Urteil des SozG Dresden vom 25.06.2009
SozG Dresden: gemeinde, rahmenfrist, versicherungspflicht, arbeitslosenversicherung, arbeitsentgelt, eingliederung, hilfskraft, kindergarten, arbeitsorganisation, sozialversicherung
Sozialgericht Dresden
Urteil vom 25.06.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 35 AL 889/07
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 25.10.2007 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab 01.10.2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld im Anschluss an eine geförderte Arbeitsgelegenheit
streitig.
Die 1952 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige, gehörlos und schwerbehindert mit einem GdB von 100.
Seit 2003 ist sie mit D. L. verheiratet. Bis 31.08.2006 bezogen die Klägerin und ihr Ehemann Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II nach dem SGB II) vom Landkreis L ... Vom 01.09.2006 bis
28.02.2007 war die Klägerin als Hilfskraft im Kindergarten der Gemeinde B. angestellt. Sie erzielte dort ein
monatliches Gehalt von 1.280,00 EUR. Das Arbeitsverhältnis wurde gefördert durch das Son-derprogramm "Sofort" für
Arbeitslosengeld II-Empfänger des Landkreises. Vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 war die Klägerin erneut als Hilfskraft
im Kindergarten der Gemeinde B. mit einem monatlichen Gehalt von 1.280,00 EUR tätig. Dieses Arbeitsverhältnis
wurde gefördert durch das Sonderprogramm "Perspektive" für Arbeitslosengeld II-Empfänger des Landkreises.
Am 26.09.2007 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Sie legte
dabei unter anderem den Arbeitsvertrag vom 30.03.2007 über die Tätigkeit ab 01.04.2007 vor. Danach wurde
zwischen der Gemeinde B. und der Klägerin vorbehaltlich des Bescheides BAI/AIA/11595 ein Arbeitsvertrag
geschlossen. Die Klä-gerin wurde befristet ab 01.04.2007 mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit von 36 Stunden bis 30.09.2007 eingestellt (§ 1). Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich in Anlehnung an
den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen
Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung (§ 2). Als Anlage zum Arbeitsvertrag wurde der Bescheid zur
Schaffung von zusätzlichen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen zur Aktivierung des Arbeitsmarktes
im Rahmen des Sonderprogrammes für Arbeitslosengeld II-Bezieher (§ 16 Abs. 3 SGB II) genannt.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 05.10.2007 ab, da die Klägerin innerhalb der
Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 01.10.2007 nicht mindestens zwölf Monate in einem
Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2007
Widerspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen, sie habe zwölf Monate (01.09.2006 bis 28.02.2007 und
01.04.2007 bis 30.09.2007) versicherungspflichtig gearbeitet. Für diese Zeiten seien Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung bezahlt worden. Die Klägerin legte Meldenachweise zur Sozialversiche-rung vor und führte
weiter aus, dass in dieser Zeit Einkommen erzielt und kein Hartz IV (ALG II) gezahlt wurde. Für die Klägerin wurde ein
Arbeitszeugnis der Integrativen Kindertagesstätte "B." sowie ein Zeugnis der Gemeinde O. vorgelegt.
Die Beklagte hat den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 25.10.2007). Zur
Begründung verwies sie auf die §§ 118 ff. SGB III. Die Rahmenfrist für die Klägerin umfasse die Zeit vom 01.10.2005
bis 30.09.2007. Innerhalb dieser Zeit habe die Klägerin in keinem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne des § 24
SGB III bzw. § 26 SGB III gestanden. Die Beschäftigungsverhältnisse bei der Gemeinde B. seien im Rahmen des
Sonderprogramms für Arbeitslosengeld II-Empfänger zur Aktivierung des Arbeitsmarktes in Umsetzung des § 16 Abs.
