Urteil des SozG Dortmund vom 16.06.2003

SozG Dortmund: krankenversicherung, gerichtsakte, zustand, krankheitsbegriff, eingriff, adipositas, rechtskraft, übernahme, datum, operation

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Nachinstanz:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Sozialgericht Dortmund, S 16 (13) KR 86/02
16.06.2003
Sozialgericht Dortmund
16. Kammer
Urteil
S 16 (13) KR 86/02
Landessozialgericht NRW, L 5 KR 129/03
Krankenversicherung
nicht rechtskräftig
Der Bescheid der Beklagten vom 09.01.2001 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 14.03.2002 wird aufgehoben. Die
Beklagte wird verurteilt, die Brustverkleinerung der Klägerin zu ihren
Lasten zu übernehmen. Die Beklagte hat die zweckentsprechenden
außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob sich die Klägerin zu Lasten der Beklagten operativ die Brust verkleinern
lassen kann.
Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Den Antrag auf Kosten übernahme für
eine Brustverkleinerung stellt sie unter Hinweis auf die außer gewöhnliche Größe beider
Brüste.
Die Beklagte holte fachmedizinischen Begutachtungen des Medizinischen Dien stes ein.
Dieser kam zu dem Ergebnis, dass wegen der allgemeinen Adipositas der Klägerin
zunächst Maßnahmen der Gewichtsreduktion medizinisch indiziert seien.
Dementsprechend lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom
09.01.2001 und Widerspruchsbescheid vom 14.03.2002 ab.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 02.04.2002 Klage erhoben.
Sie trägt vor, dass eine allgemeine Gewichtsreduktion nicht ihre Beschwerden im HWS-
BWS Bereich bessern oder lindern könne. Die Schwere der Brust werde durch eine
allgemeine Gewichtsreduktion nicht gezielt abgebaut.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 14.03.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Brustverkleinerung der
Klägerin zu ihren Lasten durchzuführen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Bezugnahme auf das Gutachten des Medizinischen Dienstes vom
05.09.2001 vor, dass eine operative Brustverkleinerung bei der Klägerin nicht medizinisch
erforderlich sei.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von
Dr. aus. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis ge kommen, dass es sich bei der
Brustverkleinerung der Klägerin nicht um eine ästhetische Operation, sondern um einen
medizinisch indizierten Eingriff handele.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Rechtsvortrages der Betei ligten wird auf
den Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 09.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 14.03.2002 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne von § 54 Abs.2 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Klägerin hat einen Anspruch gemäß § 27 des Sozialgesetzbuches V auf Vornahme
einer operativen Brustverkleinerung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung und
damit zu Lasten der Beklagten.
Das Gericht ist aufgrund des Gutachtensachtens des gerichtlichen Sachverständigen zu
der Überzeugung gekommen, dass es bei der Klägerin durch die Gigantomastie der Brüste
zu einem regelwidrigen körperlichen Zustand kommt, der den Krankheitsbegriff des § 27
SGB V erfüllt.
Die Gigantomastie steht außer Streit. Es ist nachvollziehbar, dass der Sach verständige die
röntgenologisch gesicherten Veränderungen an der Wirbelsäule auf die Schwere der
Brüste zurückführt. Der Sachverständige hat auf der Grundlage seiner Untersuchung
überzeugend dargelegt, dass es durch die Gewichtseinwirkung zu einer Vermehrung der
Rundrückenbildung im oberen BWS-Bereich komme, was zur Folge habe, dass eine
Einengung der Wirbelzwischenlöcher eintrete, die die radikulären Schmerzzustände der
Klägerin auslösten. Wegen der Kompensation im Gefüge der Wirbelsäule komme es auch
zu einer Schmerzsymtomatik aus dem Bereich der HWS. Die Schmerzen strahlten in die
Arme aus. Sie seien medikamentös und physiotherapeutische nur schwer zu beeinflussen.
Diese biomechanischen Zusammenhänge sind einleuchtend und werden die Befunde der
Untersuchung gestützt. Die Untersuchungsergebnisse im Gutachten des Medi zinischen
Dienstes weichen im übrigen kaum von denen des gerichtlichen Sachverständigen ab. Nur
die Schlussfolgerung sind verschieden. Das Gericht kann der Auffassung des
Medizinischen Dienstes nicht folgen, dass die Klägerin zu nächst eine gesamte
Gewichtsreduktion durchführen müsse. Ob bei einer gene rellen Gewichtabnahme auch die
Schwere der Brüste wesentlich abnimmt, ist zu bezweifeln. Durch das Herabhängen der
Brüste ist eine Eigendynamik bei der Reduzierung der Fettzellen zu erwarten, die nicht
parallel mit der allgemeinen Gewichtsreduktion verlaufen wird.
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Aus diesen Gründen konnte dem Begehren der Klägerin entsprochen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.