Urteil des SozG Detmold vom 17.08.2010

SozG Detmold (besondere härte, kläger, höhe, darlehen, verwertung, härte, lebensversicherung, abzug, wohnfläche, wert)

Sozialgericht Detmold, S 8 AS 190/09
Datum:
17.08.2010
Gericht:
Sozialgericht Detmold
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 8 AS 190/09
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten darum, ob die Kläger von der Beklagten im Zeitraum vom
01.06.2009 bis 31.08.2009 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) trotz vorhandenen Vermögens
beanspruchen können.
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Der am 00.00.1949 geborene Kläger zu 1) ist der Ehemann der am 00.00.1950
geborenen Klägerin zu 2). Die Kläger beantragten am 12.11.2008 erstmals die
Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Kläger sind Eigentümer eines mit
einem Einfamilienhaus bebauten Hausgrundstücks in der Hstraße 0 in M. Das Haus
wurde im Jahr 1988 erbaut und verfügt über eine Wohnfläche von 184,43 qm, wovon
27,63 qm auf eine Einliegerwohnung im Dachgeschoss entfallen. Das Grundstück ist
1.085 qm groß. Das Hausgrundstück ist belastet durch drei Darlehen bei der B, die
durch Grundschulden gesichert sind. Im Einzelnen handelt es sich um das Darlehen Nr.
931445507 über ursprünglich 110.950,34 EUR, das Darlehen Nr. 931445515 über
ursprünglich 93.566,41 EUR und das Darlehen Nr. 9311445523 über 10.225,84 EUR.
Im streitgegenständlichen Zeitraum valutierten diese Darlehen noch mit 102.978,82
EUR, 86.708,06 EUR bzw. 9.114,85 EUR. Zur Sicherung der Darlehen ist weiter eine
Lebensversicherung bei der B mit der Versicherungsnummer 0 abgetreten, die 2008
über einen Rückkaufwert von 71.281,80 EUR verfügte.
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Mit Bescheid vom 27.11.2008 bewilligte die Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen
nach dem SGB II für den Zeitraum vom 12.11.2008 bis 31.05.2009. Sie holte eine
Wertauskunft des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Lippe und in der
Stadt Detmold ein, der in seiner Wertaussage vom 12.12.2008 einen überschlägigen
Verkehrswert des Hausgrundstücks von 250.000 EUR ermittelte.
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Am 13.05.2009 beantragten die Kläger die Fortzahlung der Leistungen über den
31.05.2009 hinaus. Mit Bescheid vom 04.06.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
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Gleichzeitig wies sie auf die Möglichkeit der darlehensweisen Leistungsgewährung hin.
Zur Begründung führte sich aus: Die Kläger verfügten über Vermögen, das die
Hilfebedürftigkeit ausschließe. Das in ihrem Eigentum stehende Hausgrundstück stelle
kein angemessenes Hausgrundstück im Sinne der Vorschriften dar. Zunächst sei die
Grundstücksfläche zu groß, angemessen seien ca. 800 qm. Darüber hinaus sei aber
auch die Wohnfläche für zwei Personen erheblich zu groß; bei zwei Personen seien 90
qm als angemessen anzusehen. Auch sei eine unzumutbare Härte nicht ersichtlich.
Unter Berücksichtigung des Verkehrswertes des Hauses in Höhe von 250.000 EUR
verbleibe nach Abzug der Verbindlichkeiten in Höhe von 196.714,63 EUR und des
Vermögensfreibetrages von 19.050 EUR ein Vermögensüberschuss von 34.235,37
EUR.
