Urteil des SozG Darmstadt vom 24.01.2011

SozG Darmstadt: angemessene frist, gesellschaft mit beschränkter haftung, negative feststellungsklage, verwaltungsakt, reisekosten, hessen, mangel, anfechtungsklage, rechtsform, öffentlich

Sozialgericht Darmstadt
Urteil vom 24.01.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Darmstadt S 18 P 25/10
1. Es wird festgestellt, dass den Beklagten gegenüber der Klägerin keine Forderung in Höhe von 1.258,80 EUR für
eine am 13.7.2009 durchgeführte Wiederholungsprüfung nach § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI zusteht.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostentragung für eine Wiederholungsprüfung gem. § 114 Abs. 5 Satz 2
Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).
Die Klägerin ist ein privater, ambulanter Pflegedienst in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
(GmbH), der derzeit 23 Personen mit Leistungen nach dem SGB XI und dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs
(SGB V) versorgt. Beklagte sind die Landesverbände der Pflegekassen in Hessen.
Am 8. und 9.12.2008 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) im Auftrag der
Beklagten eine Regelprüfung gem. §§ 112, 114 Abs. 1 SGB XI bei der Klägerin durch. Unter dem 3.3.2009 erging
nach Anhörung ein Mängelbescheid gem. § 115 Abs. 2 SGB XI. Darin führten die Beklagten neun "sofort
umzusetzende" und 13 bis zum 31.7.2009 umzusetzende Maßnahmen auf. Sie wiesen ferner darauf hin, dass sie
aufgrund der festgestellten, gravierenden Mängel den MDK zu gegebener Zeit mit einer Wiederholungsprüfung gem. §
114 Abs. 5 SGB XI beauftragen werden, deren Kosten die Klägerin zu tragen hätte. Der Bescheid wurde von der
Klägerin nicht angefochten.
Am 2.6.2009 beauftragten die Beklagten den MDK mit einer Wiederholungsprüfung. In dem aufgrund der Prüfung am
13.7.2009 erstellten Prüfbericht bescheinigte der MDK der Klägerin, zielführende Maßnahmen zur
Qualitätsverbesserung eingeleitet zu haben. Die vereinbarten Sofortmaßnahmen seien umgesetzt worden. Mit
Schreiben vom 9.9.2009 stellte der MDK den Beklagten einen Betrag von 1.168,80 EUR (10 Stunden x 116,88
EUR/Stunde) in Rechnung. Er legte hierbei einen Tagessatz (7,7 Stunden/Tag) für eine Pflegekraft von 900,00 EUR
zugrunde. Mit Schreiben vom 15.10.2009 reichten die Beklagten die Rechnung des MDK an die Klägerin weiter.
Zusätzlich addierten sie 1,5 Arbeitsstunden zu einem Stundenlohn von 60,00 EUR eigener Mitarbeiter für das
Erstellen, Prüfen, Lesen, Bewerten und Versenden eines Prüfberichts und das Verfassen eines positiven
Ergebnisschreibens. Insgesamt forderten die Beklagten von der Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.258,80 EUR für
die Wiederholungsprüfung. Als Rechtsgrundlage für die Kostenforderung benannten sie § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI.
Gegen die Rechnung vom 15.10.2009 legte die Klägerin am 16.11.2009 Widerspruch ein. Die Regelung des § 114
Abs. 5 S. 2 SGB XI verstoße aufgrund ihrer Unbestimmtheit gegen das Rechtsstaatsgebot und sei daher
verfassungswidrig. Im Übrigen könnten allgemeine Verwaltungs- und Vorhaltekosten nicht in Rechnung gestellt
werden, da diese keine vom Wortlaut umfassten "Kosten der Wiederholungsprüfung" seien. Daher sei es erforderlich,
dass die Kostenforderung des MDK hinsichtlich der Zusammensetzung der Kosten und des Zeitansatzes näher
aufgeschlüsselt werde. Dies könne nur durch Vorlage von Gehaltsnachweisen der am Prüfverfahren beteiligten
Personen erfolgen. Zugleich bat die Klägerin um die inzidente Überprüfung des Mängelbescheids vom 3.3.2009.
Dieser enthalte zu unbestimmte Maßnahmen. Im Übrigen sei die Umsetzungsfrist "sofort" keine dem Gesetz
entsprechende Fristsetzung.
Mit Schreiben vom 23.3.2010 teilten die Beklagten der Klägerin mit, dass nach ihrer Auffassung die Kostenforderung
nicht durch Verwaltungsakt erfolgt sei. Es handele sich um eine einfache Rechnung. Ein Widerspruch sei daher nicht
statthaft.
Am 20.4.2010 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.
Sie meint, die Kostenforderung vom 15.10.2009 stelle einen Verwaltungsakt dar. Das Qualitätsprüfungsverfahren sei
seiner Natur nach eine hoheitliche Maßnahme. Die Beteiligten stünden sich daher nicht in einem
Gleichordnungsverhältnis gegenüber, wie es der eher als "Scheinvertrag" anzusehende Versorgungsvertrag
suggeriere, sondern in einem Subordinationsverhältnis. Eingriffsgrundlage sei § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI, der
allerdings zu unbestimmt und daher verfassungswidrig sei. Der Vorschrift sei weder zu entnehmen, in welcher
Rechtsform die Beklagten zu handeln hätten, noch welche Kosten zu Lasten des Pflegedienstes erhoben werden
dürften. Es fehle damit an der wegen des Rechtsstaatsprinzips gebotenen Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns.
Selbst wenn man zu dem Ergebnis komme, dass aufgrund des § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI Kosten geltend gemacht
werden dürften, müssten diese konkret aufgeschlüsselt werden. Jedenfalls dürften keinerlei Pauschalen angesetzt
werden, andernfalls würden entgegen dem Wortlaut – keine Kosten, sondern letztlich Gebühren erhoben. Schließlich,
meint die Klägerin, sei der Mängelbescheid vom 3.3.2009 inzident zu überprüfen, da eine kostenpflichtige
Wiederholungsprüfung nur vorliege, wenn der Mängelbescheid nicht nichtig sei. Im vorliegenden Fall leide der
Mängelbescheid aber an schweren Fehlern, die zu seiner Nichtigkeit führten. So seien die zu veranlassenden
Maßnahmen zu unbestimmt. Zudem sei teilweise als Umsetzungsfrist "sofort" angesetzt.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
23.3.2010 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfweise, festzustellen, dass den Beklagten keine Forderung in Höhe von 1.258,80 EUR für eine am 13.7.2009
durchgeführte Wiederholungsprüfung nach § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI gegen sie zustehe.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie meinen, bei der Kostenforderung handele es sich um eine Rechnung im Gleichordnungsverhältnis, nicht um einen
Verwaltungsakt. Ein Widerspruch sei daher ebenso wenig statthaft, wie eine Anfechtungsklage. Hinsichtlich der
Kostenhöhe vertreten sie die Ansicht, dass auch Verwaltungs- und Vorhaltekosten, die mit Wiederholungsprüfungen
im Zusammenhang stünden, in Rechnung gestellt werden dürften. So würden ein bis zwei Gutachter permanent
benötigt. Die gesamten Verwaltungs- und Vorhaltekosten des MDK seien daher im Verhältnis zu diesem
Personalaufwand umzulegen. Dies sei bei der Berechnung eines Tagessatzes für eine Pflegekraft von 900,00 EUR
pro Tag geschehen. Der MDK sei dabei von direkten Personalkosten von 58.144,00 EUR pro Jahr (45.603,00 EUR
Jahresbruttogehalt (MDK-Tarifgruppe 8, Stufe E3 mit zwei Kinderzuschlägen) + 12.541,00 EUR Arbeitgeberanteil zur
Sozialversicherung und VBL), sowie Zuschlägen für Verwaltungspersonal, GB-Leitung, Sachkosten (ohne
Reisekosten) und Kosten für Versorgungsempfänger in Höhe von zusammen 34.822,00 EUR ausgegangen. Hieraus
errechne sich ein Stundensatz von 75,46 EUR unter der Annahme von 160 Prüftagen (1.232 Prüfstunden). Die Anzahl
der Prüftage nehme pauschal Urlaubs-, Krankheits- und Fortbildungstage aus der Jahresarbeitszeit aus. Diese
pauschale Berechnung folge der empirisch belegten Annahme, dass ein Mitarbeiter nur 79% seiner Jahresarbeitszeit
tatsächlich zu Verfügung stehe. Diesem Stundensatz hinzuzurechnen sei ferner eine Pauschale von 320,00 EUR je
Prüfung für die Abgeltung eines durchschnittlichen Aufwands für Vorbereitung, Fahrtzeiten, Auswertung,
Berichterstellung, Gutachtenversand und Reisekosten. Im Hinblick auf den errechneten Stundensatz von 75,46 EUR
sei diese Pauschale sehr gering bemessen. Gerade hinsichtlich der Reisekosten, die mit 20,00 EUR angesetzt
würden, begünstige der MDK die geprüften Pflegedienste deutlich, da oft eine Anreise von über einer Stunde
erforderlich sei, die andernfalls mit dem Stundensatz berechnet werden müsse. Die Kostenforderung des MDK
orientiere sich daher alleine an den tatsächlichen Kosten des MDK Hessen. Gewinnzuschläge würden nicht erhoben.
Im Vergleich zu Tagessätzen von Beratungsunternehmen seien die vom MDK erhobenen Kosten moderat.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als negative Feststellungsklage zulässig.
Eine Anfechtungsklage ist nicht statthaft. Diese ist nur dann die statthafte Klageart, wenn die Aufhebung eines
Verwaltungsakts begehrt wird. Ein Verwaltungsakt ist hier aber nicht Streitgegenstand der Klage. Entgegen der
Rechtsauffassung der Klägerin handelt es sich bei der Kostenforderung vom 15.10.2009 nicht um einen
Verwaltungsakt (wie die Klägerin aber Bassen in Udsching, SGB XI, 3. Aufl., 2010, § 114 Rn. 11; Bachem PflR 2009,
169, 172), sondern um eine Rechnung, die im Gleichordnungsverhältnis ergangen ist. Ein Verwaltungsakt ist gem. §
31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche
Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf
unmittelbare Rechtswirkung nach Außen gerichtet ist. Hier fehlt es am Merkmal der Hoheitlichkeit der Maßnahme.
Das Rechtsverhältnis der Beteiligten ist nicht durch die für die Hoheitlichkeit einer Maßnahme prägende Einseitigkeit
bestimmt (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, § 31 Rn. 10), sondern durch die vertragliche Bindung aufgrund des
Versorgungsvertrags gem. § 72 SGB XI. Dabei handelt es sich um einen koordinationsrechtlichen, öffentlich-
rechtlichen Vertrag (Schütze in Udsching, SGB XI, § 72 Rn. 13), der dem Versorgungsvertrag von Krankenhäusern
nachgebildet ist. Wie dort auch, ist von einer zweistufigen Konstruktion der Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer
und der Leistungsträger auszugehen. Die statusrelevante Ablehnung eines Vertragsabschlusses bzw. die Kündigung
eines abgeschlossenen Vertrags stellt einen Verwaltungsakt dar (BSG Urteil vom 6.8.1998 – B 3 P 8/97 Rn. 12;
Schütze in Udsching, SGB XI, § 73 Rn. 6), weil dort einseitig – und damit hoheitlich – entschieden wird, während das
Rechtsverhältnis im Vertragsvollzug von Gleichordnung geprägt ist (sog. Zwei-Stufen-Lehre, vgl. für das
Krankenhausrecht BSG Urteil vom 27.1.1981 – 5a/5 RKn 14/79 Rn. 40; BSG Urteil vom 30.6.2009 – B 1 KR 24/08 R
Rn. 12; BSG Urteil vom 2.11.2010 – B 1 KR 11/10 R Rn. 15; Schütze in Udsching, SGB XI, § 73 Rn. 6). Die
Kostenforderung gem. § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI ist keine statusbegründende bzw. –entziehende hoheitliche
Maßnahme, sondern die Geltendmachung einer Forderung im Rahmen des Vertragsvollzugs. Dass die diesbezügliche
Rechnung letztlich nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung der Beteiligten beruht, sondern auf einer gesetzlichen
Ermächtigung, ist hierfür unschädlich. Es ist typisch für öffentlich-rechtliche Verträge, gerade im Bereich der
Daseinsvorsorge, dass die vertragliche Beziehung von einer Reihe von zwingenden, gesetzlichen Vorschriften
durchzogen ist, die auf die Vertragsautonomie der Vertragsparteien erheblichen Einfluss nehmen. Diese Vorschriften
dienen insbesondere der Sicherheit der betroffenen Bürger. Sie sind aber im Verhältnis zu den Vertragsparteien
lediglich die gesetzlich vorgesehenen Rahmenbedingungen für den Vertragsinhalt. Gestützt wird die Ansicht der
Kammer davon, dass es in § 114 Abs. 5 SGB XI – anders als in § 115 Abs. 5 SGB XI - an einer dem § 73 Abs. 2
SGB XI entsprechenden Regelung fehlt. Hieraus kann ein Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers getroffen
werden, die Kostenforderung des § 114 Abs. 5 SGB XI nicht als Verwaltungsakt auszugestalten, zumal sich
andernfalls die Frage stellen würde, welche Widerspruchsbehörde über den Widerspruch zu entscheiden hätte.
