Urteil des SozG Detmold vom 24.06.2004

SozG Detmold: angemessene entschädigung, materielles recht, hauptsache, ausstellung, erlass, belastung, mitgliedschaft, krankenversicherung, verfahrenskosten, interessenabwägung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Sozialgericht Detmold, S 11 KR 106/04 ER
24.06.2004
Sozialgericht Detmold
11. Kammer
Beschluss
S 11 KR 106/04 ER
Krankenversicherung
nicht rechtskräftig
Der Antrag wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten.
Gründe:
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu
verpflichten, dem Antragsteller unverzüglich eine Kündigungsbestätigung zum 30.06.2004
auszustellen, ist mangels Anordnungsgrundes abzulehnen.
Die Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs folgt aus § 86 b des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr
besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines
Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde (sog.
Sicherungsanordnung). Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen
auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abänderung wesentlicher
Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).
Vorliegend handelt es sich um eine Regelungsanordnung, weil der Antragsteller etwas
begehrt, was er noch nicht hat, nämlich die Ausstellung einer Kündigungsbestätigung nach
§ 175 Abs. 4 des Sozialgesetzbuches V (SGB V).
Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt sowohl einen
Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, wenn ein Abwarten auf eine
Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist) als auch einen Anordnungsanspruch
(materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) voraus, wobei
zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch eine Wechselbeziehung besteht.
Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag bereits mangels Vorliegen eines
Anordnungsgrundes abzulehnen. Es sind keine Gründe dargelegt noch für das erkennende
Gericht ersichtlich, die eine Vorwegnahme der Hauptsache und damit eine
Vorabentscheidung durch den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung
rechtfertigen. Dem Antragsteller ist zuzumuten, den Ausgang des unter dem Aktenzeichen
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S 11 KR 104/04 vor dem erkennenden Gericht anhängigen Hauptsacheverfahrens
abzuwarten.
Entgegen seinem Vorbringen wird das Vorliegen eines Sonderkündigungsrechts nach §
175 Abs. 4 SGB V bei einer Krankenkassenfusion und damit die Verpflichtung zur
Ausstellung einer Kündigungsbestätigung in der Rechtsprechung und Literatur noch nicht
so eindeutig bejaht, dass von vornherein ein Anordnungsanspruch positiv unterstellt
werden kann. Auch wenn eine Vielzahl gleichgelagerter Streitsachen bei den
Sozialgerichten anhängig sein dürfte, fehlen derzeit noch an der Annahme einer
gesicherten Rechtsprechung weitere höhergerichtliche Urteile. Das vom Antragsteller u.a.
zitierte Urteil des LSG Sachsen-Anhalt (L 4 KR 33/00 vom 16.12.2003) reicht hierfür allein
nicht aus. Tatsache ist, dass der Gesetzgeber in § 175 Abs. 4 SGB V den Fall eines
Sonderkündigungsrechts bei Kassenfusionen nicht ausdrücklich geregelt hat. Mit den
Ausführungen des LSG NRW (Beschluss vom 24.05.2004 - L 16 B 15/04 KR ER), auf
dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Prüfung verwiesen wird,
bedarf es vielmehr zumindest noch einer individuellen Prüfung im Einzelfall, ob der
behauptete Anspruch auf Ausstellung einer Kündigungsbescheinigung besteht oder nicht.
Diese individuelle Prüfung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Im Rahmen der damit anzustellenden Interessenabwägung (Anordnungsgrund) ist mit dem
LSG NRW (a.a.O.) festzustellen, dass der Antragsteller regelmäßig bei der hier
vorliegenden Fallkonstellation schwerlich Gesichtspunkte aufzuzeigen vermag,
insbesondere keine bei ihm eintretenden gravierenden finanziellen Nachteile vortragen
kann, die hier eine von ihm angestrebte Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen
vermögen. So hat der Antragsteller selbst bei einer unterstellten weiteren Mitgliedschaft bei
der Antragsgegnerin von 18 Monaten nach der Kassenfusion weder behaupten noch
glaubhaft machen können, dass er durch die Tragung vermeintlich höherer Beiträge
finanziell nachhaltig geschädigt wird. Im Gegenteil halten sich diese Nachteile, bezogen
auf seine monatliche Eigenbelastung, in sehr engen Grenzen und sind im Nachhinein noch
reversibel (wie hier: Beschluss SG Dresden vom 08.06.2004 - Az.: S 18 KR 340/04 ER -).
Nach seinem eigenen Vorbringen belaufen sich seine behaupteten Mehraufwendungen auf
eine monatliche Belastung von 18,20 EURO (273,- EURO bei einer Restwartezeit von 15
Monaten), die es durchaus hinnehmbar erscheinen lassen, den Ausgang des
Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Anhaltspunkte, dass der Antragsteller mit dieser
unabhängig von der konkreten Verfahrensdauer zu tragenden ohnehin zeitlich befristeten
Beitragslast unzumutbar belastet ist, sind entgegen seinem umfangreichen Vorbringen
weder substantiiert behauptet worden noch ersichtlich. Hinzu kommt, dass er unabhängig
von dem Ausgang dieses Verfahrens den vollen Krankenversicherungsschutz durch die
Antragsgegnerin beanspruchen kann.
Soweit der Antragsteller formelhaft zudem eine "angemessene Entschädigung" begehrt,
dürfte es sich ausweislich seines Vorbringens zunächst um die Tragung der
Verfahrenskosten handeln. Darüber hinaus steht bereits neben der Frage der sachlichen
Zuständigkeit (vgl. dazu §§ 13, 71 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG))
ebenfalls der fehlende Anordnungsanspruch dem Erlass einer einstweiligen Anordnung
entgegen.
Der Antrag war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG