Urteil des SozG Detmold vom 07.09.2005

SozG Detmold (antragsteller, anordnung, bundesrepublik deutschland, allgemeine bedingungen, antrag, erlass, höhe, darlehen, strom, voraussetzung)

Sozialgericht Detmold, S 12 AS 82/05 ER
Datum:
07.09.2005
Gericht:
Sozialgericht Detmold
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 12 AS 82/05 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, für den Antragsteller rückständige Stromkosten in Höhe
von 978,41 Euro zu übernehmen, wird abgelehnt. Die Beigeladene wird
im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die
Stromkostenschulden des Antragstellers bei der S in Höhe von 978,41
Euro zu übernehmen und diesen Betrag unmittelbar an das
Energieversorgungsunternehmen auszuzahlen. Die Beigeladene trägt
die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
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I.
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Der Antragsteller begehrt die Übernahme von Stromkostenschulden im Wege der
einstweiligen Anordnung.
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Der am 00.00.1976 geborene Antragsteller bezieht aufgrund eines Bescheides der
Antragsgegnerin vom 10.08.2005 für sich, seine Ehefrau und die am 28.05.2000
geborene Tochter Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 1180,00 Euro monatlich.
Darin enthalten sind 505,00 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung. Der
Antragsteller bewohnte mit seiner Familie ab Dezember 2003 eine Wohnung in der N-
Straße in C. Ab dem 01.03.2005 ist er wohnhaft in L-straße ebenfalls in C. Während der
Zeit in der N-straße ist es zu Stromkostenrückständen gekommen, die nach einem
Schreiben des S nicht auf einem Wärmespeichervertrag beruhen. Am 19.08.2005 wies
das Versorgungsunternehmen den Antragsteller darauf hin, dass trotz zahlloser
Erinnerungen Stromkosten in Höhe von 978,41 Euro nicht beglichen worden seien. Es
wurde letztmalig Gelegenheit eingeräumt, die Forderung bis zum 25.08.2005
auszugleichen. Gleichzeitig wurde angedroht, dass nach Ablauf dieser Frist die
Energieversorgung ohne eine erneute Benachrichtigung eingestellt werde. Daraufhin
beantragte der Antragsteller am 22.08.2005 bei der Antragsgegnerin die
darlehensweise Übernahme der Stromkostenrückstände und erklärte sich bereit, das
Darlehen mit monatlich 50,00 Euro zurückzuzahlen. Mit Bescheid vom 25.08.2005
lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme von Stromrückständen ab und führte zur
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Begründung aus, in den maßgebenden Regelsätzen nach dem SGB II seien bereits
Pauschbeträge für Strom enthalten, so dass zusätzlich anfallende Stromkosten aufgrund
eines Mehrverbrauchs nicht berücksichtigt werden könnten. Nach der Rechtsprechung
sei die Übernahme von Stromschulden nach dem SGB II nicht möglich. Daraufhin stellte
der Antragsteller einen Antrag auf Übernahme von Stromrückständen bei der
Beigeladenen. Diese lehnte mit Bescheid vom 26.080.2005 den Antrag des
Antragstellers ebenfalls ab. Energiekostenrückstände für Strom seien bei
Unabweichbarkeit des Bedarfs und wenn dieser auf andere Weise nicht gedeckt werden
könne nach § 23 Abs. 1 SGB II von der Agentur für Arbeit zu übernehmen. § 34 Abs. 1
des Sozialgesetzbuches, 12. Buches (SGB XII) sehe keine Schuldenübernahme vor, da
hier keine Wohnungslosigkeit drohe. Nach § 43 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches, 1.
Buch (SGB I) habe im Übrigen der zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig
Leistungen zu erbringen. Dies sei hier ebenfalls die Agentur für Arbeit.
