Urteil des SozG Dortmund vom 25.09.2009

SozG Dortmund (antragsteller, nachlass, antrag, mutter, testament, höhe, sohn, anordnung, vorerbe, sicherung)

Sozialgericht Dortmund, S 29 AS 309/09 ER
Datum:
25.09.2009
Gericht:
Sozialgericht Dortmund
Spruchkörper:
29. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 29 AS 309/09 ER
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
1
I.
2
Streitig ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechts-
schutzes, dem Antragsteller trotz einer Erbschaft mit einem Wert von rund 240.000,-
EUR Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetz-buch (SGB II) zu erbringen.
3
Der am xxx geborene alleinstehende Antragsteller bezog bis zum 22.03.2003
Arbeitslosengeld in Höhe von 189,49 EUR wöchentlich aus der gesetzlichen
Arbeitslosenver-sicherung. Arbeitslosenhilfe wurde ihm wegen vorhandenen
Vermögens (Aktien) versagt.
4
Am 02.12.2005 beantragte der Antragsteller Leistungen zur Grundsicherung nach dem
SGB II und gab dazu an, im Haus seiner Eltern zu leben, wobei der Vater allerdings im
Jahr 2002 bereits verstorben war. Er bewohnte nach eigenen Angaben ein Zimmer von
12 m² in der 70 m² großen Wohnung der Eltern, für die laut Bescheinigung seiner Mutter
vom 08.01.2006 Miet-, Betriebs- und Heizkosten in Höhe von insgesamt 189,88 EUR
anfielen. Als Vermögen waren ein Bausparguthaben in Höhe von 1.461,08 EUR, ein
Sparguthaben von 101,14 EUR sowie ein Aktiendepot im Wert von 7.226,75 EUR
vorhanden. Die Antragsgegnerin bewilligte daraufhin fortlaufend Leistungen in Höhe
des Regelsatzes und der von ihr festgestellten Kosten der Unterkunft und Heizung.
5
Am 10.12.2008 verstarb die Mutter des Antragstellers. Vorher verfügte sie, bereits bett-
lägerig, vor dem Notar xxx, der sie zu diesem Zweck in ihrer Wohnung aufgesucht hatte,
testamentarisch, dass ihr einziger Sohn, der Antragsteller, nicht-befreiter Vorerbe ihres
Vermögens sein sollte. Zum Nacherben wurde ihr Bruder xxx, geboren am xxx ernannt
und für den Fall dessen Todes dessen Neffe xxx, geboren am xxx Zur Verwaltung des
ihrem Sohn zugewendeten Nachlasses bestimmte sie die Dauertesta-
6
mentsvollstreckung gem. §§ 2209, 2210 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bis zum Tod
des Vorerben an. Testamentsvollstrecker sollte ihr Bruder als Nacherbe sein und
ersatzweise dessen Neffe. Weiter heißt es in dem Testament, der
Testamentsvollstrecker habe dafür Sorge zu tragen, dass der Nachlass möglichst
erhalten bleibe und der Vorerbe in den Genuss der Früchte des Nachlasses komme,
ohne dass ihm (z. B. öffentlich-rechtliche) Zuwendungen verloren gingen. Anspruch auf
die Auskehrung des Nachlasses sowie von Nachlassgegenständen und Früchten habe
der Vorerbe nicht. Die Entscheidung liege allein beim Testamentsvoll-strecker. Er habe
die Befugnisse nach § 2207 BGB und sei von den Beschränkungen des § 181 BGB
befreit. Über den Erbteil bzw. die Erbschaft selbst dürfe der jeweilige Testa-
mentsvollstrecker nicht verfügen. Der ihrem Sohn als Vorerben hinterlassene Nachlass
solle dazu dienen, es ihm zu ermöglichen, sein Leben wie bisher weiter zu führen. Sie
stelle es in das Ermessen des Testamentsvollstreckers, aus den Erträgnissen und -
wenn er dies für erforderlich halten solle - auch der Substanz des Nachlasses
Sachleistungen und Vergünstigungen für den Vorerben zu erbringen, die der
Testamentsvollstrecker für zweckmäßig und sinnvoll halte und die geeignet seien, dem
Vorerben Erleichterungen und Hilfen zu verschaffen.
