Urteil des SozG Düsseldorf vom 26.05.2008

SozG Düsseldorf: wesentlicher nachteil, erlass, hauptsache, mobiliar, rechtsschutz, zivilprozessordnung, berufsausübung, darlehen, einlagerung, wahrscheinlichkeit

Sozialgericht Düsseldorf, S 42 AS 68/08 ER
Datum:
26.05.2008
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
42. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 42 AS 68/08 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. 2.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. 3.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu
erstatten.
Gründe:
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I.
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Die Antragsteller begehren im Rahmen der ihnen gewährten Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für
Arbeitssuchende - (SGB II) die zumindest darlehensweise Übernahme von Lagerkosten.
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Der am 00.00.1945 geborene Antragsteller zu 1) ist Kommunikationswissenschaftler
und -designer und auf diesem Segment ständig tätig. Nach Umsatzverlusten bezog er
seit August 2003 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Seit Januar
2005 erhält der Antragsteller zusammen mit seiner am 00.00.1995 geborenen Tochter,
der Antragstellerin zu 2), Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnten zunächst eine
165 qm große 4-Zimmerwohnung, die auch die Geschäftsräume des Antragstellers zu 1)
umfasste. Nach Zwangsräumung dieser Wohnung am 03.01.2007 wohnt der
Antragsteller mit seiner Tochter nunmehr nach Einweisung durch die Landeshauptstadt
Düsseldorf im Stadtwohnheim F Straße. Die hierfür entfallenden monatlichen Gebühren
werden von der Antragsgegnerin im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes übernommen. Zuletzt mit Bescheid vom 06.12.2007 bewilligte die
Antragsgegnerin monatliche Leistungen bis einschließlich Juni 2008 in Höhe von
779,94 Euro. Auf Bedarfsseite wurden hierbei zugrunde gelegt 347,- Euro Regelleistung
für den Antragsteller zu 1) sowie für die Antragstellerin zu 2) in Höhe von 208,- Euro,
einen Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 42,- Euro und Kosten für Unterkunft
und Heizung für beide Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 336,94 Euro.
Auf Einkommensseite wurde das Kindergeld in Höhe von 154,- Euro berücksichtigt.
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Nach der Zwangsräumung beantragte der Antragsteller zu 1) am 05.02.2007erstmals
die Übernahme von Lagerkosten für das Mobliar seiner Wohn-, Arbeits- und
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Geschäftsräume. Er befinde sich derzeit in Gesprächs- und Auftragsverhandlungen, um
wirtschaftlich wieder unabhängig zu werden. Bei einer Neuanschaffung des Mobliars
entstünden unverhältnismäßig hohe Kosten, welche durch die Einlagerung verhindert
werden könnten. Die Antragsgegnerin übernahm darehensweise zunächst die von der
Möbelspedition S1 L in Rechnung gestellten Lagerungskosten in Höhe von
monatlich189,21 Euro; zuletzt mit Bescheid vom 10.08.2007 für den Monat September
2007 (Bl. 673 VA).
Nach Eingang der Lagerkostenrechnung der Spedition S L betreffend des Monates März
2008 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11.03.2008 die Übernahme der
Lagerkosten nach § 23 Abs. 1 SGB II ab. Sie führte zur Begründung aus, das Darlehen
für die Lagerungskosten könne nicht mehr gewährt werden, da der Antragsteller bei den
weiteren bestehenden monatlichen Tilgungsraten nicht mehr in der Lage sei,
Darlehensraten zu tragen. Auf Bitte des Antragstellers zu 1) habe die Antragsgegnerin
zuvor bereits die laufende Tilgungsrate von 75,- Euro auf 50,- Euro abgesenkt (Bl.735
VA). Mit Bescheid vom 02.01.2008 hatte die Antragsgegnerin ferner ein Darlehen nach
§ 23 Abs. 1 SGB II für die Übernahme von Stromrückständen in Höhe von 243,61 Euro
bewilligt und die Rückzahlungsraten für die Zeit ab April 2008 auf 10,- Euro festgelegt.