Am 30.08.2005 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung
beantragt. Er trägt vor, weder er noch seine Ehefrau seien in der Lage, die von der S
geforderte Nachzahlung selbst zu leisten. Beide seien zahlungsunfähig und hätten
Anträge auf Eröffnung der Verbraucherinsolvenzverfahren beim Insolvenzgericht
Paderborn unterzeichnet. Aus den entsprechenden Insolvenzanträgen ergebe sich,
dass kein wesentliches Einkommen und Vermögen zur Verfügung stehe. Die
Leistungen nach dem SGB II würden zum Bestreiten des täglichen Lebensunterhalts
benötigt. Wegen des Insolvenzantrages sei die Vereinbarung von Ratenzahlungen mit
der S nicht möglich. Diese sei aber zu einer solchen Vereinbarung auch nicht bereit. Der
Antragsteller habe die Stromkostenrückstände nicht durch einen erheblich erhöhten
Verbrauch selbst verschuldet. Eine von der Antragsgegnerin vorgetragene
Verbrauchssteigerung von 685 Prozent ruhe auf einer Fehlinterpretation der vorgelegten
Abrechnungen. Ein Vergleich der Verbrauchszahlen für die maßgebenden
Abrechnungszeiträume sei vielmehr im Moment nicht möglich, weil es im Januar 2005
nicht zu einer Ablesung gekommen sei. Bei dem vom Versorgungsunternehmen
dargestellten Verbrauch für das Jahr 2004 handele es sich deshalb um eine
Schätzgröße. Eine Nachforschung nach den Ursachen des tatsächlichen hohen
Stromverbrauchs in der Mietwohnung N-straße habe ergeben, dass die vermutlich darin
begründet liege, dass der Antragsteller und seine Familie zusätzlich zu der
vorhandenen Gas-Heizung zeitweilig eine mit Elektrizität betriebenen Heizkörper über
die vorhandenen Steckdosen genutzt habe. Der Energieverbrauch des Gerätes sei
unterschätzt worden. Ein solches Heizgerät finde nunmehr keine Verwendung mehr, so
dass eine Wiederholung nicht zu besorgen sei.
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Es liege eine Bedürftigkeit vor, denn die Stromsperrung stehe unmittelbar bevor. Diese
werde noch dadurch untermauert, dass S im Falle der Sperrung für den
Wiederanschluss zusätzlich die Vorabbezahlung der Sperr- und
Wiederanschlusskosten zur Voraussetzung mache. Ohne Strom gerate die Familie des
Antragstellers in eine erhebliche Notlage. Eine Wohnung ohne ausreichende
Elektrizitätsversorgung könne letztlich nicht genutzt werden. Während der Nachtzeit
bestehe in diesem Fall keine Versorgung mit Licht. Die Benutzung von Kerzen könne
wegen der damit verbunden Brandgefahr nicht zugemutet werden. Ferner sei Elektrizität
zum Betreiben des Kühlschrankes sowie der Gefriertruhe erforderlich. Die Familie
erwerbe möglichst Lebensmittel in größerem Umfang auch zur konsequenten Nutzung
von Sonderangeboten und Vermeidung von Fahrtkosten. Diese Lebensmittel drohten
bei einer Stromsperre zu verderben. Ferner sei eine Zubereitung von Nahrungsmitteln
auf dem Elektroherd ohne elektrische Energie nicht möglich. Gleiches gelte für die
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Wäschepflege und die Warmwasserbereitung, welche über eine mit elektrischem Strom
betriebenen Durchlauferhitzer erfolge. Die Körperpflege – insbesondere auch des
Kindes – ausschließlich mit kaltem Wasser sei nur eingeschränkt möglich und letztlich
unzumutbar. Der Antragsteller hat sein Einverständnis mit einer direkten Zahlung an die
S erklärt.
Der Antragsteller beantragt,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung ohne vorherige Anordnung
im schriftlichen Verfahren zu verpflichten, für den Antragsteller rückständige
Stromkosten in Höhe von 978,41 Euro zu übernehmen,
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hilfsweise,
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die Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für den
Antragsteller rückständige Stromkosten in Höhe von 978,41 Euro zu übernehmen.
