Urteil des SozG Düsseldorf vom 26.01.2006

SozG Düsseldorf: befreiung von der versicherungspflicht, begründung des urteils, ausschluss, hessen, mitgliedschaft, zugehörigkeit, anerkennung, vormerkung, versicherungsverhältnis, rechtskraft

Sozialgericht Düsseldorf, S 27 RA 189/03
Datum:
26.01.2006
Gericht:
Sozialgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
27. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 27 RA 189/03
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Die Klägerin begehrt trotz Vorliegens einer Befreiung von der Versicherungspflicht die
Vormerkung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten nach § 56 bzw. §
57 SGB VI (Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung).
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Die am 00.00.1950 geborene Klägerin ist seit Mai 1974 Tierärztin. Sie ließ sich ab dem
01.09.1974 nach § 7 AVG (Angestelltenversicherungsgesetz – jetzt § 6 SGB VI) von der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien (Antrag vom
21.08.1974 – Bescheid vom 30.09.1974). Sie war nach eigenen Angaben vom
01.12.1974 bis zum 31.08.1992 verheiratet und gebar in dieser Zeit zwei Kinder (L –
geboren am 00.00.1977 + G – geboren am 00.00.1979). Im Rahmen der Ehescheidung
wurde ein Versorgungsausgleich durchgeführt, von dem Versicherungskonto des
Ehemannes wurden Rentenanwartschaften auf ihr Versicherungskonto übertragen.
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Im November 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kontoklärung. Im März
2003 stellte sie darüber hinaus einen Antrag auf Feststellung von
Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Auf den
näheren Inhalt der von ihr ausgefüllten Antragsformulare wird verwiesen.
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Mit Bescheid vom 04.04.2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung der beantragten
Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten ab. Zur Begründung berief sie sich
dabei auf die Befreiung von der Versicherungspflicht.
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Der Widerspruch der Klägerin (Schreiben vom 13.04.2003) blieb erfolglos
(Widerspruchsbescheid vom 03.07.2003). Auf den allen Beteiligten bekannten Inhalt
des Widerspruchsschreibens sowie des Widerspruchsbescheides wird Bezug
genommen.
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Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hebt
hervor, dass ihr Ehemann Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen
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sei, und vertritt die Auffassung, dass sie durch die Übertragung der
Rentenanwartschaften im Wege des Versorgungsausgleichs für die Ehezeit – in die
auch die Geburt der Kinder falle – in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert
gewesen sei. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes
vom 21.10.2003 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 03.07.2003 zu verurteilen, die Kindererziehungszeiten
sowie die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Kinder L (geb.
00.00.1977) und G (geb. 00.00.1979) vorzumerken.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid und sieht keine Gründe, ihre Auffassung zu
ändern (Schriftsatz vom 04.11.2003).
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Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den restlichen Akteninhalt Bezug
genommen, auch dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Zu Recht lehnt die Beklagte die Vormerkung der beantragten Kindererziehungszeiten
sowie der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ab. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf eine entsprechende Feststellung.
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Nach § 56 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI sind Elternteile von der Anrechnung unter anderem dann
ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit von der Versicherungspflicht
befreit waren und nach dieser Zeit nicht nachversichert worden sind. Dies trifft auf die
Klägerin zu. Sie war – unstreitig – seit dem 01.09.1974 wegen Zugehörigkeit zum
berufsständischen Versorgungswerk der Tierärzte von der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung befreit (Bescheid vom 30.09.1974). Ebenso unstreitig
ist eine Nachversicherung nicht durchgeführt worden.
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Die Übertragung von Rentenanwartschaften im Rahmen des Versorgungsausgleichs
stellen keine Nachversicherung in diesem Sinne dar. Dass es sich hierbei um zwei
verschiedene Formen der Begründung von Rentenanwartschaften handelt ergibt sich
bereits aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 SGB VI ( ... nachversichert ... oder ... aufgrund
eines Versorgungsausgleichs ...) und bedarf daher keiner weiteren Erläuterung.
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Die Begründung von Rentenanwartschaften im Wege des Versorgungsausgleichs hat
auch nicht etwa dieselbe Wirkung wie die Durchführung einer Nachversicherung. Die
durch einen Versorgungsausgleich begünstigten Personen stehen den
nachversicherten Personen nicht gleich (vgl. nur: Gürtner in: Kasseler Kommentar
Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VI Rn. 5).