Hiergegen legten die Kläger am 12.06.2009 Widerspruch ein. Der Verkauf der Immobilie
sei unwirtschaftlich. So falle für die Darlehen im Falle eines Verkaufes eine
Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 15.759,27 EUR an. Zudem entstünden
Umzugskosten in Höhe von 6.000 bis 7.000 EUR. Auch eine Maklercourtage in Höhe
von 10.000 EUR würde anfallen. Zudem erwarte der Kläger zu 1) ab dem 01.09.2009
eine monatliche Rente in Höhe von etwa 2.000 EUR, womit die Kläger nicht mehr
hilfebedürftig seien. Die Verwertung des Hauses in Anbetracht des so kurzen Zeitraums
der Hilfebedürftigkeit stelle eine unzumutbare Härte dar.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück. Selbst nach Abzug einer Vorfälligkeitsentschädigung, die die
Beklagte mit 13.331,72 EUR errechnete, verbleibe ein Vermögensüberschuss von
20.903,65 EUR. Die Maklercourtage oder Umzugskosten seien weder belegt noch
nachvollziehbar. Die Maklercourtage könne auch vom Käufer übernommen werden. Der
nahe Rentenbezug stelle keinen Härtefall dar. Die Beklagte verwies diesbezüglich auf
die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15.04.2008, Az.: B 14 AS 27/07
R.
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Mit der hiergegen am 24.07.2009 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren
weiter. Sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren
und führen ergänzend aus: Anrufe bei lippischen Maklern hätten ergeben, dass bei
einem Verkauf eine Verkäufercourtage von drei Prozent zzgl. Mehrwertsteuer und eine
Käufercourtage von drei Prozent zzgl. Mehrwertsteuer anfielen. Die Auffassung der
Beklagten, dass eine Courtage vom Käufer zu tragen sei, sei völlig unrealistisch.
Umzugskosten könnten per Angebot erfasst werden; eine vorläufige Schätzung belaufe
sich auf 5.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer. Hinzu kommen würden Kosten für
Mietkaution, Renovierung, Investition in eine neue Küche oder Umbau der
mitgenommenen Küche. Es liege eine besondere Härte vor. Durch eine Kündigung der
Lebensversicherung kurz vor dem Zahltag gehe der hohe Schlussüberschuss verloren.
So belaufe sich das Vermögen zum 31.12.2008 auf 92.838,80 EUR. Würde die
Lebensversicherung bis zum 01.04.2014 weitergeführt, belaufe sich das Vermögen auf
277.915,28 EUR. Dies gegenübergestellt ergebe sich bei einem Hausverkauf ein
Vermögensverlust von 185.076,48 EUR. Sie hätten alles getan, um ihre
Hilfebedürftigkeit so kurz wie möglich zu halten. Eine darlehensweise
Leistungsgewährung hätten sie nicht in Anspruch nehmen wollen und den Zeitraum
anderweitig überbrückt, da sie den Anfall weiterer Kosten vermeiden wollten. Sie hätten
sich diesbezüglich auch gar nicht weiter bei der Beklagten informiert.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 04.06.2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem
SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2009 bis 31.08.2009 zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und
führt ergänzend aus: Der zu erzielende Erlös bei Verwertung der Immobilie werde noch
höher sein als die Beklagte bisher angenommen habe. Bislang sei die
Lebensversicherung unberücksichtigt geblieben, die zur Sicherung der Darlehen
abgetreten sei. Diese sei von den Belastungen abzuziehen, sodass sich die
eigentlichen Belastungen lediglich auf 125.432,83 EUR beliefen. Es sei daher von
einem zu erzielenden Erlös von 124.567,17 EUR auszugehen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten das Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der Leistungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Kläger sind durch den angefochtenen Bescheid vom 04.06.2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil der Bescheid rechtmäßig ist. Die Kläger haben im
streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.06.2009 bis 31.08.2009 keinen Anspruch
gegen die Beklagte auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Kläger sind
im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig gemäß §§ 7, 9 SGB II, da sie
ihren Lebensunterhalt aus dem vorhandenen Vermögen bestreiten konnten.
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Gemäß § 7 Abs. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen nach dem
SGB II. Hilfebedürftig ist dabei gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt,
seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen
Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus
dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die
erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere nicht von Angehörigen oder von
Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
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Hier waren die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum in der Lage, ihren
Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Vermögen zu bestreiten. Als
Vermögen sind gemäß § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu
berücksichtigen. Als verwertbaren Vermögensgegenstand hat die Beklagte hier
zutreffend das im Eigentum der Kläger stehende, mit einem Einfamilienhaus bebaute
Hausgrundstück berücksichtigt.
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Gemäß § 12 Abs. 4 S. 1 SGB II ist das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu
berücksichtigen. Gemäß § 12 Abs. 4 S. 2 SGB II ist für die Bewertung der Zeitpunkt
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maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb
von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs. Wesentliche Änderungen des
Verkehrswertes sind gemäß § 12 Abs. 4 S. 3 SGB II zu berücksichtigen. Hier verfügte
das Haus ausweislich der Wertauskunft des Gutachterausschusses für
Grundstückswerte zum Zeitpunkt der Antragstellung über einen Verkehrswert von
250.000 EUR. Einwände gegen diese Verkehrswertermittlung haben die Kläger nicht
vorgetragen, sondern diese auch vielmehr ihrer eigenen Vermögensberechnung
zugrunde gelegt. Das Hausgrundstück ist auch nicht über den Marktwert hinaus
belastet. Zwar bestanden im streitgegenständlichen Zeitraum noch durch
Grundschulden gesicherte Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 198.801,73 EUR,
jedoch ist hiervon der für die zur Sicherung der Darlehen abgetretene
Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 71.281,80 EUR in Abzug zu bringen,
so dass sich die auf der Immobilie lastenden Verbindlichkeiten lediglich noch auf
127.519,93 EUR belaufen und ein zu realisierender Wert von 122.480,07 EUR verbleibt.
Selbst nach Abzug der von den Klägern angeführten Beträge wie Umzugskosten,
Maklercourtage und Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von insgesamt 31.759,27 EUR
würde ein Betrag von 90.751,07 EUR verbleiben. Auch nach der eigenen Berechnung
der Kläger verfügten sie über Vermögen in Höhe von 92.838,80 EUR.
Dem so errechneten Vermögen stehen im streitgegenständlichen Zeitraum Freibeträge
der Kläger gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 4 SGB II in Höhe von 19.050 EUR bzw. 19.200
EUR gegenüber. Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II sind vom Vermögen ein
Grundfreibetrag in Höhe von 150 EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber 3.100 EUR, abzusetzen. Gemäß
§ 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB II ist ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe
von 750 EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen zu
berücksichtigen. Hieraus errechnet sich für den Kläger zu 1) bis zum 06.08.2009 für den
Kläger zu 1) ein Freibetrag von 9.600 EUR (8.850 EUR und 750 EUR) und ab dem
07.08.2009 mit der Vollendung des 60. Lebensjahres von 9.750 EUR. Für die Klägerin
zu 2) errechnet sich im streitgegenständlichen Zeitraum ein Freibetrag von 9.450 EUR
(8.700 EUR und 750 EUR). Insgesamt steht den Klägern damit bis zum 06.08.2009
Freibetrag von 19.050 EUR und ab dem 07.08.2009 von 19.200 EUR.
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Das Hausgrundstück stellt auch kein geschütztes Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 3
Nr. 4 SGB II dar. Gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ist als Vermögen nicht zu
berücksichtigen ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder
eine entsprechende Eigentumswohnung. Das Haus ist mit einer Gesamtwohnfläche von
184,43 qm nicht mehr angemessen im Sinne der Vorschrift.
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Bei dem Begriff der angemessenen Größe handelt es sich um einen unbestimmten
Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (BSG, Urteil vom
07.11.2006, Az.: B 7b AS 2/05 R). In Anlehnung an die Vorschriften des 2.
Wohnungsbaugesetzes vom 19. August 1994 (BGBl I 2137) gilt bei einem Familienheim
eine Größe von 130 qm bei einem vier Personen Haushalt noch als angemessen (vgl.
BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14/7b AS 34/06 R). Für jede weitere im Haushalt
lebende Person ist eine Fläche von 20 qm zu addieren (vgl. Eicher/Spellbrink, 2. Auflg.,
§ 12 SGB II Rdnr. 71). Bei einer geringeren Familiengröße sind je Person Abschläge
von 20 qm vorzunehmen.
