Urteil des SozG Dortmund vom 28.12.2010

SozG Dortmund (wohnung, antragsteller, zusicherung, tochter, wohl des kindes, anordnung, umzug, fläche, sgg, wohnfläche)

Sozialgericht Dortmund, S 22 AS 5857/10 ER
Datum:
28.12.2010
Gericht:
Sozialgericht Dortmund
Spruchkörper:
22. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 22 AS 5857/10 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung
verpflichtet, dem Antragsteller die Zusicherung zu den Aufwendungen
für die Wohnung in der xxx, in xxx zu erteilen. Die Antragsgegnerin trägt
die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Dem Antragsteller wird für die Zeit ab 15.12.2010 Prozesskostenhilfe
bewilligt und Rechtsanwalt xxx aus xxx beigeordnet.
Gründe:
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I.
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Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Erteilung der
Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft gemäß § 22 Abs. 2
Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
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Der Antragsteller steht im Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin. Er ist Vater der am
xxx geborenen xxx, die bei der Mutter in xxx lebt. Der Antragsteller bewohnt eine 40 qm
große Wohnung im xxx in xxx.
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Am 07.09.2010 beantragte er die Erteilung der Zusicherung zu den Aufwendungen für
eine größere Wohnung mit der Begründung, seine elfjährige Tochter verbringe
regelmäßig die Wochenenden sowie die Hälfte der Schulferien bei ihm. Er legte ein
Mietangebot über eine Wohnung in der xxx in xxx mit einer Größe von 64,17 qm und zu
einem Kaltmietpreis in Höhe von 259,89 Euro vor mit einem Mietbeginn am 01.01.2011.
Zudem legte er ein Schreiben der Mutter seiner Tochter vor, in dem diese angibt, dass
sich die Tochter im 14-tägigen Rhythmus von Freitag bis Sonntag und die Hälfte der
Ferien bei dem Antragsteller aufhalte. Die Tochter schlafe dann im Bett des Vaters, der
dann auf der Couch übernachte.
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Mit Bescheid vom 17.09.2010 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab mit der
Begründung, der Umzug in eine neue Unterkunft sei nicht notwendig. Hiergegen legte
der Antragsteller am 23.10.2010 Widerspruch ein und legte in der Folge ein Schreiben
der Stadt xxx vor, ausweislich dessen die Mutter bei einer Vorsprache dort die
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regelmäßigen Übernachtungen der Tochter bei dem Antragsteller mitgeteilt habe.
Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2010
als unbegründet zurück mit der Begründung, die Besuche der Tochter begründeten
keinen Anspruch auf einen für zwei Personen angemessenen Wohnraum. Es sei dem
Antragsteller zumutbar, die betreffenden Tage auf der Couch zu nächtigen. Die
hiergegen am 15.12.2010 erhobene Klage wird unter dem Aktenzeichen S 22 AS
5860/10 geführt.
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Am 15.12.2010 hat der Antragsteller zudem um einstweiligen Rechtsschutz
nachgesucht. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, ihm stehe wegen des
Vorliegens einer temporären Bedarfsgemeinschaft ein höherer Wohnraumbedarf zu. Die
Tochter halte sich an den Besuchswochenenden von freitags, 14 Uhr, bis
sonntagabends, ca. 20 Uhr, bei dem Antragsteller auf.
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Er beantragt schriftsätzlich - sinngemäß -,
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1.die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die
Zusicherung zu den Aufwendungen für die Wohnung xxx, in xxx zu erteilen, 2.ihm
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt xxx zu gewähren.
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Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie ist der Ansicht, aus dem Aufenthalt der Tochter begründe sich kein Anspruch auf
einen für zwei Personen angemessenen Wohnraum. Ein Anordnungsgrund werde nicht
gesehen, da nicht ersichtlich sei, dass der bisher bewohnte Wohnraum verloren zu
gehen drohe.
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Der Antragsteller hat zur Glaubhaftmachung unter anderem eine Bestätigung der
Vermieterin vorgelegt, wonach die Wohnung bis zum 31.12.2010 reserviert sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
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II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.
