Urteil des SozG Dresden vom 10.02.2005

SozG Dresden: bereitschaftsdienst, versorgung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, innere medizin, aufteilung, sicherstellung, integration, eingriff, auflösung, verfügung

Sozialgericht Dresden
Gerichtsbescheid vom 10.02.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 11 KA 260/04
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. III. Die Sprungrevision wird nicht
zugelassen. IV. Der Streitwert wird auf 4000,00 EUR festgelegt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Teilnahme der Klägerin am allgemeinen Bereitschafts-dienst in M. streitig.
Die Klägerin ist seit 01.09.1983 approbierte Ärztin und nimmt seit dem 11.03.1991 als Fachärztin für Frauenheilkunde
und Geburtshilfe an der vertragsärztlichen (fachärztlichen) Versorgung mit Praxissitz in M. teil. Im Einzugsbereich der
klägerischen Praxis war seit 1993 ein gynäkologischer Bereitschaftsdienst vorgehalten, an dem die Klägerin bis zum
31.03.2004 teilgenommen hat. Mit Schreiben vom 05.11.2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass in der
Bereitschaftsdienstgruppe W. zu Beginn des Jahres 2004 von ehemals sieben nur noch drei Ärzte für die
Sicherstellung des Bereitschaftsdienstes zur Verfügung stehen würden. Es habe daher am 29.10.2003 ein
Strukturgespräch stattgefun-den, in dem man nach sorgfältiger Abwägung aller Möglichkeiten die Aufteilung des Be-
reichs W. und die Zuordnung zu den umliegenden Gruppen beschlossen habe. Durch die damit verbundene
Vergrößerung der Dienstbereiche für alle Ärzte sei mit erheblichen zu-sätzlichen Belastungen zu rechnen. Die
zuständige Bezirksstelle sei deshalb beauftragt, umgehend die Integration der Gynäkologen und HNO-Ärzte in den
allgemeinen Bereit-schaftsdienst zu veranlassen und zum 01.01.2004 umzusetzen. Damit werde eine Verrin-gerung
der Dienstfrequenz erreicht. Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass sie auf Grund eines noch zu erteilenden
Bescheides, ab dem 01.01.2004 verpflichtet sei, am all-gemeinen Bereitschaftsdienst im Bereitschaftsdienstbereich
M. teilzunehmen. Damit ent-falle die Teilnahmeverpflichtung am gynäkologischen Bereitschaftsdienst.
Auf das Anhörungsschreiben vom 05.11.2003 haben sich neben der Klägerin acht weitere Gynäkologen der Bereiche
M. E. und A. in einem gemeinsamen Protestschreiben vom 14.11.2003 an die Beklagte gewandt. Sie bemängelten
dabei, nicht in die Entscheidung einbezogen worden zu sein und den geringen zeitlichen Rahmen von nur sieben
Wochen für die Realisierung der geplanten Veränderungen. Die Unterzeichner des Schreibens seien seit 20 Jahren
und länger nur gynäkologisch und ambulant tätig, hätten also mit den Fach-gebieten Innere Medizin und Pädiatrie nur
am Rande zu tun. Des Weiteren sei eine Viel-zahl der neuen, für sie fachfremden Medikamente mit ihren Wirkungen
und Nebenwirkun-gen nicht so bekannt, wie es für Akutsituationen erforderlich ist. Damit sei ein Fortbil-dungsbedarf
hinreichend begründet. Durch die Eingliederung der Gynäkologen in den all-gemeinen Dienst und die damit verbundene
Einstellung des Facharztdienstes sei ein deutli-cher Qualitätsverlust in der Patientinnenbetreuung zu verzeichnen. Die
Unterzeichner sa-hen sich deshalb nicht in der Lage, ab 01.01.2004 am allgemeinen Dienst teilzunehmen.
