Urteil des SozG Dresden vom 11.02.2010

SozG Dresden: vorläufiger rechtsschutz, ärztliche behandlung, fristlose kündigung, private krankenkasse, private krankenversicherung, niedersachsen, zuschuss, erlass, selbstbehalt, vag

Sozialgericht Dresden
Beschluss vom 11.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 21 AS 438/10 ER
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten für das Antragsverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes darüber, ob die Antragsgegnerin dem
Antragsteller im Zeitraum vom 28.01.2010 bis 30.06.2010 höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch des
Sozialgesetzbuches (SGB II) zu gewähren hat, insbesondere darüber, ob die tatsächlichen Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung des Antragstellers von der Antragsgegnerin zu zahlen sind.
Der 1966 geborene Antragsteller ist als Selbstständiger im Bereich Büroservice/Lohnbuchführung tätig. Er ist seit
mehreren Jahren privat krankenversichert. Am 18.12.2008 stellte der Antragsteller bei der AOK PLUS einen Antrag
auf Befreiung von der Krankenversicherungspflicht. Mit Bescheid vom 23.12.2008 wurde der Antragsteller im Sinne
von § 8 Abs. 1 Nr. 1 a SGB V durch die AOK PLUS von der Krankenversicherungspflicht befreit. Ab 01.01.2009
bezog der Antragsteller Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 03.02.2009 gewährte die Antragsgegnerin
dem Antragsteller einen monatlichen Zuschuss nach § 26 SGB II zur Krankenversicherung in Höhe von 260,59 EUR
und zur Pflegeversicherung in Höhe von 27,75 EUR für den Zeitraum Januar bis Juni 2009. Für den Zeitraum Juli bis
Dezember 2009 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 18.6.2009 einen monatlichen
Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 129,54 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,79 EUR
Ab Januar 2010 hat der Antragsteller einen monatlichen Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 290,08 EUR und
einen monatlichen Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von 27,58 EUR im wohl halbierten Basistarif zu zahlen.
Mit Bescheid vom 04.01.2010 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen monatlichen Zuschuss zur
Krankenversicherung in Höhe von 129,54 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,79 EUR für den Zeitraum
Januar bis Juni 2010. Gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04.01.2010 hat der Antragsteller mit
Widerspruchsschreiben vom 15.01.2010 Widerspruch eingelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2010 hat die
Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers als unbegründet zurückgewiesen.
Der Antragsteller ist derzeit wegen einer depressiven Symptomatik sowie eines starken Tremors in fachärztlicher
Behandlung.
Er verfügt über kein Vermögen. Sein Girokonto hat zum 10.01.2010 einen Negativsaldo in Höhe von 3.748,20 EUR
ausgewiesen. Im Weiteren hat die das Girokonto führende Bank mit Schreiben vom 29.12.2009 dem Antragsteller
auferlegt, seinen Dispositionskredit in Höhe von 3.000,00 EUR, beginnend ab 18.03.2010, monatlich um jeweils 75,00
EUR zu reduzieren.
Am 28.01.2010 hat der Antragsteller beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung beantragt,
mit der die Antragsgegnerin einstweilen verpflichtet werden soll, ihm weitere Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 170,33 EUR zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 09.02.2010 hat der
Antragsteller darüber hinaus beantragt, ihm einen Selbstbehalt bzgl. Krankheits- und Behandlungskosten, der sich auf
jährlich 1.100,00 EUR beläuft, zu gewähren.
