Urteil des SozG Dresden vom 18.11.2010

SozG Dresden: neurologie, vergütung, daten, psychiatrie, psychotherapie, rlv, richterliche kontrolle, neubewertung, versorgung, anteil

Sozialgericht Dresden
Urteil vom 18.11.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 18 KA 737/06
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honorars aus vertragsärztlicher Tätigkeit.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie mit Praxissitz in D. an der vertragsärztlichen
Versorgung teil. Im Quartal I/2006 rechnete der Kläger folgende arztgruppenspezifischen fachärztlichen Leistungen
aus dem Kapitel 16 und 21 des Bereichs III.b EBM sowie folgende speziellen Leistungen aus dem Kapitel 35 des
Bereichs IV EBM ab:
Neurologie Psychiatrie/Psychotherapie EBM-Nr. Ansatz Wert Punktmenge EBM-Nr. Ansatz Wert Punktmenge 16215
163 50 8.150 21210 1 470 470 16220 132 235 31.020 21211 222 410 91.020 16230 50 1.080 54.000 21212 496 420
208.320 16231 209 645 134.805 21215 203 50 10.150 16310 13 605 7.865 21216 4 375 1.500 16321 8 645 5.160
21216 429 375 160.875 16322 36 435 15.660 21217 5 75 375 16340 5 50 250 21217 31 75 2.325 Summe: 256.910
21220 73 345 25.185 21230 4 1.080 4.320 21231 50 645 32.250 21310 7 605 4.235 21340 1 50 50 Psychiatrie:
541.075 35100 14 405 5.670 35110 8 405 3.240 35111 1 615 615 35112 1 165 165 35141 1 475 475 35150 27 1.495
40.365 35200 18 1.495 26.910 35201 6 1.495 8.970 Psychotherapie: 86.410 Summe: 627.485
Auf die arztgruppenspezifischen Leistungen aus Kapitel 16 EBM entfiel dabei folgende Vergütung:
EBM-Nr. Ansatz Punkte insgesamt gewichteter Punktwert-) Honorar 16215 163 50 8.150 3,06 ct 249,39 EUR 16220
132 235 31.020 3,06 ct 949,21 EUR 16230 50 1080 54.000 3,06 ct 1.652,40 EUR 16231 209 645 134.805 3,06 ct
4.125,03 EUR 16310 13 605 7.865 3,06 ct 240,67 EUR 16321 8 645 5.160 3,06 ct 157,90 EUR 16322 36 435 15.660
3,06 ct 479,20 EUR 16340 5 50 250 3,06 ct 7,65 EUR 7.861,45 EUR
-) gewichteter Punktwert = Regelleistungsvolumen × Regelleistungspunktwert + Restleistung ×
Restleistungspunktwert RLV-relevanter Leistungsbedarf
Die Nr. 16310, 16321 und 16322 EBM, nach denen der Kläger insgesamt 28.685 Punkte angefordert und ein Honorar
von 877,76 EUR abgerechnet hat, bezeichnen die vom Kläger angesetzten Kostenstellen des Einheitlichen
Bewertungsmaßstabes, die der Bewertungsausschuss unter Zugrundelegung des neurologische Praxisbetriebsmodell
kalkuliert und bewertet hat.
Mit Honorarbescheid vom 25.07.2006 setzte die Beklagte die Höhe des Honorars aus vertragsärztlicher Tätigkeit für
gesetzlich versicherte Patienten im Quartal I/2006 auf 33.745,58 EUR fest. Hiervon entfielen 29.414,41 EUR auf die
Vergütung von Leistungen, welche der Leistungssteuerung durch Regelleistungsvolumina nach § 7 HVM unterfielen.
Die damit vergütete Leistungsmenge bewegte sich zu ca. 81 % im Bereich des praxisindividuellen
Regelleistungsvolumens des Klägers mit einer Vergütung zum Punktwert von 3,75 ct und zu ca. einem Drittel im
Bereich der das Regelleistungsvolumen überschreitenden Restleistungen mit einer Vergütung zum
Restleistungspunktwert von 0,05 ct:
Leistungsmenge RLV-relevanter
Leistungsbedarf Quote Punktwert Vergütung Regelleistungsvolumen 781.995,1 81,36 % 3,75 ct 29.324,82 EUR
Restleistungsvolumen 179.194,9 18,64 % 0,05 ct 89,60 EUR insgesamt / gewichtet 961.190,0 100,00 % 3,06 ct
29.414,41 EUR
Der Kläger erhob hiergegen am 23.08.2006 Widerspruch, mit dem er beanstandete, die Vergütung der das
Regelleistungsvolumen überschreitenden Leistungsmenge falle zu gering aus. Der Punktwert für die innerhalb des
Regelleistungsvolumens abgerechneten Leistungen bleibe hinter dem kalkulatorischen Punktwert des Einheitlichen
Bewertungsmaßstabes von 5,11 ct zurück. Die restriktive Vergütung ziehe für Einzelpraxen Nachteile im Wettbewerb
gegenüber Gemeinschaftspraxen, Medizinischen Versorgungszentren und Institutsambulanzen nach sich. Der von der
Beklagten angewandte Honorarverteilungsmaßstab entspreche nicht den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V
und weiche in unzulässiger Weise von den Vorgaben des Bewertungsausschusses ab. Der
Honorarverteilungsmaßstab sehe keine Fallpunktzahlbegrenzung, sondern Individualbudgets vor. Die Restleistung
werde faktisch nicht vergütet. Die Vergütung sei, entgegen den gesetzlichen Vorgaben, nicht abgestaffelt. An Stelle
einer einmaligen zwanzigprozentigen Absenkung des der Bemessung zu Grunde zu legenden unbudgetierten
Leistungsbedarfs habe das bemessungsrelevante Abrechnungsvolumen aus dem Referenzzeitraum sukzessive
mehreren, teilweise höheren Absenkungen unterlegen. Nach dem Honorarverteilungsmaßstab würden weitere
Leistungen der Budgetierung unterworfen, die nach dem Beschluss des Bewertungsausschusses nicht den
Regelleistungsvolumina unterfielen. Mangels Vergleichbarkeit mit Instrumenten zur Steuerung der abrechenbaren
Leistungsmengen nach dem Beschluss des Bewertungsausschusses greife auch die Öffnungsklausel gemäß Nr. 2.2
dieses Beschlusses nicht ein. Darüber hinaus seien dem Honorarfonds der Nervenärzte zu geringe Anteile an der
Gesamtvergütung zur Verfügung gestellt worden. Der durchschnittliche Honorarumsatz der Arztgruppe 010
(Nervenärzte, Psychiater, Neurologen) liege deutlich unter dem durchschnittlichen Umsatz der niedergelassenen
Fachärzte, obwohl der Praxiskostensatz mit 55,2 % dem der meisten anderen Fachgruppen entspreche.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2006 unter Verweis auf die Regelungen des
Honorarverteilungsmaßstabes, die Öffnungsklausel im Beschluss des Bewertungsausschusses und auf das
gesonderte Verfahren zur individuellen Anpassung von Regelleistungsvolumina zurück.
Hiergegen richtet sich die am 14.11.2006 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage vom 09.11.2006. Der
Kläger wiederholt und vertieft zunächst unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.03.2010, Az. B
6 KA 43/08 R, sein Vorbringen aus dem Vorverfahren. Die weitgehende Entkoppelung des Honorarumsatzes von der
Leistungsentwicklung verstoße gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, da Leistungen ohne
Einfluss auf die Honorarhöhe um einen hohen Anteil reduziert werden könnten. Darüber hinaus macht der Kläger
geltend, die Bewertungen des Kapitels 16 EBM gingen von zu niedrigen Kostensätzen neurologischer Praxen aus.
Dem Bewertungsausschuss sei auf Grund des Gutachtens der MediTrust AG Basel vom 02.05.2005 seit Mai 2005
bekannt, dass die Kostensätze um ca. 90.000 DM bzw. 45.000,00 EUR und damit um 45 %, zu niedrig kalkuliert
seien. Bewertungsabweichungen von 10 % und mehr seien nicht mehr sachgerecht. Unter Berücksichtigung der
Überprüfungs- und Kontrollpflicht des Bewertungsausschusses sei die Leistungsbewertung ab dem Folgequartal, dem
Quartal III/2005, zu korrigieren gewesen. Eine Unverzügliche Korrektur sei geboten gewesen, zumal die aus dem Jahr
1994 stammenden Daten, auf die sich die MediTrust AG stützt, bereits bei der Kalkulation des EBM 2000 vorgelegen
hätten. Der Bewertungsausschuss hätte bereits bei der ursprünglichen Berechnung die zutreffenden Daten ansetzen
müssen.