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Gegen den Bescheid vom 11.03.2008 legte der Antragsteller zu 1) mit Schreiben vom
14.03.2008 Widerspruch ein. Er führte zur Begründung aus, aufgrund der
Besonderheiten seines Einzelfalles seien die Lagerkosten auch weiterhin zu
übernehmen. Diese seien nur wegen des von der Antragsgegnerin zu verantwortenden
Zwangsumzuges entstanden. Bei dem untergebrachten Mobiliar handele es sich um
hochwertige Präsentationstechnik, Technik für Film, Video und Fotografien, Interior-
Design-Unikate in einem Gesamtwert von über 60.000.- Euro. Des weiteren sei ein
Kinderzimmer, weitere hochwertige Einrichtungsgegenstände und eine Gastro-
Kücheneinrichtung eingelagert. Das Mobiliar diene seiner Berufsausübung - dessen
Vernichtung sei unzumutbar.
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Am 28.03.2008 hat der Antragsteller um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz
nachgesucht und zur Begründung im Wesentlichen auf die Widerspruchsbegründung
Bezug genommen.
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Der Antragsteller beantragt.
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die Antragsgegnerin einstweilig zu verpflichten, zumindest darlehensweise Leistungen
für Lagerkosten zu gewähren.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Eilbedüftigkeit des geltend gemachten Anspruchs sei bereits fraglich. Soweit es der
Antragsteller selbst in der Hand habe, einen für ihn misslichen Zustand zu beseitigen,
könne ein Anordnungsgrund nicht gesehen werden. Der Antragsteller zu 1) habe
durchaus die Möglichkeit, einen Teil der eingelagerten Gegenstände zu veräußern und
den Erlös dann für die Lagerung der restlichen Gegenstände zu verwenden. Zudem
habe der Antragsteller nicht nachgewiesen, dass eine Vernichtung der eingelagerten
Gegenstände unmittelbar drohe. Auch sei ungeklärt, wer in den Monaten, in denen die
Lagerkosten nicht von ihr übernommen worden seien, die entsprechenden Kosten
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gezahlt habe.
Als Antragstellerin auch die Tochter aufnehmen!
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin
Bezug genommen.
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II.
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1.) Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt S2 bleibt erfolglos.
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Prozesskostenhilfe ist nach § 73 a Sozialgerichsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 f.
Zivilprozessordnung auf Antrag zu gewähren, soweit der Antragsteller nach seinen
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht
aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg
bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Die Gewährung von Prozesskostenhilfe scheidet vorliegend aus, da der Antrag auf
einstweiligen Rechtsschutz ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg ist. Zur Begründung
wird auf die Ausführungen unter 2.) verwiesen.
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2.) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag ist nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Danach kann das Gericht der
Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in
Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer
einstweiligen Anordnung ist das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines
Anordnungsgrundes. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen
gem. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung glaubhaft
gemacht werden, wobei der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit genügt
(Krassney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4.Auflage, 3.Kapitel
Rdn. 157). Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf den materiellen Anspruch in der
Sache und der Anordnungsgrund bezieht sich auf die Eilbedürftigkeit der Sache. Eine
Sache ist nur dann eilbedürftig, wenn es bei Abwägung aller betroffener Interessen für
den Antragsteller unzumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (LSG
NRW, Beschluss vom 27.02.2008, Az. L 9 B 24/08 AS ER). Ein wesentlicher Nachteil
liegt dann vor, wenn der Antragsteller konkret in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht
ist oder ihm die Vernichtung seiner Lebensgrundlage droht. Können ohne die
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht
abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache
nicht mehr nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Schadet eine vollständige
Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf Grundlage der
Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu
entscheiden (BverfG, Beschluss vom 12.05.2005 Az. 1 V BvR 569/05).