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass § 26 Abs. 2 SGB II verfassungswidrig sei, weil durch § 26 Abs. 2 SGB II der
Zuschuss im Hinblick auf die private Krankenversicherung des Antragstellers auf den Beitrag begrenzt wird, der bei
der gesetzlichen Krankenversicherung anfällt. Aus Artikel 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip
des Artikels 20 Abs. 1 Grundgesetz bestehe ein Anspruch auf Gewährung des Existenzminimums. Da dieses durch
die Regelungen in § 26 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 12 Abs. 1 c Satz 5 und 6 Versicherungsaufsichtsgesetz
(VAG) nicht gewährleistet sei, wären die entsprechenden Regelungen verfassungswidrig. Da der Antragsteller derzeit
über kein Einkommen und auch kein Vermögen verfüge, müsse die Antragsgegnerin den offenen Betrag in Höhe von
170,33 EUR zahlen. Dass ein derartiger Anspruch sich aus Artikel 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1
Grundgesetz ergebe, habe nunmehr auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 09.02.2010
entschieden. Insoweit handele es sich um einen unabweisbaren, laufenden und nicht nur einmaligen Bedarf des
Antragstellers. Gleiches gelte für den Selbstbehalt von jährlich 1.100,00 EUR.
Der Antragsteller beantragt daher,
unter Aufhebung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 04.01.2010 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, ihm einen weiteren Betrag zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich
170,33 EUR zu zahlen,
und
rein hilfsweise und höchst vorsorglich die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm
den Selbstbehalt im Hinblick auf die Krankheits- und Behandlungskosten von jährlich 1.100,00 EUR zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin meint, dass sie lediglich verpflichtet ist, dem Antragsteller den Betrag zu gewähren, der auch für
einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen wäre. Insoweit
weist sie auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 26 SGB II und § 12 Abs. 1 c VAG hin. Zudem ruhe das private
Versicherungsverhältnis nicht. Das private Krankenversicherungsunternehmen sei zur Bereitstellung des
uneingeschränkten Versicherungsschutzes gemäß § 193 Abs. 6 Satz 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
verpflichtet. Auch habe der Gesetzgeber das entsprechende Problem erkannt und man hätte seitens der Regierung
auf die benannte Regelung im VVG verwiesen.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin unter dem Az. 07402 BG 0093250 zum Gegenstand des
Verfahrens gemacht. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte einschließlich der
gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen.
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung, da er vorläufig die Regelung eines von
der Antragsgegnerin bisher bestrittenen Rechtsverhältnisses beansprucht (vergleiche Sächsisches
Landessozialgericht, Beschluss des 2. Senates vom 17.09.2007, Az.: L 2 B 291/07 AS-ER). Eine solche einstweilige
Regelungsanordnung kann das Gericht nur dann erlassen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig
erscheint, § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Anordnungsanspruch, also die
Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist, sowie der Anordnungsgrund, die
Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung, sind glaubhaft zu machen, § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in
Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
1.
Der Antrag auf einstweilige Regelungsanordnung war abzulehnen, da bereits kein Anordnungsgrund sowohl
hinsichtlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (a.) als auch hinsichtlich des Selbstbehaltes bzgl. der
Krankheits- und Behandlungskosten in Höhe von 1.100,00 EUR vorliegt (b.).
a.) Zum einen hat der Antragsteller die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bisher immer bezahlt. Daher
steht ihm vollständiger Versicherungsschutz durch die private Krankenkasse zu. Selbst wenn jedoch der Antragsteller
in Zukunft diese Beiträge nicht mehr begleichen sollte, so wäre die Krankenkasse zunächst auf das Verfahren nach §
193 Abs. 6 VVG verwiesen, bevor der Versicherungsschutz entfällt. Demnach käme ein Ruhen der
Krankenversicherung überhaupt erst in Betracht, wenn der Antragsteller mit Prämienanteilen für zwei Monate im
Rückstand ist, § 193 Abs. 6 Satz 1 VVG. Erst dann kann die Krankenversicherung das Verfahren betreiben, um die
Versicherung ruhend zu stellen. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall, da der Antragsteller bisher die Beiträge
gezahlt hat.
