Urteil des SozG Dortmund vom 23.10.2003

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Sozialgericht Dortmund, S 14 KA 208/01
Datum:
23.10.2003
Gericht:
Sozialgericht Dortmund
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 14 KA 208/01
Sachgebiet:
Vertragsarztrecht
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Tatbestand:
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Mit Beschluss vom 25.03.1999 hatte der Zulassungsausschuss den Kläger zur
Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung für die Zeit vom 01.04.1999 bis zum
31.03.2001 für folgende Leistungen ermächtigt:
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Auf Überweisung niedergelassener Chirurgen: Ambulante Beratung, Untersuchung und
Behandlung im Rahmen der Kinderchirurgie - mit Ausnahme von sonographischen
Untersuchungen; Einmalige Nachuntersuchung nach stationären operativen Eingriffen;
Nach-, Weiter- und Mitbehandlung nach stationärer kinderchirurgischer Behandlung.
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In den Gründen wurde ausgeführt: Die Einschränkung der Ermächtigung "auf
Überweisung niedergelassener Chirurgen" werde für erforderlich gehalten, weil die
niedergelassenen Chirurgen in M durchaus in der Lage seien, Leistungen im Rahmen
der Kinderchirurgie zu erbringen. Hinzu komme, dass die niedergelassenen Fachärzte
noch ausreichend freie Kapazitäten zur Sicherstellung der kinderchirurgischen
Versorgung in ihren Praxen hätten.
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Mit Beschluss vom 22.03.2001 ermächtigte der Zulassungsausschuss den Kläger für die
Zeit vom 01.04.2001 bis zum 31.03.2003 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen
Versorgung auf Überweisung von niedergelassenen Vertragsärzten für folgende
Leistungen:
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Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bei bestimmten
Krankheitsbildern, die im Einzelnen wie in dem von der KVWL vorgeschlagenen
Katalog aufgeführt sind.
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Weiter wurde ausgeführt, dass die Beratungsgrundleistungen nach den GNRn 17 und
18 EBM nicht abrechnungsfähig seien.
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Gegen diesen Beschluss legte der Kläger Widerspruch ein. Damit wendet er sich einmal
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gegen die Beschränkung der Ermächtigung auf die ausgewählten seltenen
Krankheitsbilder, also auf den Katalog der KVWL, zum anderen gegen die
Nichtabrechenbarkeit der GNRn. 17 und 18 EBM. Nach wie vor vertrat er die
Auffassung, dass die kinderchirurgische Versorgung im M Raum nicht sichergestellt sei;
es gebe keinen Facharzt für Kinderchirurgie; die Allgemeinchirurgen hätten keine
Qualifikation für das Fach Kinderchirurgie.
Mit Beschluss vom 19.07.2001 erweiterte der Zulassungsausschuss die Ermächtigung
für den Zeitraum 19.07.2001 bis 31.03.2003 auf folgende Leistungen:
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Auf Überweisung durch niedergelassene Fachärzte für Chirurgie: Durchführung
besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden.
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Die Abrechenbarkeit der GNRn. 17, 18 EBM wurde verneint. In den Gründen wird
ausgeführt, dass für eine über den speziellen Leistungskatalog hinausgehende
generelle Ermächtigung des Dr. C kein Bedarf bestehe, weil die Leistungserbringung
primär durch die niedergelassenen Allgemeinchirurgen erfolge.
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Mit Beschluss vom 23.10.2001 änderte der Beklagte den Beschluss des
Zulassungsausschusses teilweise ab, und zwar dahingehend, dass bei der
Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf
kinderchirurgischem Gebiet auf Überweisung niedergelassener Fachärzte für Chirurgie
die Beratungsgrundleistungen nach den GNRn 17 und 18 abrechungsfähig seien.
