Urteil des SozG Detmold vom 18.05.2007

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Sozialgericht Detmold, S 10 AL 190/05
Datum:
18.05.2007
Gericht:
Sozialgericht Detmold
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 10 AL 190/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 1 AL 45/07
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger für das Widerspruchsverfahren zu
erstattenden Kosten.
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Der 1969 geborene Kläger beantragte am 22.07.2004 die Gewährung von
Arbeitslosengeld. Dabei gab er an, dass ihm vom Arbeitgeber aufgrund eines
"Rangierschadens vom 17.07.2004" gekündigt worden sei. Die Beklagte holte daraufhin
eine Auskunft beim ehemaligen Arbeitgeber ein bezüglich der Gründe für die
ausgesprochene fristlose Kündigung und der näheren Umstände. Der Arbeitgeber gab
an, dass der Kläger während des Unfalls und seines Dienstes alkoholisiert gewesen
sei.
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Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 05.11.2004 den Eintritt einer Sperrzeit
für den Zeitraum vom 20.07. bis zum 11.20.2004 fest. Der Kläger habe durch seinen
Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten Anlass für die Kündigung durch den
Arbeitgeber gegeben. Hiergegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten
mit Fax vom 01.12.2004 Widerspruch einlegen lassen, ohne diesen zunächst zu
begründen. Nach Akteneinsichtnahme führt er mit Schreiben vom 08.03.2005 aus, dass
der Arbeitgeber den Vorwurf der alkoholisierten Fahrt während des Dienstes und des
dadurch verursachten Unfalls in der öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichtes Bielefeld
vom 04.03.2005 aufgegeben habe. Das entsprechende Arbeitsgerichtsprotokoll
übersandte er der Beklagten.
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Diese half dem Widerspruch mit dem Abhilfebescheid vom 20.04.2005 bezüglich der
angefochtenen Sperrzeitentscheidung in vollem Umfange ab. Die im
Widerspruchsverfahren entstandenen (Rechtsanwalts-) Kosten machte der Kläger wie
folgt geltend: Geschäftsgebühr §§ 13, 14, Nr. 2400 VV RVG 318,50 EUR
Erledigungsgebühr § 13, Nr. 1002 VV RVG 367,50 EUR Post und Telekommunikation
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Nr. 7002 20,00 EUR 706,00 EUR Mehrwertsteuer 16 % gem. Nr. 7008 VV RVG 112,96
EUR Gesamtbetrag 818,96 EUR. Die Beklagte erstattete dem Kläger mit dem
angefochtenen Bescheid vom 01.07.2005 nur Kosten in Höhe von 301,60 EUR. Dieser
Betrag schlüsselte sich wie folgt auf: Gebühr gemäß den §§ 3 Abs. 2, 14 RVG i.V.m. Nr.
2500 VV 240,00 EUR Gebühr gemäß Nr. 7002 VV 20,00 EUR insgesamt 260,00 EUR
zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer 41,60 EUR Erstattungsbetrag insgesamt 301,60 EUR.
Eine höhere Gebühr nach Nr. 2500 VV als 240,- EUR sei im konkreten Fall unbillig. Sie
setze nach dem Gebührentatbestand voraus, dass es sich um eine umfangreiche oder
schwierige Tätigkeit handele. Davon könne vorliegend (Einlegung des Widerspruchs
ohne weitere Begründung, kurzer Begründungsschriftsatz mit beigefügtem
arbeitsrechtlichen Vergleich) nicht ausgegangen werden. Damit komme allenfalls ein
Betrag von 240,- EUR nach Nr. 2500 VV in Betracht. Eine Erledigungsgebühr nach Nr.
1005 VV sei nicht angefallen. Diese Gebühr setze eine Tätigkeit des
Prozessbevollmächtigten voraus, die auf eine Beilegung der Angelegenheit ohne
gerichtliche Entscheidung gerichtet sei. Eine solche, besondere Tätigkeit könne
vorliegend nicht gesehen werden. Der Bevollmächtigte des Klägers habe sich -wie im
Verwaltungsverfahren üblich- darauf beschränkt, im Widerspruchsverfahren
vorzutragen.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Die Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV
sei entstanden. Die Gebühr entstehe immer, wenn sich die Sache durch Aufhebung
oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch
anwaltliche Mitwirkung erledige. Das sei vorliegend der Fall. Zudem sei die Kostennote
für Fotokopien bisher von ihm nicht berechnet worden. Eine gesonderte Kostennote
werde beigefügt, um Ausgleich werde gebeten.
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Die entsprechende Kostennote für die Kopien in Höhe von 18,- EUR hat die Beklagte
mit nicht angefochtenem Bescheid vom 04.08.2005 in Höhe von 8,70 EUR beglichen.
Die Anfertigung von Kopien in der gesamten Akte seien nicht notwendig gewesen.
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Den Widerspruch gegen den Ausgleich der ursprünglichen Kostennote wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2005 zurück. Der Umfang der
erstattungsfähigen Gebühren für einen Rechtsanwalt bemesse sich nach den §§ 3 und
14 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. dem entsprechenden
Vergütungsverzeichnis (VV). Eine Gebühr nach Nr. 1005 VV sei nicht angefallen.
