Urteil des SozG Detmold vom 22.05.2002
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Sozialgericht Detmold, S 14 U 56/01
Datum:
22.05.2002
Gericht:
Sozialgericht Detmold
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 14 U 56/01
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2000 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2001 verurteilt, das
Ereignis vom 00.00.2000 als Arbeitsunfall nach Maßgabe der
gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten. Die Beklagte hat der Klägerin
die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand:
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Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen
Unfallversicherung hat.
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Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist seit 00.1995 Mitglied der Freiwilligen
Feuerwehr N, Löschgruppe E.
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Sie nahm zusammen mit anderen Mitgliedern der Löschgruppe am 00.00.2000 an
einem Fußballturnier teil, im Verlaufe dessen sie sich im Zweikampf verletzte und eine
Unterschenkelfraktur links zuzog. Ausrichter des Fußballturnieres war die
Kulturgemeinschaft E, der u.a. der Landwirtschaftliche Ortsverein, die
Kindertagesstätten I und II, die Freie Turnerschaft, die E Straßenmusikanten sowie die
Löschgruppe E angehören. Die Ausrichtung der alljährlichen Veranstaltung wechselt
dabei unter den der Kulturgemeinschaft zugehörigen Mitgliedern. Zum Unfallzeitpunkt
war insoweit die Kindertagesstätte I Ausrichter des Fußballturniers. Zum
Veranstaltungsort gelangte die Klägerin wie die sonstigen, fast sämtlichen aktiven
Mitglieder der Löschgruppe E mit einem Mannschaftstransporter. Während der
Veranstaltung waren alle Mitspieler sowie die ebenfalls am Veranstaltungstag
anwesenden Hauptbrandmeister bzw. dessen Stellvertreter mit Sporttrikots bzw.
Trainingsanzügen bekleidet, welche rückseitig mit dem Aufdruck "Löschgruppe E"
bedruckt waren.
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Mit Bescheid vom 05.06.2000 lehnte es die Beklagte ab, der Klägerin
Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, da es
sich unter Berücksichtigung des Teilnehmerkreises der Veranstaltung nicht um eine
unfallversicherte Betriebssportveranstaltung handele. Hiergegen erhob die Klägerin am
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04.07.2000 Widerspruch, mit welchem Sie geltend machte, der Versicherungsschutz
von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr umfasse nicht nur die zum eigentlichen
Feuerwehrdienst gehörigen Tätigkeiten, sondern auch sonstige Verrichtungen die den
Zwecken der Feuerwehr diene; insoweit sei nicht darauf abzustellen, dass das
Fußballturnier nicht der Kameradschaftspflege von Feuerwehren untereinander gedient
habe, da auch ausreiche, dass die Teilnahme zu Repräsentationszwecken, nämlich um
die Freiwillige Feuerwehr als aktives Mitglied der Kulturgemeinschaft darzustellen,
Präsenz zu zeigen und gegebenenfalls Mitglieder zu werben, erfolge. Der dienstliche
Bezug resultiere im übrigen auch daraus, dass die Teilnahme im Dienstplan des ersten
Halbjahres des Jahres 2000 der Feuerwehr N Löschzug T aufgeführt sei. Mit
Widerspruchsbescheid vom 15.02.2001 wies die Beklagte den Widerspruch mit im
wesentlichen gleicher Begründung wie im angefochtenen Bescheid zurück.
Hiergegen richtet sich die am 27.02.2001 erhobene Klage, mit welcher die Klägerin ihr
Begehren weiter verfolgt und zu deren Begründung sie im wesentlichen ihren Vortrag
zur Begründung des Widerspruchs wiederholt. Sie vertritt die Auffassung, die
Steigerung der Bekanntheit der Freiwilligen Feuerwehr, deren Präsenz im örtlichen
Kultur- und Vereinsleben sowie die Werbung von aktiven und passiven Mitgliedern läge
im betrieblichen Interesse der Freiwilligen Feuerwehr, da ohne derartige Maßnahmen
die jeweiligen Löschgruppen keinen Zulauf mehr erhielten. Diesen Zwecken habe die
Teilnahme am Fußballspiel gedient, so dass Unfallversicherungsschutz begründet
worden sei.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2000 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15.02.2001 zu verurteilen, ihr wegen des Ereignisses
vom 00.00.2000 Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung
nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie sieht die Teilnahme der Klägerin an dem Fußballturnier als eine nicht wesentlich
den betrieblichen Interessen der Freiwilligen Feuerwehr zu dienen bestimmte Tätigkeit
an, da eine Teilnahme von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr, die der
repräsentativen Zielsetzung hätten gerecht werden können, nicht ausgewiesen sei.
Hinweise auf eine Veranstaltung, die die Freiwillige Feuerwehr als Institution hätte
bekannt machen sollen, seien auch weder dem Dienstplan zu entnehmen, noch
sprächen die weiteren Umstände dafür; insbesondere sei dabei die Fahrt mit einem
Mannschaftstransportwagen zu der Veranstaltung nicht geeignet, das Interesse der
Bevölkerung für die Freiwillige Feuerwehr zu fördern.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren
Inhalt der Gerichtsakte sowie der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der
Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Die Klägerin hat Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen
Unfallversicherung, weil der Unfall vom 00.00.2000 einen Arbeitsunfall darstellt. Sie ist
insoweit durch den angefochtenen Bescheid vom 05.06.2000 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15.02.2001 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz -SGG-, denn dieser Bescheid ist rechtswidrig.