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Hiervon ausgehend ist eine Wohnfläche von 90 qm für die aus zwei Personen
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bestehende Bedarfsgemeinschaft angemessen. Die Gesamtwohnfläche des Hauses
beträgt aber 184,43 qm und übersteigt damit die angemessene Fläche um etwa das
Doppelte. Selbst unter Berücksichtigung eines Toleranzwertes von zehn Prozent
übersteigt die vorhandene Wohnfläche noch den angemessenen Wert.
Die Verwertung des Vermögens ist auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne
des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit liegt nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dann vor, wenn der zu erzielende
Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu
verwertenden Vermögensgegenstandes steht (vgl. BSG v. 06.09.2007, Az: B 14/7b AS
66/06 R und BSG v. 15.04.2008, Az.: B 14/7b AS 68/06 R). Anhaltspunkte hierfür liegen
nicht vor. Soweit die Kläger darauf verweisen, dass im Falle eines Verkaufs weitere
Kosten anfallen, so führt dies nicht zu einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der
Verwertung. Selbst unter Berücksichtigung der Vorfälligkeitsentschädigung von
15.759,27 EUR, der Maklercourtage in Höhe von 10.000 EUR und der Umzugskosten in
Höhe von 6.000 EUR, insgesamt 31.759,27 EUR, würden diese lediglich etwa 12
Prozent des Verkehrwertes darstellen. Ein Verlust von etwa 12 Prozent begründet im
grundsicherungsrechtlichen Bereich aber unter Berücksichtigung der Subsidiarität der
Leistungen nach dem SGB II noch keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit. Soweit die
Kläger darüber hinaus darauf verweisen, dass die Verwertung des Hauses einen
Vermögensverlust von 185.076,48 EUR bedeuten würde, so folgt auch hieraus nicht die
Unwirtschaftlichkeit der Verwertung des Hausgrundstücks. Die Berechnung der Kläger
stellt ihre Vermögenssituation am 31.12.2008 mit einem Wert von 92.838,80 EUR und
die von ihnen erwartete Vermögensentwicklung zum 01.04.2014 mit einem
Vermögenswert von 277.915,28 EUR gegenüber. Der von den Klägern errechnete
Verlust stellt die Differenz hieraus dar. Hieraus wird aber deutlich, dass es nicht um
Beträge geht, die die Kläger bei der Verwertung ihres aktuellen Vermögens nicht
würden realisieren können, sondern vielmehr darum, den geplanten und erwarteten
Vermögensaufbau mit einer erheblichen Vermögenssteigerung bis zum Jahr 2014
weiter betreiben zu können. Der Aufbau weiterer Vermögenswerte unterfällt aber nicht
dem Schutzzweck des SGB II.
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Auch stellt die Verwertung für die Kläger keine unzumutbare Härte im Sinne des § 12
Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II dar. Als Vermögen sind gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II
Sachen und Rechte insoweit nicht als Vermögen zu berücksichtigen, als ihre
Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Wann von einer
"besonderen Härte" im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II auszugehen ist, richtet
sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei maßgebend nur außergewöhnliche
Umstände sein können, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das
Schonvermögen (§ 12 Abs 3 Satz 1 SGB II, § 4 Abs 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-
Verordnung (Alg II-V)) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs 2 SGB II erfasst
werden. Für die Anwendung des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II müssen daher
außergewöhnliche Umstände (etwa die Betreuungspflege bedürftiger Personen, vgl
Nachweise bei Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl, § 12 RdNr 55 ff; auch Behrend in Juris
Praxiskommentar, SGB II, § 12 RdNr 52) vorliegen, die dem Betroffenen ein deutlich
größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der
Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Dies machen auch die
Gesetzesmaterialien deutlich. Hiernach liegt ein Härtefall iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6
Alternative 2 SGB II zB dann vor, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem
Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsste, obwohl seine
Rentenversicherung Lücken wegen selbständiger Tätigkeit aufweist (BT-Drucks
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15/1749, S 32). Dem kann entnommen werden, dass nach den Vorstellungen des
Gesetzgebers im Beispielsfall nicht allein der Verlust der Altersvorsorge und dessen
Zeitpunkt, sondern beides auch nur zusammen mit der Versorgungslücke eine
besondere Härte darstellte. Es sind also nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen
regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu
prüfen (vgl. zum Vorstehenden BSG, Urteil vom 16.05.2007, Az.: B 11b AS 37/06 R).