Der Kläger beantragt,
den Honorarbescheid für das I. Quartal 2006 zum 25.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
08.11.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Honoraransprüche des Klägers für das I. Quartal 2006
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu ermitteln
Die Beklagte beantragt, Bezug nehmend auf die Gründe des Widerspruchsbescheides,
die Klage abzuweisen.
Die beigeladene Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht keine Verletzung der Überprüfungs- und Kontrollpflichten
des Bewertungsausschusses. Weder die ursprünglichen Datengrundlagen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes
noch die von der MediTrust AG ausgewerteten Daten wären als Grundlage für eine Neubewertung der
Abrechnungspositionen des Kapitels 16 EBM geeignet gewesen, weil sie mangels ausreichender Datenbasis nicht
valide genug gewesen seien.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit der
Niederschrift über die mündliche Verhandlung und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Honoraranspruchs für das
Quartal I/2006. Der Honorarbescheid vom 25.07.2006 und der Widerspruchsbescheid vom 08.11.2006 sind
rechtmäßig. Die dem Honoraranspruch zu Grunde liegenden Vorschriften des Honorarverteilungsmaßstabes stehen
ebenso wie die der Honorarabrechnung zu Grunde gelegten Abrechnungspositionen des Einheitlichen
Bewertungsmaßstabes im Einklang mit höherrangigem Recht und sind von der Beklagten frei von Rechtsfehlern
umgesetzt worden.
Die Anwendung der Vorschriften über die Leistungsteuerung mittels Regelleistungsvolumina im
Honorarverteilungsmaßstab für die Quartale I/2006 bis IV/2006 vom 19.05.2006 begegnet keinen durchgreifenden
rechtlichen Bedenken.
Wie bereits der Honorarverteilungsmaßstab für die Quartale II/2005 bis IV/2005 führt auch der
Honorarverteilungsmaßstab für die Quartale I/2006 bis IV/2006 die bereits seit dem 01.07.2003 geltenden Vorschriften
über die Leistungssteuerung mittels praxisindividueller Abrechnungsmengenbegrenzungen (Punktmengenvolumina, ab
dem 01.04.2005 Regelleistungsvolumina) in modifizierter Form fort.
Grundlage der Regelungen über die Honorarbegrenzung durch Regelleistungsvolumina ist § 85 Abs. 4 und 4a SGB V.
Danach haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Gesamtvergütung nach Maßgabe des mit den
Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich zu
vereinbarenden Honorarverteilungsmaßstabes an die Vertragsärzte zu verteilen. Bei der Verteilung der
Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen; dabei ist jeweils für
die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zu Grunde
zu legen. Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte
Jahr verteilt werden. Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der
Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen. Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu
denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind
(Regelleistungsvolumina). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert
überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird. In den Honorarverteilungsmaßstab
sind die vom Bewertungsausschuss nach § 85 Abs. 4a SGB V zu treffenden Regelungen über die Verteilung der
Gesamtvergütung - insbesondere die Festlegung der haus- und der fachärztlichen Vergütungsanteile sowie
Leistungssteuerung an Hand von Regelleistungsvolumina - aufzunehmen.
Über die Vorgaben des § 85 Abs. 4 und 4a SGB V hinaus hat das Bundessozialgericht einen hohen Stellenwert dem
Ziel beigemessen, eine Punktwertstabilisierung zu erreichen, um dem sog. Hamsterradeffekt entgegenzuwirken und
damit zugleich den Vertragsärzten zu ermöglichen, ihr zu erwartendes vertragsärztliches Honorar sicherer
abzuschätzen (Kalkulationssicherheit). Das Gebot leistungsproportionaler Vergütung ist keine Vorgabe, die strikt
einzuhalten wäre und höheren Rang hätte als die anderen Zielvorgaben. Den verschiedenen Zielvorgaben kann ein
Honorarverteilungsmaßstab nicht gleichermaßen gerecht werden. Vielmehr muss die Kassenärztliche Vereinigung in
dem Konflikt unterschiedlicher Zielsetzungen einen angemessenen Ausgleich im Sinne praktischer Konkordanz
suchen. Dabei gibt es nicht nur eine richtige Kompromisslösung, sondern eine Bandbreite unterschiedlicher
Möglichkeiten gleichermaßen rechtmäßiger Regelungen (zusammenfassend: Bundessozialgericht, Urteil vom
14.12.2005, Az. B 6 KA 17/05 R, Urteil vom 08.02.2006, Az. B 6 KA 25/05 R).
Der im Quartal I/2006 geltende Honorarverteilungsmaßstab entspricht diesen Vorgaben.
Zutreffend weist der Bevollmächtigte der Klägerin zwar darauf hin, dass das Regelungskonzept einer Zuweisung
praxisindividueller Individualbudgets, wie es den Regelleistungsvolumina im Sinne des Honorarverteilungsmaßstabes
zu Grunde liegt, vom Konzept der Regelleistungsvolumina nach Teil III Nr. 3 des Beschlusses des
Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 (DÄBl. 101 [2004] Nr. 46 S. A3129, A3139) insoweit abweicht, als Letzterer
die abrechenbare Leistungsmenge durch Abstaffelung der arztgruppenspezifischen Fallpunktzahl in Verbindung mit
aus dem Arztgruppendurchschnitt oder aus früheren Abrechnungsquartalen abgeleiteten Fallzahlgrenzen beschränkt.
Dies steht der Gültigkeit der im Bereich der Beklagten vereinbarten Regelungen indessen nicht entgegen. Denn
gemäß Teil III Punkt 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses können, sofern in einer Kassenärztlichen
Vereinigung bereits am 31.03.2005 Steuerungsinstrumente vorhanden waren, die in ihren Auswirkungen mit der
gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar sind, diese fortgeführt werden, wenn die Verbände der
Krankenkassen auf Landesebene - wie hier mit der vertraglichen Vereinbarung des Honorarverteilungsmaßstabes
geschehen - das Einvernehmen hierzu herstellen.
Diese Öffnungsklausel war zunächst bis zum 31.12.2005 befristet, da ursprünglich ab dem 01.01.2006 die
bundesweite Einführung neuer, morbiditätsgebundener Regelleistungsvolumina beabsichtigt war. Nachdem sich das
Scheitern dieses Zeitplanes abzeichnete, hat der Erweiterte Bewertungsausschuss nach § 85 Abs. 4a SGB V in
seiner 4. Sitzung am 16.12.2005 unter Teil IV beschlossen, die im Beschluss des Bewertungsausschusses vom
29.10.2004 in Teil III für den Zeitraum vom 01.04.2005 bis zum 31.12.2005 getroffene Regelung für die Bildung von
Regelleistungsvolumen auch im Jahre 2006 anzuwenden; die in diesem Beschluss getroffenen Vorgaben zur
Steuerung arztgruppenspezifischer Auswirkungen und zur Ermittlung und Anwendung von Regelleistungsvolumen
gelten weiter bis zum 31.12.2006 (DÄBl. 103 [2006] Nr. 1-2 S. A76). Diese Weitergeltung umfasst auch die
Öffnungsklausel für die Fortgeltung vergleichbarer Steuerungsinstrumente.
Bei den im Quartal I/2006 geltenden Regelleistungsvolumina (bis zum 31.03.2005: Punktmengenvolumina) handelt es
sich um ein im Sinne des Beschlusses des Bewertungsausschusses hinsichtlich der leistungssteuernden Wirkung
den Regelleistungsvolumina nach § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbares Regelungsinstrument. Insoweit kommt es nicht
auf die Vergleichbarkeit mit dem Regelungsinstrument des Regelleistungsvolumens nach dem Beschluss des
Bewertungsausschusses selbst an, sondern nur auf die Vergleichbarkeit hinsichtlich der Auswirkungen nach § 85
Abs. 4 SGB V. Regelleistungsvolumen im Sinne des § 85 Abs. 4 SGB V sind nach der in Teil III Nr. 2.1 des
Beschlusses des Bewertungsausschusses niedergelegten Definition, an welche die Öffnungsklausel in Teil III Nr. 2.2
des Beschlusses anknüpft, arztgruppenspezifische Grenzwerte, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem
medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten
ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten,
festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind.