Mit Bescheid vom 10.12.2003 wurde gegenüber der Klägerin die Integration in den allge-meinärztlichen
Bereitschaftsdienstbereich M. ab 01.04.2004 bei gleichzeitiger Befreiung vom gynäkologischen Bereitschaftsdienst
verfügt. Die Beklagte verwies dabei auf ihren Sicherstellungsauftrag gemäß § 75 SGB V und die Kassenärztliche
Bereitschaftsdienstord-nung. Nach § 3 Abs. 2 und 3 der Bereitschaftsdienstordnung (BDO) müsse Größe und Fläche
des zu versorgenden Territoriums so ausgerichtet sein, dass für die Bevölkerung eine ausreichende Versorgung
sichergestellt wird. Die Klägerin sei als Fachärztin für Frau-enheilkunde und Geburtshilfe mit Praxissitz in M.
vertragsärztlich tätig und damit grund-sätzlich verpflichtet, am allgemeinen Bereitschaftsdienst teilzunehmen (§ 3
Abs. 5 BDO). Nach § 9 BDO könne die Beklagte "nach den gegebenen Bedürfnissen und Möglichkeiten sowie nach
den örtlichen Verhältnissen" fachärztliche Bereitschaftsdienste einrichten. Da-bei sei zu berücksichtigen, "dass die
Organisation des allgemeinärztlichen Bereitschafts-dienstes nicht in unzumutbarer Weise beeinflusst" werde. Die
allgemeinärztliche Bereit-schaftsgruppe M. habe den Antrag gestellt, die Ärzte der Facharztdienstgruppen Gynäko-
logie und HNO-Heilkunde wieder in den allgemeinärztlichen Dienst zu integrieren. Dies wurde damit begründet, dass
das Territorium des Bereitschaftsdienstbereiches M. zusätz-lich um die Stadt W. einschließlich des Ortsteils G. sowie
der Ortsteile S. und der Gemein-de Gr. erweitert wurde. Die Beklagte stellte die Entwicklung der
Bereitschaftsdienstgruppe dar und führte aus, dass nach der Rechtsauffassung des Sozialgerichts Dresden die Zuord-
nung von Ärzten aus benachbarten Dienstbereichen grundsätzlich sachgerecht sei. Ein kompletter Wochendienst,
einschließlich Wochenende, pro Arzt und pro Quartal sei allen betroffenen Ärzten danach zumutbar.
In ihrem Widerspruch hiergegen vom 02.01.2004 führte die Klägerin aus, sie sehe sich außer Stande, zum gesetzten
Termin 01.04.2004 die notwendigen, organisatorischen, mate-riellen und fachlichen Voraussetzungen für eine
Teilnahme am allgemeinen Bereitschafts-dienst zu schaffen. Ergänzend gab sie mit Schreiben vom 24.01.2004 an,
dass sich aus § 73 Abs. 1 a SGB V ergebe, dass nur die darin aufgeführten Ärzte an der hausärztlichen Ver-sorgung
teilnehmen dürfen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläge-rin zurück und ordnete
gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung des an-gefochtenen Bescheides vom 10.12.2003 an. Zur
Begründung führte die Beklagte noch-mals die Gründe auf, aus denen die Aufteilung des Bereitschaftsdienstbereichs
W. erfor-derlich war. Den Argumenten der Klägerin sei insoweit gefolgt worden, als ihre Integration nicht, wie
ursprünglich beantragt zum 01.01.2004, sondern erst zum 01.04.2004 erfolgen werde. Der Klägerin stehen damit vom
Zeitpunkt der Ankündigung des Vorhabens bis zur Umsetzung fast fünf Monate zur Verfügung, um die von ihr
dargelegten organisatorischen, materiellen und fachlichen Voraussetzungen für die Teilnahme am allgemeinen Bereit-
schaftsdienst zu realisieren.
Gegen den Bescheid vom 10.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2004 wandte sich die
Klägerin zunächst mit ihrem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (Aktenzeichen S 11 KA 255/04
ER). Der Antrag wurde durch Beschluss vom 16.04.2004 abgewiesen. Die Beschwerde wurde durch Beschluss vom
24.10.2004 (Aktenzeichen L 1 B 108/04 KA- ER) zurückgewiesen.
Die Klägerin hält die am 15.03.2004 eingegangene Klage aufrecht und beantragt sinnge-mäß die Zulassung der
Sprungrevision. Sie ist der Auffassung, die angegriffenen Beschei-de verstießen gegen die Bestimmung des § 73
Abs. 1 a SGB V. Hieraus ergebe sich zwin-gend, dass die Klägerin in die fachärztliche Versorgung zu integrieren sei.