Statthaft ist die Klage aber als negative Feststellungsklage, mit dem Ziel der Feststellung des Nichtbestehens eines
Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten. Streitgegenständliches Rechtsverhältnis ist der von den Beklagten
geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 1.258,80 EUR.
Die danach zulässige Klage ist auch begründet.
Die Beklagten haben keinen Anspruch auf Zahlung von 1.258,80 EUR gegen die Klägerin.
Sie können einen solchen Anspruch nicht aus § 114 Abs. 5 Satz. 2 SGB XI herleiten. Nach dieser Vorschrift kann im
Zusammenhang mit einer zuvor durchgeführten Regel- oder Anlassprüfung von den Landesverbänden der
Pflegekassen auf Kosten der Pflegeeinrichtung eine Wiederholungsprüfung veranlasst werden, um zu überprüfen, ob
die festgestellten Qualitätsmängel durch die nach § 115 Abs. 2 SGB XI angeordneten Maßnahmen beseitigt worden
sind. Hier wurde durch die Beklagten am 2.6.2009 eine Wiederholungsprüfung veranlasst, die im Zusammenhang mit
einer Regelprüfung am 8. und 9.12.2008 stand. Ziel der Wiederholungsprüfung, war die Überwachung der Beseitigung
der Mängel aus einem Mängelbescheid.
Der der Prüfung zugrundeliegende Mängelbescheid ist der Bescheid vom 3.3.2009. Dieser Bescheid ist zwar
rechtswidrig, aber nicht nichtig. Er konnte daher als Grundlage für die Wiederholungsprüfung dienen. Der
Mängelbescheid vom 3.3.2009 ist auf Grundlage des § 115 Abs. 2 SGB XI ergangen. Danach entscheiden die
Landesverbände der Pflegekassen nach Anhörung des Trägers der Pflegeeinrichtung und der beteiligten
Trägervereinigung unter Beteiligung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe, welche Maßnahmen zu treffen sind,
erteilen dem Träger der Einrichtung hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist
zur Beseitigung der Mängel.
Der Mängelbescheid vom 3.3.2009 erfüllt diese Anforderungen nicht. Er ist daher rechtswidrig. Dem Pflegedienst wird
durch den Bescheid keine Gelegenheit gegeben, festgestellte Mängel zu beseitigen. Hierzu fehlt es vor allem an einer
"angemessenen Frist". Unter einer angemessenen Frist, ist ein Zeitkorridor zu verstehen, der den Adressaten in die
Lage versetzt, Erfüllung eintreten zu lassen – hier also, den Mangel zu beseitigen. Für eine Mangelbeseitigung ist
aber – selbst bei leichtesten Mängeln – jedenfalls eine logische Sekunde erforderlich. Eine Frist muss daher
mindestens so lange bemessen sein, wie es im Idealfall und ohne jegliches Zögern dauert, damit ein verständiger
Adressat mit den notwendigen Kenntnissen in der Lage ist, den Forderungen nachzukommen. Dies können – je nach
Mangel - Minuten, Stunden, Tage oder auch längere Zeiträume sein. Jedenfalls eine Umsetzungsfrist "sofort" kommt
aber nicht in Betracht, weil "sofort" eine Mangelbeseitigung nicht eintreten kann.
