. Insgesamt
habe Umgang mit Benzol oder dessen Homologen wie Toluol und Xylol sogut wie gar
nicht stattgefunden. Nachdem T, Landesanstalt für Arbeitsschutz NRW, der Beklagten
mitgeteilt hatte, ein Plasmozytom gehöre nicht zu den Erkrankungen, die nach
derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nachweislich durch Benzoleinwirkung
verursacht würden, lehnte die Beklagte die Bewilligung von Hinterbliebenenleistungen
3
mit der Begründung ab, der Tod des Versicherten sei weder auf eine Berufskrankheit
noch auf eine Quasi-Berufskrankheit zurückzuführen (Bescheid vom 29.01.2004). Der
Widerspruch der Klägerin war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.04.2004). Mit
ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, ein Plasmozytom könne
sowohl durch eine Benzolbelastung als auch durch eine Asbestbelastung verursacht
worden sein. Es werde ausdrücklich bestritten, dass die Benzolbelastung des
Versicherten nur geringfügig gewesen sei. Schließlich sei bekannt, dass in früheren
Zeiten mit Benzol gereinigt worden sei und selbst die Hände gewaschen worden seien.
Es müsse auch von einer Asbestbelastung in den betreffenden Unternehmen
ausgegangen werden. Die Betriebsakten der Unternehmen müssten beigezogen
werden.
Die Klägerin beantragt,
4
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 29.01.2004 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 29.04.2004 die Beklagte zu verurteilen, aus Anlass der
tödlichen Berufskrankheit des Ehemannes der Klägerin als Sonder- rechtsnachfolgerin
zu Lebzeiten Leistungen und als Witwe Hinterbliebenen- leistungen zu gewähren.
5
Die Beklagte beantragt,
6
die Klage abzuweisen.
7
Sie bezieht sich insbesondere auf ein von X2 unter dem 25.06.2004 erstattetes
Gutachten, indem es u. a. heißt, eine Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV
im Sinne eines benzolverursachten Plasmozytoms könne nicht hinreichend
wahrscheinlich gemacht werden, da der Vollbeweis der Einwirkungen fehle und im
Übrigen auch bei Worst-Case-Betrachtung keine ausreichend lange und intensive
Benzolexposition zu erwarten sei, um die haftungsausfüllende Kausalität hinreichend
wahrscheinlich machen zu können.
8
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die
Akten der Beklagten Bezug genommen.
9
Entscheidungsgründe:
10
Die Klage ist unzulässig, soweit die Klägerin Lebzeiten-Leistungen beantragt. Es fehlt
an einem belastenden Verwaltungsakt der Beklagten. Im Übrigen ist die Klage
unbegründet. Der Tod des Versicherten ist nicht infolge einer Berufskrankheit
eingetreten (vgl. § 63 SGB VII). Als Berufskrankheit kommt hier nur eine Erkrankung
nach der Nr. 1303 der Anlage zur BKV in Betracht. Diese Berufskrankheit erfasst
Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe und Styrol. X2 hat darauf hingewiesen,
dass ein Plasmozytom auf intensive und langjährige Einwirkungen von Benzol
ursächlich zurückgeführt werden kann. Eine solche intensive und langjährige Exposition
ist im Falle des Klägers nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nachweisbar. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der Beklagten, hatte
der Versicherte bei der Firma C sehr selten Umgang mit benzolhaltigem Benzin oder
benzolhaltigen Lösungsmitteln. Von einer höhergradigen relevanten inhalativen oder
dermalen Benzolexposition kann daher keine Rede sein. Auch eine Benzolbelastung
bei der Firma G ist nicht bewiesen. Eine solche relevante Belastung kommt allenfalls in
Betracht, wenn der Versicherte an der Abgießstrecke tätig gewesen sein sollte. Dies
11
lässt sich nicht mehr klären. Innerbetriebliche Vorgänge existieren nicht mehr. Auch
etwaig bei der Beklagten geführten Betriebsakten könnten Hinweise auf die Tätigkeit
des Versicherten nicht entnommen werden. Im Übrigen lässt sich aber - so X2 - auch bei
einer Worst-case-Betrachtung eine ausreichend hohe Benzolexposition nicht
unterstellen. Damit lässt sich ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der
etwaigen Benzolexposition des Versicherten und seiner Krebserkrankung nicht
begründen. Auch als Quasi-Berufskrankheit im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII lässt sich
die Krebserkrankung des Versicherten nicht feststellen, da als berufliche Ursachen nur
die Einwirkungen von Benzol in Betracht kommen, so dass es eines Rückgriffs auf § 9
Abs. 2 SGB VII nicht bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
12