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Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen, wenn
die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die
Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert
werden könnte. Eine einstweilige Anordnung kann auch getroffen werden zur Regelung
eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine
einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie zur Abwendung wesentlicher,
nicht wiedergutzumachender Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Dabei hat
der Antragsteller wegen der von ihm geltend gemachten Eilbedürftigkeit der
Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach
§ 202 SGG i.V.m. § 294 Zivilprozessordnung (ZPO), namentlich einen
Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen. Dabei stehen
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr
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besteht zwischen beiden eine Wechselbeziehung derart, dass sich die Anforderungen
an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des
drohenden Nachteils verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und
Anordnungsgrund bilden damit auf Grund ihres funktionellen Zusammenhangs ein
bewegliches System (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b Rn. 27).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf Erteilung der begehrten
Zusicherung glaubhaft gemacht.
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Gemäß § 22 Abs. 2 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines
Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung
bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue
Unterkunft einholen. Dieser ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug
erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind (§ 22
Abs. 2 Satz 2 SGB II). Nach Überzeugung der Kammer besteht eine Verpflichtung der
Antragsgegnerin, die Zusicherung zu erteilen.
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Der Umzug in eine größere Wohnung ist erforderlich. Ob ein Umzug erforderlich ist,
bestimmt sich danach, ob für ihn ein plausibler und nachvollziehbarer Grund vorliegt,
von dem sich auch ein verständiger Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde. Dies
ist anzunehmen, wenn die bisherige Unterkunft dem Unterkunftsbedarf der
Bedarfsgemeinschaft nicht mehr entspricht. Der Antragsteller wohnt derzeit in einer
Wohnung mit einer Fläche von 40 qm. In der Wohnung des Antragstellers hält sich
zudem zur Wahrnehmung des Umgangsrechtes zeitweilig die Tochter des
Antragstellers auf, und zwar an jedem zweiten Wochenende von freitags bis sonntags
sowie während der Hälfte der Schulferien. Bei dem Antragsteller und seiner Tochter ist
daher vom Bestehen einer sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaft im Sinne des
§ 7 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II auszugehen (vgl. grundlegend Urteil des
Bundessozialgerichts vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 14/06 R).
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Dem steht nicht entgegen, dass sich die Tochter nur zeitweise in der Wohnung des
Antragstellers aufhält. Es genügt ein dauerhafter Zustand in der Form, dass Kinder mit
einer gewissen Regelmäßigkeit länger als einen Tag bei einem Elternteil wohnen, also
nicht nur sporadische Besuche vorliegen (Urteil des Bundessozialgericht vom
02.07.2009, B 14 AS 75/08 R). Dabei besteht eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft für
jeden Kalendertag, an dem sich das Kind überwiegend, also in der Regel länger als
zwölf Stunden, bei dem umgangsberechtigten Elternteil aufhält (BSG vom 07.11.2006,
Az. B 7b AS 14/06 R).
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Dem Wohnbedarf einer temporären Bedarfsgemeinschaft von zwei Personen entspricht
eine Wohnung mit einer Fläche von 40 qm nicht. Diese Fläche liegt schon deutlich unter
dem Flächenbedarf, der einer Einzelperson im Rahmen des SGB II regelmäßig
zugebilligt wird. Für den Umzug in einer größere Wohnung besteht daher ein plausibler
Grund, weil eine Wohnung von 40 qm für zwei Personen - auch wenn diese nur
zeitweilig zusammenwohnen - offenkundig als zu klein betrachtet werden kann. Dies gilt
vorliegend umso mehr, als es sich bei den beiden Personen um Vater und elfjährige
Tochter handelt, die das gegenseitige Umgangsrecht wahrnehmen. Dies muss in einem
auch räumlichen und wohnlichen Umfeld möglich sein, das insbesondere auch den
Bedürfnissen und dem Wohl des Kindes entspricht. Dazu gehört ein - zumindest kleines
- eigenes Zimmer für das Kind.
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Nach Überzeugung der Kammer sind die Aufwendungen für die neue Unterkunft auch
angemessen. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ergibt sich als Produkt aus
der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem
nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter (sog.
Produkttheorie). Maßgebliche Kriterien für die Angemessenheit von Mietaufwendungen
für eine Unterkunft sind die Wohnraumgröße, der Wohnort und der Wohnungsstandard.
Dabei ist für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheit der Wohnraumgröße
mangels einer bundeseinheitlichen Regelung auf die landesrechtlichen Bestimmungen
über die Förderung des sozialen Wohnungsbaus abzustellen. Der Bestimmung des
angemessenen Quadratmeterpreises ist ein schlüssiges Konzept bezogen auf den
örtlichen Wohnungsmarkt einerseits und den Zweck der Leistungen des SGB II, nur den
notwendigen Bedarf sicherzustellen, andererseits zugrundezulegen. Ob und in welchem
Umfang eine temporäre Bedarfsgemeinschaft auch im Bereich der angemessenen
Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen ist, ist durch die Rechtsprechung des BSG
noch nicht entschieden. Die Kammer geht aber jedenfalls davon aus, dass Kosten für
Unterkunft und Heizung in einem Umfang gewährt werden müssen, der eine
Wahrnehmung des Umgangsrechts nicht vereiteln darf (vgl. etwa Beschluss des
Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17.06.2008, L 20 B 225/07 AS ER).
