Urteil des SozG Detmold vom 30.03.2010

SozG Detmold (monat, einkommen, anrechenbares einkommen, höhe, bewilligung, einnahme, zweck, prämie, richtlinie, anrechnung)

Sozialgericht Detmold, S 18 AS 168/09
Datum:
30.03.2010
Gericht:
Sozialgericht Detmold
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 18 AS 168/09
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Bescheid vom 09.06.2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.08.2009 wird aufgehoben. Die
Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und
Erstattungsbescheides betreffend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites
Buch (SGB II) für den Monat Mai 2009 streitig.
2
Die 1949 geborene Klägerin stand jedenfalls seit Dezember 2007 im laufenden Bezug
von Leistungen nach dem SGB II bei der Beklagten. Nachdem sie zunächst einer
Tätigkeit als Honorarkraft für die B, H nachgegangen war, nahm die Klägerin ab 1.
August 2008 eine auf ein Jahr befristete Tätigkeit bei der B, H als pädagogische
Mitarbeiterin auf. Sie war zu diesem Zeitpunkt Eigentümerin eines PKW der Marke Ford
Fiesta, Baujahr 1994. Über weitere Vermögenswerte verfügte die Klägerin nicht.
3
Mit Bescheid vom 12.11.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem
SGB II für den Bewilligungszeitraum vom 01.12.2008 bis zum 31.05.2009. Der
Bewilligungsbescheid enthielt den Zusatz, dass die Bewilligung für den vorgenannten
Bewilligungszeitraum vorläufig erfolgt. Mit dem vorgenannten Bescheid bewilligte die
Beklagte der Klägerin monatlich Leistungen von insgesamt 147,65 EURO Kosten der
Unterkunft und Heizung. Unter dem 10.12.2008 erging seitens der Beklagten ein
Änderungsbescheid mit dem für die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum
31.05.2009 weiterhin 147,65 EURO monatlich als Leistungen nach dem SGB II für die
Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen einer vorläufigen Bewilligung gewährt
wurden. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 16.01.2009 änderte die Beklagte die
vorläufige Bewilligung dahingehend ab, dass der Klägerin für den Monat Januar 2009
vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 95,83 EURO Kosten der Unterkunft
und Heizung bewilligt wurden. Für die Monate vom 01.02.2009 bis zum 31.05.2009
änderte die Beklagte die Bewilligung dahingehend ab, dass nun vorläufig Leistungen
nach dem SGB II in Höhe von jeweils 47,65 EURO Kosten der Unterkunft und Heizung
4
bewilligt wurden. In dem vorgenannten Änderungsbescheid legte die Beklagte der
Bedarfsberechnung für den Monat Mai 2009 folgende Werte zugrunde: Regelleistung
351,00 EURO zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung 376,65 EURO,
Gesamtbedarf 727,65 EURO. Demgegenüber stellte die Beklagte ein zu erwartendes
anrechenbares Einkommen von 680,00 EURO für den Monat Mai 2009. Dieses
errechnete die Beklagte unter Zugrundelegung eines Nettoeinkommens von 950,00
EURO sowie eines Erwerbstätigen-Freibetrages von 270,00 EURO. Aus der
Gegenüberstellung des Gesamtbedarfes und des anrechenbaren Einkommens
errechnete die Beklagte die vorläufig bewilligte Leistungshöhe für den Monat Mai 2009
von 47,65 EURO.
In der Folgezeit ergingen weitere Änderungsbescheide am 10.02.2009, 09.03.2009
sowie 07.04.2009. Durch diese Änderungsbescheide änderte die Beklagte die
Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Monate Februar bis April 2009 ab.
Eine Änderung der Bewilligung für den vorliegend streitbefangenen Monat Mai 2009
erfolgte hierdurch jedoch nicht.
5
Bereits im Februar 2009 hatte die Klägerin mit einem Autohaus einen Kaufvertrag über
einen Neuwagen der Marke Peugeot 107 mit Erstzulassung Januar 2009 zu einem
Kaufpreis von 10.900,00 EURO geschlossen. Neben dem Kaufvertrag hatte die Klägerin
mit dem Autohaus eine Zusatzvereinbarung zur sog. Umweltprämie geschlossen.
