Urteil des SozG Düsseldorf vom 17.03.2011

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Sozialgericht Düsseldorf
Urteil vom 17.03.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Düsseldorf S 27 R 883/10
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung über den Tod gezahlter Rente streitig.
Die Beklagte gewährte dem bei ihr rentenversicherten K R (im Folgenden: Versicherter) mit Bescheid vom 15.07.2004
ab dem 01.10.2003 Regelaltersrente. Der Versicherte verstarb am 28.06.2009. Dennoch zahlte die Beklagte die Rente
für Juli 2009 in Höhe von 286,69 EUR auf das Konto des Versicherten bei der Beigeladenen. Diese Rentenzahlung
forderte sie zunächst von der Beigeladenen mit Schreiben vom 26.08.2009 zurück. Die Beigeladene teilte mit, der
Kontostand habe bei Eingang der Rente am 30.06.2009 ein Guthaben von 65,75 EUR aufgewiesen. Am Tag der
Rückforderung sei ein Guthaben von 50,61 EUR vorhanden gewesen; diesen Betrag erstattete die Beigeladene der
Beklagten. Zudem erteilte sie Auskunft über die in der Zwischenzeit erfolgten Verfügungen, unter anderem waren am
01.07. und 03.08.2009 jeweils 143,09 EUR an die Klägerin gezahlt worden.
Die Beklagte hörte die Klägerin zur Erstattung der über den Tod gezahlten Rente an. Die Klägerin sei als Empfängerin
der Rentenleistung erstattungspflichtig. Mit Bescheid vom 12.11.2009 forderte sie die Klägerin zur Erstattung von
217,14 EUR auf; die Klägerin habe den vorgenannten Betrag als Empfängerin zu erstatten.
Die Klägerin widersprach und machte geltend, die Voraussetzungen für die Erstattung aus § 118 Abs. 4 Sechstes
Sozialgesetzbuch (SGB VI) lägen nicht vor. Der Schutzzweck der Norm bestehe in einer Rückabwicklung eines der
fehlgeschlagenen Rentenzahlung zuzuordnenden Geldflusses. Deswegen werde nur derjenige
"Geldleistungsempfänger" erfasst, der an der Vermögensverschiebung auf dem Konto des Versicherten beteiligt
gewesen ist. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt, da sie nur Krankenversicherungsbeiträge vom Konto des
Versicherten eingezogen habe; hier würden die sich zur Verrechnung gegenüberstehenden Forderungen erlöschen,
ohne dass ein Geldzufluss auf das Konto des Versicherten stattfinde. Ferner sei die Beklagte nicht befugt, ihr
gegenüber einen Verwaltungsakt zu erlassen, da zu ihr kein Über-/Unterordnungsverhältnis bestehe; auch sie sei
Versicherungsträger wie die Beklagte. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
26.02.2010 zurück. Die Klägerin sei Empfängerin der über den Tod hinaus gezahlten Rente. An sie sei ein der
Geldleistung entsprechender Betrag durch bankübliches Zahlungsgeschäft gezahlt worden; hiermit seien die
freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge des Versicherten beglichen worden. Die Beklagte sei nach § 118 Abs. 4
SGB VI auch zum Erlass eines Verwaltungsaktes befugt.
Mit ihrer am 01.04.2010 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie beruft sich auf Urteile des
Sozialgerichts München vom 25.04.2008 (Az.: S 27 R 1842/05 und 1843/05). Danach scheide die Anwendung von §
118 Abs. 4 SGB VI dann aus, wenn zwischen dem Empfänger der Geldleistung und dem verstorbenen Versicherten
keine privatrechtliche Beziehung bestanden habe. Denn § 118 Abs. 4 SGB VI enthalte einen öffentlich-rechtlichen
Rückforderungsanspruch, der gegenüber den entsprechenden Institutionen des Zivilrechts schärfer sei und die
privatrechtliche Rechtsbeziehung zwischen versichertem Rentner und Verfügendem oder Empfänger einer
Rentenleistung überlagere. Diese Voraussetzungen seien nicht einschlägig, wenn eine öffentlich-rechtliche Beziehung
zwischen versichertem Rentner und Empfänger der Geldleistung bestehe, z. B. hier das (freiwillige)
Krankenversicherungsverhältnis.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid der Beklagten vom 12.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend. Die Rückforderungsvorschrift aus § 118 SGB VI enthalte
keine Einschränkungen für öffentlich-rechtliche Leistungsträger. Den Entscheidungen des Sozialgerichts München
werde nicht gefolgt.
Die Beigeladene hat keinen eigenen Klageantrag gestellt.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und von der Beklagten beigezogene
Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen, nachdem die Beteiligten hierzu ihr
Einverständnis erteilt hatten, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 12.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2010 beschwert die
Klägerin nicht nach § 54 Abs. 2 SGG. Diese Bescheide sind rechtmäßig, weil die Beklagte ihre Entscheidung auf §
118 Abs. 4 SGB VI stützen kann. Nach Satz 1 der Vorschrift sind Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des
Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, unter anderem von Personen, an die ein der Geldleistung
entsprechender Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein
Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden
Betrages verpflichtet. Nach Satz 2 der Vorschrift hat der Träger der Rentenversicherung Erstattungsansprüche durch
Verwaltungsakt geltend zu machen. Ferner ist nach § 118 Abs. 3 SGB VI vorrangig das kontoführende Geldinstitut
erstattungspflichtig, das sich allerdings auf Entreicherung berufen kann. Diese Erstattungsvoraussetzungen sind
vorliegend erfüllt. Zunächst ist die Rentenzahlung für Juli 2009 zu Unrecht erbracht worden, da der Rentenanspruch
mit dem Sterbemonat endet und der Versicherte am 28.06.2009 verstorben ist, § 102 Abs. 5 SGB VI. Auch hat sich
die Beigeladene als kontoführendes Geldinstitut zu Recht auf Entreicherung berufen, soweit die Beklagte einen dem
am Tag der Rückforderung bestehenden Guthabens von 50,61 EUR übersteigenden Betrag zurückgefordert hat. Die
Beigeladene ist nur insoweit nach § 118 Abs. 3 SGB VI (vorrangig) erstattungspflichtig, als noch ein entsprechendes
Guthaben am Tag der Rückforderung vorhanden ist und sie darüber hinaus den überwiesenen Rentenbetrag nicht zur
Befriedigung eigener Forderung verwendet hat, was hier nicht geschehen ist. Die Klägerin ist auch Empfängerin eines
Betrages, der der zu Unrecht erfolgten Rentenzahlung entspricht. Empfänger sind alle Personen, die die Geldleistung
unmittelbar in Empfang genommen haben und deren Vermögen vermehrt wurde oder vermehrt werden sollte (Kasseler
Kommentar – Polster, § 118 SGB VI, Rn. 27). Das ist hier zu bejahen. Die Klägerin hat per Lastschrift die freiwilligen
Krankenversicherungsbeiträge vom Konto des verstorbenen Versicherten eingezogen. Es geht also entgegen der
Auffassung der Klägerin um die Rückabwicklung eines der fehlgeschlagenen Rentenzahlung zuzuordnenden
Geldflusses. Nichts anderes folgt aus der von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Auffassung, hier
gehe es um Beitragsforderungen, die sich zur Verrechnung gegenüberstehenden Forderungen würden erlöschen, ohne
dass ein Geldfluss auf das Konto des Versicherten stattfinde. Diese Auffassung kann das Gericht nicht
nachvollziehen, da die Klägerin die freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge vom Konto des verstorbenen
Versicherten per Lastschrift eingezogen und insoweit keine Verrechnungslage bestanden hat. Schließlich kommt es
auch nicht auf die Rechtmäßigkeit des Beitragseinzugs an, denn § 118 Abs. 4 SGB VI ordnet ausnahmslos an, dass
die über den Tod hinaus gezahlte Rente zu erstatten ist.
Darüber hinaus folgt das Gericht nicht der Auffassung der Klägerin und des Sozialgerichts München aus den Urteilen
vom 25.04.2008, das nur privatrechtliche Empfänger einer überzahlten Rente nach § 118 Abs. 4 SGB VI hinsichtlich
der Erstattung in Anspruch genommen werden könnten. Bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift folgt,
dass es nicht darauf ankommt, in welcher Rechtsform der Empfänger der Geldleistung organisiert ist, auch nicht
darauf, ob zwischen verstorbenem Versicherten und Empfänger eine privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche
Rechtsbeziehung bestanden hat. Vielmehr unterwirft § 118 Abs. 4 SGB VI ohne Differenzierung nach privatrechtlichen
oder öffentlich-rechtlichen Empfang grundsätzlich alle Zahlungsbewegungen ihrem Sonderreglement, wonach die
Rückforderung der überzahlten Rentenzahlungen auch gegenüber anderen öffentlich-rechtlichen
Zahlungsverpflichtungen Vorrang hat (so ausdrücklich: LSG Bayern, Beschluss vom 27.07.2010 – L 13 R 259/10 NZB
–). Die anderslautende Auffassung des Sozialgerichts München beruht auf einem Missverständnis des Urteils des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.12.2001 (Az.: B 4 RA 53/01 R), wonach § 118 Abs. 4 SGB VI das
Privatrechtsverhälnis überlagere; damit ist vom BSG nicht gemeint gewesen, dass die Vorschrift nur auf
privatrechtliche Rechtsverhältnisse anzuwenden ist (so: LSG Bayern, a.a.O.).
Vergleichbares gilt, soweit die Klägerin moniert, die Beklagte dürfe ihr gegenüber keinen Verwaltungsakt erlassen.
Auch dies trifft nicht zu, da § 118 Abs. 4 S. 2 SGB VI ebenso ausnahmslos anordnet, dass der Erstattungsanspruch
durch Verwaltungsakt geltend zu machen ist, also auch dann, wenn – wie hier – ein öffentlich-rechtlich organisierter
Leistungsträger Empfänger der Rente ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Zulassungsgründe aus § 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht einschlägig
sind. Die Rechtslsache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf, noch liegt eine Abweichung von einem Urteil eines
Landessozialgericht oder des Bundessozialgerichts vor.