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Ob und inwieweit die angemessene Wohngröße für eine temporäre
Bedarfsgemeinschaft aus zwei Personen rechnerisch danach ermittelt werden kann und
muss, wie häufig sich das Kind in der Wohnung aufhält, braucht hier nicht entschieden
zu werden. Denn im konkreten Einzelfall hält die Kammer die neue Wohnung bereits
aus folgenden Erwägungen für angemessen: Die Antragsgegnerin hält in ständiger
Praxis einen Quadratmeterpreis von 5,24 Euro bei Wohnungen bis 50 qm (für Ein-
Personen-Haushalte) und eine Wohnfläche für Alleinstehende von 47 qm für
angemessen. Für den Antragsteller allein müsste daher schon nach den
Angemessenheitskriterien der Antragsgegnerin aufgrund der Produkttheorie eine
Kaltmiete von 246,28 Euro als angemessen angesehen werden. Die monatliche
Kaltmiete der neuen Wohnung beträgt 259,89 Euro und damit nur 13,61 Euro mehr als -
schon nach der Auffassung der Antragsgegnerin - für eine Person angemessen. Diese
Differenz entspricht, bei umgekehrter Anwendung der Produkttheorie, einer zusätzlichen
Fläche von rund 2,6 qm (13,61 Euro: 5,24 Euro/qm = 2,597 qm). Der Antragsteller
begehrt also die Zusicherung für die Aufwendungen einer Wohnung, die rechnerisch
einer Wohnung von 47 qm plus 2,6 qm entspricht. Bei Würdigung der Rechtssprechung
zur temporären Bedarfsgemeinschaft und insbesondere der verfassungsrechtlichen
Vorgaben aus Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz hält die Kammer einen "Zuschlag" in dieser
Größenordnung zum Bedarf des Antragstellers als permanentes Mitglied der
Bedarfsgemeinschaft für offensichtlich angemessen. Dass der Antragsteller in der Folge
eine Wohnung mit einer Größe von 64,17 qm anmieten kann, ergibt sich aus
konsequenter Anwendung der Produkttheorie und ist für die Entscheidung ohne Belang,
weil angemessen (lediglich) die Aufwendungen sein müssen.
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Darüber hinaus ergibt sich der Anordnungsanspruch des Antragstellers auch daraus,
dass die Kammer in der Hauptsache voraussichtlich auch für ihn allein und ohne
Berücksichtigung der Besuche der Tochter die Aufwendungen der neuen Unterkunft als
angemessen ansehen wird. Denn wenn für einen Alleinstehenden 50 qm als
angemessene Wohnfläche gelten, liegt der Kaltmietpreis der neuen Wohnung unter dem
angemessenen Produkt in Höhe von 262,00 Euro.
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Es ist noch nicht abschließend geklärt, welche Wohnfläche seit dem 01.01.2010 als
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angemessen anzusehen ist. Offen ist, ob nach den Neuregelungen der
landesrechtlichen Bestimmungen zur Wohnraumgröße im sozialen Mietwohnungsbau
mit Wirkung zum 01.01.2010 bei einer Person nach wie vor von 45 Quadratmetern (so
Ziff. 5.7 des Runderlasses des Ministeriums für Städtebau und Wohnen
"Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum
Wohnungsbindungsgesetz vom 08.03.2002, in der geänderten Fassung vom
21.09.2006), von 47 Quadratmetern (Anlage 1, Ziff. 1.4.1 der
Wohnraumförderbestimmungen, Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr
vom 26.01.2006, in der geänderten Fassung vom 28.01.2010) oder von 50
Quadratmetern (Nr. 8.2 der Wohraumnutzungsbestimmungen, Runderlass des
Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009) als angemessene
Wohnraumgröße auszugehen ist.