Die Kriterien dieser Definition werden von den im Bereich der Beklagten geltenden Punktmengen- und
Regelleistungsvolumina in jeder Hinsicht erfüllt. Die Regelungen sind arztgruppenspezifisch, weil zum Einen bei der
Bildung der einheitlichen und festen Punktwerte die Individualbudgets mittels arztgruppenspezifischer
Anpassungsfaktoren aus dem Honorarfondsvolumen der jeweiligen Fachgruppe abgeleitet werden und weil zum
Anderen das durchschnittliche Regelleistungsvolumen der Vergleichsgruppe eine fachgruppenspezifische Obergrenze
für die Bemessung und für spätere Ausweitungen der Individualbudgets darstellt. Die Restleistungsvergütung wird für
die Honorargruppen jeweils gesondert berechnet. Dabei erschöpft sich die Arztgruppenspezifik der Grenzwerte nicht
lediglich in der Einrichtung getrennter Honorarfonds für die einzelnen Arztgruppen, deren Mittel nach Maßgabe des
individuellen Leistungsbedarfs jeder Praxis mit floatenden Punktwerten vergütet werden. Vielmehr werden die
arztgruppenspezifischen Honorarfondsvolumina in Kombination mit praxisindividuellen Abrechnungsmengen aus
einem Referenzzeitraum in Grenzwerte überführt, die sowohl kalkulierbare Einnahmen nach einem festen Punktwert
gewährleisten als auch eine effektive Abrechnungsmengenbegrenzung unter Beachtung des verfügbaren
Honorarfondsvolumens bewirken.
Etwas Gegenteiliges folgt nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.03.2010, Az. B 6 KA 43/08 R, in
dem der Senat die Regelungen eines Honorarverteilungsmaßstabes als mit Teil III Punkt 2.2 des Beschlusses des
Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 unvereinbar erachtet hat, weil dieser die bis zum 31.03.2005 bestehenden
Regelungsinstrumente nicht fortgeführt habe. Eine solche Situation liegt mit dem hier maßgeblichen
Honorarverteilungsmaßstab nicht vor. Entscheidend für die Anwendbarkeit der Übergangsregelung ist dabei, wie es im
Urteil des Bundessozialgerichts heißt, dass die von den Vorgaben des Bewertungsausschusses abweichenden
Regelungen von der Zielrichtung der Regelleistungsvolumina nach dem Regelungskonzept des
Bewertungsausschusses jedenfalls nicht wegführen und damit dem in § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V angelegten System
weniger nahe stehen als die zuvor geltenden Honorarverteilungsregelungen. Diese Anforderung erfüllen die im
Freistaat Sachsen seit dem Quartal II/2005 geltenden Regelleistungsvolumina. Der Honorarverteilungsmaßstab
modifiziert die bis zum 31.03.2005 geltenden Punktmengenvolumina insoweit, als die zuvor geltenden floatenden
Punktwerte durch arztgruppenübergreifende feste Punktwerte abgelöst werden. Unter Beibehaltung des bisherigen
Grundkonzepts der Punktmengenvolumina als Individualbudget haben die Partner der Honorarverteilungsverträge
damit die Regelleistungsvolumina an die Vorgabe fester Punktwerte nach § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V herangeführt.
Darüber hinaus bestätigt die Entscheidung des Bundessozialgerichts die Konzeption der seit dem Quartal II/2005
geltenden Honorarverteilungsmaßstäbe insoweit, als nach Auffassung des Senats die Forderung des § 85 Abs. 4 Satz
7 SGB V "arztgruppenspezifische Grenzwerte" einzuführen, nicht zwingend die Festlegung arztgruppeneinheitlicher
Grenzwerte verlangt. Das Merkmal erfordere vielmehr, dass in die Regelung jedenfalls auch ein Element
arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließt. Die Regelung müsste zum Beispiel (Bundessozialgericht, a.a.O., juris
Rn. 17: "zB") jedenfalls auf arztgruppeneinheitlichen Fallpunktzahlen aufbauen. Diese können dann mit individuellen
Behandlungsfallzahlen multipliziert zu praxisindividuellen Grenzwerten führen.
Die Partner des Honorarverteilungsvertrages haben sich an Stelle der vom Bundessozialgericht exemplarisch
vorgeschlagenen Kombination praxisindividueller Fallzahlen mit arztgruppenspezifischen Fallpunktwerten für das -
rechnerisch gleichwertige - Konzept entschieden, eine praxisindividuelle Abrechnungsmenge aus einem
Referenzzeitraum mit festen arztgruppenspezifischen Anpassungsfaktoren zu multiplizieren, um so zu
praxisindividuellen Grenzwerten zu gelangen, die unter den Bedingungen eines einheitlichen festen Punktwertes der
Begrenztheit der arztgruppenspezifischen Honorarfonds ebenso Rechnung tragen wie dem Umfang der individuellen
Praxisausrichtung an Hand des Referenzzeitraums. Das Konzept des Honorarverteilungsmaßstabes verzichtet damit
auf eine Bemessung der Grenzwerte an Hand von Fallzahlen und Fallpunktwerten. Statt dessen knüpft es die
Grenzwerte an Leistungsmengen in Punkten an und wendet auch die arztgruppenspezifischen Anpassungsfaktoren
auf die so gebildeten Punktmengen an. Eine fallzahlbezogene Berechnungsbasis ist indessen weder von § 85 Abs. 4
Satz 7 SGB V gefordert noch in der Definition des Regelleistungsvolumens nach Teil III Nr. 2.1 des Beschlusses des
Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 angelegt. Die Regelleistungsvolumina im Sinne dieser Vorschriften dürfen
in zulässiger Weise auch an Hand von Abrechnungspunktmengen gebildet und als Punktmengengrenze beschlossen
werden.
Solche (auch) aus den abgerechneten Punktmengen abgeleiteten und hierauf bezogenen Regelleistungsvolumina
vermögen Fehlanreize zu vermeiden, die ausschließlich fallzahlabhängigen Regelleistungsvolumina eigen sind. Es ist
ein Irrtum, den vergütungsrelevanten Umfang der Mitwirkung des Arztes an der Sicherstellung der Versorgung
ausschließlich an Hand der Fallzahlen pro Quartal bemessen zu wollen. Quartalsfallzahlen dürfen nicht mit der Zahl
der ausreichend versorgten Patienten gleichgesetzt werden. Eine Verengung der Honorarbegrenzungsregelungen auf
streng fallzahlabhängige Steuerungsinstrumente führt im ungünstigen Fall dazu, dass nur scheinbar mehr Patienten
versorgt werden, tatsächlich aber die selben Patienten lediglich quartalsweise neu einbestellt werden und dadurch eine
medizinisch mögliche intensive und zeitlich effektive Behandlung dem Interesse geopfert wird, über längere Zeiträume
hinweg abrechnungsoptimale Fallzahlen zu generieren. Diese Fehlsteuerung schlägt sich nicht zuletzt darin nieder,
dass im internationalen Vergleich bei deutlich überdurchschnittlicher Anzahl der Arzt-Patienten-Kontakte in
Deutschland zugleich die Zeit für einzelne Patientenkontakte im Vergleich zu anderen Ländern ausgesprochen kurz
ist. Es lässt sich vermuten, dass längere Kontakte zumindest einen Teil der bisherigen Kontakte überflüssig machen
und zu einer höheren Zufriedenheit bei allen Beteiligten beitragen könnten (vgl. Koch/Gehrmann/Sawicki,
Primärärztliche Versorgung in Deutschland im internationalen Vergleich: Ergebnisse einer strukturvalidierten
Ärztebefragung, Deutsches Ärzteblatt 2007; 104 [38]: A-2584 ff.). Die im streitgegenständlichen Quartal geltenden
Regelleistungsvolumina werden diesem Anliegen eher gerecht.
Dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge nur zu einem geringen Restleistungspunktwert
vergütet wird, steht nicht im Widerspruch zu der in § 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V vorgesehenen Punktwertabstaffelung.
Zur Höhe der Abstaffelung trifft das Gesetz keine konkrete Vorgabe. Im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit steht es den
Partnern der Honorarverteilungsverträge frei, als Teil des Gesamtkonzepts, eine möglichst große Zahl der Leistungen
mit vollen Punktwerten zu vergüten und dadurch für Planungssicherheit zu sorgen, auch äußerst geringe
Honorierungsquoten der Restleistungsvergütung zu Grunde zu legen (vgl. Bundessozialgericht, vom 10.12.2003, Az.
B 6 KA 54/02 R, Urteil vom 08.02.2006, Az. B 6 KA 25/05 R). Was die seit dem 01.07.2003 mehrmalige Absenkung
des für die Bemessung der jeweiligen Individualbudgets maßgeblichen Leistungsbedarfs betrifft, verletzt diese nicht
das im Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verankerte Prinzip der Leistungsangemessenheit der
Vergütung. Es trifft allerdings zu, dass bereits bei der Einführung der Leistungssteuerung mittels
Punktmengenvolumina zum 01.07.2003 für die Bemessung der praxisindividuellen Punktzahlobergrenzen die bereits
praxisbudgetierten bemessungsrelevanten Leistungsmengen des Referenzzeitraums pauschal um 10 % abgesenkt
wurden. Dies ist rechtmäßig. Das Bundessozialgericht hat vergleichbare Absenkungen individueller Praxisbudgets
gegenüber dem Bemessungszeitraum als rechtmäßig beurteilt (Bundessozialgericht, Urteil vom 21.10.1998, Az. B 6
KA 71/97 R, Urteil vom 21.10.1998, Az. B 6 KA 35/98 R, Urteil vom 10.12.2003, Az. B 6 KA 54/02 R). Gemäß § 7
Abs. 2 Buchst. a des im streitgegenständlichen Quartal geltenden Honorarverteilungsmaßstabes bilden die zum
31.03.2005 gültigen Punktmengenvolumen bzw. die auf der Grundlage des ab 01.04.2005 geltenden
Honorarverteilungsmaßstabes ermittelten Regelleistungsvolumina sowie die Grundzüge der Finanzplanung gemäß
Anlage 4 HVM die Grundlage der Bestimmung der Regelleistungsvolumina für die Quartale I/2006 bis IV/2006.
Grundlage für die Bestimmung der damit weitergeführten Regelleistungsvolumina nach dem
Honorarverteilungsmaßstab für die Quartale II/2005 bis IV/2005 waren die zum 31.03.2005 gültigen
Punktmengenvolumina, die auf Grund der Honorarverteilungsmaßstäbe für die Quartale III/2003 bis I/2005 ermittelt
wurden. Gemäß § 7 Abs. 3 des Honorarverteilungsmaßstabes für die Quartale II/2005 bis IV/2005 waren auf die so
ermittelten und gegebenenfalls angepassten Punktmengenvolumina mit Wirkung ab dem 01.04.2005 die in Anlage 2
zum Honorarverteilungsmaßstab ausgewiesenen Anpassungsfaktoren, die auf Grundlage der Anlage 4 unter
Berücksichtigung eines rechnerischen Sicherheitsabschlages von 5 % ermittelt wurden, anzuwenden und ergaben die
neuen Regelleistungsvolumina. Zur Ermittlung der Regelleistungsvolumina für die Quartale I/2006 bis IV/2006 sind
diese arztgruppenspezifischen Anpassungsfaktoren in Anlage 2 HVM neu festgesetzt worden.
Unter Würdigung der Auswirkungen der Neuregelung auf die Vergütungsstruktur der Arztgruppe der Nervenärzte,
Psychiater, Ärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Neurologen wie auch des Regelungsgefüges des
Honorarverteilungsmaßstabes ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass diese Kürzung sich im zulässigen
Rahmen bewegt. Die Vorschriften des Honorarverteilungsmaßstabes über die Bildung des Regelleistungsvolumens
führen weder in Bezug auf die Arztgruppe noch im Einzelfall des Klägers zu einer nicht mehr hinnehmbaren
Abkoppelung der Honorarberechnung vom Umfang der vertragsärztlichen Leistungserbringung. Die
Leistungsangemessenheit der Vergütung bleibt gewahrt.
Ausweislich der von der Beklagten veröffentlichten Grunddaten der Punktwertberechnung belief sich die Kürzung des
von der Arztgruppe abgerechneten RLV-relevanten Leistungsbedarfs im Quartal I/2006 auf 24,3 %. Bezogen auf den
gesamten angeforderten Leistungsbedarf, einschließlich der nicht budgetierten Leistungen lag die effektive
Kürzungsquote mit 23,4 % noch geringfügig darunter (vgl. KVS-Mitteilungen, Beilage Heft 9/2006, Seite III,
Tabellenspalte 4). Die von der Arztgruppe abgerechneten Mengen budgetrelevanter Leistungen haben sich ausweislich
der von der Beklagten veröffentlichten abgeleiteten Größen der Punktwertberechnung während der Geltung von
Punktmengen- und Regelleistungsvolumina wie folgt entwickelt:
Quartal PMV/RLV-
relevanter
Leistungsbedarf mit PMV/RLV-Punktwert vergütete Punktmenge mit Restleistungspunktwert vergütete Punktmenge
Kürzungs-
quote III/2003 263.931.531 230.716.611 33.214.920 12,6 % IV/2003 260.788.560 225.912.228 34.876.332 13,4 %
I/2004 265.587.341 231.491.339 34.096.002 12,8 % II/2004 261.025.187 231.838.218 29.186.969 11,2 % III/2004
256.520.126 234.147.752 22.372.374 8,7 % IV/2004 263.117.899 237.044.929 26.072.970 9,9 % I/2005 265.317.248
238.022.059 27.295.189 10,3 % II/2005 242.523.869 176.465.748 66.058.121 27,2 % III/2005 226.861.771
176.990.043 49.871.728 22,0 % IV/2005 227.850.527 177.883.623 49.966.904 21,9 % I/2006 245.358.947
185.640.975 59.717.972 24,3 % II/2006 233.945.188 186.109.370 47.835.818 20,4 % III/2006 226.570.820
184.372.856 42.197.964 18,6 % IV/2006 230.648.169 184.282.589 46.365.508 20,1 % I/2007 241.744.963
185.510.455 56.234.508 23,3 % II/2007 231.912.000 185.587.000 46.325.000 20,0 % III/2007 229.336.251
182.807.022 46.529.229 20,3 % IV/2007 232.354.906 183.034.778 49.320.128 21,2 %
Vergleicht man die durchschnittliche Restleistungsquote der Arztgruppe (24,3 %) mit der individuellen Kürzung des
Klägers (18,6 %) wird deutlich, dass der Kläger innerhalb seiner Honorargruppe von der Leistungsmengenbegrenzung
profitiert hat, weil er nur unterdurchschnittlich gekürzt wurde und deshalb der Nachteil der geringen
Restleistungsvergütung durch den Vorteil der Punktwertstabilisierung der Regelleistungsvergütung mehr als
ausgeglichen wird.
Insgesamt stellt sich die Honorarsituation als stabil dar:
Quartal Honorar-)
insgesamt Nerven-
Ärzte Honorar-)
je Arzt III/2003 7.072.059 EUR 218 32.441 EUR IV/2003 6.944.656 EUR 210 33.070 EUR I/2004 6.850.040 EUR 210
32.619 EUR II/2004 6.720.336 EUR 211 31.850 EUR III/2004 7.032.016 EUR 212 33.170 EUR IV/2004 6.665.439
EUR 215 31.002 EUR I/2005 6.543.373 EUR 214 30.577 EUR II/2005 7.169.058 EUR 231 31.035 EUR III/2005
7.322.366 EUR 232 31.562 EUR IV/2005 7.428.549 EUR 236 31.477 EUR I/2006 7.959.436 EUR 242 32.890 EUR
II/2006 8.008.546 EUR 242 33.093 EUR III/2006 7.902.412 EUR 244 32.387 EUR IV/2006 7.928.555 EUR 239 33.174
EUR I/2007 7.669.564 EUR 237 32.361 EUR II/2007 7.734.511 EUR 236 32.773 EUR III/2007 7.567.273 EUR 234
32.339 EUR IV/2007 7.656.280 EUR 234 32.719 EUR -) ohne Sachkosten
Die Vergütungsquote hat sich mit der Überführung der Punktmengenvolumina in die Regelleistungsvolumina ab dem
Quartal II/2005 gegenüber den Quartalen III/2003 bis I/2005 verringert, wobei aber der Anteil der Restleistungen in den
Folgequartalen nicht mehr das anfängliche Ausmaß erreicht hat.
Entscheidend für die Frage, ob noch ein ausreichender Bezug zwischen dem Umfang der erbrachten Leistungen und
der Höhe der Vergütung besteht, sind die tatsächlichen Auswirkungen der Honorarbegrenzungsregelung. In dieser
Hinsicht geht aus den Statistiken der Beklagten hervor, dass die effektiven Restleistungsquoten mit Ausnahme des
Quartals II/2005 stets unter 25 % blieben.