Weiter ist im Testament Folgendes bestimmt: a) Der Testamentsvollstrecker hat meinem
Sohn xxx die ihm gebührenden anteiligen jährlichen Reinerträgnisse (Nutzungen) der
Nachlässe und etwaige sonstige Gebrauchs- vorteile - z.B. die Möglichkeit des
Bewohnens der in meinem Nachlass befindlichen Grundbesitzung xxx - und Früchte
von Nachlassgegen-ständen und/oder Leistungen aus der Substand des Nachlasses
nur in Form folgender Leistungen zuzuwenden:
7
aa) Die Überlassung der in meinem Nachlass befindlichen Grundbesitzung xxx zu
Zwecken der Selbstnutzung durch Bewohnen einschließlich der Aufnahme der zu
seinem Hausstand gehörigen Personen,
8
bb) Überlassung von Geldbeträgen in Höhe dessen, was nach jeweiligen einschlägigen
Gesetzen bzw. Bestimmungen einem Behinderten und/oder Bezieher von Leistungen
nach dem Bundessozialhilfegesetz bzw. Sozialgesetzbuch XII und/oder nach dem
Sozialgesetz-buch II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) maximal zur freien Verfügung
und ohne An-rechnung auf dessen Zuwendungsansprüche zustehen kann, ohne dass
dem Vorerbe öffentlich-rechtliche oder sonstige Zuwendungen verloren gehen.
9
cc) Geschenke zu Weihnachen, Ostern, Pfingsten und zu seinem Geburts- und Namens-
tag, wobei die Geschenke möglichst nach den Bedürfnissen und Wünschen meines
Sohnes xxx ausgewählt werden sollen.
10
dd) Zuschüsse zur Finanzierung von Urlaub und Urlaubsgestaltung, insbesondere auch
der Kosten für eine etwa erforderliche Begleitperson.
11
ee) Zurverfügungstellung von Kleidungsstücken über die vom Sozialhilfeträger zur Ver-
fügung gestellte Kleidung hinaus.
12
ff) Zuwendungen zur Befriedigung geistiger und künstlerischer Bedürfnisse sowie zur
Be-friedigung der individuellen Bedürfnisse meines Sohnes xxx in Bezug auf Freizeit,
wozu insbesondere auch Hobbys und Liebhabereien zählen sowie für persönliche An-
schaffungen, wie z.B. Musikgeräte, Fernseher oder sonstige technische Geräte.
13
gg) Mitgliedsbeiträge für Vereine aller Art.
14
hh) Eventuell notwendige private Krankenversicherungskosten.
15
ii) Übernahme der Kosten für erforderliche therapeutische Maßnahmen, sofern hierauf
kein Anspruch gegenüber Krankenkasse oder Sozialhilfeträger besteht.
16
jj) Übernahme der Kosten für ärztliche bzw. zahnärztliche Behandlungen, sofern auch
hier kein Anspruch gegenüber Krankenkasse oder Sozialhilfeträger gegeben ist.
17
kk) Übernahme der Kosten für sonstige Heil- und Hilfsmittel, wie z.B. Zahnersatz und
Brille.
18
ll) Übernahme eventueller Restkosten für Kurmaßnahmen.
19
b) Die Nachlasserträge sowie der Nachlass dürfen nicht für die Heimunterbringung und
Heimbetreuung oder sonstige Sozialhilfeaufwendungen meines Sohnes xxx verwendet
werden, damit die Substand für die unter vorstehenden Ziffern aa) - ll) genannten
Zwecke erhalten bleibt.
20
c) Für welche der vorgenannten Leistungen (Ziff. a) Unterziffern aa) bis ll)) die Reiner-
trägnisse verwendet werden sollen, ob diese also auf alle Leistungen gleichmäßig oder
nach einem bestimmten Schlüssel verteilt werden oder ob sie in einem Jahr nur für eine
oder mehrere der in Ziffern aa) - ll) genannten Leistungen verwendet werden,
entscheidet der Testamentsvollstrecker nach billigem Ermessen, wobei er stets auf das
Wohl meines Sohnes xxx bedacht sein muss.
21
d) Werden die jährlichen Reinerträgnisse in einem Jahr nicht in voller Höhe für die
vorge-nannten Leistungen verwendet, sind die entsprechenden Teile vom
Testamentsvollstrecker gewinnbringend anzulegen.