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Gemäß § 8 Abs. 1 des 7. Buches des Sozialgesetzbuches -SGB VII- sind Arbeitsunfälle
Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6
begründenden Tätigkeit. Einen solchen Arbeitsunfall hat die Klägerin im Rahmen der
Teilnahme an der vom Kindergarten I in E ausgerichteten Fußballsportveranstaltung
erlitten, da ihre Teilnahme hieran gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII versichert war.
Hiernach sind kraft Gesetzes unfallversichert Personen, die in Unternehmen zur Hilfe
bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich insbesondere ehrenamtlich tätig
sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen teilnehmen. Hierzu
zählen auch die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr, ohne dass dieser
Personenkreis allerdings erwähnt wird (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 5 m.w.N.).
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Vorliegend ist die Klägerin zwar nicht bei einer zum eigentlichen Feuerwehrdienst, wie
etwa Brandbekämpfungseinsätzen, Hilfeleistungen etc., gehörenden Tätigkeit
verunglückt. Der Versicherungsschutz eines Mitgliedes der freiwilligen Feuerwehr
umfasst jedoch nicht nur diese, sondern - im Unterschied zu Arbeitsleistungen im
Rahmen der Mitgliedspflichten in einem privatrechtlichen Verein - auch sonstige
Tätigkeiten, die den Zwecken der Freiwilligen Feuerwehr wesentlich dienen. Dies ergibt
sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII, wonach die in einem
Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen "Tätigen" vom Versicherungsschutz erfasst
werden. Entscheidend für den Versicherungsschutz ist dabei, dass die unfallbringende
Tätigkeit in rechtserheblicher Weise mit dem Unternehmen innerlich in Zusammenhang
steht; es muss demgemäss ein sog. innerer Zusammenhang bestehen, der es
rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63,
273). Anerkannt ist diesbezüglich, dass die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr neben
dem eigentlichen Feuerwehrdienst nicht nur bei Feuerwehrübungen, Probeeinsätzen
oder sonstigen Tagen der offenen Tür versichert sind, sondern auch bei solchen
Veranstaltungen, die der Werbung der Freiwilligen Feuerwehr als Institution dienen.
Gerade bei der Freiwilligen Feuerwehr ist es nämlich notwendig, in der Bevölkerung
bekannt und im öffentlichen Leben präsent zu sein. Diesen Zwecken dienen nicht nur
Veranstaltungen, bei denen die Feuerwehr sich als Institution vorstellt oder solche, zu
denen Sie die Bevölkerung einlädt, sondern auch andere, der Öffentlichkeit zugängliche
Veranstaltungen.
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Ausgehend von diesen Grundsätzen stand die Klägerin bei ihrer unfallbringenden
Betätigung unter Versicherungsschutz. Zum einen diente die Teilnahme der
Löschgruppe E unzweifelhaft den besonderen, gerade bei der freiwilligen Feuerwehr
notwendig zu verfolgenden Zwecken, im öffentlichen Leben präsent zu sein und
Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Gestützt wird dies durch die objektiven Umstände,
wonach die Mitglieder der Löschgruppe sowohl während des Wettbewerbes
Sportbekleidung mit Hinweisen auch ihre Zugehörigkeit zur Löschgruppe trugen, als
auch durch die Benutzung ihres Mannschaftstransportwagens, welcher während der
Veranstaltung vor dem Veranstaltungsort abgestellt war und Hinweise auch die
Teilnahme der Freiwilligen Feuerwehr bot. Derartige Umstände hat das
Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 04.08.1992 - AZ 2 RU 39/91 -, in
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welcher zur Diskussion stand, ob die Teilnahme eines Mitgliedes der Freiwilligen
Feuerwehr an einem Tauziehwettbewerb eines Privatvereins Unfallversicherungsschutz
begründen könne, als wesentlich angesehen.
Im übrigen kommt es für den Versicherungsschutz bei der Teilnahme an derartigen
Veranstaltungen nicht darauf an, ob eine objektive Dienlichkeit der Veranstaltung den
Zwecken der Freiwilligen Feuerwehr gegeben ist, vielmehr genügt, ob der Versicherte
von seinem Standpunkt aus der berechtigten Auffassung sein konnte, dass die Tätigkeit
geeignet ist, den Interessen der Feuerwehr zu dienen und dass diese objektive Meinung
in den objektiv gegebenen Verhältnissen eine ausreichende Stütze findet (BSGE 20,
215; 30, 282, 52, 57 sowie BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 5). Zumindest einer derartigen
berechtigten Annahme der Dienlichkeit ihrer Tätigkeit den Zwecken der Feuerwehr
durfte die Klägerin sein. Der Transport zum Veranstaltungsort in einem
Mannschaftstransportwagen der Freiwilligen Feuerwehr, die Benutzung spezieller, sie
als Mitglied der Feuerwehr ausweisender Sportkleidung sowie der Umstand, dass die
Teilnahme der Löschgruppe E im Dienstplan des Löschzuges T der Freiwilligen
Feuerwehr N ausgewiesen ist rechtfertigen nach Treu und Glauben zumindest die
berechtigte subjektive Annahme, nicht als Privatperson, sondern als Teil der
Freiwilligen Feuerwehr für diese tätig zu werden. Für die Begründung von
Versicherungsschutz reicht dies aus.
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Die Klage musste nach alledem Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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