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Darüber hinaus wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
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Die Beklagte führt hierzu aus: Nachdem der Zulassungsausschuss mit seinem
Beschluss vom 22.03.2001 den Überweiserkreis bei der Leistung Durchführung
besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf kinderchirurgischem
Fachgebiet bei bestimmten Krankheitsbildern, die in einem Katalog enumerativ
aufgeführt sind, auf niedergelassene Vertragsärzte erweitert habe, sei für eine darüber
hinausgehende Ermächtigung, wie sie vom Kläger praktisch für das gesamte Gebiet der
Kinderchirurgie begehrt werde, kein Raum. Die Beigeladene zu 8 habe diesen Katalog
im Anschluss an dem vor dem SG Dortmund im Verfahren S 14 KA 282/99 am
25.01.2001 stattgefundenen Erörterungstermin in Absprache mit den
Allgemeinmedizinern, Chirurgen und den Kinderärzten erstellt. Damit stehe fest, dass
der Kläger nur bei diesen Krankheitsbildern ein besonderes Leistungsangebot bereit
halte, dass das der Allgemeinchirurgen übertreffe. Im Übrigen könnten die
Allgemeinchirurgen den Versorgungsbedarf decken. Dabei sei in diesem
Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass nach der Weiterbildungsordnung der
Ärztekammer Westfalen-Lippe i.d.F. der Bekanntmachung vom 13.07.1999 (MBINW
1999 S. 1027 ff) weiterhin das Fachgebiet der Chirurgie die Erkennung und Behandlung
von chirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Fehlbildungen mit den
entsprechenden Untersuchungsverfahren, konservativen und operativen
Behandlungsverfahren des Gebietes einschließlich der gebietsbezogenen
Intensivmedizin, den Nachsorgeverfahren des Gebietes sowie der Rehabilitation in
jedem Lebensalter umfasse, also auch im Kindesalter - (Abschnitt 1 Nr. 7 der
Weiterbildungsordnung).
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Gegen diesen Beschluss des Beklagten, der am 15.11.2001 zugestellt worden ist, hat
der Kläger am 06.12.2001 Klage erhoben.
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Er trägt vor: Die in den Ermächtigungskatalogen enthaltenen Beschränkungen stünden
auf einer fehlerhaften Grundlage. Maßgebend sei nach der Rechtsprechung der Bedarf
in der jeweiligen Fachgruppe. Dabei müssten die Spezialisierungen im Bereich der
Chirurgie beachtet werden. Seit es den Facharzt für Kinderchirurgie gäbe, müsse der
Bedarf nach dieser Spezialisierung beurteilt werden. Im gesamten Planungsbereich,
dem er angehöre, gäbe es keinen Facharzt für Kinderchirurgie. Deshalb sei es rechtlich
und sachlich falsch, seine Ermächtigung für vertragsärztliche Tätigkeiten durch das
Erfordernis der Überweisung durch Gebietsärzte zu beschränken.
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Da während des gerichtlichen Verfahrens der Zeitraum der streitigen Ermächtigung
abgelaufen war, hat der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag auf den
Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt.
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Er beantragt nunmehr
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festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 23.10.2001 rechtswidrig ist, weil in
die Ermächtigung des Klägers hätte aufgenommen werden müssen: ...für alle
Beratungen, Untersuchungen und Behandlungen auf dem kinderchirurgischen Gebiet ...
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen. Die Beigeladenen schließen sich dem Antrag des Beklagten an.
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Der Beklagte trägt vor: Zu Recht sei die Ermächtigung des Klägers auf das
Leistungsangebot beschränkt worden, dass über die Leistungen der Allgemeinchirurgen
hinausgehe. Auch das neue Weiterbildungsrecht weise in weiten Teilen eine
Überschneidung der Leistungen von Allgemeinchirurgen und Kinderchirurgen auf, so
dass die Allgemeinchirurgen mit ihrem Leistungsspektrum die chirurgische Versorgung
aller Versicherten - und damit auch der Kinder - sicherstellen könnten. Die
Einschränkung der Ermächtigung durch einen fachärztlichen Überweiserkreis sei
erforderlich, um den Grundsatz vom Vorrang des niedergelassenen Arztes, der auch für
den niedergelassenen Facharzt gelte, zu wahren.
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Hinsichtlich weitere Einzelheiten des Vortrages der Beteiligten zur Sach- und
Rechtslage wird auf den Inhalt der Streitakte und auf die Verwaltungsakten des
Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist auch in der zuletzt beantragten Form der Fortsetzungsfeststellungsklage
zulässig (§ 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
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Sie ist aber unbegründet.
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Der Beschluss des Beklagten vom 23.10.2001 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger
nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.
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Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die vom Kläger begehrte weiterreichende
Ermächtigung zu erteilen. Weder die Beschränkung der Ermächtigung durch einen
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Katalog enumerativ aufgezählter Krankheitsbilder noch die Beschränkung durch das
Erfordernis der Überweisung durch niedergelassenen Gebietsärzte kann vom Kläger
rechtlich beanstandet werden.
Rechtsgrundlage sind die §§ 116 des Sozialgesetzbuches, 31 a der Zulassungs-
Verordnung Ärzte. Danach ist die Ermächtigung zu erteilen, soweit und solange eine
ausreichende Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden oder Kenntnisse der hierfür qualifizierten Krankenhausärzte
nicht sicherzustellen ist.