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Die übertragenen Rentenanwartschaften führen allein dazu, dass eine bestimmte
Anzahl von Monaten in der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, die – nach
nähere Maßgabe des § 52 SGB VI – ohne Zuordnung zu bestimmten Kalendermonaten
bei den Wartezeiten angerechnet werden; eine weiter gehende Auswirkung auf
Tatbestände, die das Vorliegen von anzurechnenden oder zu berücksichtigenden
Zeiten in der Rentenversicherung voraussetzen, findet nicht statt (Gürtner, a.a.O., § 76
SGB VI Rn. 16 m.w.N.). Im Wege des Versorgungsausgleichs übertragene oder
begründete Rentenanwartschaften sind keine mit Beiträgen für eine
versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegte Zeiten (Urteil des BSG
(Bundessozialgericht) – 4 RA 4/88 – vom 31.05.1989). Verfassungsrechtliche Gründe,
die im Wege des Versorungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften im Wege
verfassungskonformer Auslegung als Pflichtbeitragszeiten zu behandeln, liegen nicht
vor (BSG – 1 RA 63/89 – vom 19.04.1990).
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Die Befreiung von der Versicherungspflicht während der Zeit der Kindererziehung
schließt deren Berücksichtigung als Versicherungszeit aus (BSG – 1 RA 35/88 – vom
19.04.1990). Diese Regelung verstößt auch nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG
(Grundgesetz). Der Ausschluss von der Versicherungspflicht wegen Zugehörigkeit zu
einem anderen sozialen Sicherungssystem, welches prinzipiell gleichwertigen Schutz
wie die gesetzliche Rentenversicherung gewährt, ist nach der ständigen
Rechtssprechung des BSG – der sich die Kammer ausdrücklich anschließt –
sachgerecht, die entsprechende Regelung hat systemabgrenzende Funktion und ist
nicht zu beanstanden (BSG – 4 RA 27/91 – vom 21.07.1992 und – B 5/4 RA 80/97 R –
vom 22.10.1998; ebenso LSG (Landessozialgericht) Baden-Württemberg – L 13 RA
4653/02 – vom 08.04.2003 und LSG Hessen – L 2 RA 119/04 – vom 14.12.2004).
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Mit ihrer Entscheidung für das berufsständische Versorgungswerk hat die Klägerin das
umlage- und steuerfinanzierte allgemeine Rentenversicherungssystem verlassen und
sich dem landesrechtlichen berufsständischen Versorgungswerk angeschlossen.
Soweit Umfang und Qualität in diesem Sondersystem, dessen Mitgliedschaft eine
Befreiung von der Versicherungspflicht ermöglicht hat, hinter dem der gesetzlichen
Rentenversicherung zurückbleiben sollte, ist dieses nicht subsidiär leistungspflichtig,
denn mit Eintritt der Befreiung wurde das Versicherungsverhältnis vollständig
suspendiert.
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Über eventuelle Nachteile, die die Klägerin durch ihre Mitgliedschaft im
Versorgungswerk dadurch erleidet, dass dort möglicherweise keine entsprechende
Anerkennung des generativen Beitrags der Kindererziehung erfolgt, kann im
vorliegenden Rechtsstreit nicht entschieden werden (so schon LSG Hessen a.a.O.).
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nach Auffassung der hier zur Entscheidung
berufenen Kammer nicht.
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Das Gericht folgt ausdrücklich nicht der Auffassung des BSG in der Begründung des
Urteils – B 4 RA 6/05 R – vom 18.10.2005, wonach ein Ausschluss der Anrechnung nur
dann gerechtfertigt sei, wenn die Kindererziehungszeiten systembezogen annähernd
gleichwertig in der berufsständischen Versorgungseinrichtung berücksichtigt werden.
Der Gesetzgeber ist nach Auffassung der Kammer nicht verpflichtet, eventuelle
Nachteile im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung zu Gunsten von Personen
auszugleichen, die dieses System bewusst und freiwillig verlassen haben. Ob die
Regelungen des berufsständischen Versorgungswerkes verfassungsrechtlich insoweit
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akzeptabel sind, ist im Rahmen dieser Klage nicht zu prüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG ( Sozialgerichtsgesetz).
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