Ausnahmen daraus ergeben sich nicht, auch nicht aus § 75 SGB V. Ein Mangel an Allgemeinärzten in ihrem
Bereitschaftsdienstbezirk liege nicht vor, da dort 19 vergleichbare Vertragsärzte vorhanden seien. Selbst bei
Bestehen eines Mangels, würde ein solcher Notstand der Be-klagten keine zusätzlichen Kompetenzen verleihen. Aus
§ 73 Abs. 1 a SGB V ergebe sich, dass Fachärzte nicht zu allgemeinärztlichen Diensten herangezogen werden
dürften, denn andernfalls hätte der Gesetzgeber weiterhin eine einheitliche ärztliche Versorgung beibe-halten können.
Die von der Beklagten als Satzung erlassene Bereitschaftsdienstordnung verstoße gegen § 73 Abs. 1 a SGB V. Rein
vorsorglich lies die Klägerin vortragen, sie sei seit 1988 als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe tätig. Sie
habe seit dieser Zeit regelmäßig an Weiterbildungen, spezifisch für Gynäkologen, aber nicht für Ärzte der All-
gemeinmedizin, teilgenommen. Um den allgemeinärztlichen Bereitschaftsdienst zweckmä-ßig im Interesse der
Versicherten erfüllen zu können, müsse die Klägerin sich entspre-chend auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin
weiterbilden, sich mit den technischen Vor-aussetzungen und Möglichkeiten nach dem heutigen Stand vertraut
machen und sich au-ßerdem noch kostspielige Gerätschaften anschaffen. Dies sei innerhalb weniger Monate nicht zu
bewältigen.
Die Klägerin beantragt: Der Bescheid der Beklagten vom 10.12.2003 in der Fassung des Widerspruchsbe-scheides
vom 01.03.2004 wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf ihre Ausführungen in dem einstweiligen Rechts-schutzverfahren S 11 KA 255/04
ER. Danach treffe die Verpflichtung zur Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst sowohl Hausärzte als
auch Fachärzte. Nach der von der Beklagten im Rahmen ihres autonomen Satzungsrechts erlassenen
Bereitschaftsdienst-ordnung müssten die Belange des fachärztlichen Bereitschaftsdienstes hinter denen des
allgemeinen Bereitschaftsdienstes zurücktreten. Der fachärztliche Bereitschaftsdienst sei nur ein zusätzliches,
begrüßenswertes, Angebot, das in dünnbesiedelten Gebieten nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Dann seien
auch die Fachärzte zum allgemeinen Be-reitschaftsdienst heranzuziehen. Falls die Fachkenntnisse der Klägerin so
mangelhaft seien, dass sie sich zur Teilnahme am allgemeinen Bereitschaftsdienst nicht in der Lage sehe, könne sie
diesem Konflikt auch dadurch begegnen, dass sie auf eigene Kosten einen zum allgemeinärztlichen
Bereitschaftsdienst befähigten Vertreter für ihre Dienstzeiten organi-siere. Weiter verwies die Beklagte auf den
Beschluss vom 10.04.2004 in dem Antragsver-fahren S 11 KA 255/04 ER.
Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 07.12.2004 zu der beabsichtigten Entscheidung mittels Gerichtsbescheid
angehört und hatten Gelegenheit hierzu Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf eine Verwaltungsakte, die Akte des Antragsverfahrens S
11 KA 255/04 ER sowie die Akte des Gerichtsverfahrens.
Entscheidungsgründe:
Die Vorsitzende kann ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamt-lichen Richter entscheiden,
da die Klage keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und der Sachverhalt ausreichend geklärt ist (§ 105
Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet. Der Bescheid vom 10.12.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 01.03.2004, mit dem die Klägerin zum 01.04.2004 dem allgemeinen
Bereitschaftsdienstbereich M. zugeordnet wird, verletzt sie nicht rechtswidrig in ihren Rechten im Sinne von § 54 Abs.