Hiernach vereinbarte die Klägerin mit dem Autohaus, dass einvernehmlich davon
ausgegangen werde, dass die derzeit bekannten Voraussetzungen zur Erlangung der
staatlichen Umweltprämie in Höhe von 2.500,00 EURO vorliegen. Hinsichtlich der
Zahlungsweise für den neu erworbenen PKW vereinbarte die Klägerin mit dem
Autohaus, dass die Klägerin zunächst den vereinbarten Kaufpreis abzüglich 2.500,00
EURO zahlen müsse. Weiterhin ermächtigte die Klägerin das Autohaus mit dem von ihr
unterschriebenen Antragsformular die staatliche Umweltprämie beim zuständigen
"Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)" zu beantragen. Weiterhin
erkläre sich die Klägerin damit einverstanden, dass das BAFA die Umweltprämie
unmittelbar an das Autohaus mit schuldbefreiender Wirkung zugunsten der Klägerin
auszahlen sollte. Den zunächst verbliebenen Kaufpreis von 8.400,00 EURO finanzierte
die Klägerin über eine Darlehen.
6
Mit Zuwendungsbescheid vom 21.04.2009 gewährte das BAFA der Klägerin eine
Prämie nach der "Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen"
(Umweltprämie) in Höhe von 2.500,00 EURO. Die Auszahlung der Prämie erfolgte
entsprechend der Vereinbarung zwischen Klägerin und Autohaus unmittelbar an das
Autohaus.
7
Im Monat Mai 2009 floss der Klägerin aus ihrer Beschäftigung bei der B, H, das Gehalt
für den Monat April 2009 zu. Die Klägerin erhielt für den Monat April 2009 eine
Bruttovergütung von 1.086,13 EURO sowie einer weiteren Bruttovergütung für
Vormonate in Höhe von 46,96 EURO, netto erhielt die Klägerin 877,63 EURO
überwiesen.
8
Nach erfolgter Anhörung hob die Beklagte mit dem angefochtenen Aufhebungs- und
Erstattungsbescheid vom 09.06.2009 die Leistungsbewilligung für den Monat Mai 2009
ganz auf und forderte von der Klägerin die Erstattung der gewährten 47,65 EURO. Dies
begründet die Beklagte damit, dass die Klägerin aufgrund des Zuflusses der
Umweltprämie nicht mehr im ursprünglich festgestellten Umfang hilfebedürftig gewesen
9
sei, da es sich bei der Umweltprämie um eine einmalige Einnahme handele, die auf die
Leistungen nach dem SGB II anzurechnen sei.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Diesen begründete sie damit, dass es sich
bei der Umweltprämie um eine zweckbestimmte Einnahme handele, die nicht auf die
Leistungen nach dem SGB II anzurechnen sei.
10
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück. Dies begründet sie damit, dass es sich bei Umweltprämie um
Einkommen handele, dass nicht zweckbestimmt sei. Leistungen nach dem SGB II seien
neben der erhaltenen Umweltprämie im Fall der Klägerin nicht gerechtfertigt. Eine
zweckbestimmte Leistung dürfe lediglich die Hälfte der Regelleistung betragen, die
Umweltprämie erreiche jedoch das Siebenfache der Regeleistung. Die Umweltprämie
sei als einmaliges Einkommen auf einen Zeitraum von sechs Monaten aufzuteilen und
monatlich in Höhe von 416,67 EURO anzurechnen. Hierdurch sei zusammen mit dem
bereinigten anrechenbaren Erwerbseinkommen der Hilfebedarf der Klägerin im Monat
Mai 2009 vollständig gedeckt.
11
Am 14.09.2009 hat die Klägerin Klage erhoben.
12
Sie ist der Auffassung, die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei rechtswidrig,
da es sich bei der Zuwendung durch die Umweltprämie um eine zweckbestimmte
Leistung handele. Weiterhin sei das erworbene Kraftfahrzeug der Klägerin auch
angemessen, da sie es für ihre Erwerbstätigkeit benötige.
13
Die Klägerin beantragt,
14
den Bescheid der Beklagten vom 09.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchs-
bescheides vom 12.08.2009 aufzuheben.
15
Die Beklagte beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Sie ist der Auffassung, die Aufhebung- und Erstattungsentscheidung durch den
angefochtenen Bescheid sei zu Recht erfolgt. Hierzu verweist sie zur Vermeidung von
Wiederholungen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
18
Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend Bezug genommen auf den
Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten. Diese
lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
19
Entscheidungsgründe:
20
Die Klage ist zulässig und begründet.
21
I.
22
Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage nicht das Fehlen
eines Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin entgegen. Grundsätzlich sind zwar
Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gegen vorläufige Bewilligungsentscheidungen
23
nur in begrenztem Umfang einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich (vgl. LSG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 01.10.2009, L 10 AS 654/09 NZB). Vorliegend wendet
sich die Klägerin jedoch gegen die endgültige Aufhebung der ihr vorläufig für den Monat
Mai 2009 bewilligten Leistungen nach dem SGB II und deren Erstattung. Hinsichtlich
dieser Aufhebungsentscheidung ist die Beklagte nicht vom Vorliegen von tatsächlichen
Unsicherheiten, welche lediglich eine vorläufige Entscheidung ermöglicht hätten,
ausgegangen. Vielmehr hat die Beklagte die Auffassung vertreten aufgrund der ihrer
Ansicht nach zulässigen Anrechnung der Umweltprämie auf die Leistungen nach dem
SGB II sei von bedarfsdeckenden Einkommen im Monat Mai 2009 bei der Klägerin
auszugehen. Da die Beklagte daher die vorläufige Bewilligung für den Monat Mai 2009
endgültig aufgehoben hat, ist die durch die Klägerin erhobene Klage auch zulässig.
Denn insoweit hat die Beklagte eine endgültige Entscheidung getroffen.
Da jedoch lediglich eine vorläufige Bewilligungsentscheidung durch die Beklagte
aufgehoben wurde, ist die Prüfungsberechtigung der Kammer eingeschränkt. Die
Kammer kann den streitgegenständlichen Bescheid lediglich dahingehend prüfen, ob
die erfolgte Anrechnung der Umweltprämie als bedarfsminderndes Einkommen nach
dem SGB II rechtlich zutreffend erfolgt ist. Denn nur diesbezüglich wurde durch die
Beklagte eine abschließende Entscheidung betreffend Leistungen für den Monat Mai
2009 getroffen (vgl. SG Cottbus, Urteil vom 21.12.2009, S 27 AS 1923/09).
24
II.
25
Die Klage ist auch begründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 09.06.2009 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2009 ist rechtswidrig und verletzt die
Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
26
Die angefochtene Entscheidung der Beklagten, die vorläufige Bewilligung für den Monat
Mai 2009 aufzuheben und in Höhe von 47,65 EURO die Erstattung der für den Monat
Mai 2009 gewährten Leistungen zu verlangen, erfolgte zu Unrecht.
27
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der vorläufigen Leistungsbewilligung wäre § 40
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und § 330
SGB III. Der Anwendung von § 48 SGB X steht nicht entgegen, dass es sich bei der
aufgehobenen Entscheidung lediglich um eine vorläufige Bewilligung (§ 40 Abs. 1 S. 1
Nr. 1a SGB II, § 328 SGB III) handelt. Denn auch eine Änderung der vorläufigen
Entscheidung zu Lasten des durch sie Berechtigten richtet sich nach den Vorschriften
des § 48 SGB X (Gagel, SGB III/SGB II, § 328 SGB III, RnNr. 37).
28
1) Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung gemäß § 48
Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X liegen jedoch im Fall der Klägerin nicht vor. Denn die Klägerin
hat durch die Gewährung der Umweltprämie kein anrechenbares Einkommen im Sinne
von § 11 SGB II erhalten.
29
Bei der Umweltprämie gemäß der "Richtlinie zur Förderung des Absatzes von
Personenwagen" handelt es sich um Einkommen in Form einer zweckbestimmten, im
Rahmen der Leistungen nach dem SGB II nicht anrechenbaren Einnahme.
30
Die Umweltprämie ist grundsätzlich Einkommen im Sinn von § 11 SGB II. Nach § 11
Abs. 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen alle Einnahmen in Geld oder
Geldeswert. Einkommen im Sinn dieser Norm ist alles, was jemand nach Antragstellung
31
wertmäßig dazu erhält (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R). Einkommen sind
somit solche Einnahmen, die den Vermögensstand der Person vermehren, die solche
Einnahmen hat. Es kommt nicht auf die Herkunft und Rechtsgrundlage der Einnahmen
an. Umfasst werden sämtliche Geldzahlungen (Söhngen in: juris-PK-SGB II, § 11 Rn.