Dies ist hinzunehmen. Trotz der Absenkung der Individualbudgets wird die Höhe der Vergütung damit immer noch im
Wesentlichen von dem im angeforderten Leistungsbedarf zum Ausdruck kommenden Umfang der ärztlichen Tätigkeit
bestimmt und die Honorierung der ärztlichen Leistung nicht durch eine Alimentierung des Arztes ersetzt. Letztlich
stellt sich die nochmalige Herabbemessung der budgetrelevanten Referenzmengen als Kehrseite des seit dem Quartal
II/2005 für alle Facharztgruppen einheitlich vereinbarten festen Punktwertes von 3,75 ct nach § 7 Abs. 4 des
Honorarverteilungsmaßstabes dar. Mit der Vereinbarung eines festen Punktwertes haben die Beteiligten des
Honorarverteilungsvertrages eine der Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V aufgegriffen. Damit haben sie einen
der beiden Faktoren - abrechenbare Leistungsmenge und Punktwert - der budgetierten Gesamtvergütung fixiert. Da
auch die Gesamtvergütung begrenzt ist, kann ein solcher fester Punktwert an Stelle der bisherigen floatenden
Punktwerte nur um den Preis garantiert werden, dass als einzige verbleibende Variable die abrechenbare
Leistungsmenge dem für die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen zur Verfügung stehenden Budget angepasst
wird. Nachdem auch die Aufteilung der Gesamtvergütung in die Anteile des haus- und des fachärztlichen
Versorgungsbereichs und die Aufteilung des fachärztlichen Honorarkontingents auf die Honorargruppenfonds
entsprechend deren Gesamtvergütungsanteilen im Referenzzeitraum vorgegeben ist, ergab sich die Herabbemessung
der Individualbudgets nach Maßgabe des in Anlage 2 HVM ausgewiesenen arztgruppenspezifischen
Anpassungsfaktors als zwingende Folge. In diesen Anpassungsfaktor ist neben dem Transformationsfaktor, der die
Erweiterung des Kreises der budgetierten Leistungen im Vergleich zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab ausgleicht,
und einem Sicherheitsabschlag von 5 % in erster Linie ein Punktwertanpassungsfaktor eingeflossen, der dem
Verhältnis zwischen dem durchschnittlichen Honorargruppenpunktwert der Quartale III/2003 bis II/2004 und dem
arztgruppenübergreifenden festen Punktwert von 3,75 ct entspricht. Letzterer ermittelt sich im Kern aus dem
durchschnittlichen Honorargruppenbudget für die innerhalb der Punktmengenvolumina abgerechneten Leistungen,
geteilt durch die um Abschläge (z.B. für nicht ausgeschöpfte Punktmengenvolumina) verminderte Leistungsmenge
innerhalb der Punktmengenvolumina dieses Referenzzeitraums. Dieser Berechnungsansatz ist nicht zu beanstanden.
Bei nicht oder nur gering angestiegenem Budgetvolumen - was vom Kläger nicht gerügt werden kann (vgl.
Bundessozialgericht, Urteil vom 31.08.2005, Az. B 6 KA 6/04 R, Urteil vom 27.05.2005, Az. B 6 KA 23/04 R, und
Urteil vom 14.07.1965, Az. 6 RKa 27/61) - kann der Auszahlungspunktwert nur unter Verringerung der
honorarwirksamen Leistungsmenge erhöht werden.
Beruht die Kürzung der zum RLV-Punktwert zu vergütenden Leistungsmenge im Wesentlichen auf der Festsetzung
des einheitlichen Punktwertes von 3,75 ct für die innerhalb des Regelleistungsvolumens abgerechneten
Punktmengen, könnte sich die Rechtswidrigkeit der Leistungsmengenbegrenzung allenfalls daraus ergeben, dass die
Festsetzung des Punktwertes rechtswidrig ist. Auch dies ist nicht der Fall.
Bei der Festsetzung der Höhe des Festpunktwertes und der Ausgestaltung der damit korrespondierenden Regelungen
des Honorarverteilungsmaßstabes kommt den Partnern der Honorarverteilungsverträge ein weites
Gestaltungsermessen zu, das nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Grenzen dieses
Gestaltungsspielraums sind hier gewahrt. Bei der Festsetzung des festen Punktwertes war einerseits zu
berücksichtigen, dass durch eine zu starke Anhebung des Punktwertes der vom Kläger beklagte Effekt einer
Abkoppelung der Vergütung vom Leistungsumfang einzutreten droht. Andererseits wirkt sich die Punktwertsteigerung
nur in den Fällen negativ auf die Honorarsituation aus, in denen Ärzte ihren Leistungsbedarf erheblich über das
Abrechnungsvolumen des der Bemessung zu Grunde liegenden Referenzzeitraums hinaus steigern, ohne die
Voraussetzungen für eine individuelle, in der Regel fallzahlabhängige Anpassung des Individualbudgets zu erfüllen;
nur diese Ärzte müssen eine über dem Durchschnitt der Fachgruppe liegende Kürzung der zum RLV-Punktwert
vergüteten Punktmenge hinnehmen. Liegt die Restleistungsquote unter dem Fachgruppendurchschnitt, so wird die
Absenkung der honorarwirksamen Leistungsmenge durch den punktwertstabilisierenden Effekt der Mengenbegrenzung
kompensiert. Schließlich lag es nahe, als Orientierung den kalkulatorischen Punktwert von 5,11 ct im Auge zu
behalten, welcher der Bewertung der vertragsärztlichen Leistungen nach dem am 01.04.2005 in Kraft getretenen EBM
2000plus zu Grunde lag. Nähert sich der Punktwert dieser Kalkulationsgrundlage an, so muss der Arzt zwar in Kauf
nehmen, dass die Abrechung der das - entsprechend abgesenkte - Regelleistungsvolumen überschreitenden
Leistungsmenge sich unabhängig vom Umfang der Mehrarbeit nicht in einem adäquaten Anstieg der Vergütung
niederschlägt. Dafür erhält in Bezug auf die innerhalb des Regelleistungsvolumens erbrachte und abgerechnete
Leistungsmenge der Grundsatz der Leistungsangemessenheit der Vergütung besonderes Gewicht, weil die
Honorierung der Leistungen sich insoweit der Kalkulationsgrundlage des Bewertungsmaßstabes annähert. Dies
vermeidet zugleich Anreize für eine kollektive Ausweitung der Leistungsmenge, die sich nicht in einer Erhöhung des
verfügbaren Vergütungsvolumens niederschlagen und letztlich zu Lasten der Qualität der Leistungserbringung gehen
würde. Der Punktwert von 3,75 ct stellt im Ergebnis einen Kompromiss dar, gegen den in rechtlicher Hinsicht nichts
einzuwenden ist.