Zum anderen steht dem Antragsteller aber auch nach Abschluss eines etwaigen Ruhendstellungsverfahrens durch
das private Krankenversicherungsunternehmen kein Anordnungsgrund zur Seite. Insoweit regelt § 193 Abs. 6 Satz 5
VVG, dass das Ruhen der Leistungen endet, wenn der Antragsteller hilfebedürftig im Sinne des Zweiten Buches des
Sozialgesetzbuches wird. Dies wäre vorliegend der Fall. Dem privaten Krankenversicherungsunternehmen, das eine
Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt, ist nämlich gemäß § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG die Kündigung der
Krankenversicherung versagt. Das gilt auch für den Fall des Zahlungsverzuges im Sinne von § 193 Abs. 6 VVG
(vergleiche LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, Az.: L 15 AS 1048/09 B ER). Das private
Krankenversicherungsunternehmen ist daher verpflichtet, auch ohne Beitragszahlung durch den Antragsteller weiterhin
sämtliche Krankenversicherungsleistungen im vollen Umfang zu erbringen.
Dabei ist auch davon auszugehen, dass sich das private Krankenversicherungsunternehmen an die gesetzlichen
Regelungen hält. Insoweit kann nicht von vornherein vermutet werden, dass dies nicht der Fall ist. Hierfür fehlt
jeglicher Anhaltspunkt. Selbst wenn dem doch so wäre, so kann der Antragsteller im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes vor den Zivilgerichten entsprechende Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren stellen, um so
Abhilfe zu schaffen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Zivilrechtsweg kostenpflichtig ist. Hier greifen wie im
sozialgerichtlichen Verfahren die Regelungen über Prozesskostenhilfe ein, die ja gerade für derartige Fälle vorgesehen
sind. Gemäß § 14 Nr. 1 Gerichtskostengesetz ist auch kein Gerichtskostenvorschuss zu zahlen. Der Antragsteller hat
auch im hiesigen Verfahren einen Prozessbevollmächtigten bestellt und Prozesskostenhilfe beantragt. Warum er
hierzu vor den Zivilgerichten nicht in der Lage sein sollte, ist nicht ersichtlich (ebenso: SG Dresden, Beschluss vom
04.02.2010, Az.: S 6 AS 108/10 ER; a.A. SG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.10.2009, Az.: S 31 AS 174/09 ER,
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2009, Az.: L 2 SO 2529/09 ER-B).
Weiterhin steht im vorliegenden Fall auch nicht zu befürchten, dass der Antragsteller auf keinerlei Leistungen nach
dem SGB II mehr angewiesen ist und somit sämtliche nicht bezahlte Beiträge in Kürze fällig würden. Auf Grund der
aufgelaufenen Beitragsrückstände könnte dann das private Krankenversicherungsunternehmen das Ruhen der
Leistungen feststellen, so dass der Antragsteller nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen behandelt
würde, § 193 Abs. 6 Satz 5 und 6 VVG. Im hier zu beurteilenden Fall ist aber weder ersichtlich noch vorgetragen,
dass der Antragsteller in Kürze keine Leistungen nach dem SGB II mehr beanspruchen wird. Allein die abstrakte
Möglichkeit, dass der Antragsteller aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II herausfallen könnte, rechtfertigt nicht,
bereits jetzt einen Anordnungsgrund anzunehmen (so aber wohl LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Die bloße
Möglichkeit einer solchen Situation begründet keine aktuelle Notlage des Antragstellers. Soweit aber wesentliche
Nachteile nicht abgewendet werden müssen, besteht auch kein Anordnungsgrund.