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Im Mittelpunkt des Streites der Beteiligten steht die Frage, ob durch die beschränkte
Ermächtigung des Klägers eine Versorgungslücke bei der kinderchirurgischer
Versorgung entstanden ist.
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Der Kläger behauptet das Vorliegen einer quantitativ-speziellen Versorgungslücke, die
immer dann zu bejahen ist, wenn eine für die ausreichende Versorgung der
Versicherten benötigte Leistung von niedergelassenen Ärzten nicht angeboten werden
kann (BSG Urteil vom 15.3.1995 Az: RKa 42/93) In einem solchen Fall steht eine
ausreichend Anzahl von spezialisierten Leistungen nicht zur Verfügung und für eine
Beschränkung der Ermächtigung durch die Überweisung der Patienten durch den
Gebietsarzt besteht kein Raum (BSG Urteil vom 22.6.1994 Az: 6 RKa46/93). Auf diese
Rechtsfolge zielt der Vortrag des Klägers ab.
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Das Gericht ist wie die Beklagte zu der Auffassung gelangt, dass die qualitative
Versorgung der Versicherten auch mit der eingeschränkten Ermächtigung des Klägers
sichergestellt ist. Eine Versorgungslücke unter qualitativen Gesichtspunkten lässt sich
unter Berücksichtigung des jetzigen Umfangs der Ermächtigung nicht bejahen. Der
Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger nur bei spezifischen
Krankheitsbildern, die sich auf das früheste Lebensalter beziehen, ein besonderes
Leistungsangebot bereit hält, das das der Allgemeinchirurgen übertrifft. In einer solchen
Versorgungssituation, in der nur bei bestimmten Problemkrankheiten auf die
besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden des Krankenhausarztes
zurückgegriffen werden muss, hält es die Rechtsprechung für sachlich gerechtfertigt, die
Überweisungsbefugnis dem Gebietsarzt vorzubehalten, der für die Behandlung der
jeweiligen Erkrankung vorrangig zuständig ist. (BSG Urteil vom 22.06.1994 Az: 6 RKa
11/92).
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Die Beschränkung der Ermächtigung durch das Überweisungserfordernis ist auch nicht
dadurch rechtswidrig geworden, dass es seit 1995 die Facharztanerkennung für
Kinderchirurgie gibt. Auch bei Berücksichtigung dieser Tatsache ergibt sich keine
Versorgungslücke, die durch die unbeschränkte Ermächtigung des Klägers, der
Facharzt für Kinderchirurgie ist, ausgefüllt werden müsste.
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In den vorangegangenen Verfahren ist mehrmals daraufhin gewiesen worden, dass
auch nach der Änderung der Weiterbildungsordnung die Allgemeinchirurgen als
befähigt angesehen werden müssen, chirurgische Behandlung an Kindern
vorzunehmen. Des Weitern gibt bei vielen chirurgisch zu versorgenden
Krankheitsbildern Überschneidungen, in deren Bereich sowohl Allgemeinchirurgen als
auch Kinderchirurgen ärztlich tätig werden können.
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Das Gericht hält diese Hinweise für zutreffend, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt,
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dass sich die Kinderchirurgie von einer früheren Schwerpunktbezeichnung zu einem
eigenen Fachgebiet entwickelt hat. Diese Entwicklung hat nach Auffassung des
Gerichts nicht zur Folge, dass die Allgemeinchirurgen keine Fachbehandlungen an
Kindern vornehmen können, sondern diese den Kinderchirurgen überlassen müssen.
Das Gericht sieht sich in dieser Auffassung bestätigt durch das Urteil des
Bundessozialgerichts vom 02.04.2003 Az: B 6 KA 30/02 R Hierin wird sinngemäß
ausgeführt, dass schon aus Gründen der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) die Abgrenzung
zwischen dem "Mutterfach" (hier Allgemeinchirurgie) und dem "Tochterfach"
(Kinderchirurgie) nicht in der Weise vorgenommen werden könne, dass der für das
Mutterfach qualifizierte Arzt automatisch seine Berechtigung zur Leistungserbringung
verliert, wenn die Leistungen zum Spektrum des sich später entwickelnden Tochterfachs
zählen.
Deshalb bleibt es auch nach Einführung des Fachgebietes Kinderchirurgie in der
Weiterbildungsordnung rechtlich zulässig, die Ermächtigung durch die
Überweisungsbefugnis der für das Mutterfach qualifizierten Ärzte zu beschränken.
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Dementsprechend konnte dem Feststellungsbegehren des Klägers nicht stattgegeben
werden.
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