Hierfür wäre eine besondere, über das übliche Maß hinausgehende anwaltliche
Tätigkeit erforderlich gewesen, die hier nicht festgestellt werden könne. Die Stattgabe
des Widerspruchs sei erfolgt, nachdem der Bevollmächtigte mit der
Widerspruchsbegründung das Sitzungsprotokoll des Arbeitsgerichtes Bielefeld vom
04.03.2005 vorgelegt habe. Danach habe der Arbeitgeber den Vorwurf
arbeitsrechtswidrigen Verhaltens nicht mehr aufrecht erhalten. Damit habe kein
Sperrzeittatbestand vorgelegen. In der so gearteten Tätigkeit des Anwaltes könne keine
besondere, über das übliche Maß hinausgehende anwaltliche Tätigkeit gesehen
werden.
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Mit der hiergegen gerichteten Klage verfolgt der Kläger sein Ziel, die volle Kostennote
seines Rechtsanwalts und insbesondere auch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1005 VV
erstattet zu erhalten, fort. Eine entsprechende Gebühr falle immer an, wenn der Anwalt
an der Aufhebung, Änderung oder Erledigung des Rechtsstreits, ohne dass eine
gerichtliche Entscheidung notwendig geworden sei, mitgewirkt habe.
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Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Bescheides vom 01.07.2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 zu verurteilen, an ihn weitere
517,36 EUR Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen im
Verwaltungsverfahren.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die
Gerichtsakte sowie sie Verwaltungsakte der Beklagten mit der Nr. 317D014853 Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht ist berechtigt, ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124
Sozialgerichtsgesetz zu entscheiden, die Beteiligten haben sich hiermit einverstanden
erklärt.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid vom 01.07.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22.09.2005 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Er hat keinen Anspruch auf eine höhere, als die
ihm im angefochtenen Bescheid von der Beklagten anerkannte Vergütung der
Gebühren und Auslagen seines Rechtsanwaltes im Vorverfahren, § 63 Abs. 2 Zehntes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
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Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat die Beklagte dem Kläger als Widerspruchsführer die
zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten,
soweit der Widerspruch erfolgreich war. Nach § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren
und Auslagen eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die
Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1
Halbsatz 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf
Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Gebühren und Auslagen im
Sinne von § 63 Abs. 2 SGB X sind nur die gesetzlichen Gebühren (BSGE 78, 159, 161
ff.). Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeit von
Rechtsanwälten bemisst sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), § 1
Abs. 1 RVG. Dieses Gesetz ist hier anzuwenden. Es ist, soweit es die gesetzlichen
Gebührentatbestände betrifft, am 01.07.2004 in Kraft getreten, Artikel 8 des Gesetzes zur
Modernisierung des Kostenrechts vom 05.05.2004 (Bundesgesetzblatt I 2004, 718).
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem VV der
Anlage 1 zu diesem Gesetz.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Geschäftsgebühr nach § 13 Nr. 2500
VV als 240,- EUR. Diese würde voraussetzen, dass es sich um eine umfangreiche oder
schwierige Tätigkeit des Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren gehandelt hat. Das
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ist nicht der Fall. Die Einlegung des Widerspruchs wurde zunächst nicht begründet;
später wurde das mit einem kurzen Schreiben nachgeholt, dem der arbeitsgerichtliche
Vergleich beigefügt wurde. Der Umfang der Tätigkeit war somit allenfalls
durchschnittlich. Gleiches gilt für die Schwierigkeit der Angelegenheit. Die strittige
Sperrzeitproblematik ist zwar nicht einfach. Es handelt sich jedoch um ein häufig
vorkommendes Standardproblem und beschränkte sich vorliegend eher auf
tatsächliche, durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich geklärte Fragen.
Zutreffend hat die Beklagte auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine
Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV verneint. Die Erledigung in sozialrechtlichen
Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühen
entstehen (§ 3 RVG) beträgt 40 bis 520 EUR. Für den Anfall dieser Gebühr ist
regelmäßig eine Tätigkeit des Anwaltes notwendig, die über die bloße Einlegung und
Begründung des Widerspruchs hinaus geht (vgl. Urteil des BSG vom 07.11.2006, B 1
KR 23/06 R m.w.N.). Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Nr. 1005 VV, ihrem
systematischen Zusammenhang mit vergleichbaren Gebührenpositionen, Sinn und
Zweck der Regelung sowie Entstehungsgeschichte (vgl. das BSG a.a.O.). An einer
entsprechenden Tätigkeit fehlt es vorliegend. Der Bevollmächtigte des Klägers hat
durch die Einlegung des Widerspruchs sowie seine Begründung unter Bezugnahme auf
den arbeitsgerichtlich geschlossenen Vergleich nur sachgerecht die Interessen des
Klägers im Widerspruchsverfahren wahrgenommen. Ein wie auch immer geartetes
Einwirken des Bevollmächtigten auf die Beklagte oder auf den Kläger mit dem Ziel der
Erledigung der Rechtssache ohne gerichtliches Tätigwerden ist nicht festzustellen und
wird auch vom Kläger nicht vorgetragen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
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