36). Nach diesen Grundsätzen stellt die Auszahlung der Umweltprämie zunächst
Einkommen im Sinn von § 11 SGB II dar. Gegen die Einordnung als Einkommen spricht
nicht, dass die Klägerin den Anspruch auf die Umweltprämie bereits vor der Bewilligung
und der Auszahlung an das Autohaus abgetreten hatte. Die Vorausabtretung steht
wertungsmäßig einer Verfügung über die bewilligte Summe gleich, so dass die auf
Veranlassung der Klägerin erfolgte Auszahlung der Umweltprämie an das Autohauses,
die eine Befreiung von der Kaufpreisschuld in Höhe der Umweltprämie bewirkte, als der
Klägerin zugeflossene Einnahme in Geldeswert in Höhe von 2500,00 EUR zu werten ist
(LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.09.2009, L 2 AS 315/09 B ER).
a) Die Umweltprämie stellt jedoch nach Auffassung der Kammer eine zweckbestimmte
Einnahme im Sinn von § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II dar (so auch LSG Hessen, Beschluss
vom 15.01.2010, L 6 AS 515/09 B ER; SG Cottbus a.a.O.; Bayerisches LSG, Beschluss
vom 21.12.2009, L 7 AS 831/09 B ER; LSG Sachsen-Anhalt a.a.O.; a.A. SG Chemnitz,
Beschluss vom 09.09.2009, S 44 AS 4601/09 ER; LSG NRW, Beschluss vom
03.07.2009, L 20 B 59/09 AS ER). Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II sind nicht als
Einkommen zu berücksichtigen zweckbestimmte Einnahmen, die einem anderen Zweck
als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die die Lage des Empfängers nicht so
günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt
sind.
32
§ 11 Abs 3 Nr. 1 a SGB II soll einerseits bewirken, dass die besondere
Zweckbestimmung einer Leistung durch ihre Berücksichtigung im Rahmen des SGB II
nicht verfehlt wird. Andererseits soll die Vorschrift die Leistungserbringung für einen
identischen Zweck, also eine Doppelleistung verhindern. Es kommt demnach darauf an,
ob die in Frage stehende Leistung ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II der
Existenzsicherung des Begünstigten dient (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 19/07
R; BSG, Urteil vom 06.12.2007, B 14/7b AS 62/06 R). Unter die Regelung von § 11 Abs
3 Nr. 1 a SGB II fallen solche Einnahmen, die einem anderen Zweck als Unterhalt oder
Eingliederung dienen und deren Zweck im Falle der Anrechnung vereitelt würde.
33
Nach der "Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen" vom 20.
Februar 2009, geändert mit Richtlinien vom 17. März 2009 und 26. Juni 2009 ist
Förderziel, "mit Hilfe einer Umweltprämie die Verschrottung alter und den Absatz neuer
Personenkraftwagen zu fördern. Dadurch werden alte Personenkraftwagen mit hohen
Emissionen an klassischen Schadstoffen durch neue, effizientere und sauberere
Fahrzeuge ersetzt. Damit wird ein Beitrag zur Reduzierung der Schadstoffbelastung der
Luft geleistet bei gleichzeitiger Stärkung der Nachfrage." Davon ausgehend dient die
staatliche "Umweltprämie" zweifelsfrei einem anderen Zweck als Unterhalt oder
Eingliederung im Sinne des § 1 Abs. 2 SGB II. Im Falle der Anrechnung der Prämie als
Einkommen bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II würde der von der
Bundesregierung mit der Richtlinie verfolgte Zweck vereitelt.
