Urteil des SozG Dortmund vom 26.01.2011

SozG Dortmund: prämie, beitragssatz, unechte rückwirkung, satzung, rentner, alter, zukunft, krankenversicherung, deckung, verordnung

Sozialgericht Dortmund
Urteil vom 26.01.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dortmund S 8 KN 243/09 KR
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger eine monatliche Prämie für den sogenannten Mehrleistungsanspruch zu
zahlen hat.
Der am xxx geborene Kläger ist freiwilliges Mitglied der Beklagten.
Der in § 59 der Satzung der Beklagten geregelte Mehrleistungsanspruch sieht unter bestimmten Voraussetzungen für
den Fall einer stationären Krankenhausbehandlung die Übernahme der Kosten der Unterbringung in einem 2-Bett-
Zimmer einschließlich der Behandlung durch den leitenden Arzt vor. Mit der allgemeinen Öffnung der Beklagten zum
01.04.2007 wurde der Zugang zu diesem Anspruch geschlossen und nach § 173 Abs. 2 a SGB V im Rahmen einer
Besitzstandsregelung ausschließlich den am 31.03.2007 mit Mehrleistungsanspruch versicherten Mitgliedern
vorbehalten. Zu diesem Kreis der weiterhin Anspruchsberechtigten gehört auch der Kläger. Darüber hinaus besteht
auch ein solcher Leistungsanspruch nach § 59 Abs. 3 der Satzung der Beklagten für die Ehefrau des Klägers (sog.
Differenzleistungsanspruch).
Während der Beitragssatz für die Zeit bis zum 31.12.2008 für Versicherte ohne Mehrleistungsanspruch 12,7 % betrug,
galt sowohl für pflicht- als auch für freiwillig Versicherte mit Mehrleistungsanspruch ein Beitragssatz in Höhe von 14,1
%. Für Rentner, die Mitglied der Krankenversicherung der Rentner waren, konnte die Mehrleistung im Wege der
Aufstockungsversicherung beansprucht werden. Hierfür war ein weiterer Beitragssatz in Höhe von 4,5 % zu zahlen.
Aus Anlass der Einführung eines einheitlichen Beitragssatzes für alle Krankenkassen zum 01.01.2009 änderte die
Beklagte ihre Satzung und führte zur Finanzierung ihres Mehrleistungsanspruchs mit Wirkung ab dem 01.01.2009 eine
monatliche Prämie ein. Nach der Neufassung des § 59 Abs. 5 der Satzung ist die Höhe der Prämie bei Mitgliedern,
die noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben, abhängig von der Zugehörigkeit zu der jeweiligen Altersgruppe
nach der Anlage 10 der Satzung. Bei pflicht- und freiwillig versicherten Rentnern, Rentenantragstellern nach § 189
SGB sowie Mitgliedern ab Vollendung des 65. Lebensjahres richtet sich die Prämie nach den in der Anlage 11 der
Satzung festgelegten Einkommensklassen.
Auf diese Neuregelung wies die Beklagte die betroffenen Versicherten, so auch den Kläger, mit Schreiben vom
November 2008 hin. Gegen dieses Schreiben legte der Kläger mit Schreiben vom 03.12.2008 Widerspruch ein. Zur
Begründung führte er aus, dass durch den einheitlichen Beitragssatz von 15,5 %, der in den Gesundheitsfonds zu
zahlen sei, die bisherigen Kassenleistungen weiterhin Bestand hätten und nicht reduziert werden dürften. Die Kosten
der Krankenkassen würden zu 100 % durch den allgemeinen Beitragssatz aus dem Gesundheitsfonds gedeckt,
darunter falle auch der Mehrleistungsanspruch. Er gehe davon aus, dass durch den erhöhten Beitragssatz von 15,5 %
der Mehrleistungsanspruch für ihn und seine Frau weiterhin gewährleistet sei und durch sein erworbenes
Besitzschutzrecht bzw. Vertrauensschutz zusätzlich abgesichert sei. Die zusätzliche Prämie würde einen Beitrag von
20,7 % insgesamt für ihn bedeuten.
Mit Beitragsbescheid vom 28.01.2009 teilte die Beklagte dem Kläger die ab Januar 2009 zu zahlende Prämie von
monatlich 99,61 EUR mit. Die Prämie sei zum 15. des Folgemonats fällig. Auf § 59 Abs. 5 der geänderten Satzung
wurde hingewiesen.
Den hiergegen am 10.02.2009 vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid
vom 20.07.2009 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass sich die Pflicht der Mitglieder mit
Mehrleistungsanspruch zur Entrichtung der monatlichen Prämie aus § 59 Abs. 5 Satz 1 der Satzung ergäbe. Die Höhe
der Prämie richte sich nach Altersgruppen (§ 59 Abs. 5 Satz 2 der Satzung in Verbindung mit Anlage 10) bzw. bei
Rentnern, Rentenantragstellern und ab Vollendung des 65. Lebensjahres nach Einkommensklassen (§ 59 Abs. 5 Satz
3 der Satzung in Verbindung mit der Anlage 11). Das Mehrleistungssystem sei für Neumitglieder unter Beibehaltung
des vorhandenen Bestandes zum 31.03.2007 geschlossen worden. Dies führe zu einem immer kleiner werdenden
Mitgliederbestand mit Mehrleistungsanspruch. Durch die Einführung des allgemeinen Beitragssatzes sei für die
Beklagte die Möglichkeit weggefallen, für den Mehrleistungsanspruch Beitragssätze festzulegen. Daher sei die
Umstellung der Finanzierung erforderlich gewesen. Einen Schutz des Vertrauens darauf, dass das Satzungsrecht für
alle Zukunft unverändert bestehen bleibe, gebe es nach der Rechtsprechung des Bundessozialerichts (BSG, Urteil
vom 28.09.1993, Az.: 1 RK 34/92) nicht. Für Mitglieder mit Mehrleistungsanspruch habe auch vor dem 01.01.2009 ein
höherer Beitragssatz gegolten als für Mitglieder ohne Mehrleistungsanspruch.
Am 19.08.2009 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er unter Wiederholung seines bisherigen
Vorbringens ergänzend vor, dass der Mehrleistungsanspruch Bestandteil des Beitragssatzes von 15,5 % sei, da die
Beklagte aus dem Gesundheitsfonds nach § 266 SGB V in Verbindung mit § 270 Abs. 1 a SGB V die erforderlichen
Geldzuweisungen zur Deckung ihrer Ausgaben und Leistungen erhalte. Darin sei auch der satzungsmäßige
Mehrleistungsanspruch enthalten. Ihm stehe nach Art. 14 Grundgesetz (GG) ein Bestandsschutz und
Vertrauensschutz zu. Weiterhin liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG vor. Die Unterscheidung
zwischen der Altersgruppe bis 64 Jahren und ab 65 Jahren sei nicht rechtmäßig. Dadurch, dass diejenigen in der
Altersgruppe bis 64 Jahren Prämien nach Alter und nicht nach Einkommen bezahlten, sei das Solidarprinzip
aufgehoben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20.07.2009 und des
Bescheids vom 07. Januar 2011 aufzuheben.
Weiter beantragt er,
die Zulassung der Sprungrevision zum Bundessozialericht.
Die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbecheid. Ergänzend weist sie
darauf hin, dass der von der Bundesregierung auf 15,5 % festgelegte allgemeine Beitragssatz für die im 3. Kapitel des
SGB V genannten Leistungen gelte. Hierzu gehöre nicht der Anspruch aus dem Mehrleistungssystem der Beklagten.
Der Mehrleistungsanspruch finde seine Grundlage gerade nicht in den Regelungen des SGB V. Dieser Anspruch gehe
zurück auf die Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen Versicherung (KnVAusbauV vom
19.05.1941). Auf dieser Grundlage sei der Mehrleistungsanspruch für Angestellte und angestellte Rentner, nicht
jedoch für Arbeiter und Arbeiterrentner, als Pflichtversicherung durch satzungsrechtliche Bestimmung eingeführt
worden. Vor diesem Hintergrund könnten die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, die die Beklagte erhalte, nicht
zur Deckung ihrer Aufwendungen im Mehrleistungssystem verwendet werden. Die Prämie sei auch nicht als
Zusatzbeitrag im Sinne von § 242 SGB V zu qualifizieren. Denn dieser Zusatzbeitrag dürfe ebenfalls nur für die im 3.
Kapitel des SGB V genannten Leistungen erhoben werden und nur, wenn der Finanzbedarf durch die Zuweisungen aus
dem Gesundheitsfonds nicht gedeckt sei. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG liege
nach ihrer Auffassung nicht vor. Da gerade bei Rentnern eine altersabhängige Prämie, die sich mit zunehmendem
Alter zwangsläufig erhöhen würde, zu unverhältnismäßigen Mehrbelastungen führen könne, werde anhand der
einkommensabhängigen Prämien sozialen Härten vorgebeugt. Dem Prinzip der solidarischen Finanzierung folgend, sei
die Prämie so festgelegt worden, dass diejenigen Mitglieder, die ein geringes Einkommen hätten, eine deutlich
geringere Prämie zu zahlen hätten als diejenigen Mitglieder, die über ein hohes Einkommen verfügten. Darüber hinaus
sei durch die Neukonzeption der Finanzierung des Mehrleistungsanspruchs eine zuvor vorhandene
Ungleichbehandlung zwischen freiwillig Versicherten und pflichtversicherten Rentnern behoben worden. Würden die
Beiträge für aktive Mitglieder nach deren Einnahmen gemessen, wären auch für diese Versicherten Beitragsbescheide
notwendig. Dies sei aufgrund der getroffenen Regelung der Prämienerhebung nicht notwendig, da der allgemeine
Beitragssatz gemäß SGB IV direkt vom Arbeitgeber abgeführt werde. Würden die Prämien nach den Einnahmen der
aktiven Mitglieder bemessen, müsste für diese auch ständig eine Änderung von deren Einnahmen überwacht werden
und jeweils ein entsprechender neuer Beitragsbescheid ergehen. Dies bedeute einen hohen Verwaltungsaufwand, der
bei der altersabhängigen Prämienbemessung derzeit nicht notwendig sei. Weiter weist sie auf das Urteil des
Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2009, Az.: S 11 KN 14/09 KR, hin.
Mit Bescheid vom 07.01.2011 hat die Beklagte die vom Kläger zu zahlenden Prämien entsprechend der geänderten
Regelung nach § 59 Abs. 5 und 5 a der Satzung in Verbindung mit deren Anlage 11 ab dem 01.01.2011 neu
festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten der
Beklagten, deren Inhalt der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegen hat, Bezug genommen.
Gründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat die Prämien rechtmäßig festgesetzt.
Der Kläger erfüllt auch nach dem 01.04.2007 die Voraussetzungen, unter denen ein knappschaftlich Versicherter
einen Anspruch auf den sog. Mehrleistungsanspruch haben kann. Nach § 173 Abs. 2a SGB V und § 59 Abs. 1 der
Satzung der Beklagten in der seit 01.01.2009 geltenden Fassung gehört der Kläger zu dem Personenkreis, für den der
Gesetzgeber eine Besitzschutzregelung vorgesehen hat. Gegen die der Prämienneuberechnung zugrundeliegenden
Neuregelungen des § 59 Abs.5 der Satzung bestehen nach Auffassung der Kammer keine durchgreifenden Bedenken.
Anhaltspunkte, die gegen das formelle Zustandekommen der Satzungsänderungen oder ihre Vereinbarkeit mit dem
Gesetz oder sonstigem höherrangigen Recht sprechen, waren für die Kammer nicht ersichtlich.
Eine gesonderte Prämienerhebung für den Mehrleistungsanspruch ist erforderlich. Die Ausgaben der Beklagten für den
Mehrleistungsanspruch werden nicht durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfond gedeckt. Nach § 266 SGB V
erhalten die Gesetzlichen Krankenkassen aus dem Gesundheitsfond eine Grundpauschale und alters-, geschlechts-
und risikoadjustierte Zu- und Abschläge, die zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben der Krankenkassen
dienen. Die standardisierten Leistungsausgaben je Versicherten werden auf der Basis der durchschnittlichen
Leistungsausgaben je Versicherten aller Krankenkassen bestimmt, § 266 Abs. 2 S. 2 SGB V. Der
Mehrleistungsanspruch, der einzig bei der Beklagten für die Mitglieder, die von der Besitzschutzregelung profitieren,
gewährt wird, ist von den standardisierten Leistungsausgaben nicht erfasst. Auch von den Zuweisungen für sonstige
Ausgaben nach § 270 SGB V sind die Kosten des Mehrleistungsanspruchs nicht erfasst. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 der
Verordnung über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (Risikostruktur-
Ausgleichsverordnung, RSAV) werden bei der Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben ausdrücklich die
Aufwendungen für Mehrleistungen nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen
Versicherung nicht berücksichtigt. Auch nach § 37 Abs. 4 Nr. 1 RSAV bleiben für die Ermittlung der Zuweisungen zur
Deckung ihrer standardisierten Aufwendungen nach § 266 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2SGB V die Satzungsleistungen auf
Grund von § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen
Krankenversicherung außer Betracht.
Weitere Vorschriften, auf Grundlage derer die Beklagte Zuwendungen zur Finanzierung des Mehrleistungsanspruchs
erhalten würde, sind nicht ersichtlich.
Darüber hinaus wurde der Mehrleistungsanspruch auch vor dem 01.01.2009 nicht durch den allgemeinen Beitragssatz
sondern – bei freiwillig Versicherten wie dem Kläger – durch einen erhöhten Beitragssatz bzw. – in der KVdR – durch
einen gesonderten Beitragssatz finanziert. Aus welchem Grund der Kläger annimmt, der Anspruch würde nunmehr in
Abkehr von dieser gesonderten Finanzierung in der Vergangenheit durch den allgemeinen Beitragssatz gedeckt, ist
nicht nachvollziehbar.
Auch bedeuten die Besitzschutzregelungen für Leistungsberechtigte (§173 Abs. 2a SGB V) nicht, dass die Beklagte
die Prämienhöhe nicht neu berechnen darf. Die Besitzschutzregelung betrifft allein die Aufrechterhaltung des Systems
des Mehrleistungsanspruchs für die am 01.04.2007 bereits dort Versicherten (SG Duisburg Urteil vom 20.11.2009, A.
S 11 KN 14/09 KR).
Die Besitzschutzregelung für am 01.04.2007 Versicherte und die fehlende Möglichkeit der Aufnahme neuer Mitglieder
bedeutet aber zugleich, dass die Anzahl der im System Versicherten durch Austritt und Versterben der Mitglieder
immer geringer wird. Gleichzeitig erhöht sich das Durchschnittsalter der Versicherten mit Anspruch auf den
Mehrleistungsanspruch im Laufe der Jahre immer weiter. Aus den Kostenstatistiken der gesetzlichen
Krankenversicherungen ist erkennbar, dass Versicherte mit zunehmendem Alter häufiger ärztliche Behandlungen in
Anspruch nehmen müssen und sich auch die Notwendigkeit stationärer Behandlungen erhöht. Dies bedeutet, dass mit
fortschreitendem Alter der in diesem System noch Versicherten die Kosten weiter steigen werden.
Die Beweggründe der Beklagten für eine Satzungsänderung sind nachvollziehbar und insbesondere vor dem
Hintergrund der Kostenproblematik zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Systems insgesamt plausibel.
Die Prämienhöhe muss den geänderten Erfordernissen angepasst werden können (so auch SG Duisburg, Urteil vom
05.11.2010, Az. S 31 KN 82/10 KR; Urteil vom 20.11.2009, A. S 11 KN 14/09 KR).
Die Satzungsregelungen verstoßen nicht gegen Verfassungsrecht.
1. Es liegt kein Verstoß gegen Art. 14 GG vor. Das Vermögen als solches ist durch Art. 14 GG nicht gegen die
Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungspflichten geschützt, soweit es dadurch nicht zu einer grundlegenden
Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse kommt (BSG, Urteil vom 10.05.2006, Az. B 12 KR 6/05 R m.w.N.).
Diese Gefahr sieht die Kammer bei der Erhebung der Prämie für den Mehrleistungsanspruch, auf den der Kläger
verzichten könnte oder für den er eine private Zusatzversicherung abschließen könnte, nicht.
2. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Satzungsregelung verstoße gegen Art. 3 GG. Dieser
enthält das Gebot, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfG
Urteil vom 10.12.1985, Az. 2BvL 18/83) und ist insbesondere dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten
im Vergleich zu anderen Normadressaten anders und nachteilig behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen
keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen
könnten (BVerfG Urteil vom 03.04.2001, Az. 1 BvR 1681/94, 1 BvR 2491/94, 1 BvR 24/95). Zwar werden durch die
Satzungsregelung die Prämien für Rentner, Rentenantragsteller und Mitglieder ab Vollendung des 65. Lebensjahres
anders als für erwerbstätige Mitglieder vor Vollendung des 65. Lebensjahrs berechnet. Diese Ungleichbehandlung ist
jedoch gerechtfertigt. Würde auch für Rentner, Rentenantragsteller und ab Vollendung des 65. Lebensjahres die
Prämie altersabhängig berechnet, so würde die Prämie zwangsläufig ab Erreichen eines bestimmten Alters so hoch,
dass sie für die Mitglieder unbezahlbar oder jedenfalls im Vergleich zum versicherten Risiko unverhältnismäßig hoch
würde und faktisch einem Ausschluss aus dem Mehrleistungsanspruch gleich käme. Denn das Risiko der
Inanspruchnahme des Mehrleistungsanspruchs steigt mit zunehmendem Alter so wie auch das allgemeine Risiko von
stationären Krankenhaubehandlungen mit dem Alter steigt. Damit steigen auch die Kosten für den
Mehrleistungsanspruch mit zunehmendem Alter weiter an. Andererseits ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG auch keine
Verpflichtung, auch für erwerbstätige Mitglieder vor Vollendung des 65. Lebensjahres einkommensabhängige Prämien
zu erheben. Die Maßnahme fügt sich vielmehr in die Rechtsentwicklung der letzten Jahrzehnte ein, die von dem
Grundgedanken bestimmt ist, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für Rentner zu
entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Das Bestreben
einer Entlastung der jüngeren Versichertengeneration ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. hierzu BSG
Urteil vom 10.05.2006, Az. B 12 KR 6/05 R). Die Satzungsregelungen der Beklagten sind auch geeignet, das Ziel der
verstärkten Beteiligung der Rentner an der Finanzierung der sie betreffenden Leistungsausgaben zu erreichen. Die
Erhebung der gleichen Prämie für freiwillig Versicherte ab Vollendung des 65. Lebensjahrs ist dann schon aus
Gründen der Gleichbehandlung geboten (vgl. zum Fall der Versorgungsbezüge BSG Urteil vom 10.05.2006 a.a.O.,
zum allgemeinen Beitragssatz LSG NRW Urteil vom 28.02.2008, Az. L 5 KR 168/06). Mit der Satzungsregelung wird
den Rentnern, Rentenantragstellern und freiwillig Versicherten ab dem 65. Lebensjahr auch keine systemwidrige
besondere Last, der keine entsprechenden Leistungen entsprächen, auferlegt. Dies wäre allenfalls zu erörtern, wenn
die Prämieneinnahmen aus dieser Gruppe die Mehrleistungsaufwendungen für diese Gruppe überstiegen. Davon ist
aufgrund der Ausführungen der Beklagten und dem mit dem Alter steigenden Risiko von stationären
Krankenhausbehandlungen nicht auszugehen.
Die Ungleichbehandlung verletzt auch nicht deshalb den allgemeinen Gleichheitssatz, weil die Rentner,
Rentenantragsteller und freiwillig Versicherten ab Vollendung des 65. Lebensjahrs durch Beitragszahlungen während
ihrer Erwerbsphase das bisherige Finanzierungssystem des Mehrleistungsanspruchs finanziell mitgetragen hätten. Im
umlagefinanzierten System der Gesetzlichen Krankenversicherung gibt es keinen Transfer von beitragsrechtlichen
Positionen in die Zukunft (BSG Urteil vom 10.05.2006 a.a.O.).
3. Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem rechtsstaatlichen Grundsatz des
Vertrauensschutzes vor. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers, den Mehrleistungsanspruch ohne zusätzliche
Zahlung zum allgemeinen Beitragssatz zu erhalten, bestand nicht. Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit
wiederholt Änderungen hinsichtlich der Beitragspflicht angeordnet (BSG Urteil vom 10.05.2006, Az. B 12 KR 6/5 R).
