Urteil des SozG Dresden vom 10.08.2005

SozG Dresden: krankengymnastik, verordnung, verschlechterung des gesundheitszustandes, heilmittel, krankenversicherung, behandlung, physiotherapie, dienstleistung, ergotherapie, pflege

Sozialgericht Dresden
Gerichtsbescheid vom 10.08.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 18 KR 232/05
I. Der Bescheid vom 07.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids vom 16.03.2005 wird aufgehoben. Die
Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 10 Behandlungseinheiten spezielle Krankengymnastik (KG-ZNS Diagnosegruppe
ZN 2) ent-sprechend der Verordnung der Fachärztin für Physiotherapie und Chirotherapie Dr. med. S [ ...] vom
17.09.2004 als Dienstleistung zu gewähren, soweit nicht schon Behandlungen auf Grundlage dieser Verordnung zu
Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung er-bracht worden sind. II. Es wird festgestellt, dass die Ablehnung
spezieller Krankengymnas-tik (KG-ZNS Diagnosegruppe ZN 2) durch Bescheid vom 07.10.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 16.03.2005 rechts-widrig war und die Klägerin auf Grund der Verordnung der Fach-ärztin
für Physiotherapie und Chirotherapie Dr. med. S vom 17.09.2004 Anspruch auf spezielle Krankengymnastik (KG-ZNS
Di-agnosegruppe ZN 2) ohne Einhaltung eines therapiefreien Intervalls hatte. III. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen. IV. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erbringung von Krankengymnastik als langfristige Verordnung. Die 1939 geborene und
bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an einer rechtsseitigen Hemipa-rese mit Bewegungsstörungen der
Extremitäten in Folge zerebrovaskulärer Insuffizienz nach mehre-ren 1998 und 1999 erlittenen Schlaganfällen sowie
an ankylosierender Coxarthrose. Sie ist anerkannt als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 100 und
den Merkzeichen B, aG und H, gehunfähig und bezieht Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach Pflegestufe
III. Nachdem die Maßnahmen der Physikalischen Therapie im Rahmen der Regelfallverordnungen ent-sprechend den
Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmit-teln in der vertragsärztlichen
Versorgung (Heilmittel-Richtlinien) bereits ausgeschöpft waren, verord-nete die behandelnde Fachärztin für
Physiotherapie und Chirotherapie Dr. med. S der Klägerin am 17.09.2004 weitere 10 Behandlungseinheiten spezielle
Krankengymnastik (KG-ZNS Diagnosegruppe ZN 2) sowie weitere 10 Einheiten motorisch-funktionelle Behandlung
(Ergotherapie A2 Diagnose-gruppe EN2). In beiden Fällen begründete sie die Verordnung außerhalb des Regelfalles
mit der Ver-meidung von Bettlägerigkeit, die Verordnung der Krankengymnastik darüber hinaus mit dem Ziel der
Pflegerleichterung. Der beauftragte Physiotherapeut legte die Verordnungen am 15.09.2004 der Be-klagten zur
Genehmigung vor (Bl. 8 und 10 der Verwaltungsakte). Die Beklagte genehmigte nach Einholung von Stellungnahmen
des Medizinischen Dienstes der Kran-kenversicherung die verordnete Ergotherapie, lehnte jedoch die Versorgung mit
Krankengymnastik durch Bescheid vom 07.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2005
(zugestellt am 18.03.2005) mit der Begründung ab, die motorisch funktionelle Behandlung sei ausreichend, weil
bereits die Ergotherapie und die aktivierende Pflege die Erhaltung der Restmobilität gewährleisteten. Hiergegen richtet
sich die am 07.04.2005 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage. Die Be-klagte habe die
physiotherapeutischen Leistungen zu Unrecht abgelehnt. Es sei der Klägerin unzu-mutbar, nach jeder Verordnung erst
den Rechtsweg zu beschreiten, so dass auch eine vorbeugende Klage geboten sei. Die Klägerin beantragt, den
Bescheid der Beklagten vom 07.10.2004 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 16.03.2005 aufzuheben und
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, vertragsärztlich längerfristige Verordnungen (Ver-ordnungen außerhalb
des Regelfalls, hier: Krankengymnastik) zu Gunsten der Klägerin zur Erhaltung der Beweglichkeit bei der gegebenen
Diagnose "CVI mit Hemiparese rechts, ankylosierende Coxarthrose rechts" zu geneh-migen. Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. Die Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung seien nachvollziehbar
und aus-reichend. Weil der Medizinische Dienst ein Gutachten nach Aktenlage erstellt hat, hätten ausreichen-de
medizinische Informationen für ein Gutachten nach Aktenlage vorgelegen; weil er keine telefoni-schen Auskünfte beim
Arzt eingeholt hat, seien die Behandlungsunterlagen ausreichend gewesen. Das Gericht hat eine Auskunft der
Fachärztin für Physiotherapie und Chirotherapie Dr. med. S vom 20.06.2005 eingeholt, wegen deren Inhalt auf Blatt 57
und 62 ff. der Sozialgerichtsakte verwiesen wird. Die Beklagte hat trotz Aufforderung vom 22.06.2005 hierzu nicht
Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte
und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht kann über den Rechtsstreit gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch
Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art
aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten auf Anfrage keine Gründe vorgetragen haben, die einer
Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegen stehen würden. Die Klage ist im Wesentlichen begründet. Richtige
Klageart ist hinsichtlich der künftigen Leistungen zunächst die verbundene Anfechtungs- und ? auf Erbringung von
Krankengymnastik als Dienstleistung gerichtete ? Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG. An die abweichende
Fassung der Klageanträge ist das Gericht gemäß § 123 SGG nicht gebunden. Indem die Bevollmächtigten der
Klägerin sich gegen die Ablehnung der beantragten Dienstleistung wenden und zugleich die Feststellung der
Verpflichtung der Beklagten zur Genehmi-gung der verordneten Heilmittel begehren, was nichts anderes als die
Voraussetzungen der Leistungs-erbringung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung beschreibt, machen sie
deutlich, dass es der Klägerin tatsächlich um die Inanspruchnahme der Dienstleistung als solche geht. Die in Ab-
schnitt II Nr. 11.5 in Verbindung mit 11.3 des Ersten Teils der Heilmittel-Richtlinien für Verordnun-gen außerhalb des
Regelfalles vorgesehene Genehmigung der Krankenkasse wird durch die Entschei-dung des Gerichts ersetzt. Ein
berechtigtes Interesse (§ 55 Abs. 1 SGG) an der Feststellung eines Sach- und Dienstleistungsanspruchs außerhalb
des Regelfalls ist der Klägerin deshalb nur im Sinne einer Fortsetzungsfeststellungsklage hinsichtlich des seit
Einreichung der Verordnung vom 17.09.2004 bereits abgelaufenen Zeitraums einzuräumen. Es beschränkt sich in
Folge des Zeitablaufs indessen auf die als rechtliches Minus vom Klageantrag mit umfasste Feststellung der
Rechtswidrig-keit der Ablehnung und das Bestehen eines Anspruchs auf Heilmittel für diesen Zeitraum. Das Fort-
setzungsfeststellungsinteresse resultiert aus der Gefahr, dass die Beklagte ihr rechtswidriges Verhal-ten wiederholt.
1. Die Klägerin hat Anspruch auf die beantragte Krankengymnastik entsprechend der längerfristigen Verordnung der
Fachärztin für Physiotherapie und Chirotherapie Dr. med. S vom 17.09.2004 auf Grundlage von § 27 Abs. 1 Satz 1
und Satz 2 Nr. 3, § 32 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Fünftes Buch (V) ? Gesetzliche
Krankenversicherung ? in Verbindung mit Abschnitt I.A.2 des Zweiten Teils und Abschnitt II Nr. 11.3 und 4 des Ersten
Teils der auf § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V beruhenden Heilmittel-Richtlinien. Die Verordnung weiterer
krankengymnastischer Be-handlung ist, ggf. auch neben der Ergotherapie, ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich
und über-schreitet nicht das Maß des Notwendigen. Die speziellen Anforderungen, welche nach den Heil-
mittelrichtlinien an die weiterführende Diagnostik gestellt werden, um auf der Basis des festge-stellten
Therapiebedarfs, der Therapiefähigkeit, der Therapieprognose und des Therapieziels die Heilmitteltherapie
fortzuführen, sind erfüllt. Das Gericht schließt sich insoweit der ausführlichen und nachvollziehbaren Begründung der
Heil-mittelverordnung durch die behandelnde Fachärztin für Physiotherapie und Chirotherapie Dr. med. S gemäß der
auf gerichtliche Anfrage erteilten Auskunft vom 20.06.2005 an. Danach bedarf die Klägerin wegen der Schwere und
Komplexität der Beeinträchtigungen dauernder physiotherapeuti-scher Behandlung, weil eine unbehandelte Spastik zu
weiterführenden Dysbalancen der angren-zenden Gelenke führen würde. Diese Einschätzung werde dadurch bestätigt,
dass die Klägerin nach der akuten Erkrankungsphase 1998 vollständig bettlägerig gewesen sei und nur durch dau-
ernde Therapie der gegenwärtige Zustand (Sitzen und passive Rollstuhlnutzung, auch im Freien) habe erreicht werden
können. Der Therapiebedarf und die positive Therapieprognose für eine phy-siotherapeutische Behandlung ohne ein
12-wöchiges behandlungsfreies Intervall im Sinne von Ab-schnitt II Nr. 11.1 des Ersten Teils der Heilmittel-Richtlinien
sind damit überzeugend dargestellt. Die Einschätzung der behandelnden Ärztin wird nicht durch die von der Beklagten
eingeholten Stellungnahmen der Gutachterärzte des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung wider-legt.
Diesen Äußerungen kommt keine gutachtliche Qualität zu. Sie lassen nicht einmal ansatzwei-se erkennen, dass die
Erforderlichkeit der Krankengymnastik systematisch an Hand der in Ab-schnitt II Nr. 11.3 und 4 des Ersten Teils der
Heilmittel-Richtlinien genannten Kriterien geprüft worden wäre. Die Behauptung, dass die verordnete
Krankengymnastik nicht zielführend sei, hängt ohne nähere Begründung gleichsam in der Luft. An Hand des
mitgeteilten Sachverhalts in der Stel-lungnahme der Gutachterärztin Dipl.-Med. K vom 28.10.2004 kann nur vermutet
werden, dass Grundlage dieser Annahme ein Vergleich des in den Pflegegutachten von 2000 und von 1998 als
gleichbleibend eingeschätzen Hilfebedarfs ist. Schon dass die Gutachterärztin sich, ohne aktuelle ärztliche Befunde
einzuholen oder die Versicherte selbst zu untersuchen, lediglich auf ein mehr als vier Jahre (!) altes Pflegegutachten
stützt, um die aktuelle Therapieempfehlung der behandelnden Ärztin abzulehnen, verletzt den
Amtsermittlungsgrundsatz des § 20 Abs. 1 und 2 des Sozialgesetz-buchs (SGB) Zehntes Buch (X) ?
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz ?. Diesem ist nicht schon damit Genüge getan, dass die Beklagte
zur Beurteilung der medizinischen Leistungs-voraussetzungen lediglich den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung als Erfüllungsgehil-fen einschaltet, wenn dieser sich trotz offenkundig weiteren
Aufklärungsbedarfs nur auf die ihm schon vorliegenden Krankenunterlagen stützt. Denn die Behörde hat gemäß § 20
Abs. 2 SGB X nicht nur die präsenten Unterlagen, sondern alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu be-
rücksichtigen. Darüber hinaus übersieht die Einschätzung, dass die Erbringung von Heilmitteln gemäß § 27 Abs. 1
Satz 1 SGB V auch gerechtfertigt und geboten sein kann, um die Verschlimme-rung einer bereits bestehenden
Krankheit zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern; die als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung
anzubietende Krankenbehandlung ist also nicht auf das Ziel der Heilung reduziert. Es ist auch nicht nachvollziehbar,
wie das Therapieziel der Krankengymnastik durch die gleichzeitig verordnete Ergotherapie und im Rahmen der
aktivieren-den Pflege erreicht werden soll. Die verordnete Krankengymnastik dient der Förderung und Er-leichterung
von Bewegungsabläufen durch den Einsatz komplexer Bewegungsmuster, die Bahnung von Innervation und
Bewegungsabläufen und Förderung oder Hemmung von Reflexen unter Ein-satz bestimmter krankengymnastischer
Techniken. Die motorisch-funktionelle Behandlung dient dagegen der gezielten Therapie krankheitsbedingter
Störungen der motorischen Funktionen und der daraus resultierenden Fähigkeitsstörungen und umfasst insbesondere
Maßnahmen zum Abbau pathologischer Haltungs- und Bewegungsmuster, zum Aufbau und Erhalt physiologischer
Funktio-nen, zur Entwicklung oder Verbesserung der Grob- und Feinmotorik, zur Entwicklung oder Ver-besserung der
Koordination von Bewegungsabläufen und der funktionellen Ausdauer, zur Verbes-serung von Gelenkfunktionen, zur
Vermeidung der Entstehung von Kontrakturen, zur Desensibili-sierung bzw. Sensibilisierung einzelner
Sinnesfunktionen, Schmerzlinderung, zum Erlernen von Ersatzfunktionen, und zur Verbesserung der eigenständigen
Lebensführung. Auch wenn durch bei-de verordneten Maßnahmen insgesamt der Erhalt der Restmobilität der Klägerin
angestrebt wird und sich die therapeutischen Effekte beider Behandlungen vielfältig überschneiden, so handelt es sich
doch funktionell um unterschiedliche Behandlungsansätze, denen jeweils ganz spezifische Therapieziele zugeordnet
sind. Angesichts des komplexen Krankheitsgeschehens der Klägerin ist ein derartiges komplexes Behandlungsregime
auch geboten. Der Verweis der Klägerin auf das Training der Aktivitäten des täglichen Lebens im Rahmen der
aktivierenden Pflege verkennt, dass es sich bei der aktivierenden Pflege, wie sie der Gesetzgeber in § 6 Abs. 2 und §
11 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Elftes Buch (XI) ? Soziale Pflegeversicherung ? aufgreift, gerade
nicht um medizinische Behandlungsleistungen handelt. Sie kann deshalb auch nicht als Surrogat für eine medizinisch
gebotene Heilmittelbehandlungen herhalten. Wenn die Gutachterärztin Dipl.-Med. K in ihrer Stellungnahme
abschließend darauf verweist, dass es der Einschätzung und Ver-antwortung des behandelnden Arztes obliege,
inwieweit sich nach einem behandlungsfreien Inter-vall die medizinische Notwendigkeit einer erneuten (Regelfall-)
Behandlung ergibt, so bringt sie damit zum Ausdruck, dass sie selbst eine Verschlechterung des
Gesundheitszustandes der Klägerin während eines behandlungsfreien Intervalls nicht ausschließt. Unter diesen
Umständen ist es un-vertretbar, die eigene ? negative ? Therapieentscheidung an die Stelle der Entscheidung der
behan-delnden Ärztin zu setzen, die letztlich gegenüber dem Versicherten die Verantwortung für die ge-wählte
Behandlung trägt. Das Votum der Gutachterärzte überschreitet damit deutlich die Ihnen durch § 275 Abs. 5 Satz 2
SGB V gesetzte Kompetenzgrenze bei der Prüfung der Vertretbarkeit der ärztlichen Heilmittelverordnung. Auf Grund
des festgestellten Therapiebedarfs ist die Beklagte ohne Einhaltung eines sog. behand-lungsfreien Intervalls zur
Erbringung der verordneten Krankengymnastik als Dienstleistung zu verurteilen. Behandlungseinheiten, welche der
beauftragte Leistungserbringer bis zur Entschei-dung der Beklagten über den Leistungsantrag bereits nach Maßgabe
von Abschnitt II Nr. 11.5 Satz 2 des Ersten Teils der Heilmittel-Richtlinien auf die Verordnung vom 17.09.2004 hin zu
Las-ten der Beklagten erbracht hat, sind auf den zuerkannten Anspruch anzurechen. 2. Damit steht zugleich fest,
dass die Ablehnung der krankengymnastischen Leistungen bereits vor Ablauf des 12-wöchigen behandlungsfreien
Intervalls nach Abschnitt II Nr. 11.1 des Ersten Teils der Heilmittel-Richtlinien rechtswidrig war, weil die Klägerin
bereits im Zeitpunkt der ärztlichen Verordnung Anspruch auf Gewährung der verordneten Krankengymnastik als
Dienstleistung der gesetzlichen Krankenversicherung hatte. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten und die ihr
zu Grunde liegenden gutachtlichen Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversi-cherung weisen
derart schwerwiegende Mängel bei der Beurteilung der medizinischen und rechtli-chen Voraussetzungen des
Leistungsanspruchs auf, dass die Gefahr besteht, die Beklagte werde in vergleichbaren Leistungsfällen ihr
rechtswidriges Verhalten wiederholen und medizinisch notwen-dige Leistungen der Krankengymnastik gestützt auf
Stellungnahmen des medizinischen Dienstes ablehnen, die auf unzureichend ermittelten Befunden beruhen, eine
Prüfung der medizinischen Leistungsvoraussetzungen an Hand der in Abschnitt II Nr. 11.3 und 4 des Ersten Teils der
Heilmit-tel-Richtlinien genannten Maßstäbe vermissen lassen und die durch § 275 Abs. 5 Satz 2 SGB V
eingeschränkten Prüfungsbefugnisse überschreiten. Die Rechtswidrigkeit der Ablehnung und das Bestehen des
Leistungsanspruchs für den zurücklie-genden Zeitraum ist deshalb auf die vom Prozessantrag der Klägerin implizit mit
umfasste Fortset-zungsfeststellungsklage hin ausdrücklich festzustellen. 3. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
Eine Verurteilung der Beklagten zur Erbringung künftiger Leistungen oder die Feststellung einer künftigen
Leistungspflicht kommt ? auch mit den im Klageantrag genannten Maßgaben: Vorlage einer ärztlichen Verordnung
unter Ausweisung einer bestimmten Diagnose ? nicht in Betracht. Ob und in welchem Umfang die Beklagte
längerfristige Verordnungen von Krankengymnastik künftig als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu
gewähren hat, kann nach den in § 12 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V verankerten Maßstäben für die
Erforderlichkeit der Heilmittelver-ordnung nur nach regelmäßiger ärztlicher Feststellung von Therapiebedarf,
Therapiefähigkeit, Therapieprognose und Therapieziel beurteilt werden. Denn der Gesundheitszustand der Klägerin
kann ständig Änderungen unterliegen. Von dem Genehmigungsvorbehalt gemäß Abschnitt II Nr. 11.5 in Verbindung
mit 11.3 der Heilmittel-Richtlinien ist insoweit keine Ausnahme gerecht-fertigt. Dem Interesse an der Vermeidung
wiederholten rechtswidrigen Verwaltungshandelns wird durch das Institut der ? hier erfolgreichen ?
Fortsetzungsfeststellungsklage Rechnung getragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs.
1 SGG. Das teilweise Unterliegen der Klägerin blieb dabei wegen Geringfügigkeit unberücksichtigt.