Urteil des SozG Dresden vom 21.01.2005

SozG Dresden: besondere härte, rechtsschutz, darlehen, ausbildung, härtefall, behörde, erwerbsfähigkeit, berechtigung, anfang, ausnahme

Sozialgericht Dresden
Beschluss vom 21.01.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 21 AS 5/05 ER
Antragsverfahren ... -Antragstellerin- gegen die SGB II – Arbeitsgemeinschaft Dresden, Budapester Straße 30, 01069
Dresden Az.: -Antragsgegnerin-
erläßt der Vorsitzende der 21. Kammer des Sozialgerichtes Dresden, Richter Dr. Kaminski, ohne mündliche
Verhandlung am 21.01.2005 folgenden Beschluss:
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 13.01.2005 vorläufig
bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens in gesetzlicher Höhe zu gewähren. II. Die Antragsgegnerin hat der
Antragstellerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die am ... geborene Antragstellerin (Ast.) ist an der Technischen Universität Dresden nach erfolgtem
Fachrichtungswechsel eingeschriebene Studentin des Verkehrsingenieurwesens im dritten Fachsemester.
Am 27.10.2004 beantragte sie unter Bereichung der erforderlichen Unterlagen bei der Antragsgegnerin (Agg.)
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dem Antrag
legte sie einen Widerspruchsbescheid des Sächsischen Landesamtes für Ausbildungsförderung vom 11.06.2004 bei,
mit dem der Widerspruch der Ast. gegen den Bescheid des Stundentenwerkes Dresden, Amt für
Ausbildungsförderung, vom 26.01.2004 als unbegründet zurückgewiesen wurde. In der Begründung hieß es u.a.: " ...
Sie haben nunmehr keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dem BAföG. Ausbildungsabbruch und
Fachrichtungswechsel haben grundsätzlich die Einstellung der Förderung zur Folge, es sei denn, die besonderen
Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 BAföG liegen vor ...". Die Behörde entschied im Falle der Ast., daß die
Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 BAföG nicht gegeben seien, so daß Ausbildungsförderung nicht geleistet werden
könne. Diese Verwaltungsentscheidung ist bestandskräftig geworden.
Mit Bescheid vom 17.12.2004 lehnte die Agg. den Antrag der Ast. vom 27.10.2004 mit der Begründung ab, daß die
gesetzlichen Leistungen für den Anspruch nicht vorlägen. Sie sei Auszubildende und diese Ausbildung sei im Rahmen
des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 5
und 6 SGB II.
Gegen diese Entscheidung hat die Ast. Widerspruch eingelegt.
Am 13.01.2005 erhob die Ast. beim Sozialgericht Dresden einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Sie ist der
Ansicht, daß ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, zumindest darlehensweise im besonderen Härtefall,
zu bewilligen seien, da auch der leibliche Vater ab Januar 2005 keinen Unterhalt mehr zahle und ihre Mutter auch auf
Leistungen nach dem SGB XII angewiesen sei. Im übrigen trägt sie zu ihrer Bedürftigkeit vor.
Die Antragstellerin beantragt,
ihr vor dem Sozialgericht Dresden einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren und ihr vorläufig Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB XII als Darlehen in einem besonderen Härtefall zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzuweisen.
Sie ist im wesentlichen der Ansicht, daß nicht erkennbar sei, inwieweit eine besondere Härte vorliegen solle. Die
Gewährung der Ausbildungsförderung sei nicht nach § 2 Abs. 1a BAföG abgelehnt worden. Von daher fände der
Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 5 SGB II für die Gewährung der Grundsicherung nach dem SGB II volle
Anwendung. Andere Tatbestände, welche zum Wegfall oder zur Ablehnung der beantragten Ausbildungsförderung
geführt haben, seien für die Entscheidung der Gewährung der Leistung nach dem SGB II ohne Belang.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Agg. unter der Nummer der Bedarfsgemeinschaft ... beigezogen und zum
Gegenstand des Verfahrens gemacht. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Leistungsakte der
Agg. sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Verpflichtung der Agg. der Ast. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren, ist als Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b
Abs. 2 SGG statthaft und auch begründet. Der Antrag der Ast. ist als ein solcher und nach dem SGB II statt dem
SGB XII auszulegen, wobei sich aus dem Gesamtbegehren der Ast. ergibt, daß sie mindestens die darlehensweise
Förderung begehrt. Dieses Begehren umfaßt daher bei verständiger Würdigung auch die "endgültigen" Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts.
Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung, mit der eine Verpflichtung der in Anspruch genommenen Behörde oder eine
Leistung begehrt wird, setzt das Bestehen eines durch die Anordnung zu schützenden Rechts (Anordnungsanspruch)
und einen Anordnungsgrund voraus. Beides hat die Ast. glaubhaft gemacht.
1. Vorliegend konnte die Ast. glaubhaft machen, einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu haben.
Nach der verfahrensbedingt notwendigerweise nur summarischen Prüfung sind die Anspruchsgrundvoraussetzungen
der Berechtigung (§ 7 SGB II), der Erwerbsfähigkeit (§ 8 SGB II) und der Hilfsbedürftigkeit (§ 9 SGB II) im Falle der
Ast. dem Grunde nach gegeben.
Entgegen der Ansicht der Agg. ist vorliegend der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 5 SGB II nicht einschlägig. Die
Norm in ihrer aktuellen Fassung bestimmt: "Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig
ist, haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. In besonderen Härtefällen können
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen geleistet werden.".
Das Studium der Ast. ist bereits dem Grunde nach nicht förderungsfähig im Sinne des BAföG. Durch die abstrakte
Formulierung in § 7 Abs. 5 SGB II "dem Grunde nach" wird klargestellt, daß es auch nur auf die abstrakte
Förderungsfähigkeit ankommt (so auch Hauck-Nofts/Valgolio SGB II § 7 Rn. 32). § 7 Abs. 3 BAföG ist aber eine
solche Vorschrift, die die abstrakte Förderungsfähigkeit gänzlich versagt. Denn § 7 Abs. 3 BAföG ist eine gesetzliche
Voraussetzung für die Förderung! Fehlt diese, dann ist bereits der Anspruch auf Ausbildungsförderung dem Grunde
nach nicht gegeben. Für § 7 Abs. 5 SGB II wäre es nur unerheblich, wenn ein individueller Versagungsgrund in dem
anderen Sozialrechtsverhältnis eingetreten ist (etwa wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I) oder wenn die
Förderungshöchstdauer überschritten ist. Beides oder ähnliches ist hier aber gerade nicht der Fall. Das Sächsische
Landesamtes für Ausbildungsförderung hat im Widerspruchsbescheid vom 11.06.2004 den Anspruch der Ast. auf
Ausbildungsförderung nach dem BAföG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 BAföG dem
Grunde nach abgelehnt und nicht wegen individueller Versagungsgründe der o.g. Art. § 7 Abs. 3 BAföG ist eine
Vorschrift die den Anspruch auf Ausbildungsförderung von Anfang an versagt. Für den Ausschlußtatbestand des § 7
Abs. 5 SGB II ist dann kein Raum mehr.
Soweit die Agg. der Ansicht ist, daß andere Tatbestände als der des § 2 Abs. 1a BAföG, die zum Wegfall oder zur
Ablehnung der beantragten Ausbildungsförderung geführt haben, für die Entscheidung der Gewährung der Leistung
nach dem SGB II ohne Belang seien, irrt sie. Eine derartige Auslegung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. § 7 Abs.
6 SGB II, der auf § 2 Abs. 1a BAföG verweist, ist nur eine Ausnahme zu § 7 Abs. 5 SGB II. Dies besagt nicht, daß
die Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 SGB II nicht vorliegen respektive geprüft werden müßten.
2. Vorliegend konnte die Ast. auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Die Ast. besitzt derzeit keine weiteren
Einnahmen. Soweit ihr noch ein Unterhaltsanspruch gegen ihren Vater zustehen sollte, erreicht dieser nicht den
Regelbetrag des § 20 Abs. 2 SGB II. Insoweit wird die Agg. im Widerspruchsverfahren zu ermitteln haben. Die geltend
gemachten Ausgaben erschienen bei summarischer Prüfung plausibel. Die Eilbedürftigkeit wird daher durch den
Einnahmenausfall indiziert. Mit der Anordnung erfolgt auch keine globale Vorwegnahme der Hauptsache, da sie bis
zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens temporär beschränkt wurde.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
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