34
Für die Bestimmung des verfolgten Zweckes ist auf den manifestierten Willen des
Gesetzgebers abzustellen. Deutlicher als in der Richtlinie, die der Gewährung der
Umweltprämie zugrunde gelegt wird, kann der durch die Prämie verfolgte
gesetzgeberische Wille nicht zum Ausdruck kommen. Grundlegend für die Schaffung
35
der Umweltprämie war die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Belebung der
Konjunktur (insbesondere der angeschlagenen Autoindustrie) zu sorgen sowie Aspekte
des Umweltschutzes. Eine durch die Gewährung der Umweltprämie bewirkte Stärkung
der Kauflust und ggf. Kaufkraft der Bürger ist ein Annex zur bezweckten
Konjunkturbelebung. Primäre Zielsetzung der Bundesregierung war daher nicht dem
Bürger dazu verhelfen sich ein Auto kaufen zu können. Sie wollte erreichen, dass die
Automobilindustrie mehr Autos absetzen kann. Die vom Gesetzgeber gewählte
Zielsetzung ist jedoch die entscheidende, die im Bereich der Zweckgebundenheit zu
berücksichtigen ist. Die Argumentation, die Kaufkraft der Bürger werde mit der Prämie
verbessert und damit ein Bereich abgedeckt wie auch das SGB II ihn abdecken würde
(vgl. LSG Nordrhein-Westfahlen a.a.O.), kann daher nicht überzeugen. Dass Empfänger
von Leistungen nach dem SGB II durch die Prämie ggf. animiert wurden sich einen
neuen PKW zu kaufen ist daher nur ein Nebeneffekt, nicht aber das vom Gesetzgeber
verfolgte Ziel der Umweltprämie (überzeugend SG Cottbus a.a.O.).
Hinzu kommt auch, dass wenn die Umweltprämie nicht als anrechenfreie
zweckbestimmte Einnahme angesehen würde die mit ihr verfolgte Zielrichtung verfehlt
werden würde. In diesem Fall wäre der Anreiz hinfällig, und der Leistungsempfänger
nach dem SGB II wäre von vornherein gehalten gewesen auf die Umweltprämie
verzichten. Insofern ist auch die Erbringung von Doppelleistungen nicht zu befürchten:
Die Umweltprämie ist ein Zuschuss zum Erwerb eines neuen PKW, für diesen Zweck
gibt es im SGB II keine Entsprechung (Bayerisches LSG a.a.O.)
36
Unter der aus rechtsstaatlichen Gründen anzunehmenden Prämisse, dass es nicht als
Erreichung des Zuwendungszwecks angesehen werden kann, wenn die
Hilfebedürftigen auf Grund der falschen Vorstellung von einer "Anrechnungsfreiheit" der
Prämie zur Anschaffung einer Neufahrzeuges motiviert würden ist ebenfalls von einer
zweckbestimmten Einnahme auszugehen. Denn im Fall der Anrechnung auf die SGB II
Leistungen würde der Prämienbetrag wirtschaftlich allein dem Träger der
Grundsicherungsleistungen zugute kommen und nicht den Hilfebedürftigen. Dies hätte
dann in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle zur Folge, dass die
Leistungsempfänger entweder den Fehlbetrag in ihrer Neuwagenfinanzierung in Höhe
der Umweltprämie aus ihrem Schonvermögen bestreiten müssten. Oder sie wären
gezwungen, wenn sie über kein entsprechendes Vermögen verfügen, ihre
Zahlungsverpflichtung nicht zu erfüllen (LSG Sachsen-Anhalt a.a.O.). Dieser
Betrachtung steht auch nicht entgegen, dass grundsätzlich die Tilgung privater
Schulden bei der Berücksichtigung als Einkommen unbeachtlich ist (BSG, Urteil vom
30.09.2008, B 4 AS 29/07 R). Denn die Begründung der Verbindlichkeit in Form der
Kaufpreisschuld ist sachlich untrennbar mit der Auszahlung der Umweltprämie
verbunden. Die Umweltprämie kann entsprechend der Richtlinie nur in dem Fall
erhalten werden, wenn zuvor ein förderungsfähiger Neuwagen erworben wird.
37
b) Eine Berücksichtigung der Umweltprämie als Einkommen ist auch nicht deshalb
geboten, weil die Leistung die Lage des Empfängers so günstig beeinflusst, dass
daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären (§ 11 Abs. 3 Nr. 1 Hs. 2
SGB II) (a.A. LSG NRW a.a.O.).
38
Nach allgemeiner Übung vieler SGB II - Leistungsträger sind Leistungen nach dem SGB
II dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die zweckgebundene Einnahme die halbe
Regelleistung übersteigt. Diese interne Handhabung hat weder normative Wirkung noch
ist das Gericht an sie gebunden. Jedoch wäre auch bei der Anwendung der internen
39
Handhabung der Beklagten unter verständiger Betrachtung der Umweltprämie diese
nicht als ungerechtfertigt hoch zu bewerten. Denn es ist dabei nicht überzeugend, wenn
ein Vergleich der einmal gezahlten Umweltprämie für einen PKW, der mehrere Jahre
vorhalten soll, mit der Regelleistung eines Monats angestellt werden würde (SG Cottbus
a.a.O.). Selbst die Verteilung über einen Zeitraum von 6 Monaten, wie sie durch die
Beklagte erfolgte, erscheint hinsichtlich der üblichen Lebensdauer eines Neuwagens
keine gerechte Vergleichsgrundlage zu bieten. Bereits bei einer Gebrauchsdauer des
Neuwagens von 2 Jahren ergäbe sich jedoch nur noch ein monatlicher Vorteil aus der
Umweltprämie in Höhe von rund 104,00 Euro. Insofern würde die von der Beklagten bei
der Gerechtfertigkeitsprüfung angewandte Höhe des halben Regelleistung nicht
erreicht.
Weiterhin ist die Klägerin auch durch die Umweltprämie in ihrer wirtschaftlichen Lage
nicht so günstig beeinflusst, dass daneben die Gewährung von weiteren Leistungen
nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wäre. Denn die Klägerin hat die Umweltprämie
auch nachweislich durch die Vorausabtretung zweckentsprechend zum Erwerb eines
geförderten Neuwagens genutzt. Zu einer wirtschaftlichen Besserstellung bzw. einer
anderweitigen Bedarfsdeckung bei der Klägerin ist es damit durch die Umweltprämie
nicht gekommen (so auch LSG Hessen a.a.O.; LSG Sachsen-Anhalt a.a.O.).
40
2) Schließlich ist auch keine wesentliche Änderung an der Bedürftigkeit der Klägerin für
den Monat Mai 2009 aufgrund einer Berücksichtigung des neu angeschafften PKW als
Vermögen im Sinne von § 12 SGB II eingetreten.
41
Denn dass bei der Klägerin vorhandene neue Kraftfahrzeug fällt unter die
Vermögensschongrenze und ist deshalb kein bei der Frage der Hilfebedürftigkeit zu
berücksichtigendes Vermögen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Auch wenn die Wertgrenze für
ein angemessenes Kraftfahrzeug grundsätzlich bei 7.500,00 EURO liegt (BSG, Urteil
vom 06.09.2007, B 14/7 B AS 66/06 R) kann dieser Wert überschritten werden, soweit
der die Angemessenheit übersteigende Wert über den allgemeinen
Vermögensfreibetrag aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II abgedeckt ist (BSG a.a.O.). Die 1949
geborene Klägerin war im Mai 2009 59 Jahre alt. Entsprechend stand ihr ein
Vermögensfreibetrag von 8.850,00 EURO (59 x 150,00 EURO) zu. Da die Klägerin über
keine weiteren nennenswerten Vermögensgegenstände verfügte, war der Wertanteil
des neu erworbenen PKW, welcher den Betrag von 7.500,00 EURO überstieg,
jedenfalls durch den allgemeinen Vermögensfreibetrag der Klägerin abgedeckt.
42
3) Aufgrund der Tatsache, dass mit dem streitgegenständlichen Bescheid lediglich eine
vorläufige Bewilligung von Leistungen für den Monat Mai 2009 aufgehoben wurde, sind
weitere Aspekte des Leistungsanspruches für den Monat Mai 2009 nicht zu prüfen
(siehe oben). Soweit die Klägerin davon ausgeht, dass ihr aufgrund eines
gegebenenfalls geringeren Einkommens als zunächst von der Beklagten angenommen
noch weitere, höhere Leistungen nach dem SGB II zustehen, wäre dies im Rahmen
einer endgültigen Festsetzung nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden
Verfahrens gegenüber der Beklagten geltend zu machen (§ 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a SGB
II, § 328 SGB III). Daneben wird auch die Beklagte unabhängig von einem
entsprechenden Antrag der Kläger nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens von
Amts wegen zu prüfen haben, ob im Wege der endgültigen Festsetzung ein höherer als
der bisherige Leistungsanspruch zu Gunsten der Klägerin festzusetzen ist.
43
III.
44
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
45
IV.
46
Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 144
Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Frage der Anrechenbarkeit der Umweltprämie im
Rahmen des SGB II ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt und die Klärung dieser
Frage liegt im allgemeinen Interesse, um die Rechtseinheit zu erhalten und die
Weiterentwicklung des Rechts zu fördern.
47