22
e) Sind größere Anschaffungen für meinen Sohn xxx, wie beispielsweise der Kauf eines
Gegenstandes zur Steigerung des Lebensstandards, eine größere Reise oder
Ähnliches beabsichtigt, so hat der Testamentsvollstrecker entsprechende Rücklagen zu
bilden, die dann zugunsten meines Sohnes xxx zu gegebener Zeit entsprechend zu
verwenden sind.
23
f) Im Übrigen gelten für die Testamentsvollstreckung die gesetzlichen Bestimmungen.
24
Mit Bescheid vom 31.03.2009 hob die Antragsgegnerin ihre Entscheidung über die Be-
willigung von Leistungen an den Antragsteller für die Zeit ab dem 01.05.2009 ganz auf
und verwies ihn auf den Verbrauch des ererbten Vermögens. Den Antrag vom
09.04.2009 auf Weiterbewilligung der Leistungen ab dem 01.05.2009 lehnte sie mit
Bescheid vom 14.04.2009 unter Hinweis auf das vorhandene Vermögen ab.
25
Gegen die Versagung von Leistungen erhob der Antragsteller am 28.04.2009
Widerspruch und machte darauf aufmerksam, dass er nach dem Inhalt des Testaments
gemäß § 2211 BGB gehindert sei, über das Erbe seiner Mutter zu verfügen. Er habe
keine rechtlich durchsetzbaren Forderungen gegenüber dem Testamentsvollstrecker.
Insbesondere dürften ihm keine Leistungen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes aus
dem Nachlass zur Verfügung gestellt werden. Die Antragsgegnerin wies den
26
Widerspruch mit Bescheid vom 17.07.2009 als unbegründet zurück und vertrat die
Ansicht, dass das Testament, wenn es dem Antragsteller ermög-lichen solle, sein Leben
wie bisher weiter zu führen, die Sicherung seines Lebensunter-halts gewährleiste.
Weitere Ansprüche aus dem Testament, das unter Umständen sitten-widrig sei, könne
der Antragsteller prüfen lassen.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 11.08.2009 Klage erhoben und mit
einem am selben Tag bei Gericht eingegangenen Antrag die Gewährung einstweiligen
Rechts-schutzes begehrt. Zur Begründung trägt er vor, seine Mutter habe ein
sogenanntes "Behindertentestament" hinterlassen und gewollt, dass ihm nur solche
Leistungen aus der Substanz des Nach-lasses zukommen sollten, welche "nach den
jeweiligen einschlägigen Gesetzen bzw. Bestimmungen einem Behinderten und/oder
Bezieher von Leistungen nach dem BSHG bzw. SGB XII und/oder dem SGB II maximal
zur freien Verfügung und ohne Anrechnung auf dessen Zuwendungsansprüche
zustehen können, ohne dass öffentlich-rechtliche oder sonstige Zuwendungen verloren
gehen." Der Nachlass sei damit nicht dafür gedacht, zur Bestreitung seines
Lebensunterhalts verwendet und aufgebraucht zu werden. Der Nach-lass sei in seinem
Fall also kein verwertbares Vermögen.
27
Sittenwidrig sei das Testament nicht, denn auf die Hilfebedürftigkeit des eingesetzten
Erbens müsse der Erblasser keine Rücksicht nehmen. Die Testierfreiheit des Erblassers
habe der Bundesgerichtshof (BGH) bereits vor den Interessen der Sozialhilfeträger aner-
kannt und die Sittenwidrigkeit von Behindertentestamenten verneint.
28
Durchsetzbare Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker habe er nicht, weil dieser
sein Amt im wohlverstandenen Willen des Erblassers ausübe und an Weisungen des
Erben nicht gebunden sei.
29
Der Antragsteller beantragt,
30
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen.
31
Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,
32
den Antrag abzulehnen.
33
Sie ist der Auffassung, die von der Erblasserin getroffenen Verwaltungsanordnungen zu
Lasten von Sozialleistungsträgern seien sittenwidrig und damit nichtig. Die
Verwaltungsan-ordnungen für den Testamentsvollstrecker seien nämlich fast
ausschließlich darauf ausge-legt, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers
zum Schaden des Leistungs-trägers und damit auf Kosten der Steuerzahler zu regeln.