2 Satz 2 SGG.
Die Ermächtigungsgrundlage für die Errichtung und Durchführung des vertragsärztlichen Notfalldienstes ergibt sich
aus § 75 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V). Der in § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der Fassung
des 2. GKV-NOG vom 23.06.1997) erteilte Auftrag an die Beklagte zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Ver-
sorgung umfasst auch die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in den sprech-stundenfreien Zeiten (=
Notfalldienst). Aus der Pflicht der Vertragsärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ergibt sich auch
die grundsätzliche Pflicht zur Teilnah-me an einem Notfalldienst. Da es sich insofern um eine gemeinsame Aufgabe
aller Ver-tragsärzte handelt, sind auch alle Vertragsärzte zur Mitwirkung heranzuziehen, und zwar in einer alle
gleichmäßig belastenden Weise (BSG, Urt. v. 11.06.1986, Az. 6 RKa 5/85). Die Beklagte kann aufgrund ihres
Auftrags zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung den Notdienst im Rahmen ihrer Satzungsautonomie selbständig
regeln (vgl. BSG, Urt. v. 12.10.1994; Az. 6 RKA 29/93 LSG Bayern, Urt. v. 25.04.2001, Az. L 12 KA 60/00). Vor-
liegend ist die Beklagte ihrem Auftrag durch Bildung der Bereitschaftsdienstordnung (vom 24.11.2001, zuletzt
geändert durch Beschluss vom 11.06.2003, Beilagen zu den KVS-Mitteilungen Heft 12/2001 und Heft 07 bis 08/2003)
nachgekommen. Danach legt die zu-ständige KVS-Bezirksstelle die kassenärztlichen Bereitschaftsdienstgruppen und
kassen-ärztlichen Bereitschaftsdienstbereiche fest (§ 3 Abs. 3 Satz 1 BDO). Dabei sollen die örtli-chen Verhältnisse
und die landschaftlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden, um die ärztliche Hilfe sicherzustellen (§ 3 Abs. 3 Satz
2 BDO). Für den allgemeinen und fachärzt-lichen Bereitschaftsdienst können voneinander abweichende
kassenärztliche Bereitschafts-dienstbereiche festgelegt werden (§ 3 Abs. 3 Satz 3 BDO). Die Zuordnung des
Vertrags-arztes erfolgt zu dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienstbereich, in welchem sich der Praxissitz befindet.
Im Ausnahmefall können die Bezirksstellen aus Gründen der Sicher-stellung hiervon abweichende Regelungen treffen
(§ 3 Abs. 5 Satz 1 und 2 BDO).
Bei der Erstellung der Bereitschaftsdienstgruppen und Bereitschaftsdienstbereiche steht der Kassenärztlichen
Vereinigung ein Ermessensspielraum zu, der gerichtlich nur einge-schränkt überprüft werden kann. Wie der Wortlaut
des § 3 BDO zeigt, handelt es sich bei der Entscheidung über die Bereitschaftsdienstbereiche um eine
Ermessensentscheidung. Die Beklagte war daher verpflichtet, bei der Neuordnung der Bereitschaftsdienste, Ermes-
sen auszuüben. Bei der Ermessensentscheidung hat sich die Verwaltung am Normzweck zu orientieren und die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens zu beachten (§ 39 Abs. 2 SGB I, § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die Beklagte ist
dabei an die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze, wie das Willkürverbot und den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der aus Art. 3 GG (dem allgemeinen Gleichheitssatz) folgt, gebunden (BVerfGE 18,
253, 263; 48, 210, 216; 49, 168, 184). Dabei ist Art. 3 Abs. 1 GG erst dann verletzt, wenn das Verwaltungs-handeln
unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt mehr vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass es auf
sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht. Dies liegt hier nicht vor. Die Beklagte hat sich bei der
Aufteilung des Bereitschaftsdienstbereichs W. und der An-gliederung an die umliegenden Gruppen von sachgerechten
Überlegungen leiten lassen. Nach den Darlegungen der Beklagten, die durch das Gericht nicht angezweifelt werden,
waren im Bereitschaftsdienstbereich W. bis Mitte des Jahres 2003 sechs Vertragsärzte und eine Ärztin nach § 1 Abs.