Durch die Ausgestaltung des Honorarverteilungsmaßstabes werden keine ungerechtfertigten Besitzstände von im
Bemessungszeitraum überdurchschnittlich abrechnenden Altärzten zementiert. Die Punktmengen- und
Regelleistungsvolumina im Bemessungszeitraum überdurchschnittlich abrechnender Altarztpraxen werden ohne
weitere Zuwachsmöglichkeit auf das Niveau des nach § 7 Abs. 1 HVM abgesenkten durchschnittlichen
Leistungsbedarfs aus dem Bemessungszeitraum begrenzt. Altärzte genießen zudem keine Zahlbetragsgarantie und
sind nicht gegen Punktwertverluste in Folge späterer Ausweitungen von Individualbudgets unterdurchschnittlich
abrechnender Praxen bei gleich bleibenden Gesamtvergütungen geschützt. Die verbleibenden Ungleichheiten
zwischen jüngeren und älteren Praxen ergeben sich in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Niederlassung aus dem
Prioritätsprinzip. Gegen eine solche stichtagsbezogene Differenzierung ist nichts einzuwenden. Als Alternative käme
die Einführung von Regelungen in Betracht, die eine schrittweise Verringerung überdurchschnittlicher
Individualbudgets bewirken (vgl. Bundessozialgericht Urteil vom 10.12.2003, Az. B 6 KA 54/02 R). Solche Regelungen
sind indessen nicht geboten. Altärzte können zwar weder aus Artikel 14 Abs. 1 GG noch aus Artikel 12 Abs. 1 GG
einen Anspruch auf Erhaltung ihrer Verdienstmöglichkeiten ableiten. Daraus kann jedoch nicht der Gegenschluss
gezogen werden, dass Honorarverteilungsvorschriften, die älteren Praxen weiterhin die Abrechnung auf Basis der vor
Einführung mengenbegrenzender Regelungen überdurchschnittlich abgerechneten Leistungsmengen gestatten, sich
außerhalb der Bandbreite zulässiger Verteilungsregelungen bewegen würden. Im Einklang damit hat das
Bundessozialgericht Regelungen eines Honorarverteilungsmaßstabes, die ein Einfrieren der Individualbudgets
überdurchschnittlich abrechnender Praxen vorsehen, unbeanstandet gelassen, ohne eine Verringerung der über dem
Vergleichsgruppendurchschnitt liegenden Individualbudgets als erforderlich anzusehen (Urteil vom 10.12.2003, Az. B
6 KA 76/03 R). Die Vertragspartner der Honorarverteilungsverträge haben mit Wirkung ab dem Quartal 01.07.2007
derartige Abschmelzungsregelungen in den Honorarverteilungsmaßstab aufgenommen (§ 7 Abs. 7 HVM in der
Fassung vom 29.06.2007 und vom 05.03.2008). Ob diese langfristig geeignet sind, den damit angestrebten Zweck zu
erreichen und Ungleichgewichten bei der Leistungssteuerung wirksam zu begegnen, kann dahin gestellt bleiben. Den
Partnern der Honorarverteilungsverträge steht ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der auch die Befugnis beinhaltet,
die Auswirkungen des bis zum 30.06.2007 geltenden Bestandsschutzes zunächst zu beobachten und bei
festgestelltem Handlungsbedarf zunächst mit weniger einschneidenden Regelungen zu reagieren. Für den hier
streitbefangenen Zeitraum war diese Beobachtungs- und Reaktionsfrist jedenfalls noch nicht ausgeschöpft. Die
Partner der Honorarverteilungsverträge hatten sich zunächst dafür entschieden, nicht ausgeschöpfte
Individualbudgets bei der Überführung in Regelleistungsvolumina entsprechend der Unterschreitung des
Punktmengenvolumens zu reduzieren (§ 7 Abs. 2 Buchst. c des ab dem Quartal II/2005 geltenden
Honorarverteilungsmaßstabes). Die Vertragspartner waren mithin nicht untätig geblieben. Eine Verpflichtung, bereits
im nächsten Honorarverteilungsmaßstab mit Geltung ab dem streitgegenständlichen Quartal I/2006 auch bei
Verringerungen der Fallzahlen Regelleistungsvolumina abzuschmelzen, bestand vor diesem Hintergrund nicht. Im
Übrigen würde eine Reduzierung ungerechtfertigter Individualbudgets den übrigen Ärzten nicht automatisch die
Befugnis verleihen, ihrerseits zusätzliche Leistungsmengen abrechnen zu dürfen.
Ebenso wenig dringt die Klage mit ihren Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit der Bewertungsansätze für die hier
abgerechneten Gebührenordnungspositionen des Kapitels 16 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes durch. Deren
Bewertung durch den Bewertungsausschuss hält sich innerhalb des den Partnern der Gesamtverträge eingeräumten
Gestaltungsermessens.
Die Gerichte haben die Gestaltungsfreiheit des Bewertungsausschusses, wie sie für jede Normsetzung
kennzeichnend ist, zu respektieren. Die richterliche Kontrolle untergesetzlicher Normen beschränkt sich darauf, ob die
äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber überschritten wurden. Dies ist erst
dann der Fall, wenn die getroffene Regelung in einem "groben Missverhältnis" zu den mit ihr verfolgten legitimen
Zwecken steht, das heißt in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder
unverhältnismäßig ist. Die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen des Bewertungsausschusses ist somit im
Wesentlichen auf die Prüfung beschränkt, ob sich die untergesetzliche Norm auf eine ausreichende
Ermächtigungsgrundlage stützen kann und ob die Grenzen des Gestaltungsspielraums eingehalten sind. Der
Bewertungsausschuss überschreitet den ihm eröffneten Gestaltungsspielraum, wenn sich zweifelsfrei feststellen
lässt, dass seine Entscheidungen von sachfremden Erwägungen getragen sind - etwa weil eine Gruppe von
Leistungserbringern bei der Honorierung bewusst benachteiligt wird - oder dass es im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG
keinerlei vernünftige Gründe für die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem bzw. für die ungleiche Behandlung
von im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalten gibt.
Diese Anforderungen an die Intensität einer gerichtlichen Kontrolle untergesetzlicher Normen bedürfen der
Modifizierung, sofern das Normprogramm auf tatsächliche Verhältnisse Bezug nimmt bzw. eine Regelung als sog
"zahlenförmige Norm" getroffen wird. Macht eine Norm tatsächliche Umstände - beispielsweise die
bundesdurchschnittlichen Kostenquoten der Arztgruppen in einem bestimmten Jahr - zur Grundlage ihrer Regelung,
erstreckt sich die gerichtliche Überprüfung insbesondere darauf, ob die Festlegung frei von Willkür ist. Dies ist der
Fall, wenn bei allen Arztgruppen nach denselben Maßstäben verfahren wurde, aber auch dann, wenn weitere
Gesichtspunkte - etwa eine unterschiedliche Einkommensentwicklung der Arztgruppen - eine differenzierte Regelung
sachlich rechtfertigen. Enthält eine Honorierungsregelung, die als solche keine Grundrechtsbeeinträchtigung von
gewisser Intensität betrifft, als Tatbestandsmerkmale Zahlen oder Formeln, haben die Gerichte zu prüfen, ob
sachliche Gründe erkennbar sind, welche die getroffene Festlegung als nicht willkürlich erscheinen lassen.
Allerdings darf die gerichtliche Kontrolldichte speziell der Entscheidungen des Bewertungsausschusses nicht
überspannt werden. Denn der an den Bewertungsausschuss gerichtete gesetzliche Gestaltungsauftrag zur
Konkretisierung der Grundlagen der vertragsärztlichen Honorarverteilung umfasst auch den Auftrag zu einer sinnvollen
Steuerung des Leistungsgeschehens in der vertragsärztlichen Versorgung. Hierzu bedarf es komplexer Kalkulationen,
Bewertungen, Einschätzungen und Prognosen, die nicht jeden Einzelfall abbilden können, sondern notwendigerweise
auf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen angewiesen sind. Die gerichtliche Überprüfung
eines komplexen und auch der Steuerung dienenden Regelungsgefüges darf sich deshalb nicht isoliert auf die
Bewertung eines seiner Elemente beschränken, sondern muss stets auch das Gesamtergebnis der Regelung mit in
den Blick nehmen. Die Richtigkeit jedes einzelnen Elements in einem mathematischen, statistischen oder
betriebswirtschaftlichen Sinne ist deshalb nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der gesamten Regelung.
Selbst wenn sich die kalkulatorische Bewertung durch den Bewertungsausschuss im Lichte späterer Erhebungen als
unzutreffend erweist, folgt daraus nicht, dass sie deshalb aus ex ante-Sicht falsch, objektiv willkürlich oder sonst
schlichtweg nicht hinnehmbar gewesen wäre. Dies gilt jedenfalls, wenn und solange der Prognosefehler sich für die
betroffenen Ärzte nicht in existenzbedrohender Weise auswirkt.
Nach diesen Maßstäben haben die vom Kläger beanstandeten Positionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes
hier Bestand.
Der vom Kläger beanstandeten Bewertung unterliegen lediglich die für die Fachgruppe der Neurologen spezifischen
Gebührenpositionen, für die das sog. Praxisbetriebsmodell Neurologie maßgebend war, weil sie von Neurologen
schwerpunktmäßig erbracht werden. Dies sind im Falle des Klägers ausschließlich die Nr. 16310, 16321 und 16322
EBM, nicht aber die abgerechneten übrigen Leistungen des Kapitels 16 (Nr. 16215, 16220, 16230, 16231 und 16340
EBM).
Grundlage der Bewertung waren im Ausgangspunkt die - zunächst für die Fachgruppe einzig verfügbaren - Daten des
Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland und der Schweizer Rollenden Kostenstudie (vgl.
die Übersicht Bl. 141 und 143 der Sozialgerichtsakte), die in die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in
Auftrag gegebene EBM-Praxiskostenstudie der MediTrust AG vom 30.10.2000 (Bl. 170 der Sozialgerichtsakte)
eingeflossen sind. Parallel zum Inkrafttreten des EBM 2000plus im Quartal II/2005 beauftragte die Kassenärztliche
Bundesvereinigung am 16.03.2005 die MediTrust AG mit der Neuberechnung der dem Einheitlichen
Bewertungsmaßstab zu Grunde gelegten Kostenansätze des Praxisbetriebsmodells Neurologie. Die MediTrust AG
Basel legte daraufhin am 02.05.2005 ihr Gutachten "Praxisbetriebsmodell Neurologie NEU" zur Neuberechnung des
EBM-Kosteninputs beim Praxisbetriebsmodell Neurologie vor (Bl. 46 und 108 der Sozialgerichtsakte), auf das die
Klage ihre Argumentation im Wesentlichen stützt. Im Ergebnis dieses Gutachtens veranlasste die Kassenärztliche
Bundesvereinigung unter dem 20.05.2005 eine Arbeitsgemeinschaft der TNS Healthcare GmbH und der BASYS
Beratungsgesellschaft für angewandte Systemforschung mbH mit einer Datenvalidierung des EBM 2000plus. Den
Endbericht legte die Arbeitsgemeinschaft im Februar 2006 vor (Bl. 200 der Sozialgerichtsakte). Darüber hinaus wurden
die bislang in die Bewertung eingeflossenen und fortgeschriebenen Daten einer nochmaligen Evaluation in dem im
Oktober 2006 vorgelegten Gutachten zur Beurteilung der Datenqualität des Praxisbetriebsmodells Neurologie Neu der
TNS Healthcare GmbH unterzogen (Bl. 124 der Sozialgerichtsakte). Auf Grund der Ergebnisse dieser Studien wurde
eine gesonderte Erhebung der Kostenstrukturdaten beschlossen. Auf den entsprechenden Auftrag vom 19.06.2007 hin
führte die Prime Networks AG diese neue Erhebung durch. Die Ergebnisse stellte sie am 26.10.2007 im Bericht
"Praxisbetriebsmodell Neurologie (PBM NEUR) Struktur- und Kostenerhebung in den Bereichen Nervenheilkunde,
Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Psychosomatik und
Psychotherapie" vor (Bl. 130 der Sozialgerichtsakte). Die Erhebung mündete schließlich in die Neubewertung unter
anderem der Gebührenordnungspositionen des Kapitels 16 EBM mit Wirkung ab dem 01.01.2008.
In Auswertung dieser Unterlagen und des Verfahrensablaufs beim Bewertungsausschuss ist die Kammer zu dem
Schluss gelangt, dass die Beklagte die vom Kläger beanstandeten Gebührenordnungspositionen im
streitgegenständlichen Quartal der Abrechnung zu Grunde legen durfte.
Allerdings enthielt bereits das Gutachten der MediTrust AG vom 02.05.2005 deutliche Hinweise auf
Unzulänglichkeiten der bisherigen Einzelleistungsbewertungen, denen im Rahmen der Beobachtungs-, Prüfungs- und
Anpassungspflichten nachzugehen war. Das Gutachten vom 02.05.2005 war jedoch, wie der Endbericht der
Arbeitsgemeinschaft TNS Healthcare/BASYS von Februar 2006 und das Gutachten der TNS Healthcare GmbH von
Oktober 2006 feststellen, seinerseits mangels valider Datenbasis noch nicht als Grundlage für eine Neubewertung
ausreichend. Diese Neubewertung ermöglichte vielmehr erst die Struktur- und Kostenerhebung der Prime Networks
AG vom 26.10.2007.
Die Kalkulation der spezifisch neurologischen Leistungskennziffern des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (vgl. Bl.
143 der Sozialgerichtsakte) entsprach demnach im streitgegenständlichen Quartal zwar nicht den statistischen
Standards. Sie war jedoch nicht aus diesem Grund von Anfang an rechtswidrig mit der Folge, dass die erst
nachträglich - auf Basis der Struktur- und Kostenerhebung der Prime Networks AG vom 26.10.2007 - erhobenen Daten
einer rückwirkenden Neubewertung der betroffenen Gebührenordnungspositionen zu Grunde zu legen wären.
Das Praxisbetriebsmodell Neurologie der vom Bewertungsausschuss herangezogenen EBM-Praxiskostenstudie der
MediTrust AG vom 30.10.2000 hatte für die Kalkulation der schwerpunktmäßig von Neurologen abrechenbaren
Gebührenordnungspositionen des EBM 2000plus zunächst auf die (allein) verfügbaren Daten des Zentralinstituts und
der Schweizer Rollenden Kostenstudie zurückgegriffen, diese auf das Jahr 2000 indiziert und die Schweizer Daten
dem Kostenniveau des Statistischen Bundesamtes angepasst (Bl. 104, 141 der Sozialgerichtsakte). Dieses Vorgehen
erscheint weder willkürlich noch sachwidrig.
Es trifft zu, dass die Validität der in die EBM-Praxiskostenstudie der MediTrust AG vom 30.10.2000 eingeflossenen
Daten mangels ausreichender Datenbasis nicht dem statistischen "Goldstandard" eines Signifikanzniveaus mit einer
Irrtumswahrscheinlichkeit p ( 0,05 entsprechen konnte. Freilich handelt es sich bei diesem Wert lediglich um eine
heuristische Zielgröße. Es ist nicht willkürlich oder sachwidrig, wenn der Bewertungsausschuss auch Daten geringerer
Validität verwertet und der Kalkulation der Gebührenordnungspositionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes zu
Grunde legt. Das Gesetz schreibt kein bestimmtes Maß der Prognosesicherheit vor. Hierzu hat das
Bundessozialgericht bereits im Urteil vom 15.05.2002, Az. B 6 KA 33/01 R (juris Rn. 21) ausgeführt:
"Der gegenteiligen Ansicht des Klägers, es liege insoweit die Feststellung von Tatsachen - wenn auch in normativer
Gestalt - durch den Bewertungsausschuss vor, sodass kein Normsetzungs- bzw Gestaltungsspielraum bestehe und
die Richtigkeit der Kostenfeststellung gerichtlich voll zu überprüfen sei - nötigenfalls mit Hilfe von
Sachverständigengutachten -, ist nicht zu folgen. Der Annahme einer Tatsachenfeststellung steht bereits entgegen,
dass die exakte Ermittlung der Kosten bei den verschiedenen Arztgruppen faktisch nicht möglich ist. Bei den
Kostensätzen handelt es sich um Näherungswerte, die auf Grund einer Bewertung der zur Verfügung stehenden, zum
Teil erheblich voneinander abweichenden statistischen und betriebswirtschaftlichen Daten festgelegt worden sind.
Nicht nur die Beurteilung der Validität der vorhandenen statistischen Unterlagen erfordert eine Bewertung. Die
Entscheidung, was überhaupt den Praxiskosten zuzurechnen ist, erfolgt notwendigerweise ebenfalls im Wege einer
Bewertung, so etwa bei der Frage, welche Kosten in welchem Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit oder der
privatärztlichen Tätigkeit oder der privaten Lebensführung zuzuordnen sind (vgl dazu die unterschiedlichen Arten der
Zuordnung zur vertragsärztlichen oder privatärztlichen Tätigkeit in den Kostenberechnungen der KÄBV, der KPMG
und von Männel)."
Die Unzulänglichkeiten der statistischen Datengrundlage waren hier hinnehmbar.
Die mit der Anfertigung der EBM-Praxiskostenstudie vom 30.10.2000 beauftragte MediTrust AG hatte bereits selbst
erkannt, dass das als statistisch hinreichend verlässlich erachtete Konfidenzniveau von 0,9 verfehlt wird, und auf
Seite 19 der Studie (Bl. 179 R der Sozialgerichtsakte) festgestellt:
"Aus der nachstehenden Tabelle wird ersichtlich, dass einzelne Fachgesellschaften - nämlich jene der Anästhesie,
der Radiologie, der Neurologie und der Urologie - in der Gesamtstichprobe unterrepräsentiert sind."
Dies hat die MediTrust AG durch Bildung eines Datenpools auszugleichen versucht, in dem die Aufwands- und
Kostendaten teilweise unterschiedlicher Erhebungen zusammengeführt wurden. Die Verwertbarkeit der so gewonnen
Ergebnisse erläutert die Studie auf Seite 11 (Bl. 175 R der Sozialgerichtsakte) mit den Worten:
"Durch die Nichtberücksichtigung normativer Modelle begrenzen sich Verzerrungen des Kostengefüges zwischen den
Praxisbetriebsmodellen auf statistische Einflüsse, die kaum auszuschalten sind."
"Gewisse Ungenauigkeiten sind bei einzelnen Daten somit durchaus einzuräumen. Sie sind nach Ansicht der Autoren
- mangels einer besseren Alternative - hinzunehmen, da die Kostenhöhe recht genau ermittelt werden konnte und die
Kostenstrukturen der Praxisbetriebsmodelle in ihrer Gesamtheit hinreichend plausibel erscheinen. Unschärfen bei den
Einzelergebnissen auf der Ebene der Kostenarten betreffen im Wesentlichen die Relation der Kosten untereinander,
die letztlich vorzunehmende Bewertung der TL wird betragsmäßig davon kaum tangiert."
