Urteil des SozG Dresden vom 21.12.2010

SozG Dresden: heizung, konzept, betriebskosten, wohnraum, meinung, unterkunftskosten, nebenkosten, betrug, verfügung, haushalt

Sozialgericht Dresden
Urteil vom 21.12.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 29 AS 3225/08
I. Die Beklagte wird verurteilt den Klägern unter Abänderung des Bescheides vom 02.04.2008 in der Fassung des
Änderungsbescheides vom 17.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2008 und der
Änderungsbescheide vom 17.05.2008 und 11.06.2008 sowie 24.07.2007 höhere Leistungen für Unterkunft und
Heizung für die Zeit von April bis Juni 2008 in Höhe von monatlich 62,89 EUR und für Juli bis August 2008 in Höhe
von monatlich 62,75 EUR zu gewähren. II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. III. Die Beklagte hat den Klägern
6/7 ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig sind die Kosten der Kläger für Unterkunft und Heizung im Zeitraum April bis August 2008.
Die im 1956 geborene Klägerin, die an Asthma leidet, und der im 1954 geborene Kläger hatten zum 01.06.2005 von
der W. D ... GmbH eine ca. 60 qm große Wohnung Nr. 0302 im Hause K.Str. 32 in D zum Preis von 290,- EUR
(Grundmiete) zuzüglich 60,- EUR Betriebskostenvorauszahlung und 80,- EUR Heizkostenvorauszahlung, d.h.
insgesamt 430,- EUR, angemietet. Bei dem Haus, in dem die Kläger wohnen, handelt es sich um einen zu DDR-
Zeiten errichteten und im Jahre 1994 teilsanierten, 5-geschossigen Plattenbau im Stadtteil T , der mit Fernwärme
versorgt wird. Ab dem 01.09.2007 verlangte die Vermieterin von den Klägern eine Gesamtmiete von nunmehr 485,75
EUR, die sich aus einer Grundmiete von 321,75 EUR, Betriebskostenvorauszahlungen von 71,- EUR und Heiz- und
Warmwasserkostenvorauszahlungen von 93,- EUR zusammensetzte.
Am 15.11.2007 beantragten die Kläger die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). In dem Antrag
gaben sie an, dass die Klägerin zu 1. nur noch bis März 2007 Gehalt beziehen werde. Von April 2007 bis März 2008
bezogen die Kläger von der Beklagten keine ergänzenden Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes nach
dem SGB II. Mit Bescheid vom 02.04.2008, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Blatt 285 f. der Verwaltungsakte
Bezug genommen wird, gewährte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum 31.08.2008
ergänzende Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 329,- EUR. Dabei legte die
Beklagte ihrer Berechnung des Leistungsanspruchs u.a. Kosten der Unterkunft und Heizung von insgesamt monatlich
411,60 EUR zugrunde. Ausweislich der Horizontalberechnung vom 02.04.2008, wegen deren Inhalt auf Blatt 283 der
Verwaltungsakte Bezug genommen wird, setzten sich die 411,60 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung aus 265,60
EUR Grundmiete, 75,- EUR Heizkostenvorauszahlung und 71,- EUR laufenden Nebenkosten zusammen.
Gegen den Bewilligungsbescheid vom 02.04.2008 erhoben die Kläger mit Schreiben vom 20.04.2008 Widerspruch und
begehrten, als Kosten der Unterkunft und Heizung nicht nur 411,60 EUR als monatlichen Bedarf zu berücksichtigen,
sondern die angefallenen 485,75 EUR. Es handele es sich um einen Erstantrag nach ausgeübter einjähriger Tätigkeit.
Nach § 22 Abs. 1 SGB II seien deshalb für den Bewilligungszeitraum die angefallenen 485,75 EUR monatlich in voller
Höhe zu berücksichtigen. Sie hätten zum gemeinsamen Einzug extra diese 59,95 qm große Dreiraumwohnung
ausgewählt, um den Kriterien des SGB II zu entsprechen. Der Umzug sei von ihnen selbst getragen worden und mit
beträchtlichen Kosten verbunden gewesen. Ein nochmaliger Umzug sei ihnen aus finanziellen und gesundheitlichen
Gründen nicht mehr zumutbar. Das Sächsische Landessozialgericht habe mit Urteil vom 29.03.2007 – L 3 AS 101/06
– entschieden, dass die vom Leistungsträger vorgenommenen Abzüge für die Warmwasserzubereitung von 8,18 EUR
für die erste Person der Bedarfsgemeinschaft und von 3,58 EUR für jede weitere Person nicht gerechtfertigt seien.
Mit Änderungsbescheid vom 17.05.2008 gewährte die Beklagte den Klägern für die Zeit ab 01.07.2008 aufgrund der
gesetzlichen Anhebung des Regelsatzes nunmehr monatliche Leistungen in Höhe von 337,- EUR; an der Höhe der in
die Berechnung eingestellten Kosten der Unterkunft und Heizung änderte sich nichts.
Den Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 02.04.2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
03.06.2008, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Blatt 296 bis 300 der Verwaltungsakte Bezug genommen wird,
zurück.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 11.06.2008 gewährte die Beklagte den Klägern für Juni 2008 aufgrund einer
Änderung des anzurechnenden Einkommens Leistungen in Höhe von 381,- EUR; an der Höhe der in die Berechnung
eingestellten Kosten der Unterkunft und Heizung änderte sich dabei weiterhin nichts.
Am 27.06.2008 haben die Kläger, die am 12.07.2008 die Ehe geschlossen haben, beim Sozialgericht (SG) Dresden
Klage erhoben. Sie begehren die Gewährung der für den Zeitraum April bis August 2008 angefallenen 485,75 EUR für
Unterkunft und Heizung. Sie meinen, die aus der Betriebskostenabrechnung hervorgehenden Heizkosten seien zu
übernehmen; ein unwirtschaftliches Verhalten sei ihnen gegenüber nicht nachgewiesen. Weiterhin sei nach einer
Studie, veröffentlicht in der Zeitschrift "Öko-Test", D ... als Großstadt die Stadt mit den höchsten Mietnebenkosten
genannt. Für diese Kostensteigerung könnten SGB II-Berechtigte nicht verantwortlich gemacht werden. Auf dieser
Grundlage sei auch die seit dem 01.01.2009 anfallende Betriebskostenvorauszahlung als Bedarf zu berücksichtigen.
Die Grundmiete sei von der W. D ... als Vermieter auf der Grundlage des D. Mietspiegels angehoben worden.
Zwischenzeitlich sei die von ihnen angemietete Wohnung an die G verkauft worden. Diese reiße in großem Umfang
nicht sanierten Wohnraum in Dresden ab. Es könne ihnen nicht zugemutet werden, in unsanierten und von Abriss
bedrohten Wohnraum umzuziehen. Bei einem Vergleich von Wohnungsmieten hätten sie festgestellt, dass bei
saniertem Wohnraum andere Vermieter für eine Dreiraumwohnung weit höhere Mieten fordern würden, als für die von
ihnen gemietete Wohnung. Bei den von der Beklagten eingereichten Listen mit verfügbarem, kostengünstigerem
Wohnraum handele es sich um Wohnungen, die zum großen Teil unsaniert seien, kleinere Flächen ausweisen würden
oder bei denen die Abänderung der Mieten auf den D ... Mietspiegel sowie eine Erhöhung der Nebenkosten zu
erwarten sei.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 24.07.2008 gewährte die Beklagte den Klägern für Juli und August 2008
Leistungen in Höhe von monatlich 389,- EUR. Als Gründe für die Änderung sind die Änderung des
Erwerbseinkommens des Klägers und der Umstand, dass die Klägerin ab 12.07.2008 beim Kläger in der AOK
familienversichert wird, angegeben; an der Höhe der in die Berechnung eingestellten Kosten der Unterkunft und
Heizung änderte sich dabei weiterhin nichts.
Die Kläger beantragen,
den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 02.04.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.05.2008
sowie in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2008 und in der Fassung der nachfolgenden
Änderungsbescheide vom 11.06.2008 und 24.07.2008 abzuändern und ihnen höhere Leistungen für Kosten der
Unterkunft und Heizung zu gewähren entsprechend den tatsächlichen Kosten von 485,75 EUR monatlich.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die Kläger seien bereits während des Leistungsbezuges bis 31.03.2007 darüber informiert worden, dass
die Kosten für ihre Wohnung unangemessen seien und es sei eine Kostensenkungsaufforderung ergangen. Mit
Schreiben vom 03.04.2006 seien die Kläger darüber informiert worden, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung
nur noch in angemessener Höhe übernommen werden könnten. Diese Entscheidung gelte auch im Fall eines
Neuantrages fort. Ein Härtefall liege nicht vor. Eine Asthmaerkrankung erfordere keinen erhöhten Wohnraumbedarf.
Wohnungsbeschaffungskosten könnten unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 SGB II übernommen werden.
Eine Internetrecherche habe ergeben, dass allein bei der G über 829 freie Wohnungen für einen Mietpreis bis zu
411,60 EUR vorhanden seien. Das Sozialamt habe eine Liste mit zur Verfügung stehendem Wohnraum erstellt, die
Wohnungen beinhalte, die im Rahmen eines Belegungsrechtes als freie bzw. frei werdende Wohnungen gemeldet
worden seien. Selbst unter Zugrundelegung der Überlegungen der 40. Kammer des SG Dresden im Urteil vom
29.06.2010 – S 40 AS 390/09 – wären die tatsächlichen Mietkosten nicht angemessen. Unter Berücksichtigung des
von der 40. Kammer als angemessen erachteten Mietpreises von 4,50 EUR/qm und der Nebenkosten von 1,12
EUR/qm ergebe sich im vorliegenden Fall eine Bruttokaltmiete von 337,20 EUR. Die Heizkosten betragen abzüglich
der Warmwasserpauschale von 11,40 EUR noch 81,60 EUR. Insgesamt ergäben sich damit unter Heranziehung des
Urteils der 40. Kammer als angemessen zu betrachtende Unterkunftskosten von 418,80 EUR. Zwar mag die
Wohnungsgenossenschaft die Mieterhöhung auf die Anpassung an den Mietspiegel gestützt haben. Es sei jedoch
davon auszugehen, dass die von den Klägern bewohnte Wohnung einer höheren Ausstattungsklasse und damit nicht
der als angemessen anzusehenden Ausstattungsklasse 4 angehöre.
Der Kammer lagen die Verwaltungsakten sowie die gerichtliche Verfahrensakte vor, die Inhalt der mündlichen
Verhandlung, der Beratung und der Entscheidungsfindung waren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 02.04.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.05.2008 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2008 sowie in Gestalt der Änderungsbescheide vom 11.06.2008 und
24.07.2008 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG),
soweit ihnen nicht höhere Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit von April bis Juni 2008 in Höhe von
monatlich 62,89 EUR und für die Zeit von Juli bis August 2008 in Höhe von monatlich 62,75 EUR gewährt wurden.
Die Kläger begehren über die ihnen bis dato nach dem SGB II bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung hinaus
die Übernahme der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten. Damit haben sie den Streitgegenstand zulässig auf die
Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)
bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach
zu prüfen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 Randnr. 13). Ein Bescheid kann im Einzelfall jedoch gleichwohl mehrere
abtrennbare Verfügungen enthalten. Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei dem Betrag, der für
die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II bewilligt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 01.06.2010 - B 4
AS 60/09 R – zitiert nach Juris Randnr. 13 m.w.N.).
Die Kläger erfüllen die Leistungsvoraussetzungen des § 7 SGB II; ihr Anspruch umfasst dem Grunde nach auch
Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als bei
der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten,
indem er anordnet, auf die tatsächlichen Kosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind
die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind.
Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach (vgl. BSG, Urteil vom
01.06.2010 - B 4 AS 60/09 R – zitiert nach Juris Randnr. 16 m.w.N.). Dabei ist die Angemessenheit der
Wohnungskosten in mehreren Schritten zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 22.09.2009 - B
4 AS 18/09 R – zitiert nach Juris Randnr. 13) wird zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze in einem ersten
Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie in einem zweiten
Schritt festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist.
Sodann ist in einem dritten Schritt nach Maßgabe der Produkttheorie zu ermitteln, wie viel auf diesem
Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist. Das heißt, Ziel der Ermittlungen des
Grundsicherungsträgers ist es, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln, um diesen
nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren und
so die angemessene Miete feststellen zu können (BSG a.a.O. Randnr. 17). Die Größe der Wohnung der Kläger von
ca. 60 qm für zwei Personen war in dem streitigen Zeitraum nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. dazu Urteil vom
22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R – zitiert nach Juris Randnr. 13 bis 15), die hierfür auf die in der bis 31.12.2009 gültigen
Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Innenministeriums zur Modernisierung und Instandsetzung von
Mietwohnungen als Ersatzwohnraum im Rahmen des Stadtumbaus vom 27.06.2005 – VwV Ersatzwohnraum –
(Sächs. ABl. S. 682) festgesetzten Werte abstellte, abstrakt angemessen. Örtlicher Vergleichsraum für die Prüfung
der angemessenen Mietkosten ist das Gebiet der L. D ... Dieses umfasst einen ausreichend großen Raum der
Wohnbebauung, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und der verkehrstechnischen Verbundenheit
einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet und eine Ghettobildung vermeidet. Fraglich
ist, welcher Quadratmeterpreis auf dem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung dieser Größe im streitigen
Zeitraum im Vergleichsraum, d.h. in D , zu zahlen und damit angemessen war. Bei der Angemessenheitsprüfung sind
nach der Rechtsprechung des BSG die Heizkosten nicht zu berücksichtigen; die Angemessenheit der Heizkosten ist
vielmehr isoliert zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 36/08 R – zitiert nach Juris). Nach Meinung
der Kammer beruhen die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 02.04.2008 auf einen Betrag von
insgesamt 411,60 EUR begrenzten Mietkosten nicht auf einem schlüssigen Konzept (vgl. dazu BSG, Urteile vom
22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R – und vom 20.08.2009 – B 14 AS 41/08 R – und – B 14 AS 65/08 R – jeweils zitiert
nach Juris). Abgesehen davon, dass weder der Bescheid vom 02.04.2008 noch die nachfolgenden
Änderungsbescheide erläutern, wie sich der Betrag von 411,60 EUR zusammensetzt (dies kann man nur einer in der
Verwaltungsakte befindlichen Horizontalübersicht entnehmen, die allerdings nicht Bestandteil des Verwaltungsaktes
war und den Klägern auch nicht bekannt gegeben wurde), benennen weder der Bescheid vom 02.04.2008 noch die
nachfolgenden Änderungsbescheide die Grundlage bzw. das Konzept, auf dessen Grundlage der nach Meinung der
Beklagten angemessene Mietpreis festgesetzt wurde. Dem Vortrag der Beklagten lässt sich entnehmen, dass diese
ihrer Entscheidung einen Beschluss des Stadtrates der L ... D ... vom 24.02.2005 in Gestalt eines
Stadtratsbeschlusses vom 24.01.2008 zugrunde gelegt hat. Nach der Rechtsprechung des BSG, dem die Kammer
folgt, kann ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln innerhalb des Vergleichsraumes nur dann gewährleistet werden,
wenn die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines überprüfbaren so genannten "schlüssigen
Konzeptes" erfolgt. Das schlüssige Konzept soll hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse
des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden. Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht
zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel i.S.d. §§ 558c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und 558d
BGB abstellen. Ein qualifizierter Mietspiegel kann jedoch als Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zur Ermittlung
der angemessenen Referenzmiete im Vergleichsraum geeignet sein (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09
R – zitiert nach Juris; vgl. auch BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R – und Urteile vom 20.08.2009 – B 14
AS 41/08 R – und – B 14 AS 65/08 R – jeweils zitiert nach Juris). Nach der Rechtsprechung des BSG erfordert ein
"Konzept" ein planmäßiges Vorgehen des Grundssicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und
Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen
Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Das Konzept ist schlüssig, wenn es
mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt (vgl. SG Dresden, Urteil vom 29.06.2010 - S 40 AS 390/09 – zitiert
nach Juris Randnr. 43 ff.): 1. Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den
gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung). 2. Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des
Gegenstandes der Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnung – Differenzierung nach Standard der Wohnungen,
Brutto- und Nettomiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße. 3. Es muss Angaben über den Beobachtungszeitraum
enthalten. 4. Es muss die Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel) festlegen. 5. Der
Umfang der eingezogenen Daten muss repräsentativ sein. 6. Die Datenerhebung muss valide sein. 7. Anerkannte
mathematisch-statistische Grundsätze der Datenauswertung müssen eingehalten sein. 8. Das Konzept muss
Angaben über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwerte oder Kappungsgrenze) enthalten. Nach diesen
Vorgaben, die sich auch die 29. Kammer des SG Dresden zu Eigen macht, beruht die von der L D. in den genannten
Stadtratsbeschlüssen ermittelte Bruttokaltmiete als Obergrenze nicht auf einem so genannten "schlüssigen Konzept".