3 SGB II geschaffen worden. Diese Arbeitsge-legenheiten begründeten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des
Arbeitsrechts. Die Beklagte verwies ferner auf § 27 Abs. 3 SGB III. Danach könnten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
keine Anwartschaftszeit mehr begründen. Auf die entrichteten Beiträge komme es nicht an. Mit der am 05.11.2007
erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsbegehren weiter. Sie bat um Prüfung des Sachverhalts, da es bei der
gleichen Maßnahme unterschiedliche Entscheidungen gebe. Der Kindergarten sei mittlerweise von der Diakonie
übernommen worden. Seit Februar/März 2008 ist die Klägerin dort, befristet bis 31.12.2012, angestellt. Die Klägerin
verweist darauf, dass in den Unterlagen von einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit die Rede ist.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zur verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25.10.2007 Arbeitslosengeld ab 01.10.2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die vom Landkreis eingerichteten Maßnahmen voll aus Mitteln des Landkreises finanziert
und gefördert werden. Die Beklagte stützt ihre Rechtsauffassung auch auf diese Fremdfinanzierung. Dadurch habe die
Entlohnung nicht der Versiche-rungspflicht im Sinne von § 25 Abs. 1 SGB III entsprochen, da kein "echtes"
Beschäftigungsverhältnis und kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV zu zahlen gewesen sei. Die Kriterien
einer Beschäftigung (Tätigkeit nach Weisungen und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers)
erscheinen der Beklagten zweifelhaft. Auch sei Gegenstand des "Arbeitsvertrages" keine geschuldete Leistung. Diese
erschließe sich nur bei Gesamtbetrachtung des Vertrages mit dem Maßnahmeträger. Auch aus den Richtlinien der
Programme ("Sofort"/"Perspektive") ergebe sich keine vertraglich vereinbarte konkrete Arbeitsleistung. Es spreche
daher nichts dafür, dass eine konkrete Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert erbracht werden sollte. Die Beklagte
bezweifelt, ob die Klägerin den Weisungen des Maßnahmeträgers unterlag und in die Maßnahme organisatorisch
eingebunden war. Sie ist weiter der Auffassung, dass kein freier Arbeitsvertrag geschlossen wurde, zumal der
Arbeitsvertrag vom erteilten Zuwendungsbescheid abhängig gemacht wurde. Die Klägerin habe sich auch den
Arbeitgeber nicht ausgesucht, sondern wurde dem Maßnahmeträger zugewiesen. Bei der Beschäftigung habe nicht
der Austausch von Lohn gegen Arbeit im Vordergrund gestanden. Vielmehr habe die Beschäftigung der Ermöglichung
des Wiedereinstiegs in das Arbeitsleben gedient. Auch sei das Entgelt nicht Äquivalent einer regulären Arbeitsleistung
gewesen. Nach Auffassung der Beklagten sei mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
Einvernehmen erzielt worden, dass eine Arbeitsgelegenheit nicht generell Versicherungspflicht auslöse. Die Beklagte
übersendet den zwischen ihr und dem BMAS erfolgten Schriftverkehr, sowie ihre "Arbeitshilfe (AGH)". Auf
Aufforderung des Gerichts legt die Beklagte ferner eine Probeberechnung vor. Danach hätte die Klägerin bei
Bewilligung des Arbeitslosengeldes Anspruch für 180 Tage à 18,73 EUR. Eventuell gezahltes Arbeitslosengeld II wäre
nach § 102 SGB X zu verrechnen.
Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlung unter anderem den Landkreis L. angeschrieben. Der
Fachdienst Beschäftigung und Arbeit/Rechtsabteilung gab in seiner Stellungnahme vom 31.01.2008 an, die Klägerin
sei im Zeitraum vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 im Rahmen des Programms "Sofort" zur Schaffung von
Arbeitsgelegenheiten auf der Grundlage von § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II tätig gewesen. Vom 01.04.2007 bis
30.09.2007 sei sie Teilnehmerin einer Arbeitsgelegenheit im Rahmen des Programms "Perspektive", ebenfalls auf der
Grundlage von § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II gewesen. Nach Auffassung des Landkreises handelt es sich bei
Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante auf der Grundlage von § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II um reguläre,
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Der Landkreis übersendet ferner ein Schreiben des BMAS
vom 18.02.2008, wonach Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante einen Anspruch auf Arbeitslosengeld begründen
können, wenn es sich nicht um Qualifizierungsmaßnahmen handelt. Das Gericht hat ferner eine Stellungnahme des
BMAS (vom 28.04.2008) beigezogen. Danach bestehe zwischen der Beklagten und dem BMAS Einigkeit darüber,
dass es sich bei Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II grundsätzlich um
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen handelt. Dem Gericht liegt ferner der Bescheid des Landkreises L. zum
Sonderprogramm "Perspektive" vom 30.03.2007, die Richtlinie des Landkreises zum Sonderprogramm "Perspektive"
sowie die Richtlinie für das Sonderprogramm "Sofort" vor. Ferner wurde eine Stellungnahme der Gemeinde B.
beigezogen. Diese gab in ihrer Erklärung vom 04.11.2008/20.10.08 an, die Klägerin sei als Kneipp-Gesundheitshelferin
tätig gewesen. Sie habe selbstständig gearbeitet. Qualifizierungsmaßnahmen waren nicht vorgesehen und wurden
nicht durchgeführt. Die Klägerin sei nicht direkt in den Dienstleistungsprozess integriert gewesen, sondern habe vor
allem projektbezogene Tätigkeiten erledigt.