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Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
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Die Antragsgegnerin trägt vor, die Stromschulden seien nicht von ihr, sondern ggf. vom
Sozialhilfeträger zu übernehmen. Leistungen nach § 34 SGB XII seien von dem
gesetzlich normierten Vorrang der SGB II-Leistungen ausgenommen. Der Gesetzgeber
habe also eindeutig die Übernahme von Schulden gemäß § 34 SGB XII zu Lasten des
Sozialhilfeträgers vorgesehen. Lediglich Mietschulden unter der weiteren
Voraussetzung der Vereitelung einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung
seien gemäß § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen. Es handele sich vorliegend jedoch
nicht um Mietschulden. Auch ein Darlehen nach § 23 SGB II komme nicht in Betracht
nach § 23 SGB II komme nur die Gewährung von Darlehen für einen aktuellen erhöhten
und nicht durch die Regelleistung gedeckten Betrag in Betracht. Die Übernahme von
Schulden falle nicht unter § 23 SGB II. Ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten
Zwischenabrechnungen sei der Verbrauch gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 685
Prozent gestiegen. Eine Erklärung für diese immense Verbrauchssteigerung sei vom
Antragsteller mehrfach verweigert worden. Im Übrigen sei der Bedarf des Antragstellers
auf andere Weise zu decken. Er könne nämlich im Wege der einstweiligen Anordnung
gegen das Energieversorgungsunternehmen vorgehen, wenn er die
Zwischenabrechnung und die damit bestehende Forderung für falsch und überhöht
halte.
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Die Beigeladene ist der Auffassung, eine Übernahme der Stromrückstände durch sie
nach § 34 SGB XII scheide aufgrund der Nachrangvorschrift des § 2 Abs. 2 SGB XII
sowie aufgrund der Tatsache, dass die ARGE Paderborn zweifelsohne zuerst
angegangener Leistungsträger im Sinne des § 43 SGB I sei aus. Ferner seien die
formellen Voraussetzungen einer Übernahme der Stromkosten nach § 23 Abs. 1 SGB II
grundsätzlich erfüllt. Bei laufenden Stromkosten handele es sich unstrittig um einen
Bedarf, der von der Regelleistung umfasst werde. Hieran ändere sich auch nichts durch
die Tatsache, dass der Hilfebedürftige diese als laufende Zahlung gedachten
Bestandteil nicht an den Energieversorger weiterleitet und damit Rückstände
entstünden. Das Sozialgericht Köln habe in einem Verfahren auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung für Recht erkannt, dass rückständige Stromkosten nach § 23
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SGB II darlehensweise übernommen werden können.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und in der Form des
Hilfsantrages auch begründet.
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Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige
Anordnung im Bezug auf den Streitgegenstand treffen, um einen vorläufigen Zustand im
Bezug auf eine Rechtsverhältnis zu regeln, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Voraussetzung ist, dass
dem Antragsteller eine Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zusteht (Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 86b Rd-Nr. 27).
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Nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist es unter dem Vorbehalt
der Überprüfung im Hauptsacheverfahren ausreichend wahrscheinlich, dass dem
Antragsteller ein Anspruch auf Übernahme des Stromkostenrückstandes gegen die
Beigeladene und nicht gegen die Antragsgegnerin zusteht. Die Beigeladene ist daher in
entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG zu verpflichten.
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Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 34 Abs. 1 SGB XII. Zwar gehört der
Antragsteller zum Kreis der Personen, die nach SGB II als Erwerbstätige dem Grunde
nach Leistungsberechtigt sind und deshalb grundsätzlich keine Leistungen für den
Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten. Von diesen in den §§ 2 und 21 SGB XII
und § 5 Abs. 2 SGB II normierten Grundsatz des Vorrangs der SGB II-Leistungen sind
jedoch sowohl nach § 21 SGB XII als auch nach § 5 Abs. 2 SGB II ausdrücklich
Leistungen nach § 34 SGB XII ausgenommen worden soweit sie nicht nach § 22 Abs. 5
SGB II zu übernehmen sind.