Die L D. hat jedenfalls die ihr zur Verfügung stehenden, hinreichenden Daten fehlerhaft ausgewertet und insbesondere
nicht nach der Wohnungsgröße differenziert (so auch SG Dresden, Urteil vom 29.06.2010 - S 40 AS 390/09 – zitiert
nach Juris Randnr. 52). Vielmehr hat die L D. aus den in der aktualisierten Mietspiegeltabelle für 2008 für die in den
Jahren von 1946 bis 1990 errichteten Wohnungen für die unterschiedlichen Wohnungsgrößen (24 bis 50 qm, 51 bis 75
qm und ab 76 qm) in der Ausstattungsklasse 4 ausgewiesenen Mittelwerten ein arithmetisches Mittel gebildet. Damit
berücksichtigt der vom Stadtrat festgelegte Oberwert nicht, dass kleinere Wohnungen im Verhältnis teurer sind als
größere Wohnungen und dass Wohnungen derselben Ausstattungsklasse in anderen Baualtersklassen teilweise
erheblich teurer sind als die von 1946 bis 1990 gebauten Wohnungen.
Anders als die 40. Kammer des SG Dresden in dessen Urteil vom 29.06.2010 – S 40 AS 390/09 - (zitiert nach Juris
Randnr. 53 ff.) ist die 29. Kammer nicht der Meinung, dass anstelle des Stadtratsbeschlusses auf den qualifizierten
Mietspiegel zurückgegriffen werden kann. Abgesehen davon, dass sich der erkennenden Kammer nicht erschließt,
dass für die abstrakte Prüfung der angemessenen Vergleichsmiete nur der Mittelwert der Baualtersklasse zwischen
1946 und 1990 maßgebend sein soll, trifft der qualifizierte Mietspiegel der L D. keine Aussage zu den Betriebskosten.
Zwar hat die L D. im Rahmen einer Kommunalen Bürgerumfrage 2007 im Rahmen der Frage 24 des Fragebogens
auch nach Betriebskosten gefragt und aus den Angaben der Befragten einen Mittelwert (Arithm. Mittel) gewichtet nach
Haushalten gebildet und daraus insgesamt monatliche kalte Betriebskosten von 1,12 EUR je qm errechnet (vgl. Bl. 34
f. Kommunale Bürgerumfrage Tabellenteil). Allerdings kann die erkennende Kammer der veröffentlichten Kommunalen
Bürgerumfrage 2007 nicht entnehmen, dass es sich um eine repräsentative Befragung handelt und wie die
Gewichtung der Angaben vorgenommen wurde. Insbesondere hat die L D. verabsäumt, bei der Bürgerumfrage danach
zu differenzieren, ob die Betriebskosten ganz oder teilweise nach Anzahl der Personen oder allein nach der Größe der
Wohnfläche umgelegt werden. Darüber hinaus lassen sich dem Tabellenteil der Auswertung der Kommunalen
Bürgerumfrage 2007 unterschiedliche Werte entnehmen. So ergibt sich, dass Personen ohne Partner im
Erhebungszeitraum zwischen 1,09 und 1,12 EUR/m² Betriebskosten gezahlt haben. Bei einem Haushaltseinkommen
bis zu 750,00 EUR liegt der Wert bei 1,14 EUR. Für einen 1-Personen-Haushalt werden 1,11 EUR angegeben und
differenziert nach Stadtteilen ergeben sich Werte zwischen 1,04 und 1,32 EUR. Auffällig ist jedoch, dass der für die
Stadtteile P. – K., M. und T. angegebene Wert von 1,04 EUR nicht in den vorhergehenden Gruppen (Haushaltsgröße,
Haushaltsnettoeinkommen, Befragte mit Partner und Befragte ohne Partner) zu finden ist. Das gilt auch für den Betrag
von 1,32 EUR für G.
Nach der Rechtsprechung des BSG dürfen dann, wenn es an lokalen Erkenntnismöglichkeiten mangelt, hilfsweise die
Werte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zu § 8 des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der bis 31.12.2008 geltenden
Fassung (a. F.) angewendet werden, die zudem durch einen maßvollen Zuschlag zu erhöhen sind (vgl. BSG, Urteil
vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R – und Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R – zitiert nach Juris). Die L D. war
nach der von 2002 bis 2008 geltenden Wohngeldverordnung (WoGV) - Anlage (zu § 1 Abs. 4) Mietenstufen der
Gemeinden (§ 8 des Wohngeldgesetzes) nach Ländern ab 1. Januar 2002 - (vgl. BGBl. I 2001 Seiten 2727 bis 2756)
der Stufe 3 zuzuordnen. Die maximal angemessenen (kalten) Unterkunftskosten würden bei einem 2-Personen-
Haushalt nach der bis 31.12.2008 geltenden Tabelle zu § 8 WoGG a.F. monatlich 365,- EUR betragen. Erhöht man
diesen Wert (maßvoll) um 10 % (so z. B. SG Braunschweig, Urteil vom 09.09.2009 – S 33 AS 2716/08 – zitiert nach
Juris Randnr. 19; SG Koblenz, Gerichtsbescheid vom 20.05.2010 – S 16 AS 444/08 – zitiert nach Juris Randnr. 42),
d.h. um 36,50 EUR, wären monatlich Wohnkosten bis zu 401,50 EUR (ohne Heizungskosten) angemessen. Die
Grundmiete für die Plattenbauwohnung der Kläger betrug im streitigen Zeitraum 321,75 EUR und die
Betriebskostenvorauszahlung betrug 71,- EUR, d.h. die tatsächlichen, kalten Kosten der Unterkunft betrugen
insgesamt 392,75 EUR. Damit lagen die tatsächlichen (kalten) Kosten der Unterkunft im streitigen Zeitraum nicht über
der Angemessenheitsgrenze nach dem WoGG.
Hinzu kommen die tatsächlichen Heizkosten, deren Vorauszahlung der mit Fernwärme versorgten Wohnung der
Kläger monatlich 93,- EUR betrug. Da in der Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser auch Energiekosten für die
Zubereitung von Warmwasser enthalten waren, sind diese entgegen der Auffassung der Kläger nach dem
Grundsatzurteil des BSG vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R – (NZS 2009 S. 53), dem die Kammer nach eigener
Prüfung folgt, aus den Kosten der Unterkunft herauszurechnen, da die Kosten für die Haushaltsenergie bereits zu
1,8029 % im Regelsatz enthalten sind. Demnach waren bei einem Regelsatz von 312,- EUR (April bis Juni 2008) pro
Person 5,63 EUR (insgesamt also 11,26 EUR) und bei einem Regelsatz von 316,- EUR (Juli und August 2008) pro
Person 5,70 EUR (insgesamt 11,40 EUR) von den (tatsächlichen) Heiz- und Warmwasserbereitungskosten
abzuziehen. Damit betrugen die tatsächlichen Kosten der Heizung der Bedarfsgemeinschaft im Zeitraum April bis Juni
2008 monatlich 81,74 EUR und in den Monaten Juli und August 2008 jeweils 81,60 EUR. Anhaltspunkte für ein
unangemessenes Heizverhalten der Kläger sind nicht ersichtlich, vielmehr ist bei einer teilsanierten
Plattenbauwohnung in Hanglage mit relativ hohen Heizkosten zu rechnen. Damit waren den Klägern von der Beklagten
Kosten der Unterkunft und Heizung - für April bis Juni 2008 von (392,75 + 93,00 – 11,26 =) 474,49 EUR und - ab Juli
2008 von (392,75 + 93,00 – 11,40 =) 474,35 EUR zu gewähren. Gewährt wurden mit Bescheid vom 02.04.2008 in der
Fassung der Änderungsbescheide und des Widerspruchsbescheides monatlich 411,60 EUR, d.h. für den Zeitraum
April bis Juni 2008 waren den Klägern für ihre Unterkunfts- und Heizkosten weitere Leistungen in Höhe von monatlich
62,89 EUR zuzusprechen und für die Monate Juli und August 2008 jeweils in Höhe von weiteren 62,75 EUR.
II.
Soweit die Kläger auch die Übernahme der in der Heizkostenvorauszahlung enthaltenen Energiekosten der
Warmwassererzeugung begehrtem, war ihre Klage aus den zu Ziffer I genannten Gründen abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG; sie berücksichtigt das anteilige Obsiegen bzw. Unterliegen der
Beteiligten.
IV.
Die Berufung bedarf der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 750,- EUR nicht
übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Beteiligten haben die Zulassung der Berufung nicht beantragt. Da die
Kammer über die Frage der Zulassung nicht entschieden hat, ist diese nicht zulässig.