Daher ist auch die Beklagte nicht unter Vertrauensschutzgesichtspunkten verpflichtet, den Kläger ohne gesonderte
Prämie mit Mehrleistungsanspruch zu versichern. Ein Vertrauen dahingehend, den Mehrleistungsanspruch ohne
"Mehrpreis" verglichen mit Mitgliedern ohne Mehrleistungsanspruch zu erhalten, konnte der Kläger schon deshalb
nicht haben, weil er bereits bis zum 31.12.2008 einen aufgrund des Mehrleistungsanspruchs erhöhten Beitragssatz
gezahlt hat. Im übrigen war die Beklagte aufgrund der – wie dargestellt – notwendigen Umstellung der Finanzierung
des Mehrleistungsanspruchs berechtigt, im Rahmen ihrer Satzungsautonomie die Prämienhöhe und -berechnung neu
zu gestalten. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass das Satzungsrecht für alle Zukunft unverändert bestehen
bleibt, besteht nicht. Mitglieder müssen damit rechnen, dass der Versicherungsträger von der ihm eingeräumten
Befugnis, Recht zu setzen, ebenso Gebrauch macht wie auch der Gesetzgeber zu Gesetzesänderungen befugt ist.
4. Auch eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Aus
Art. 20 Abs. 1 GG können unmittelbare Ansprüche nur hergeleitet werden, soweit das Existenzminimum nicht mehr
gewährleistet ist (BSG Urteil vom 28.09.1993, Az. 1 RK 34/92 m.w.N.). Das Existenzminimum ist jedoch sowohl
aufgrund der Höhe der streitgegenständlichen Prämie als auch aufgrund der Möglichkeit, auf den nicht
existenzsichernden Mehrleistungsanspruch zu verzichten, nicht annährend betroffen.
5. Schließlich verstößt die Satzungsänderung auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG. Die
streigegenständliche Satzungsänderung enthält zwar eine unechte Rückwirkung, da sie auf ein bestehendes
Versicherungsverhältnis für die Zukunft einwirkt. Eine unechte Rückwirkung ist jedoch nur verfassungswidrig, wenn
die Regelung einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, und wenn sein
Vertrauen billigerweise eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber beanspruchen kann (BSG Urteil vom 28.09.1993
a.a.O m.w.N.). Ein schützenswertes Vertrauen, den Mehrleistungsanspruch zum allgemeinen Beitragssatz zu
erhalten, konnte beim Kläger nicht entstehen. Denn für den Mehrleistngsanspruch musste er auch schon vor der
neuen Satzungsregelung einen höheren als den bei der Beklagten gültigen allgemeinen Beitragssatz zahlen. Auch
kann ein Schutz des Vertrauens darauf, dass das Satzungsrecht für alle Zukunft unverändert bleiben wird, nicht
anerkannte werden (BSG Urteil vom 28.09.1993 a.a.O.).
Auch der Bescheid vom 07.01.2011, der nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtmäßig.
Insbesondere hat die Kammer auch hinsichtlich der seit dem 01.01.2011 gültigen Fassung des § 59 der Satzung der
Beklagten keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision war nach §§ 161 Abs. 2 S. 1, 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen. Weder weicht die Entscheidung von
einer Entscheidung des Bundessozialgericht, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder
des Bundesverfassungsrechts ab (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG) noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer
einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist oder wenn zu erwarten ist, dass die
Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des
Rechts zu fördern. Das kann der Fall sein, wenn von der derzeitigen Unsicherheit eine nicht unbeträchtliche
Personenzahl betroffen ist oder die tatsächlichen Interessen der Allgemeinheit eng berührt sind. In Anbetracht der
geringen Anzahl freiwilliger Mitglieder, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und einen Mehrleistungsanspruch
gegenüber der Beklagten haben, sind die Interessen der Allgemeinheit durch die Satzung der Beklagten nicht
betroffen. Im übrigen sind die hier allein zur Unsicherheit führenden verfassungsrechtlichen Fragen nicht
klärungsbedürftig, da bereits ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichende Anhaltspunkte für die
Beantwortung gibt (vgl. hierzu Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 160 Rn. 6a f. m.w.N.).