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Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn Stromkostenrückstände sind keine
Mietschulden im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II. Die vorliegenden
Stromkostenrückstände sind nicht im Rahmen des Mietvertrages sondern aufgrund des
Vertrages mit dem Energieversorgungsunternehmen entstanden. Soweit die
Beigeladene zutreffend darauf hinweist, dass eine Kostentragung für den eigentlich mit
der Regelungsleistung abgedeckten Bedarf an Haushaltsenergie auf diese Weise in
ihre Risikospähre geschoben werde, entspricht dies dem Willen des Gesetzgebers und
dies ist ersichtlich aus § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB II, wonach vom Regelbedarf nicht
umfasst sind die in § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II genannten Leistungen nach dem SGB XII
und damit insbesondere die Leistungen nach § 34 SGB XII (LSG Hamburg, Beschluss
vom 19.7.2005 – L 4 B 209/05 ER SO).
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Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII können Schulden übernommen werden, wenn dies zur
Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt
ist. Eine mit dem Verlust der Unterkunft vergleichbare Notlage ist in der Regel dann
gegeben, wenn die Belieferung eines Haushalts mit Energie in Frage gestellt wird, also
eine Sperre der Strom- oder Heizungsversorgung wegen vorhandener Schulden oder
anderer offener Zahlungsverpflichtungen gegenüber einem
Energieversorgungsunternehmen droht oder bereits eingetreten ist, weil die Versorgung
mit Energie nach den Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zum
sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard gehört (Grube/Warendorf, Streichsbier,
Kommentar zum SGB XII § 34 Rd-Nr. 6 m.b.N.). Diese Voraussetzungen sind hier
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gegeben, denn die Stromsperre steht nach dem Mahnschreiben der S unmittelbar bevor.
Die Energieversorgungsunternehmen haben nach § 33 Abs. 2 der Verordnung über
allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung vom Tarifkunden (AVBEltV) das
Recht, insbesondere bei Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung die
Versorgung zwei Wochen nach Androhung einzustellen. Die S hat die Zahlung der
Stromschulden mit Schreiben vom 19.08.2005 angemahnt, eine letzte Frist gesetzt und
auf die Einstellung der Versorgung hingewiesen. Da der Antragsteller auch dieser
Zahlungsaufforderung nicht nachkam, hat sie gemäß § 33 Abs. 2 AVBEltV das Recht
die Stromversorgung zur Wohnung des Antragstellers einzustellen.
Die Übernahme der Energiekostenschulden durch die Beigeladene ist auch
gerechtfertigt, da nur auf diese Weise die Stromzufuhr zur Wohnung des Antragstellers
gesichert werden kann. Denn die S hat es auf ausdrückliches Befragen des
Bevollmächtigten des Antragstellers abgelehnt, einer Ratenzahlung zuzustimmen. Ob
der Antragsteller eine Hohe Stromrechnung durch einen überhöhten Verbrauch
mitverursacht hat, kann dahinstehen. Zwar ist es für die Rechtfertigung der Übernahme
auch von Bedeutung, wie es zu der Notlage gekommen ist. Allerdings scheidet eine
Rechtfertigung im Sinne des § 34 SGB XII nicht schon deshalb aus, weil die Notlage
vom Leistungsberechtigten selbst verschuldet worden ist (vgl. Rube/Warendorf,
Streichsbier, Kommentar zum SGB XII, § 34 Rd-Nr. 7). Es ist auch nicht ersichtlich, dass
der Antragsteller auch zukünftig im Hinblick auf eventuelle Schuldenübernahmen in
vorwerfbarer Weise seinen Energieverbrauch vermehren wird. Vielmehr hat er glaubhaft
versichert, zukünftig keine elektrische Heizsonde zusätzlich zu verwenden. Weder von
der Beigeladenen noch von der Antragsgegnerin wurden Anhaltspunkte dafür
vorgetragen, dass für einen Energiekostenrückstand bereits in der Vergangenheit
Leistungen erbracht werden mussten. Unter diesen Umständen ist das durch § 34 Abs.
1 Satz 1 SGB XII eingeräumte Ermessen auf null reduziert und die Beigeladene ist
verpflichtet, die Schulden zu übernehmen. Die Entscheidung darüber, ob die Leistungen
als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden soll, bleibt gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3
SGB XII dem Ermessen der Beigeladenen vorbehalten.
