Urteil des SozG Dortmund vom 10.02.2010

SozG Dortmund (beurteilung, vergütung, gutachten, leistung, honorar, auflage, untersuchung, anlage, umfang, rechnung)

Sozialgericht Dortmund, S 40 KR 314/04
Datum:
10.02.2010
Gericht:
Sozialgericht Dortmund
Spruchkörper:
40. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 40 KR 314/04
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Entschädigung der Sachverständigen Dr. N für das orthopädische
Gutachten vom 07.11.2007 wird auf 1574,71 EUR festgesetzt.
Gründe:
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I.
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Die Sachverständige Dr. N hat unter dem 07.11.2007 ein orthopädisches Gutachten
gefertigt.
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Bei der Bezifferung der Kosten hat sie einen Stundensatz nach der Honorargruppe M2
(60 EUR) sowie eine Stundenzahl von 25 angesetzt. Insgesamt wurde unter dem
07.11.2007 ein Gesamtbetrag von 1.860,32 EUR geltend gemacht.
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Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Dortmund hat den
Entschädigungsbetrag mit Beschluss vom 26.11.2007 auf 1.574,71 EUR festgesetzt. Sie
ist dabei von einem Stundensatz nach der Honorargruppe M2 (60 EUR) sowie einer
Stundenzahl von 21 ausgegangen.
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Die Sachverständige hat daraufhin mit Schreiben vom 04.12.2007 richterliche
Festsetzung beantragt. Sie führt aus, dass die Anfertigung, Auswertung und Befundung
einer computergesteuerten Bewegungsanalyse eines Wirbelabschnittes eine zusätzlich
durchgeführte, technische Untersuchung darstelle. Es handele sich um eine Leistung,
die regelmäßig in den Verfahren vor den Sozialgerichten erbracht werde und dort noch
niemals moniert worden sei. Auf die Ergebnisse werde im Gutachten auf den Seiten 24
und 25 sowie 28 Bezug genommen. Sie würden zudem in die Ergebnisse der
Untersuchung mit einfließen. In die Position Konzeptentwurf, Beurteilung und
Beantwortung der Fragen sei die Auswertung von Literatur, eine fachorthopädische
Beurteilung der Fragestellung sowie die Auseinandersetzung mit anders lautenden
Beurteilungen in der Akte eingeflossen. Dies sei auf 12 Seiten erfolgt. Daher rechtfertige
sich der Ansatz von 6 Stunden für diese Position.
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Die Kostenbeamtin hat mit Verfügung vom 04.12.2007 der Erinnerung nicht abgeholfen.
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Sodann hat als Vertreter der Staatskasse der Bezirksrevisor in seinem Schreiben vom
28.03.2008 eine Stellungnahme angekündigt, die aber nicht erfolgt ist.
II.
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Die Entschädigung der Sachverständigen Dr. N ist auf 1574,71 EUR festzusetzen. Die
Kostenbeamtin hat die Kosten insoweit ordnungsgemäß festgesetzt.
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1) Bei der Festsetzung der Vergütung ist ein Zeitaufwand von 21 Stunden zu Grunde zu
legen.
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Gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 JVEG erhält ein Sachverständiger für jede Stunde ein Honorar
von 50,00 bis 85,00 Euro. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 JVEG richtet sich die Bemessung der
Stundenzahl nach der für die Gutachtenerstellung erforderlichen Zeit. Der Zeitaufwand
ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen, wobei er sich danach richtet, wieviel
Zeit ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei
sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt, um
sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen
machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche
Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen.
Berücksichtigung finden dabei der Umfang des unterbreiteten Sachstoffs, der Grad der
Schwierigkeit der zu beantwortenden Beweisfragen unter Berücksichtigung der
Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet und die Bedeutung der Sache (siehe zum
Ganzen: LSG NRW, Beschluss vom 02.05.2005, Az.: L 4 B 5/05; LSG NRW, Beschluss
vom 06.04.2005, Az.: L 4 B 16/04; LSG NRW, Beschluss vom 19.01.2005, Az.: L 4 B
9/04; Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage 2009, § 8 JVEG Rn. 20 ff.). Grundsätzlich
ist davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich
benötigte Zeit richtig sind. Ein Anlass zur Überprüfung besteht nach der
Rechtsprechung des LSG NRW, wenn der angesetzte Zeitaufwand zur erbrachten
Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (LSG NRW, Beschluss vom 02.05.2005, Az.: L 4
B 5/05; LSG NRW, Beschluss vom 06.04.2005, Az.: L 4 B 16/04; Hartmann,
Kostengesetze, 39. Auflage 2009, § 8 JVEG Rn. 36).