Mit Beschluss vom 07.04.2008 wurden schließlich die zuständige Krankenkasse sowie der Rentenversicherungsträger
zum Verfahren beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogene Leistungsak-te sowie die Gerichtsakte,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 05.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
25.10.2007, in welchem der Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 01.10.2007 abgelehnt wird, verletzt die Klägerin
rechtswidrig in ihren Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat Anspruch auf
Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für die gesetzliche Dauer ab 01.10.2007.
Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gemäß § 118 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch - SGB III (i.d.F. des
Gesetzes vom 23.12.2003, BGBl. I S. 2848), wer arbeitslos ist, sich arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit
erfüllt hat. Die Anwartschaftszeit hat gemäß § 123 Satz 1 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12
Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die in § 123 Satz 1 SGB III in Bezug genommene
Rahmenfrist wiederum beträgt grundsätzlich 2 Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen
Voraussetzungen des Arbeitslosengeldanspruchs (§ 124 Abs. 1 SGB III).
Da die Klägerin sich zum 01.10.2007 arbeitslos gemeldet hat, läuft in ihrem Fall die Rahmenfrist vom 01.10.2005 bis
30.09.2007. Innerhalb dieser Rahmenfrist hat die Klägerin zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis gestanden. Nach Auffassung der Kammer hat die Klägerin im Zeitraum vom 01.09.2006 bis
28.02.2007 sowie vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 aufgrund der Tätigkeit als Hilfskraft im Kindergarten der Gemeinde
B. eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt.
Dabei ist für die Frage, ob ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorlag, nicht entscheidend, dass
Beiträge zur Sozialversicherung (darunter auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung) gezahlt wurden. Ebenso ist
nicht maßgeblich, dass im Arbeitsvertrag vom 30.03.2007 unter § 5 geregelt wurde, dass die Tätigkeit ein
versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründen soll. Die Erfüllung der hier zwischen den Beteiligten
streitigen Anwartschaftszeit hängt einzig von der die Anwartschaftszeit begründenden Beschäftigung, nicht dagegen
von der Entrichtung von Beiträgen ab. Einen Kausalzusammenhang zwischen Anspruch und gezahlten Beträgen gibt
es in der Arbeitslosenversicherung, einer Formalversicherung, nicht (vgl. BSG in SozR 3-4100 § 104 Nr. 8 S 39 f;
zuletzt: Urteil vom 29.01.2008, B 7/7a AL 70/06 R in SozR 4-4300 § 25 Nr. 2). Auf die Bezeichnung als
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis kommt es ebenso wenig an.
Die Klägerin war bei der Gemeinde B. angestellt und als Hilfskraft in der Integrativen Kindertagestätte "B." tätig. Die
Tätigkeit der Klägerin bei der Kindertagesstätte "B." unterlag der Versicherungspflicht nach den §§ 24 ff. SGB III.
Nach § 24 Abs. 1 SGB III stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte oder aus
sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind versicherungspflichtig
Personen, die gegen Arbeitsentgelt (Alt. 1) oder zu ihrer Berufsausbildung (Alt. 2) beschäftigt sind
(versicherungspflichtige Beschäftigung). Nach Überzeugung der Kammer war die Klägerin gegen Arbeitsentgelt
beschäftigt im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 (Alt. 1) SGB III.
Die Versicherungspflicht bei einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt in der ersten Alternative des § 25 Abs. 1 Satz 1
SGB III fordert nach dem heranzuziehenden Grundgedanken des § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch -
SGB IV (vgl. BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 11 S 52; BSG SozR 4-4300 § 25 Nr. 2) eine nichtselbständige Tätigkeit,
insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen
und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Die Eingliederung
des Beschäftigten in einen Betrieb äußert sich dabei in der Regel in der faktischen Verfügungsmöglichkeit des
Arbeitgebers mit einem mehr oder weniger stark ausgeprägtem Weisungsrecht des Betriebsinhabers, bezogen auf
Zeit, Ort, Dauer, Inhalt und Gestaltung der Tätigkeit (vgl. BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 11 S. 53, BSG SozR 4-4300 §
25 Nr. 2 ). Die wertende Zuordnung zum Typus einer abhängigen Beschäftigung bestimmt sich dabei nach dem
Gesamtbild der Tätigkeit unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (BSG SozR 3-4100 § 101 Nr.