2 BDO im Bereitschaftsdienst eingruppiert. Zum 30.06.2003 haben zwei Ärzte einer Gemeinschaftspraxis die
vertragsärztliche Tätigkeit altershalber ohne Praxisnachfolger beendet. Zum 31.12.2003 ging eine weitere
Vertragsärztin in den Ruhestand, für die ebenfalls kein Nachfolger gefunden werden konnte, sodass für den
Dienstbereich W. nur noch drei Vertragsärztinnen für die Sicherstellung der Versorgung im Bereitschaftsdienst zur
Verfügung standen. Die Beibehaltung dieser geringen Teilneh-merzahl hätte auch nach Auffassung des Gerichts zu
einer unverhältnismäßig hohen Belas-tung dieser Ärzte geführt. Diesem drohenden Ungleichgewicht bei der
Dienstbelastung musste durch geeignete Maßnahmen seitens der Beklagten entgegengesteuert werden, um wieder
eine annähernd ausgewogene Dienstbelastung herzustellen. Die getroffene Maßnahme der Aufteilung des Bereiches
W. und die Auflösung des fach-ärztlichen Bereitschaftsdienstes stellt sich nicht als willkürlich dar. Dabei hatte das
Gericht nicht zu prüfen, ob die Beklagte die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gewählt hat.
Unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Beklagten, den Bereitschafts-dienst so zu organisieren, dass durch ihn
alle dafür in Betracht kommenden Ärzte mög-lichst gleichmäßig belastet werden, stellt sich diese Maßnahme als
hinreichend sachgerecht dar. Die Beklagte hatte dabei auch zu beachten, dass der einzelne Arzt einen Anspruch
darauf hat, dass er, soweit die Umstände dies erlauben, nicht in stärkerer Weise als andere Ärzte in gleicher Lage
zum Bereitschaftsdienst herangezogen wird. Diesem Anliegen wur-de in sachgerechter Weise Rechnung getragen. Die
Auflösung des fachärztlich-gynäkologischen Bereitschaftsdienstes im Landkreis M. E. und die Zuordnung zum allge-
meinen Bereitschaftsdienst führt für den neuen Dienstbereich zu einer Reduzierung der Dienstfrequenz. Sachliche
Gründe liegen somit vor. Die Auflösung des fachärztlich-gynäkologischen Bereitschaftsdienstes verstößt auch nicht
gegen Art. 12 GG. Es handelt sich lediglich um einen Eingriff in die Berufsausübungsfrei-heit nach Art. 12 Abs. 1 GG.
Zur Legitimation von Berufsausübungsregelungen bedarf es je nach Gewicht des Eingriffs unterschiedlich gewichtiger
rechtfertigender Gründe. Die Gerichte können hinsichtlich der Eingriffe in das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit
erst einschreiten, wenn die Regelung bezogen auf das ihr zugrunde liegende Gemeinwohl-ziel schlechthin ungeeignet,
eindeutig nicht erforderlich oder auch bei Anerkennung eines Beurteilungsspielraums unzumutbar ist (vgl. BVerfGE
99, 341, 453). Hier stellt sich die Neuordnung des Bereitschaftsdienstes als Eingriff mit geringer Eingriffsintensität
dar. Es ist der Klägerin nach Auffassung des Gerichts durchaus zuzumuten, sich durch Qualifizie-rungsmaßnahmen
für den allgemeinen Bereitschaftsdienst zu qualifizieren, sofern ihre Kenntnisse tatsächlich hierfür nicht mehr
ausreichen. Die Neuordnung dient auch der Si-cherstellung der gleichmäßigen notfallärztlichen Versorgung der
versicherten Bevölkerung und somit der Gesundheit von Menschen und ist damit einem besonders wichtigen Ge-
meinschaftsgut (vgl. BSG 82, 55, 61; BSG SozR 3-2500 § 72 Nr. 8 S. 22). Damit ist der Eingriff in die
Berufsausübungsfreiheit hinreichend gerechtfertigt.