Der Bewertungsausschuss hatte angesichts dieser Datenlage die Wahl, entweder auf eine spezifische Kalkulation in
einem Praxisbetriebsmodell Neurologie ganz zu verzichten oder die Daten des Zentralinstituts zu 86 Neurologiepraxen
und die - nur bedingt verwertbaren - Daten der Schweizer Rollenden Kostenstudie zu übernehmen. Er hat sich für
Letzteres entschieden. Dies ist nicht zu beanstanden.
Den an Hand des Praxisbetriebsmodells Neurologie kalkulierten Gebührenordnungspositionen kommt nach dem
Vergütungssystem des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes kein solches Gewicht in der Praxis zu, dass die damit
verbundenen Bewertungsunschärfen nicht in Kauf genommen werden könnten.
Das Praxisbetriebsmodell Neurologie liegt nur der Kalkulation einzelner fachspezifischer Kostenstellen, namentlich
EEG- und ENG/EMG-Leistungen, als sog. Tarifgeber zu Grunde. Es stellt nicht die ausschließliche kalkulatorische
Grundlage für die Bewertung sämtlicher Leistungen der von (auch oder schwerpunktmäßig) neurologisch tätigen
Nervenärzten erbrachten Leistungen dar. Bei den anderen Kostenstellen der arztgruppenspezifischen Leistungen des
Kapitels 16 EBM sind jeweils die Arztgruppen Tarifgeber und das Praxisbetriebsmodell derjenigen Arztgruppen
maßgeblich, welche diese Leistungen schwerpunktmäßig erbringen.
Unter den nervenärztlichen Praxen sind spezifisch neurologisch ausgerichtete Praxen in der Minderzahl. Ausweislich
der Tabelle auf Seite 10 (Bl. 132 der Sozialgerichtsakte) der Struktur- und Kostenerhebung der Prime Networks AG
vom 26.10.2007 konnten von 1.555 Erhebungsteilnehmern nur 113 den neurologischen Praxen mit jeweils mindestens
55 % Leistungen dieses Schwerpunktes zugeordnet werden (zum Vergleich: 458 mit Praxisschwerpunkt Psychiatrie,
129 mit Praxisschwerpunkt Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie, 818 mit Praxisschwerpunkt
Psychotherapie).
Im Endbericht der Arbeitsgemeinschaft TNS Healthcare/BASYS von Februar 2006 heißt es in Bezug auf die
Abgrenzung der Datengrundlagen für die neurologischen Kostenstellen auf Seite 122 des Berichts (Bl. 232 der
Sozialgerichtsakte):
"Die Neurologie (oder Neurowissenschaft) fasst man traditionellerweise mit dem verwandten Fach Psychiatrie unter
dem Begriff Nervenheilkunde zusammen. Zwischen beiden Fächern gibt es Überschneidungen. Die Neurochirurgie ist
Teil der Chirurgie und gehört nicht zur Neurologie. Die Abgrenzung der Neurologie zur Psychiatrie, Inneren Medizin
und zur Kinderheilkunde ist nicht immer ganz scharf. Probleme bei der Abgrenzung der fachlichen Gruppierung der
Daten sind somit vorprogrammiert."
Dies steht im Einklang damit, dass das Statistische Bundesamt keine spezifischen Daten für die Praxiskosten
neurologisch ausgerichteter Arztpraxen zum Praxisbetriebsmodell Neurologie der EBM-Praxiskostenstudie der
MediTrust AG vom 30.102.2000 beisteuern konnte und dass lediglich Daten zu nervenärztlichen bzw. psychiatrischen
Arztpraxen vorgehalten wurden (vgl. Bl. 143 der Sozialgerichtsakte).
Die EBM-Praxiskostenstudie 2000 der MediTrust AG vom 30.10.2000 hatte hieraus auf Seite 12 der Studie (Bl. 176
der Sozialgerichtsakte) gefolgert:
"Für die Zukunft wird im Zusammenhang mit der Kostenerhebung folgendes angeregt: [ ]
- Die Bewertung der Technischen Leistung TL beim EBM 2000 plus sollte ausschließlich auf Basis der (zu
erweiternden) Erhebungen des Statistischen Bundesamtes vorgenommen werden.
In diesem Sinne ist die EBM-Praxiskostenstudie 2000 als eine unverzichtbare Übergangslösung zu sehen."
Die Leistungs- und Abrechnungsstruktur der Praxis des Klägers illustriert dies besonders anschaulich. Der Kläger ist
nicht ausschließlich als Neurologe, sondern als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie zugelassen und
vertragsärztlich tätig. Er erbringt sowohl neurologische als auch psychiatrische und psychotherapeutischen
Leistungen. Von den abgerechneten Leistungen der Kapitel 16, 21 und 35 EBM 2000plus machen - nach der
Bewertung des Bewertungsausschusses - die neurologischen Leistungen mit 256.910 von insgesamt 884.368
Punkten lediglich 29 % aus (Psychiatrie 61 %, Psychotherapie 10 %). Hiervon entfallen lediglich 28.685 Punkte, also
ca. 3 %, auf die Leistungen, für die Neurologen nach der EBM-Praxiskostenstudie vom 30.10.2000 als Tarifgeber
fungiert haben, weil sie die Leistungen schwerpunktmäßig erbringen.
Würde man, wie der Kläger an Hand des Gutachtens der MediTrust AG vom 02.05.2005 fordert, bei den nach dem
Praxisbetriebsmodell Neurologie kalkulierten Gebührenordnungspositionen den Anteil der Kosten für nichtärztliche
Leistungen bereits im streitgegenständlichen Quartal kalkulatorisch um 45 % erhöhen und die Bewertungsansätze der
betreffenden Gebührenordnungspositionen des Kapitels 16 entsprechend korrigieren, ergäben sich um ca. ein Fünftel
bis ein Viertel höhere Leistungsbewertungen:
EBM
Nr. Punkte
alt in Punktbewertung enthalten Anteil
TL+PK TL + PK
+ 45 % Punkte
neu AL TL PK 16310 605 225 365 15 380 551,00 776,00 16321 645 320 315 10 325 471,25 791,25 16322 435 150 250
5 255 369,75 519,75
Legt man die so korrigierten Leistungsbewertungen dieser Gebührenordnungspositionen der vertragsärztlichen
Abrechnung des Klägers zu Grunde, würde die Neubewertung der Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens
mit einer Honorardifferenz von lediglich 241,65 EUR zu Buche schlagen:
EBM
Nr. RLV-
PW Ansätze alt neu Punkte L.-Menge Honorar Punkte L.-Menge Honorar 16310 3,75 ct 13 605,00 7.865 294,94 EUR
776,00 10.088 378,30 EUR 16321 3,75 ct 8 645,00 5.160 193,50 EUR 791,25 6.330 237,38 EUR 16322 3,75 ct 36
435,00 15.660 587,25 EUR 519,75 18.711 701,66 EUR 1.075,69 EUR 1.317,34 EUR
Es handelt sich mithin weder quantitativ noch qualitativ um eine die wirtschaftliche Betätigung des Klägers im
Kernbereich prägende Größe.
Vor diesem Hintergrund konnten die vom Kläger beanstandeten Unzulänglichkeiten der Bewertung bis zum Quartal
IV/2007 hingenommen werden, ohne dass sie zur Rechtswidrigkeit der Bewertung geführt hätten.
Schließlich rechtfertigt auch das Vorbringen, der Anteil an der Gesamtvergütung sei bei den Neurologen zu gering
ausgefallen, weil die Ärzte dieses Honorarfonds lediglich einen durchschnittlichen Honorarumsatz von 30.121,00 EUR
erzielt hätten, der deutlich unter dem Durchschnittsumsatz der Fachärzte von 43.257,00 EUR liege, keinen höheren
Honoraranspruch. Einzelne Ärzte können sich im Rahmen einer Inzidentprüfung der für die Vergütungshöhe
maßgeblichen Vorschriften des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes und des Honorarverteilungsmaßstabs auf das
Gebot der angemessenen Vergütung berufen, wenn durch eine zu niedrige Honorierung ärztlicher Leistungen das
vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes, zumindest aber hinsichtlich eines Teilgebiets, und als Folge davon
auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem beteiligten ärztlichen Leistungserbringer gefährdet wäre
(vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12.10.1994, Az. 6 RKa 5/94; Urteil vom 09.12.2004, Az. B 6 KA 44/03 R) oder
wenn in einem fachlichen oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht,
vertragsärztlich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen
Versorgung gefährdet ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 31.08.2005, Az. B 6 KA 6/04 R). Hierfür sind Anhaltspunkte
weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.