Auch besteht ein Anordnungsgrund nicht nur deshalb, weil der Antragsteller bei Nichtzahlung der Beiträge gegenüber
dem privaten Krankenversicherungsunternehmen Schulden anhäuft. Maßgeblich im Rahmen der Eilbedürftigkeit kann
nämlich nur die Frage sein, ob dem Antragsteller seine grundgesetzlich geschützte Rechtsposition auf Gewährung
des Existenzminimums jedenfalls gewährleistet ist. Dies ist auf Grund der Regelung in § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG zu
bejahen (vergleiche SG Dresden, Beschluss vom 18.09.2009, Az.: S 29 AS 4051/09 ER, SG Dresden, Beschluss
vom 12.01.2010, Az.: S 38 AS 6362/09 ER, im Ergebnis ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
12.10.2009, Az.: L 7 B 197/09 AS; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2009, Az.: L 2 SO 2529/09
ER-B, SG Stuttgart, Beschluss vom 02.11.2009, Az.: S 21 SO 6268/09 ER). Allein das Vorhandensein von Schulden
bzw. die Gefahr von Schulden rechtfertigt noch nicht deren zwingende vorläufige Übernahme. Dies ergibt sich auch
aus der Regelungssystematik und dem Sinn und Zweck des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches. So werden
etwa Mietschulden gemäß § 22 Abs. 5 SGB II erst dann übernommen, wenn eine fristlose Kündigung oder eine
Räumung im Raum steht, also das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ist, da der Wohnungsverlust droht. Hier
ist das Existenzminimum aber gerade gewährleistet, da der Antragsteller auch weiterhin, wie oben beschrieben, vollen
Krankenversicherungsschutz genießt.
Auch stellt die Verlagerung der Kosten der Existenzsicherung auf Dritte – nämlich auf das
Krankenversicherungsunternehmen – keine Rechtfertigung für die Annahme eines Anordnungsgrundes dar (so aber
wohl LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O.). Denn mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen
Krankenversicherung vom 26.03.2007 hat der Gesetzgeber de facto ab 01.01.2009 für alle Einwohner die
Versicherungspflicht und den Basistarif auch in der privaten Krankenversicherung eingeführt. Dem Gesetzgeber war
hierbei bewusst, dass nicht nur die privatautonome Gestaltung von Versicherungsverträgen bei privaten
Krankenversicherern erheblich eingeschränkt wird, sondern auch der Basistarif nicht in jedem Fall kostendeckend sein
kann. Das hat zur Folge, dass nunmehr auch im privaten Krankenversicherungsrecht andere Beitragszahler für den
Einzelnen auf Grund der Einzahlung ihrer Beiträge gegebenenfalls mithaften. Das finanzielle Ausfallrisiko trägt
demnach das private Krankenversicherungsunternehmen und deren Versicherte. Das Bundesverfassungsgericht stellt
in seiner Entscheidung vom 10.06.2009 (Az.: 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR
837/08) klar, dass die Verlagerung nicht gedeckter Kosten aus dem Basistarif auf die Normaltarife aller
Versicherungsnehmer auf Grund beachtlicher Gemeinwohlinteressen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
Das Bundesverfassungsgericht führt weiter aus, dass auf Grund der gleichmäßigen Umverteilung der nicht gedeckten
Kosten auf alle Unternehmen und deren anschließende Umlage auf den Kreis der Versicherten der Normaltarife sowie
die teilweise Kostenübernahme durch öffentliche Träger – hier der Antragsgegnerin – verfassensrechtlich nicht zu
beanstanden ist (vergleiche hierzu auch SG Hildesheim, Beschluss vom 23.07.2009, Az.: S 43 AS 730/09 ER). Ein
Verfassungsrechtsverstoß liegt daher gegenüber den privaten Krankenversicherungsunternehmen nicht offensichtlich
auf der Hand (a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Daher ist zumindest im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
die bestehende Gesetzeslage im Hinblick auf § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG anzuwenden.