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Die Erstellung eines Gutachtens gliedert sich dabei in 4 vergütungspflichtige
Arbeitsschritte: Zeitaufwand für das Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten,
Zeitaufwand für Untersuchungen und Anamnese, Zeitaufwand für Abfassung der
Beurteilung und Zeitaufwand für Diktat und Durchsicht (LSG NRW, Beschluss vom
02.05.2005, Az.: L 4 B 5/05; LSG NRW, Beschluss vom 06.04.2005, Az.: L 4 B 16/04;
LSG NRW, Beschluss vom 19.01.2005, Az.: L 4 B 9/04).
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a) Für die Bestimmung des Zeitaufwands im Arbeitsschritt "Abfassung der Beurteilung"
kommt es entscheidend auf den Umfang und die Schwierigkeit der gedanklichen Arbeit
des Sachverständigen im Einzelfall an. Zu diesem Arbeitsschritt gehört die diktatreife
Vorbereitung der Beurteilung ohne Wiedergabe der Anamnese, der
Untersuchungsergebnisse oder Befunde, einschließlich der Begründung der vom
Sachverständigen getroffenen Schlussfolgerungen. Die Bestimmung des Zeitaufwands
darf dabei nicht schematisch anhand der Seitenzahl des Gutachtens erfolgen, allerdings
stellt diese zumindest einen wichtigen Anhaltspunkt dar (vgl. LSG NRW, Beschluss vom
02.05.2005, Az.: L 4 B 5/05; LSG NRW, Beschluss vom 06.04.2005, Az.: L 4 B 16/04).
Bei der Bewertung muss auch Berücksichtigung finden, dass die Schwierigkeit der
gedanklichen Arbeit des Sachverständigen bereits bei der Bestimmung der
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Honorargruppe die wesentliche Rolle spielt. Von der Gutachterin werden vorliegend 6
Stunden angesetzt. Die eigentliche Beurteilung erfolgt auf den Seiten 27 bis 36. Unter
Zugrundelegung der oben genannten Kriterien erscheint ein Zeitaufwand von 4 Stunden
Stunden als angemessen, um die entsprechenden Beweisfragen des Gerichts zu
beantworten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Gutachterin beim Abfassen
der Beurteilung sowohl die Untersuchungsergebnisse als auch die Anamnese bekannt
sind, so dass allein der Zeitaufwand für die Darlegung der Schlussfolgerungen und
Beantwortung der Beweisfragen des Gerichts auf Grundlage dieser Erkenntnisse erfasst
wird. Es kommt hinzu, dass die Gutachterin schon häufig Gutachten zu diesem
speziellen Fragenkomplex erstellt hat, so dass keine besonderen gedanklichen
Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Beweisfragen bestanden. Soweit die
Sachverständige zudem darauf verweist, dass zur Beantwortung umfangreiche
Literaturstudien notwendig waren, lässt sich dies dem Gutachten nicht entnehmen.
Weder findet sich eine Auflistung, welche Literatur genutzt wurde, noch wurde in der
Beantwortung der Beweisfragen und Mitteilung der Ergebnisse auf Literaturquellen - mit
einer Ausnahme auf der Seite 34 - Bezug genommen. Schon gar nicht ist erkennbar,
dass dies zur Beantwortung notwendig geworden wäre. Es gehört insoweit zu den
Aufgaben eines Sachverständigen, sich mit dem für seinen Fachbereich bedeutsamen
Schrifttum zu beschäftigen. Der entsprechende Zeitaufwand gehört zu den allgemeinen
Unkosten und ist nicht vergütungsfähig (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28.10.2003, Az.:
L 4 B 5/03). Die Auseinandersetzung mit anderslautenden Beurteilung in der Akte ist
Inhalt jedes Gutachtens und führt hier nicht dazu, eine besondere Schwierigkeit
anzunehmen.
b) Letztlich kann die Position Anfertigung, Auswertung und Befundung einer
computergesteuerten Bewegungsanalyse eines Wirbelsäulenabschnittes keine
Berücksichtigung finden.
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Die Sachverständige hat schon keine korrigierte Rechnung zu den Akten gereicht, in der
sie den Zeitaufwand einer der oben genannten Positionen zugeordnet hätte. Eine
solche kann auch nicht willkürlich durch das Gericht vorgenommen werden.