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Der Antragsteller hat keine Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Übernahme der
Stromkostenrückstände gemäß § 23 Abs. 1 SGB II. Danach kann dem Bedürftigen ein
Darlehen gewährt werden, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster
und nach den Umständen unabweichbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes
weder durch Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann. § 23 Abs. 1 SGB
II entspricht § 37 Abs. 1 SGB XII. § 37 SGB XII bezieht sich auf den von den
Regelsätzen umfassten gegenständlichen aktuellen Bedarf. Nicht zum Regelbedarf im
Sinne dieser Vorschrift gehören danach unter anderem die Schuldenübernahme nach §
34 SGB XII (Grube/Warendorf, Grube, a.a.O., § 37 Rd-Nr. 6). § 23 Abs. 1 SGB II ist in
gleicher Weise auszulegen und enthält deshalb sowie § 37 SGB XII keine
Anspruchsgrundlage für eine Schuldenübernahme (LSG NRW, Beschluss vom
24.06.2005 – L 12 B 15/05 AS ER). Daraus folgt, dass Stromschulden nach dem SGB II
unberücksichtigt bleiben (LSG Hamburg, Beschluss vom 19.07.2005 – L 4 B 209/05 ER
SO).
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Aus § 43 SGB I ergibt sich ebenfalls keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch
gegen die Antragsgegnerin. Danach kann der zuerst angegangene Leistungsträger
vorläufige Leistungen erbringen, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und
zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, welcher von ihnen zuständig ist. Er hat
entsprechende Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt. Hat ein
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Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht,
ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger nach § 102 SGB X erstattungspflichtig.
Die Vorschrift setzt voraus, dass in verschiedenen Bereichen des Sozialgerichts von
verschiedenen Leistungsträgern teilweise gleiche Leistungen zur Verfügung gestellt
werden , ein Anspruch auf diese Leistung feststeht und lediglich umstritten ist, welcher
Leistungsträger zuständig ist. Zur Vorleistung kann also prinzipiell jeder Leistungsträger
verpflichtet sein. Voraussetzung ist allerdings, dass der Leistungsträger angesichts
eines konkret bestehenden Zuständigkeitsstreits die beanspruchte Leistung nach
seinem Leistungsrecht überhaupt erbringen kann (Peter Mrozynski, die
Vorleistungspflicht im Sozialrecht, SGb 1987 140 f., 142; Hauck/Heyne, Rolf,
Kommentar zum SGB I § 43 Rd-Nr. 11, 15). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt,
denn die zuerst angegangene Antragsgegnerin kann nach dem für sie einschlägigen
Leistungsrecht des SGB II Stromschuldenrückstände – wie oben dargestellt – nicht
übernehmen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach § 43 SGB I der Leistungsträger selbst,
also die Exekutive, über die vorläufige Leistungserbringung entscheiden soll. Es handelt
sich mithin um eine Regelung der vorläufigen Leistungserbringung im Verwaltungs- und
Widerspruchsverfahren. Sobald ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
bei Gericht anhängig wird, besteht eine Konkurrenz zwischen dieser Vorschrift und §
86b Abs. 2 SGG, wobei für den Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise
abweichende Voraussetzungen bestehen (vgl. Krodel, das sozialgerichtliche
Eilverfahren, Rd-Nr. 385 ff.). Im Hinblick auf den andernfalls drohenden Erstattungsstreit
nach § 102 SGB X hält es das Gericht für sachgerechter, den nach der materiellen
Rechtslage für die Leistungserbringung zuständigen und nicht den nach § 43 SGB I
zuerst angegangenen Leistungsträger zu verpflichten.
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Der Antragsgrund ergibt sich daraus, dass eine Stromsperre unmittelbar bevorsteht.
Dem Antragsteller ist nicht zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache
abzuwarten, denn hierdurch würden ihm unzumutbare Nachteile entstehen. Das Gericht
nimmt insoweit auf die vom Antragsteller in glaubhaft und nachvollziehbar geschilderten
Folgen einer Stromsperre Bezug.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
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