Hiervon ausgehend bedeutet die Verwertung des Vermögens für die Kläger keine
besondere Härte. Es sind keine besonderen, bei anderen Hilfebedürftigen nicht
anzutreffenden Umstände ersichtlich, die einen Härtefall begründen könnten. Allein die
kurze Dauer des Leistungsbezuges bis zum Beginn der Altersrente begründet nicht die
Annahme eines Härtefalles, denn dies stellt keinen Umstand dar, der regelmäßig bei
anderen Hilfebedürftigen nicht anzutreffen ist. Auch ist nicht erkennbar, dass hier eine
Versorgungslücke bei der Altersversorgung geschlossen werden muss. Vielmehr hat
der Kläger zu 1) selbst mitgeteilt, dass er eine Rente in Höhe von etwa 2.000 EUR
monatlich beziehe.
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Eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung der begehrten Leistungen als Darlehen
gemäß § 23 Abs.5 SGB II kommt ebenfalls nicht in Betracht. Gemäß § 23 Abs. 5 S. 1
SGB II sind Leistungen als Darlehen zu erbringen, soweit dem Hilfebedürftigen der
sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem
Vermögen nicht möglich ist oder eine besondere Härte bedeuten würde. Eine
Gewährung darlehensweiser Leistungen scheidet bereits deshalb aus, weil die Kläger
trotz Hinweises der Beklagten kein Interesse an dieser Art der Leistungsgewährung
bekundet haben. Auf den Hinweis der Beklagten in dem angefochtenen
Ablehnungsbescheid haben sie sich entschieden, den Zeitraum anderweitig zu
überbrücken und sich nicht einmal bei der Beklagten über die Möglichkeiten der
darlehensweisen Leistungsgewährung informiert. Die Beklagte handelte daher auch
insoweit nicht rechtsfehlerhaft, als sie den Klägern ohne ihren Antrag kein Darlehen
gewährte. Wegen der mit der Absicherung des Darlehens verbundenen Rechtseingriffe
insbesondere bei Rechten an Grundstücken sowie der Rückzahlungsverpflichtung des
Darlehens kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Gewährung
eines Darlehens der Interessenlage eines Antragstellers entspricht (LSG NRW, Urteil
vom 03.12.2007, Az.: L 20 AS 71/06). Weder im Verlauf des Widerspruchs- noch des
Klageverfahrens haben die Kläger ein Interesse an darlehensweisen Leistungen zum
Ausdruck gebracht. Jedenfalls nach Erteilung des Hinweises der Beklagten auf die
Möglichkeit der darlehensweisen Leistungsgewährung, der ohne Reaktion der Kläger
blieb, liegt kein Rechtsfehler der Beklagten darin, von einer Darlehensgewährung
abzusehen.
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Darüber hinaus kommt die Gewährung selbst eines Darlehens gemäß § 23 Abs. 5 SGB
II im Hinblick auf die Subsidiarität der Leistungen nach dem SGB II regelmäßig nur dann
in Betracht, wenn dem Hilfebedürftigen keine anderen Mittel zur Bestreitung des
Lebensunterhaltes, ggf. aus dem liquiden Teil des Vermögens, zur Verfügung stehen
oder sie die Mittel nicht anderweitig, beispielsweise durch die Inanspruchnahme privater
Darlehen oder ähnlichem, beschaffen können. Hier haben die Kläger mitgeteilt, dass sie
den streitgegenständlichen Zeitraum anderweitig überbrückt haben, sodass das Gericht
davon ausgeht, dass sie die Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes selbst
beschaffen konnten. Der Gewährung von SGB II - Leistungen, auch darlehnsweise,
bedurfte es nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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