9 S. 31; BSG SozR 3-4100 § 101 Nr. 4 S 7), ausgehend von der vertraglichen Ausgestaltung des Verhältnisses (BSG
SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 S. 26; BSG SozR 4-4300 § 25 Nr. 2).
Die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses liegen nach Auffassung der Kammer unzweifelhaft vor. So war die
Klägerin nach den Angaben des Arbeitgebers sowie auch ihren Schilderungen im Rahmen der mündlichen
Verhandlung voll in die Arbeitsorganisation der Kindertagesstätte eingegliedert. Sie musste zur vereinbarten
Arbeitszeit am Ar-beitsort erscheinen und die ihr zugewiesenen Tätigkeiten verrichten. Die Klägerin war dem
Arbeitgeber gegenüber weisungsunterworfen hinsichtlich des Ortes, der Zeiten und der Art der zu verrichtenden
Tätigkeiten. Die Leiterin der Kindertagesstätte hatte der Klägerin jeweils gesagt, welche Tätigkeiten zu verrichten sind.
Der Arbeitsablauf war oftmals so, dass zum Beginn der Woche besprochen wurde, was zu tun ist. Die Klägerin hat
dann selbstständig gearbeitet. Zu ihrem Aufgabengebiet gehörte die Arbeit als Kneipp-Gesundheitshelferin, die
Vorbereitung des wöchentlichen Obsttages der Kinder, die Pflege des Kräutergartens und des Pfads der Sinne, die
Begleitung der Kinder bei Spaziergängen und Wanderungen sowie beim Saunabesuch, die Anleitung der Hortkinder
beim Backen und Kochen sowie Arbeiten im Bereich der Wäschepflege und Basteln mit Kindern. Nach dem Zeugnis
der Gemeinde O. vom 27.09.2007 zeichnete sich die Klägerin dabei durch ein hohes Maß an Selbstständigkeit aus
und hat sich als einsatzbereite und kreative Mitarbeiterin erwiesen, die konstruktive Vorschläge unterbreitete, diese
erfolgreich einsetzte und entscheidend zu Problemlösungen beitrug.
Im Rahmen der Tätigkeit der Klägerin waren andere Zielsetzungen (insbesondere Qualifikationsmaßnahmen) nicht
vorgegeben. Es handelte sich bei dem Arbeitgeber, der Gemeinde B., auch nicht um einen Maßnahmeträger, dessen
alleiniger Betriebszweck die Vermitt-lung von Qualifizierung und Ausbildung darstellt, so dass sich insbesondere unter
Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 29.01.2008 (B 7/7a AL 70/06 R in SozR 4-4300 § 25
Nr. 2) keine Ausnahme vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ergibt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Arbeitsvertrag der Klägerin, worauf die Beklagte abstellt, eine
geschuldete Leistung nicht geregelt war. Der Arbeitsvertrag lehnt sich seiner äußeren Form nach den Verträgen im
öffentlichen Dienst (nach TVöD) an. Auch dort ist die konkrete zu verrichtende Tätigkeit regelmäßig nicht
beschrieben, son-dern ergibt sich erst aus der Tätigkeitsbeschreibung.
Der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die
Klägerin die Tätigkeit im Rahmen einer geförderten Arbeitsgelegenheit verrichtet hat. Die Klägerin war im Zeitraum
vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 im Rahmen des Programms "Sofort" und im Zeitraum vom 01.04.2007 bis 30.09.2007
im Rahmen des Programms "Perspektive" tätig. Die Sonderprogramme waren jeweils durch den Landkreis L. als
Optionslandkreis (i.S.v. § 6b Sozialgesetzbuch, Zweites Buch - SGB II) geschaffen worden. Es handelte sich um
Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung
für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I S. 1706). In der Literatur ist strittig, ob § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II eine
eigenständige Bedeutung hat oder nur im Zusammenspiel mit anderen Vorschriften eine Förderung der Arbeitslosen
zulässt. Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur regelt § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II eine eigenständige
Variante der Arbeitsgelegenheiten (vgl. Niewald in: LPK-SGB II, § 16 Rn. 19; Harks in JurisPK-SGB II § 16 Rdnr. 83;
Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, 17. ErgLf. § 16 Rdn. 390; Schuhmacher in Oestreicher SGB XII/SGB II, ErgLf. 56, §
16 SGB II Rdn. 70 ff.; a.A. Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II § 16 Rdn. 201, 209). Nach der Gesetzesbegründung zu
§ 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II (in BT-Drs. 15/1749 S. 32) lehnt sich die Vorschrift an § 19 Abs. 1 Satz 1 BSHG an. Durch
die Regelung soll den Arbeitsagenturen bzw. den optierenden Kommunen zusätzlich zu
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (nach den §§ 260 ff. SGB III) und den Arbeitsgelegenheiten in der sog.
Mehraufwandsentschädigungsvariante (§ 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II, sog. "1-EUR-Job") ermöglicht werden, auch
Arbeitsverhältnisse in regulären betrieblichen Arbeitsverhältnisses zu schaffen. Aus der Gesetzesbegründung und der
bisherigen h.M. zur Vorgängerregelung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BSHG) ergibt sich, dass mit § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II
eine eigenständige Eingliederungsvorschrift geschaffen wurde, die keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Art der
durchzuführenden Arbeiten unterliegt (Voelzke in Hauck/Nofts a.a.O., Rdnr. 390). Die von der Beklagten vertretene
Auffassung, Arbeitsverhältnisse mit einem Dritten als Arbeitgeber könnten nicht über § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II
gefördert werden (so z.B. auch Schuhmacher in Östreicher, SGB XII/SGB II, § 16 Rdnr. 79/80) lässt sich weder dem
Wortlaut noch der Gesetzesbegründung der Vorschrift entnehmen.
Auf der Grundlage des § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II können reguläre Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, ohne dass
die Arbeitstätigkeit im öffentlichen Interesse liegt oder zusätzlich sein muss (vgl. Voelzke a.a.O.). Die Tatsache, dass
vorliegend die Arbeiten als im öffentlichen Interesse deklariert wurden, ist allerdings auch unschädlich. Die Träger der
Grundsicherung (hier der Landkreis L.) kann Arbeitsmöglichkeiten bei privaten Arbeitgebern, bei öffentlich-rechtlichen
Trägern oder in Eigenregie betreiben (Voelzke a.a.O.). Die Arbeiten können somit bei allen privaten oder öffentlichen
Arbeitgebern organisiert werden. Sie können, müssen aber nicht im öffentlichen Interesse liegen. Werden die
Arbeitsgelegenheiten wie hier bei einem Dritten, nicht notwendigerweise öffentlichen Träger geschaffen, handelt es
sich um vollwertige Arbeitsverhältnisse mit allen Konsequenzen, insbes. der Sozialversicherungspflicht in allen
Zweigen der Sozialversicherung, einschließlich der Arbeitslosenversicherung (vgl. Voelzke a.a.O., Rdnr. 394, 398). Es
handelt sich bei den Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante im Unterschied zu den Arbeitsgelegenheiten mit
Mehraufwandsentschädigung (nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II) um Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des
Arbeitsrechts. Dies nimmt offensichtlich auch die Beklagte in ihrer "Arbeitshilfe AGH" (Abschnitt B 7.2 zu § 16) an.
Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat in seiner Stellungnahme vom 28.04.2008 gegenüber
dem Gericht mitgeteilt, dass es sich bei Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II
grundsätzlich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen handelt. Umso unverständlicher ist, dass die
Beklagte ihrer eigenen Dienstanweisung und den Ausführungen des BMAS nicht folgt.
Die Kriterien für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus § 7 SGB IV i.V.m. der
hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung sind vorliegend erfüllt (s.o.). Dabei ist unerheblich, dass die
Lohnkosten zu 100 % bezuschusst wurden. Nicht maßgebend ist ferner, in welchem Verhältnis der Träger der
Grundsicherung als fördernde Behörde mit dem Maßnahmeträger (Arbeitgeber) steht.