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Die Antragsteller haben einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Zu Recht hat
die die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass Unterlagen zum Nachweis der
Vernichtung der eingelagerten Gegenstände nicht vorgelegt worden sind. Das Gericht
kann daher im derzeitigen Zeitpunkt nicht davon ausgehen, dass eine Vernichtung der
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eingelagerten Gegenstände unmittelbar bevorsteht. Trotz Aufforderung durch das
Gericht hat der Antragsteller zu 1) hierzu nichts näheres vorgetragen. Dies wäre aber
insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil offenbar auch in den vergangenen
Monaten nicht in jedem Monat Lagerkosten von der Antragsgegnerin übernommen
worden sind und sich insofern die Frage stellt, wie und ob der Antragsteller zu 1) die
Lagerkosten für diese Monate - dabei dürfte es sich nach Durchsicht der
Verwaltungsakte jedenfalls um die Monate Oktober und November 2007 handeln -
gezahlt wurden bzw. weshalb die Nichtzahlung ohne Konsequenzen blieb.
Ferner dürfte es der Antragsteller selbst in der Hand haben, zumindest für einen
gewissen Zeitraum die Zahlung der Lagerungskosten zu tragen. Wie er in seiner
Widerspruchsbegründung vorgetragen hat, sind nicht nur die für seine Berufsausübung
genutzte Präsentationstechnik eingelagert, sondern auch eine - wie der Antragsteller zu
1) ausführt - "hochwertige Gastro-Kücheneinrihtung". Das Gericht hat keinerlei
Anhaltspunke dafür, dass der Antragsteller zu 1) eine Kücheneinrichtung für die
Ausübung seiner Tätigkeit als Marketing-Kommunikations-Berater zwingend benötigt.
Selbst wenn er in Zukunft wieder ein Büro anmieten sollte und dort sein berufliches
Inventar wieder zum Einsatz kommt, ist nicht ersichtlich, weshalb der Antragsteller zu 1)
dann zwingend seine derzeit vorhandene Kücheneinrichtung benötigt. Es dürfte
zumutbar sein, eine dann gegebenenfalls vorhandene Kücheneinrichtung zu nutzen
bzw. eine preisgünstige, gebrauchte Kücheneinrichtung erneut zu erwerben. Weshalb
der Antragsteller zu 1) im gegenwärtigen Zeitpunkt dringend auf die jetzt vorhandene,
offenbar sehr hochwertige Kücheneinrichtung angewiesen sein sollte, erschließt sich
dem Gericht jedenfalls nicht.
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Angesichts der fehlenden Eilbedürftigkeit wegen der bestehenden
Selbsthilfemöglichkeiten des Antragstellers zu 1) bedarf die Frage, ob ein
Anordnungsanspruch besteht, keiner Klärung. Das Gericht weist daher lediglich
ergänzend darauf hin, dass nach derzeitiger Prüfung weder ein Anspruch aus § 23 Abs.
1 SGB II noch einen Anspruch aus §§ 16, 29 SGB II glaubhaft gemacht wurde. Die
Voraussetzungen für § 23 Abs. 1 SGB II dürften bereits deshalb nicht erfüllt sein, weil
nicht erkennbar ist, dass die Einlagerung von Bürotechnik und Küchengegenständen zu
der von § 20 Abs. 1 SGB II umfassten Regelleistungen gehört. Soweit man die
Einlagerungskosten als Förderung einer selbständigen Tätigkeit nach §§ 16, 29 SGB II
ansehen mag, verweist das Gericht den Antragsteller auf den Beschluss vom
30.01.2007 im Verfahren S 42 AS 141/06 ER. Fraglich ist für das Gericht zudem, ob
sämtliche der eingelagerten Gegenstände als geschütztes Vermögen im Sinne von § 12
SGB II i.V.m. § 7 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur
Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld
II/Sozialgeld in der ab dem 01.01.2008 gültigen Fassung anzusehen sind. Mangels
Anordnungsgrund bedarf dieser Frage aber im hier vorliegenden Verfahren keiner
Klärung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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