Urteil des SozG Detmold vom 19.01.2011

SozG Detmold: materielles recht, vorläufiger rechtsschutz, erlass, eltern, verfügung, gesetzesänderung, leistungsanspruch, gefahr, ausnahme, bereinigung

Sozialgericht Detmold
Beschluss vom 19.01.2011 (rechtskräftig)
Sozialgericht Detmold S 8 AS 37/11 ER
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren von dem Antragsgegner die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für
Arbeitsuchende nach dem SGB II für den Monat Januar 2011 ohne Anrechnung des Elterngeldes in Höhe von 300,00
EUR.
Die Antragsteller zu 3) bis 6) sind die Kinder der Antragsteller zu 1) und 2). Die Antragsteller zu 1) bis 5) stehen seit
dem 01.01.2005 im Leistungsbezug bei dem Antragsgegner. Am 00.00.2010 wurde die Antragstellerin zu 6) geboren.
Die Antragsteller zu 1) und 2) beziehen Elterngeld in Höhe von 300,00 EUR monatlich und Kindergeld in Höhe von
insgesamt 773,00 EUR monatlich.
Am 30.09.2010 beantragten die Antragsteller die Fortzahlung der Leistungen ab dem 01.11.2010. Mit Bescheid vom
15.10.2010 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern für den Zeitraum vom 01.11.2010 bis 31.12.2010
Leistungen in Höhe von 1.592,85 EUR monatlich. Für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.04.2011 bewilligte er
Leistungen in Höhe von 1.292,85 EUR monatlich, wobei er ab dem 01.01.2011 das Elterngeld als Einkommen
anrechnete. Hierzu führte er aus: Nach einer zum 01.01.2011 geplanten Rechtsänderung sei das Elterngeld in vollem
Umfang als Einkommen anzurechnen. Sofern die geplante Rechtsänderung nicht eintrete, werde der Anspruch
überprüft und die Leistung ohne erneute Antragstellung bewilligt.
Hiergegen legten die Antragsteller am 16.11.2010 Widerspruch ein, mit dem sie sich gegen die Anrechnung des
Elterngeldes als Einkommen wandten.
Mit Bescheid vom 27.12.2010 bewilligte der Antragsgegner für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.04.2011 sodann
Leistungen in Höhe von monatlich 1.322,85 EUR, wobei er nunmehr das Elterngeld in Höhe von 300,00 EUR um den
Freibetrag von 30,00 EUR bereinigte.
Am 07.01.2011 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung führen
sie aus: Die Leistungen seien ohne Anrechnung des Elterngeldes zu gewähren. Das gesetzliche Vorhaben halte einer
Überprüfung nicht stand. Die geplante Gesetzesänderung verstoße gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Es sei kein sachlicher
Grund ersichtlich, warum das Elterngeld bei SGB II-Leistungsbeziehern vollständig angerechnet werde, während der
übrige Personenkreis von der Elterngeldzahlung profitieren dürfe. Es führe auch zu einer Ungleichbehandlung von
Neugeborenen. Durch die Ungleichbehandlung und Diskriminierung von Eltern und ihrer Kinder, welche finanziell
bereits am Boden der Gesellschaft liegend auf jeden Euro angewiesen seien, werde die Kinderarmut noch mehr
hervorgerufen. Zudem würden die Leistungsberechtigten in ihrer Lebensplanung stark eingeschränkt. Bei der
Erziehung und Versorgung der Neugeborenen seien sie auf das Elterngeld in voller Höhe angewiesen. Ohne diese
Leistung seien die Kosten für Eltern untragbar, was zur Folge hätte, dass Leistungsbezieher keine Kinder mehr haben
wollten. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsgegner das Elterngeld bereits in Abzug bringe,
obwohl die gesetzliche Grundlage noch gar nicht in Kraft getreten sei.
Die Antragsteller beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für den Monat Januar 2011 Leistungen nach
dem SGB II ohne Anrechnung des Elterngeldes in Höhe von 300,00 EUR monatlich zu gewähren, hilfsweise den
Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II für den Monat Januar 2011
darlehensweise zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt er aus: Die Leistungsgewährung unter Anrechnung des Elterngeldes entspreche den
gesetzlichen Vorschriften. Gemäß Art. 15 Nr. 2 HBeglG vom 09.12.2010, verkündet am 14.12.2010, sei § 11 Abs. 3 a
SGB II ab dem 01.01.2011 ersatzlos gestrichen worden mit der Folge, dass das Elterngeld anzurechnendes
Einkommen darstelle, das lediglich um die Versicherungspauschale zu bereinigen sei. Der Antragsgegner sei
gehalten, die bestehenden Gesetze anzuwenden. Die Regelung sei aber auch nicht verfassungswidrig. Zweck des
Elterngeldes sei die Abfederung des aufgrund der Elternzeit wegfallenden Erwerbseinkommens eines Elternteils.