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Daneben ist § 10 JVEG zu berücksichtigen, der die Vergütung besonderer Leistungen
regelt. Nach § 10 Abs. 1 JVEG bemisst sich das Honorar, wenn der Sachverständige
eine Leistung erbringt, die in der Anlage 2 bezeichnet ist, nach dieser Anlage. Für
Leistungen der in Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen
bezeichneten Art bemisst sich nach § 10 Abs. 2 JVEG das Honorar nach dem 1,3
fachen Gebührensatz. Wird für die Erbringung der Leistung zusätzliche Zeit benötigt,
erhält der Berechtigte gemäß § 10 Abs. 3 JVEG ein Honorar nach der Honorargruppe
M1.
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Da Leistungen nach der Anlage 2 zu § 10 JVEG nicht vorliegen, käme eine Abrechnung
auf Grundlage von § 10 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 JVEG in Betracht. Allerdings ist zweifelhaft,
ob ein Fall des Abschnitts O der GOÄ vorliegt. Einschlägig könnte ebenso Ziffer 410 der
GOÄ sein. Eine Abrechnung auf Grundlage des § 10 Abs. 2 JVEG muss aber aus
anderem Grund ausscheiden. Denn eine Aufschlüsselung in einen Wert nach der GOÄ
für die computergesteuerte Befundung gegebenenfalls zuzüglich eines Zeitaufwandes
für die Untersuchung nach M1 ist hier nicht erfolgt. Erforderlich für eine Vergütung wäre
aber die Übersendung einer ordnungsgemäßen Rechnung, in der der
Vergütungsanspruch aufgeschlüsselt nach den verschiedenen Ansprüchen vollständig
geltend gemacht wird (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 03.11.2008, Az.: L 15 SF
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154/08 P KO; Thüringer LSG, Beschluss vom 18.06.2007, Az.: L 6 B 77/07 SF). Das
wäre bei Anwendung des § 10 Abs. 2 JVEG hier nicht der Fall. Die Aufschlüsselung
kann nicht nachgeholt werden. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG erlischt der Anspruch auf
Vergütung, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle, die den Berechtigten
herangezogen oder beauftragt hat, geltend gemacht wird. Die Frist beginnt nach S. 2 im
Fall der schriftlichen Begutachtung oder der Anfertigung einer Übersetzung mit Eingang
des Gutachtens oder der Übersetzung bei der Stelle, die den Berechtigten beauftragt
hat. Nach dem Ablauf der Drei-Monats-Frist erlischt der Anspruch ohne weiteres und
unabhängig von einer Aufforderung durch das Gericht zu einer Bezifferung (vgl.
Bayerisches LSG, Beschluss vom 03.11.2008, Az.: L 15 SF 154/08 P KO).
Greift § 10 JVEG nicht ein, so kommt eine Vergütung nach § 9 JVEG in Betracht. Eine
analoge Anwendung der GOÄ scheidet dagegen aus (vgl. Thüringer LSG, Beschluss
vom 21.12.2006, Az.: L 6 B 22/06 SF; Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage 2009, § 10
JVEG Rn. 3). Allerdings ist dies nur möglich, wenn das Gericht vom Sachverständigen
eine Tätigkeit verlangt, die über die Leistungen nach der Anlage 2 und nach der GOÄ in
Verbindung mit § 10 Abs. 2 JVEG hinausgeht (Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage
2009, § 10 JVEG Rn. 3; a.A. wohl Thüringer LSG, Beschluss vom 21.12.2006, Az.: L 6 B
22/06 SF). Eine solche Aufforderung durch das Gericht ist nicht erfolgt. Es ist auch nicht
ersichtlich, dass die Durchführung dieser Untersuchung zur Beantwortung der
Beweisfragen notwendig war, so dass keine Erstattung der Kosten möglich ist.
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c) Daraus folgt im Ergebnis ein zeitlicher Aufwand von 21 Stunden.
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2) Die sonstigen Kosten sind ebenfalls richtig berechnet worden.
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3) Zusammenfassend berechnet sich die Vergütung unter Zugrundelegung eines
Honorarsatzes von 60,00 Euro pro Stunde wie folgt:
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Gesamtzeitaufwand 21 Stunden: 1260,00 Euro Sachkosten: 63,29 Euro Umsatzsteuer
19%: 251,42 Euro
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Gesamt: 1574,71 Euro
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