Es spricht jedoch viel dafür, von einer Fläche von 50 qm als angemessen für eine
Person auszugehen, weil dies den derzeit geltenden landesrechtlichen Bestimmungen
zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus entspricht. Eine Bezugnahme auf die
Wohnraumförderbestimmungen wird nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts
vom 17.12.2009 (Az. B 4 AS 27/09 R) nicht in Betracht kommen, weil in dieser Regelung
die Größe der Wohnung lediglich mit der Zahl der Zimmer und nicht mit der Zahl der
Personen verknüpft wird (vgl. ausführlich Urteil des LSG NRW vom 29.04.2010, L 9 AS
58/08). Nach der Rechtsprechung des BSG war es vielmehr - zumindest für Zeiträume
bis zum 31.12.2009 - zutreffend, auf die landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen
zu § 27 Abs. 4 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) zum Wohnberechtigungsschein
und konkret auf Ziff. 5.7 der entsprechenden Verwaltungsvorschrift abzustellen, die für
Alleinstehende eine Wohnfläche von 45 qm als in der Regel angemessen vorsah (BSG
vom 17.12.2009, Az. B 4 AS 27/09 R). Das Wohnraumförderungsgesetz wurde zum
01.01.2010 durch das Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land
Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW) ersetzt. Die dem § 27 WoFG entsprechende
Regelung in § 18 WFNG NW wird nunmehr durch Nr. 8.2
Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB) konkretisiert. Angemessen ist danach in der
Regel eine Wohnungsgröße für Alleinstehende von 50 qm. Zwar ist weder dem SGB II
noch dem Regelungswillen des Gesetzgebers zu entnehmen, dass eine dynamische
Verweisung auf das Wohnbauförderungsrecht zur Bestimmung der angemessenen
Unterkunftskosten beabsichtigt war (vgl. LSG NRW vom 29.04.2010, L 9 AS 58/08). Die
Methode, zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche auf die landesrechtlichen
Bestimmungen zur Wohnbauförderung abzustellen, ist jedoch von der Rechtsprechung
in Ermangelung einer bundeseinheitlichen Regelung aus Gründen der Rechtssicherheit
und der Praktikabilität entwickelt worden. Nach der Rechtsprechung des BSG verbietet
sich ein Vorgehen, bei dem nicht aktuell festgesetzte Werte zugrunde gelegt werden,
sondern stattdessen auf diejenigen Verwaltungsvorschriften abgestellt wird, die im
Zeitraum vor dem Inkrafttreten des SGB II zur Anwendung gekommen waren (BSG vom
22.09.2009, Az. B 4 AS 70/08 R, zum Land Sachsen). Diese Maßstäbe angelegt, muss
auch nach den Neuregelungen in NRW ab dem 01.01.2010 auf die aktuellen
Bestimmungen, namentlich auf 50 qm als angemessen für eine Person, abzustellen
sein, weil die bis dahin geltenden noch aus dem Jahr 2002 stammten.
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Weil nach der gebotenen Prüfungsdichte eine Hauptsacheklage voraussichtlich Erfolg
haben wird, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund.
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Ein Anordnungsgrund ist bereits darin zu sehen, dass dem Antragsteller auf keine
andere Weise effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann als durch Erlass der
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entsprechenden Anordnung. Zwar ist die Zusicherung nicht Voraussetzung für die
Übernahme der tatsächlichen Kosten gemäß § 22 Abs. 1 SGB II nach einem Umzug.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 SGB II besteht jedoch ein
Rechtsanspruch auf Erteilung der Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue
Unterkunft. Dieser besteht aber nur bezogen auf ein konkretes Wohnungsangebot, so
dass - weil kaum ein Wohnungsangebot für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens
aufrechterhalten bleibt - der Anspruch in der Praxis nur im Eilverfahren durchgesetzt
werden kann. Dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes widerspricht es also, den
Hilfebedürftigen statt des gesetzlich normierten Anspruchs auf Zusicherung nach § 22
Abs. 2 SGB II auf den Anspruch auf Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten
nach § 22 Abs. 1 SGB II zu verweisen. Zudem hat er ein berechtigtes Interesse an der
vorherigen verbindlichen Feststellung durch die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II,
dass die Kosten der neuen Unterkunft übernommen werden, damit nicht er selbst das
Risiko eines Umzuges ohne Zusicherung trägt. Die Entscheidung war schließlich auch
deshalb eilbedürftig, weil die Wohnung ab dem 01.01.2011 gemietet werden kann und
nur bis zum 31.12.2010 reserviert wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73 a Abs.1
SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO liegen vor. Ausweislich der eingereichten Unterlagen kann
der Antragsteller die Kosten für die Prozessführung auch teilweise oder in Raten nicht
selbst aufbringen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat Erfolg.
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