Dieser Zweck könne im Fall der Antragstellerin nicht erreicht werden, da diese vor der Inanspruchnahme von
Elternzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der
beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.-
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug
auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands
die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte
(Sicherungsanordnung). Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG können einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Voraussetzung ist dabei zunächst ein
Anordnungsanspruch, also ein materielles Recht, für das vorläufiger Rechtsschutz beantragt wird, sowie ein
Anordnungsgrund, also ein Sachverhalt, aus dem sich die Gefahr einer Rechtsvereitelung oder Erschwerung der
Rechtsverwirklichung durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes, mithin die besondere Eilbedürftigkeit,
ergibt. Anordnungsanspruch und -grund sind vom Antragsteller gemäß §§ 86 b Abs. 2 S. 3 SGG, 920 Abs. 2
Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.
Hiervon ausgehend haben die Antragsteller bereits einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zutreffend hat
der Antragsgegner das den Antragstellern zur Verfügung stehende Elterngeld in Höhe von 300,00 EUR monatlich unter
Bereinigung um die Versicherungspauschale von 30,00 EUR als Einkommen auf den Leistungsanspruch der
Antragsteller gemäß § 11 SGB II in der ab 01.01.2011 geltenden Fassung angerechnet. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB
II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der dort genannten Leistungen zu
berücksichtigen. Als Einnahme in Geld gehört auch das Elterngeld in Höhe von 300,00 EUR monatlich zum
berücksichtigungsfähigen Einkommen.
Soweit § 11 Abs. 3 a SGB II in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung in Verbindung mit § 10 BEEG bislang
vorsah, dass das Elterngeld bis zu einer Höhe von 300,00 EUR abweichend von den Absätzen 1 bis 3 des § 11 SGB
II nicht als Einkommen anzurechnen war, so ist die Vorschrift des § 11 Abs. 3 a SGB II durch Art. 15 Ziff. 2 HBeglG
vom 09.12.2010 ab dem 01.01.2011 aufgehoben worden, so dass für das Elterngeld nunmehr wiederum die
Grundsätze des § 11 Abs. 1 bis 3 SGB II gelten. Die Privilegierung des Elterngeldes ist mit der Aufhebung des § 11
Abs. 3 a SGB II entfallen; das Elterngeld nunmehr wie jede Einnahme in Geld auf den Leistungsanspruch
anzurechnen.
Entgegen den Ausführungen der Antragsteller handelt es sich hierbei auch nicht etwa um eine geplante
Gesetzesänderung oder ein Gesetzesvorhaben. Der Antragsgegner wendet auch nicht etwa bereits Vorschriften an,
die noch gar nicht in Kraft getreten sind. Durch das HBeglG vom 09.12.2010 ist die Vorschrift des § 11 Abs. 3 a SGB
II ab dem 01.01.2011 aufgehoben.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist
lediglich dann verletzt, wenn zwischen zwei Vergleichsgrupen keine Unterschiede von solcher Art und solchem
Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Hier werden hinsichtlich der Zahlung
des Elterngeldes alle elterngeldberechtigten Personen gleich behandelt und hinsichtlich der Anrechnung auf die
Leistungen nach dem SGB II gemäß § 11 SGB II auch sämtliche mit ihren Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft
lebenden Eltern. Soweit die Neuregelung für elterngeldberechtigte Personen dazu führt, dass diese tatsächlich nicht
mehr Geld als vor dem Bezug des Elterngeldes zur Verfügung haben, so ist rechtfertigender Grund hierfür jedenfalls
der Grundsatz der Subsidiarität der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II, der den Verweis auf andere
Einkünfte zur Deckung des grundsicherungsrechtlichen Bedarfes ermöglicht.
Für eine darlehensweise Leistungsgewährung ist bereits eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Diese Entscheidung ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG unanfechtbar, da der Wert des
Beschwerdegegenstandes für keinen der Beteiligten den Wert von 750,00 EUR übersteigt. Ausdrücklich haben die
Antragsteller lediglich die Gewährung von Leistungen ohne Anrechnung des Elterngeldes von 300,00 EUR für den
Monat Januar 2011 beantragt.