Urteil des SozG Dortmund vom 29.01.2010

SozG Dortmund (sgg, untätigkeitsklage, stelle, anschluss, auflage, ausdrücklich, klageerhebung, antrag, ermessen, akten)

Sozialgericht Dortmund, S 7 SB 55/08
Datum:
29.01.2010
Gericht:
Sozialgericht Dortmund
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 7 SB 55/08
Sachgebiet:
Sonstige Angelegenheiten
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
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Dem Antrag der Klägerin, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen, kann nach billigem
Ermessen nicht stattgegeben werden.
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Nach § 193 Absatz 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht über
die Kostenerstattungspflicht auf Antrag durch Beschluss, sofern das Verfahren anders
als durch Urteil beendet wird. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die
Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, ergeht unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Insoweit sind die
Erfolgsaussichten der Klage, wie auch die Gründe für die Klageerhebung und die
Erledigung summarisch zu prüfen (Mayer-Ladewig SGG 9. Auflage 2008 § 193
Randnummer 12 ff).
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Nach eingehender Prüfung wird es vorliegend nicht als ermessensgerecht angesehen,
der Beklagten die Kosten für die erhobene Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufzuerlegen. Im Wesentlichen ist insoweit maßgeblich,
dass die Beklagte der Klägerin keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat.
So richtet sich die Untätigkeitsklage gegen eine nicht kostenpflichtige Beklagte, ohne
dass sich diese eine Untätigkeit der Widerspruchsbehörde zurechnen lassen müsste.
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Der richtige Klagegegner, das heißt die Passivlegitimation, bestimmt sich grundsätzlich
danach, von welcher juristischen Person öffentlichen Rechts bzw. - soweit
beteilgtenfähig - von welcher Behörde eine Leistung, ein Verwaltungsakt oder eine
Feststellung bzw. auch eine Aufhebung begehrt wird (vgl. Mayer-Ladewig SGG 9.
Auflage 2008 § 54 Randnummer 45). Im Land Nordrhein-Westfalen sind Behörden
beteiligtenfähig (vgl. § 70 Nr. 3 SGG iVm § 3 des SGG Ausführungsgesetzes NRW).
Soweit Ausgangs- und Widerspruchsbehörde nicht ausnahmweise identisch sind, ist
bezogen auf den richtigen Klagegegner bei einer Untätigkeitsklage im
Widerspruchsverfahren im Sinne von § 88 Absatz 2 SGG bezogen auf den richtigen
Klagegener zu differenzieren. Zunächst ist die Klage gegen die Ausgangsbehörde bzw.
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den entsprechenden Rechtsträger zu richten, denn der Widerspruchsführer begehrt in
erster Linie eine Abhilfe. Nach der "Nichtabhilfeentscheidung" mit Eintritt des
Devolutiveffektes und Übergang der Entscheidungskompetzenz auf die
Widerspruchsstelle richtet sich die Untätigkeitsklage dann dem Begehren folgend
grundsätzlich auch gegen diese Stelle, denn Ziel des Widerspruchsführeres ist nun die
Entscheidung der Widerspruchsstelle. Allerdings ist bei einer Untätigkeitsklage denkbar,
dass der richtige Klagegegener wie dargestellt und die untätige Stelle nicht identisch
sind. Um dann und insbesondere auch bei einer für den Widerspruchsführer einer Stelle
nicht sicher zurechenbaren Untätigkeit den richtigen Kostenschuldner zu verklagen, ist
es ausdrücklich als zulässig anzusehen, dass die Klage gegen beide Stellen, die
Ausgangs- und die Widerspruchsstelle gerichtet wird (vgl. Bayrisches
Landessozialgericht Beschluss vom 18.07.2006 - L 11 B 727/05 SO -).
Im vorliegenden Fall hat die beklagte Stadt Dortmund die Klägerin mit Schreiben vom
07.01.2008 dahingehend informiert, dass sie dem Widerspruch gegen den Bescheid
vom 09.11.2007 nicht abhelfen könne und sie die Akten daher zuständigkeitshalber an
die Bezirksregierung Münster weiterleite. Unter Berücksichtigung dieses Schreibens
wäre die Untätigkeitsklage dann grundsätzlich - zumindest hilfsweise - gegen die
Bezirksregierung Münster zu richten gewesen, die auch zuständige
Widerspruchsbehörde war (vgl. Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.06.2009 - S
7 SB 54/08 - ). Zweifel an der Zuständigkeit der Bezirksregierung Münster als
Widerspruchsbehörde ergeben sich nach hiesiger Auffassung auch nicht im Anschluss
an die Entscheidung des Zehnten Senates des Landessozialgerichts (vgl. Urteil vom
16.12.2009 - L 10 SB 39/09 - ). Selbst wenn man sich der dortigen Auffassung
anschließen und die Widerspruchserteilung nach Kommunalisierung der
Versorgungsverwaltung als Selbstverwaltungsangelegenheit ansehen würde, wäre die
Bezirksregierung Münster für die Erteilung des Widerspruchsbescheides als zuständig
anzusehen. So ist § 2 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes zur Eingliederung der
Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltungs des Landes Nordrhein-Westfalen vom
30.10.2007 (VersÄmtEingl.G NW 2007, verkündet als Art.1 des Zweiten Gesetzes zur
Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Wesfalen) als anders lautende gesetzliche
Bestimmung im Sinne von § 85 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 auszulegen. Die Richtigkeit dieser
historischen Auslegung nach dem Willen des Gesetzgebers bestätigt sich durch die
(derzeit allerdings noch nicht verkündete) Neufassung von § 4a des SGG
Ausführungsgesetzes NRW, in dem nun ausdrücklich und rückwirkend ab Januar 2008
bestimmt werden soll, dass die Bezirksregierung Münster für die Erteilung der
Widerspruchsbescheide nach dem 2. Teil des Neunten des Sozialgesetzbuches (SGB
IX) zuständig sein soll.
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Anderweitige Ermessensgesichtspunkte, die die Kostentragungspflicht der Beklagten
begründen würden, greifen nicht durch.
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Ein eigenes Untätigbleiben, das unter Berücksichtigung der Dreimonatsfrist nach § 88
Absatz 2 SGG als relevant angesehen werden könnte, ist der Beklagten nicht
vorwerfbar. Vielmehr ist vorliegend trotz der Umstrukturierungsmaßnahmen durch das
VersÄmtEingl.G NW seitens der Beklagten eine zügige Bearbeitung des gegen den
Bescheid vom 09.11.2007 eingelegten Widerspruchs erfolgt, worüber die Klägerin auch
informiert war (vgl. Schreiben vom 07.01.2008). Ob zudem allgemeinkundige
Reibungsprobleme durch die Umstrukturierung der Versorgungsverwaltung als auch für
die Klägerin erkennbarer zureichender Grund im Sinne von § 88 Absatz 2 SGG für eine
Verlängerung der Dreimonatsfrist anzusehen sind, kann dahin stehen. So wäre eine
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Untätigkeit der Widerspruchsbehörde der Beklagten bezogen auf ihre
Kostentragungsverpflichtung vorliegend jedenfalls im Anschluss an die der Klägerin
kundgemachte Nichtabhilfeentscheidung nicht zuzurechnen, denn die Klägerin hätte die
Klage ohne Weiteres - ggfs. auch hilfsweise - gegen die Bezirksregierung Münster als
zuständige Widerspruchsbehörde richten können.