Nach § 9 BDO "können" nach den gegebenen Bedürfnissen und Möglichkeiten sowie nach örtlichen Verhältnissen
durch die zuständigen KVS-Bezirksstellen fachärztliche Bereit-schaftsdienste eingerichtet werden (Satz 1). Aus dem
Wortlaut ergibt sich auch hier ein Ermessensspielraum der Beklagten, ob und unter welchen Verhältnissen ein
fachärztlicher Bereitschaftsdienst vorgehalten werden muss. Keinesfalls besteht eine Verpflichtung der
Kassenärztlichen Vereinigung, einen fachärztlichen Bereitschaftsdienst vorzuhalten. § 9 der BDO verstößt nach
Auffassung des Gerichts auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen § 73 Abs. 1, 1 a SGB V.
Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus der Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in einen
hausärztlichen und einen fachärztlichen Versorgungsbereich, wie er durch das GSG seit dem 01.01.1993 in § 73 Abs.
1 und 1 a SGB V präzisiert wurde. Aus dem Wortlaut kann nicht abgeleitet werden, dass der allgemeinärztliche
Notfalldienst nur noch von den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzten abgeleistet werden
dürfe, während die an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte gegebenenfalls ausschließlich
fachärztlichen Notfalldienst zu erbringen hätten. Dies folgt bereits daraus, dass vom Vertragsarzt im
Bereitschaftsdienst/Notfalldienst keine optimale, noch nicht einmal eine "normale" ärztliche Versorgung erwartet und
verlangt wird. Er soll sich vielmehr auf qualifizierte Maßnahmen der "Ersten Hilfe" beschränken und die regulä-re
Weiterversorgung den behandelnden Ärzten überlassen. Sinn des allgemeinärztlichen Bereitschaftsdienstes ist es
lediglich, die Zeit bis zum Einsetzen einer normalen Versor-gung zu überbrücken und gegebenenfalls die Einweisung
zur stationären Versorgung zu veranlassen (h.M., vgl. Henke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 75
SGB V, RdNr. 12; LSG Niedersachsen, Urteil vom 25.04.2001, Az: L 3/5 KA 67/99).
Die Klägerin verkennt, dass die Leistungen im Bereitschaftsdienst eine Ausnahme von der regulären Aufteilung in
haus- und fachärztlichen Bereich dargestellt. Nur für die reguläre Versorgung beansprucht die Gliederung in einen
hausärztlichen und einen fachärztlichen Versorgungsbereich nach § 73 Abs. 1 SGB V Geltung. Hätte der Gesetzgeber
tatsächlich die Trennung in einen hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereich auch für den Notfalldienst
regeln wollen, so hätte es nahe gelegen, auch den Notdienst in den Katalog der hausärztlichen Versorgung in § 73
Abs. 1 Satz 2 SGB V aufzunehmen. Ferner hätte es nahe gelegen, § 75 SGB V entsprechend zu modifizieren. Da der
Gesetzgeber trotz Kennt-nis der seit Jahren zur Teilnahme am Notdienst bekannten Rechtsprechung der Sozialge-
richte hier nicht tätig geworden ist, ist auch weiterhin davon auszugehen, dass es dem ge-setzgeberischen Willen
nicht widerspricht, einen Teilnehmer an der fachärztlichen Versor-gung dem allgemeinärztlichen
Bereitschaftsdienstbereich zuzuordnen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung in § 2 Abs. 3 Ziff. 1 , 4. Spiegel-strich des Vertrages über die
hausärztliche Versorgung (Anlage 5 zum BMV-Ä bzw. zum EKV-Ä). Daraus ergibt sich lediglich, dass die an der
hausärztlichen Versorgung teilneh-menden Ärzte verpflichtet sind, über die "allgemeinen hausärztlichen
Versorgungsaufga-ben" (Absatz 2) hinaus noch weitere "besondere hausärztliche Versorgungsfunktionen" zu erfüllen
haben. Zu diesen besonderen Versorgungsfunktionen gehört im Rahmen der Pati-entenbetreuung auch "die
Notfallversorgung, einschließlich der Einbindung in den organi-sierten ärztlichen Notfalldienst". Hieraus kann allerdings
nicht abgeleitet werden, dass der Notfalldienst von den Vertragspartnern der Bundesmantelverträge nunmehr