Außerdem droht dem Antragsteller nicht, von der ärztlichen Behandlung ausgeschlossen zu sein, da er als
Privatversicherter zunächst die ärztliche Behandlung selbst bezahlen muss und auf dem Weg der Kostenerstattung
angewiesen ist (vergleiche LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2009, Az.: L 2 SO 2529/09 ER-B; ihm
folgend SG Bremen, Beschluss vom 21.12.2009, Az.: S 23 AS 2415/09 ER). Da der Antragsteller im Basistarif
versichert ist, kann der behandelnde Arzt seinen Anspruch direkt gegenüber der privaten Krankenversicherung gemäß
§§ 192 Abs. 7, 193 Abs. 6 Satz 5 VVG geltend machen (so zutreffend LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O.). Insoweit
ist das private Krankenversicherungsunternehmen auch nicht berechtigt, gegenüber diesem Anspruch des Arztes mit
fälligen Beitragsforderungen des Antragstellers aufzurechnen.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09)
vermag auch keine Eilbedürftigkeit zu begründen. Das Bundesverfassungsgericht hat bis zu einer Neuregelung der
Regelleistungen dem Einzelnen einen Anspruch bei einem unabweisbaren, laufenden und nicht nur einmaligen Bedarf
aus Artikel 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz gewährt. Hierbei handelt es sich aber
lediglich um die Frage eines ggf. vorliegenden Anordnungsanspruchs. Die Frage des Anordnungsgrundes wird dadurch
nicht berührt.
Schließlich führt auch die Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz nicht zu
einem Anordnungsgrund (so aber LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O., unter Verweis auf die Beschlüsse des
Bundesverfassungsgerichts vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, und vom 25.02.2009, Az.: 1 BvR 120/09). Das
Bundesverfassungsgericht legt im Beschluss vom 25.02.2009 dar, dass in Vornahmesachen vorläufiger Rechtsschutz
zu gewähren ist, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, die durch
die nachträgliche Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten. Wie bereits ausgeführt,
entsteht dem Antragsteller bereits kein Nachteil im Hinblick auf den Krankenversicherungsschutz, da er gemäß § 193
Abs. 6 Satz 5 VVG weiterhin in vollem Umfang krankenversichert ist. Auch entstehen dem Antragsteller keine nicht
mehr zu beseitigenden weiteren Nachteile. Die anfallenden Beitragsrückstände können bei einer Verurteilung der
Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren durch den Antragsteller getilgt werden. Auch etwaige entstehende Kosten
und Säumniszuschläge, vergleiche § 193 Abs. 6 Satz 8 VVG, werden dann von der Antragsgegnerin zu erstatten
sein. Damit können alle Nachteile später durch das Hauptsacheverfahren voll beseitigt werden.
Die rechtliche Einordnung der Deckungslücke der Pflegeversicherungsbeiträge kann vorliegend dahinstehen, da diese
mit unter 10,00 EUR im Bagatellbereich liegt und somit ein Anordnungsgrund ebenfalls nicht gegeben ist.
b.) Dem "Hilfsantrag", der in der Sache einen zweiten Antrag darstellt, dürfte bereits das Rechtsschutzbedürfnis
fehlen, da ein entsprechender Antrag noch nicht gegenüber der Antragsgegnerin gestellt wurde und somit dem
Antragsteller noch ein einfacherer Weg zur Gewährung des Selbstbehaltes zur Verfügung steht. Unabhängig hiervon
ist keine Eilbedürftigkeit gegeben, da der Antragsteller zur Glaubhaftmachung keinerlei Behandlungsverträge o. ä.
vorgelegt hat, aus denen sich eine konkret bevorstehende Behandlung, die vom Selbstbehalt erfasst ist, nebst
entsprechenden Kosten ergibt. Derartiges ergibt sich auch nicht aus der Verwaltungsakte. Insoweit könnte der
Antragsteller auch nicht im Voraus den vollen Betrag in Höhe von 1.100,00 EUR geltend machen, wenn
entsprechende Kosten noch nicht anzufallen drohen. Weiterhin sind bereits angefallene Kosten für sich allein nicht
eilbedürftig, da die Behandlung bereits erbracht wurde und diese daher Schulden darstellen. Die Frage der Erstattung
aber kann im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
2.
Da bereits kein Anordnungsgrund vorliegt, kann die Frage des Anordnungsanspruchs dahinstehen. Ob die Regelungen
in § 26 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 12 Abs. 1 c Satz 5 und 6 VAG gegebenenfalls verfassungswidrig sind
(vergleiche LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O., m.w.N.) oder eine analoge Anwendung stattzufinden hat (so SG
Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2009, Az.: S 5 AS 2121/09) bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.