Aus dem Vortrag der Beklagten, dass das streitige Arbeitsverhältnis einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM)
ähnelt, die nach § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III versicherungsfrei ist, ergibt sich keine Ausnahme von der
Versicherungspflicht. § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III (in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 23.12.2003,
BGBl. I S. 2848) beinhaltet eine Ausnahmeregelung. Mit Wirkung zum 01.01.2004 sind Personen in einer
Beschäftigung, die als ABM gefördert wurde, versicherungsfrei. Damit werden diese Beschäftigungen als
Beschäftigungen besonderer Art gestellt und von den Beschäftigungen im allgemeinen Arbeitsmarkt abgehoben. Die
Vorschrift des § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III ist für die hier streitigen Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB
II nicht übertragbar. Eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 3 Nr. 5 SGB III kommt nach Auffassung der Kammer
nicht in Betracht, da die Begründung von gesetzlich nicht geregelten Versicherungsfreiheiten im Wege der Analogie
grundsätzlich nicht möglich ist (vgl. BSG SozR 4-2500, § 5 Nr. 2). Vielmehr müssen Versicherungspflichten und auch
versicherungsfreie Arbeitsverhältnisse durch den Gesetzgeber klar geregelt werden. Als Ausnahmeregelung lässt sich
diese Vorschrift zu den ABM somit auf die hier gegebene Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante nicht übertragen.
Der Gesetzgeber hat im Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl. I
S. 2917 ff.) § 27 Abs. 3 SGB III neu gefasst. Versicherungsfrei sind danach nunmehr auch Beschäftigungen, die als
Arbeitsgelegenheit nach § 16d Satz 1 des SGB II gefördert wird. § 16d Satz 1 SGB II (neu) entspricht § 16 Abs. 3
Satz 1 SGB II (i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006,
BGBl. I S. 1706) und regelt nunmehr die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante. In der Begründung zur
Neuregelung führt der Gesetzgeber aus, dass Beschäftigungen, die als ABM gefördert werden, bereits nach dem
geltenden Recht versicherungsfrei zur Arbeitslosenversicherung sind (BT-Drs. 16/10810 vom 08.11.2008). Diese
Regelung "wird auch für die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante" übernommen in § 27 Abs. 3 Nr. 5 Buchst. b
SGB II. Nach der Begründung des Gesetzgebers sollen durch die Versicherungsfreiheit bei den Arbeitsgelegenheiten
in der Entgeltvariante – ebenso wie bei den als ABM geförderten Beschäftigungen – Fehlanreize zum Aufbau neuer
Versicherungsansprüche auf Arbeitslosengeld durch öffentlich geförderte Beschäftigungen beseitigt werden. Aus der
Formulierung der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass es sich bei den
Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante um normale, vollwertige Arbeitsverhältnisse gegen Arbeitsentgelt handelt,
die zu einer Versicherungspflicht führen. Dies bestätigt auch die Bundestagsdrucksache 15/1749 S. 32 zur
ursprünglichen Fassung des § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II wie auch die Stellungnahme des BMAS vom 28.04.2008. Ein
besonderer Tatbestand, welcher die Versicherungspflicht ausschließt, ist in § 27 SGB III somit erst für den Zeitraum
ab 01.01.2009 geregelt, was sich aus den Regelungen zum In-Kraft-Treten (Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes zur
Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I S. 1706) ergibt.
Die von der Beklagten selbst aufgestellten Kriterien eines Beschäftigungsverhältnisses (Tätigkeit nach Weisungen
und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers) sind mithin vollständig erfüllt. Nicht nachvollziehbar
ist insoweit der Vortrag der Beklagten, das Entgelt sei nicht Äquivalent einer regulären Arbeitsleistung gewesen. Ein
monatliches Entgelt von 1.280,00 EUR Brutto für eine Teilzeitbeschäftigung mit 36 Wochenstunden stellt nach
Auffassung der Kammer ein echtes Entgelt und nicht etwa lediglich eine Aufwandsentschädigung dar. Die Klägerin
erhält nunmehr in der Festanstellung bei der Diakonie ein geringeres Entgelt. Allein dies zeigt, dass die Klägerin im
Rahmen der Arbeitsgelegenheit "echtes" Entgelt i.S.v. § 14 SGB IV verdient hat.
Da die Klägerin im Zeitraum vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 und vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 im Rahmen eines
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig war, hat sie die Beiträge zur Sozialversicherung auch zu
Recht entrichtet. Rückerstattungen haben somit nicht zu erfolgen. Die Klägerin hat vielmehr Anspruch auf
Arbeitslosengeld erworben. Sofern der Klägerin für den Zeitraum ab 01.10.2007 Arbeitslosengeld II ausbezahlt wurde,
kann die Beklagte grundsätzlich Erstattungsansprüche nach § 102 ff. Sozial-gesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X)
gegenüber dem zuständigen Träger geltend machen.
Danach war wie festgestellt zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den Umstand, dass die Klage voll
umfänglich erfolgreich war.
Die Berufung ist kraft Gesetzes zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).