ausschließlich den Hausärzten zugewiesen wurde. Vielmehr bringt die Formulierung zum Ausdruck, dass der
Hausarzt neben den spezifisch hausärztlichen Versorgungsaufgaben, wie sie in § 73 Abs. 1 Satz 2 SGB V und in § 2
Abs. 2 des Hausarztvertrages beschrieben sind, selbstver-ständlich bei der Patientenbetreuung die ihm wie allen
anderen Vertragsärzten obliegenden Verpflichtungen weiterhin erfüllen muss. Dazu gehören insbesondere auch die
Verpflich-tungen aus der Teilnahme an einem Notfalldienst (§ 75 SGB V). Es ist - soweit ersichtlich - bislang noch
niemand ernsthaft auf die Idee gekommen, dass wegen der Bestimmung in § 2 Abs. 3 des Hausarztvertrags es jedem
an der fachärztlichen Versorgungsform teilneh-menden Vertragsarzt untersagt wäre, etwa "Patienten ärztlich zu
betreuen” oder gar "die notwendigen Behandlungsdaten aus der eigenen Untersuchung oder Behandlung des Ver-
sicherten zu dokumentieren” (vgl. Klückmann in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB V, § 73 Rz. 15). Gerade die
Erwähnung der Notfallversorgung und des organisierten ärztli-chen Notfalldienstes bei den "besonderen hausärztlichen
Versorgungsfunktionen” belegt daher, dass auch unter der Geltung des Hausarztvertrags die Notfallversorgung nicht
nur von den Hausärzten, sondern von allen Vertragsärzten sicherzustellen ist.
Der weitere Vortrag der Klägerin, der die Umorganisation im Bereitschaftsdienst auslö-sende Mangel an
Allgemeinärzten in ihrem Bereitschaftsdienstbezirk liege überhaupt nicht vor, da dort 19 vergleichbare Vertragsärzte
vorhanden seien, ist ersichtlich unzutreffend. Die Klägerin hat hierbei insgesamt acht an der fachärztlichen
Versorgung teilnehmende Vertragsärzte mitgezählt (ein Gynäkologe, ein Urologe, ein HNO-Arzt, ein fachärztlicher
Internist, ein Neurologe/Psychiater, ein Chirurg, zwei Orthopäden). Ohne diese Fachärzte verblieben nur 11
hausärztlich tätige Kollegen zur Versorgung des - um Teile des ehemali-gen Bereitschaftsdienstbereiches W.
vergrößerten - Territoriums im erweiterten Dienstbe-reich M ... Mit dieser Anzahl von 11 hausärztlich tätigen Kollegen
kann das legitime Ziel der Beklagten, jedem Vertragsarzt zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung höchs-tens
eine ganze Woche Bereitschaftsdienst je Quartal zuzumuten, nicht erreicht werden. Hierzu sind bei einem regelmäßig
13 Wochen umfassenden Quartal nicht nur 12, sondern rechnerisch mindestens 13 Ärzte je Dienstgruppe nötig. Wenn
gerade deshalb die Einstel-lung des fachärztlichen Bereitschaftsdienstes und die Integration der Fachärzte in den all-
gemeinen - dann auch die Notfälle aus den Bereichen Gynäkologie und HNO umfassenden - Bereitschaftsdienst von
der Beklagten verfügt wurde, so ist dies auch dann nicht zu bean-standen, wenn in dem sowohl territorial als auch
fachlich vergrößerten Versorgungsgebiet anschließend im Ergebnis sogar 20 Haus- und Fachärzte sich die
Bereitschaftsdienste auf-teilen können. Hingegen bleibt unklar, mit welcher Berechtigung die Klägerin zur Sicher-
stellung des allgemeinen Bereitschaftsdienstes zwar auf andere Fachärzte verweist, sich selbst aber davon
ausgenommen wissen will.
Danach war, wie festgestellt, zu entscheiden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §
154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt auf Grundlage von § 25 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1
und 2 GKG (a. F.). Hinreichende Anhaltspunkte für die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin sind
nicht erkennbar, insbesondere ist der als Streitwert angegebene Betrag von 20.000,00 EUR nicht nachvollziehbar.
Daher war vom Regelstreitwert (4.000,00 EUR) auszugehen. Die Revision war nicht zuzulassen, da die
Voraussetzungen des § 161 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.