34
Auf Nachfrage des Gerichts hat der Antragsteller mitteilen lassen, er selbst sei nicht
dauer-haft gesundheitlich eingeschränkt, aber ein Bedürftigentestament sei einem
Behinderten-testament gleichzusetzen. Das von ihm bewohnte und ererbte Haus
Lessenstraße 30 habe eine Wohnfläche von insgesamt 125 m² und sei in zwei
Wohnungen aufgeteilt. Eine mit 89 m² Wohnfläche bewohne er selbst, 45 m² seien
gegen einen Mietzins von 355,- EUR vermietet. Diese Miete habe ihm der
Testamentsvollstrecker zunächst monatlich zur Ver-fügung gestellt. Im Nachlass habe
sich darüber hinaus ein Bargeldbestand von 40.000,- EUR befunden, wovon bisher
35
ungefähr 20.000,- EUR für die Beerdigung der verstorbenen Mutter, für eine dringend
erforderliche Reparatur der Heizung im Haus sowie für die weiteren laufenden Kosten
des Hauses verbraucht worden seien. Der verbleibende Bargeldbetrag von rund
20.000,- EUR sei bis Anfang Dezember (2009) fest angelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie den der den Antragsteller betreffenden Akten der Antragsgegnerin
ergänzend Bezug genommen.
36
II.
37
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz konnte keinen Erfolg haben. Nach § 86 b
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht eine einstweilige Anord-nung
treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte. Eine einstweilige Anordnung kann auch getroffen werden, zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen
Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der
der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll,
sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der
Anordnung begründet, voraus.
38
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander,
es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den
Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden
Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsan-
spruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein
bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 8. Auflage, §
86b Rnr. 27 und 29). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder
unbe-gründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den
Anordnungs-grund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht
vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so
vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann
dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung statt zu geben, auch wenn in
diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei
offenem Ausgang des Hauptsache-verfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung
der Sach- und Rechtslage im Eilver-fahren nicht möglich ist, ist im Wege einer
Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen
Belange des Antragstellers umfassend in die Ab-wägung einzustellen. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend
und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - ).
39
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920
Zivilprozess-ordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen.
40
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Antragsteller weder einen Anordnungsan-
spruch noch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.
41
Ein Anordnungsgrund liegt schon allein deshalb nicht vor, weil der Antragsteller nach
eigenen Angaben zum Antrag auf Prozesskostenhilfe vom 04.08.2009 noch über
Enegulf-Aktien bei der Sparkasse Dortmund mit einem Wert von 5.900,- EUR verfügt.
Mit diesem Ver-mögen kann er seinen Lebensunterhalt zunächst fristen, ohne dass eine
existentielle Not-lage eintritt, die gerichtlichen sofortigen Rechtsschutz erfordert. Dazu,
dass dieses Ver-mögen nicht vorübergehend für den Lebensunterhalt eingesetzt werden
kann, hat der Antragsteller nichts vorgetragen. Der Umstand, dass es sich um
Schonvermögen im Sinne des SGB II handelt, ist bei der Frage, ob ein Grund für die
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegeben ist, unbeachtlich. Der Antragsteller
kann darauf verwiesen werden, seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen zu
bestreiten, bevor er gericht-lichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt (Beschlüsse des
LSG NRW vom 07.09.2006 - L 9 B 81/06 AS ER - und vom 12.07.2006 - L 9 B 21/06
AS).
42
Darüber hinaus ist der Antragsteller gehalten, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder
Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen (§ 2 Abs. 1 SGB II). Hierzu gehört
auch die Anfechtung des Testaments, weil einiges dafür spricht, dass dieses
sittenwidrig ist. Jedenfalls kann die Rechtsprechung des BGH zu den sogenannten
Behindertentesta-menten nicht ohne Weiteres auf den Antragsteller übertragen werden,
denn dieser ist nicht behindert und bedurfte und bedarf nicht der besonderen Fürsorge
seiner Mutter. Er ist vielmehr in der Lage, für sich selbst zu sorgen und - sofern er einen
Arbeitsplatz findet - seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu fristen.
Zwar misst der BGH der Testierfreiheit einen hohen Wert zu, dies kann jedoch nicht so
weit gehen, dass dem Erben sämtliche Annehmlichkeiten (Hobbys, Reisen usw.) aus
dem Nachlass finanziert werden, während für den Lebensunterhalt der Steuerzahler
aufkommen muss.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG.
44