Der Bescheid ist aber nicht nichtig. Nichtig ist gem. § 40 Abs. 1 SGB X ein Verwaltungsakt, soweit er an einem
besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden
Umstände offensichtlich ist. Insoweit ist von der sog. Evidenztheorie auszugehen (vgl. Roos in von Wulffen, SGB X,
§ 40 Rn. 7). Danach kommt es darauf an, ob der Fehler so schwerwiegend ist, dass er so mit der Rechts- oder
Wertordnung in Widerspruch steht, dass die Gültigkeit des Verwaltungsakts unerträglich wäre. Dies ist hier nach
Auffassung der Kammer nicht der Fall. Die Regelungsrichtung des Mängelbescheids, nämlich die Beseitigung von
bestimmten Missständen, steht im Einklang mit dem Sinn der §§ 114 ff. SGB XI. Sein Sinngehalt ist auch
verständlich dahingehend, dass festgestellte Mängel zügig zu beseitigen sind. Einzig an seiner Vollstreckbarkeit ist
zu zweifeln, wenn – wie von der Klägerin gerügt – die bezeichneten Maßnahmen zur Mängelbeseitigung zu
unbestimmt sind und eine überwachbare Frist gar nicht gesetzt wurde. Nichtigkeit besteht aus diesem Grund auch
nicht gem. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB X. Zwar ist es nicht möglich, Mängel "sofort" zu beseitigen, sondern lediglich "in
kürzest möglicher Zeit". Auch hier ist jedoch bei verständiger Würdigung der Regelungsrichtung des Bescheids nicht
auf etwas Unmögliches gerichtet. Der Bescheid kann inhaltlich befolgt werden, selbst wenn die beschriebenen
Maßnahmen unbestimmt und eine angemessene Frist nicht gesetzt ist, weil jedenfalls klargestellt ist, dass der im
Bescheid umschriebene und auch im Rahmen der Prüfung besprochene Mangel zu beseitigen ist.
Die Kostenforderung vom 15.10.2009 kann auch auf § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI gestützt werden. Die Kammer hat
keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm (a.A. Bachem a.a.O. S. 172). Sie verstößt nicht gegen das
Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Insbesondere ist die Vorschrift nicht zu unbestimmt. Der
Begriff der "Kosten" ist vor dem Hintergrund seines Regelungszusammenhangs und durch Rückgriff auf sachlich
entsprechende Normen auslegbar. Er umfasst alle tatsächlich entstandenen Aufwendungen bei der Durchführung einer
Wiederholungsprüfung.
Diese Auslegung folgt systematisch aufgrund der dem zivilrechtlichen Auftrag ähnlichen Ausgestaltung der
Wiederholungsprüfung. Offensichtlich ist der Auftragscharakter der Wiederholungsprüfung bei einer Prüfung gem. §
114 Abs. 5 S. 3 SGB XI. Hier handeln die Landesverbände der Pflegekassen im Auftrag der antragstellenden
Pflegeeinrichtung. Entsprechend dem zivilrechtlichen Auftragsrecht sind daher die aufgrund des Auftrags anfallenden
Kosten nach dem Rechtsgedanken des § 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu erstatten (so auch Bachem a. a. O.
S. 172).
Nichts Anderes kann gelten, wenn die Wiederholungsprüfung nicht im Auftrag der Pflegeeinrichtung stattfindet,
sondern - wie hier - von Amts wegen veranlasst wird, denn das Gesetz differenziert hinsichtlich der Kostenfolge nicht
zwischen den beiden Anlassarten für die Wiederholungsbegutachtung. Deshalb kann auch der Kostenbegriff nicht
inhaltlich anders ausgestaltet werden.
Kostenerstattung gem. § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI kann daher stets nur in dem Umfang verlangt werden, wie er im
Rahmen eines Aufwendungsersatzes im Sinne des § 670 BGB geschuldet wird. Gem. § 670 BGB ist der Auftraggeber
(hier die Pflegeeinrichtung) zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet, die der Beauftragte (hier die Landesverbände
der Pflegekassen) zum Zwecke der Ausführung des Auftrags macht, soweit er sie den Umständen nach für
erforderlichen halten darf. Nach allgemeiner Meinung sind dies aber nur Aufwendungen, die konkret im Einzelfall
entstehen, die nachweisbar sind und die nicht allgemeine Verwaltungskosten sind (BGH Beschluss vom 5.7.2000 –
XII ZB 58/97 in NJW 2000, 3712, 3715; VG Mainz Urteil vom 17.3.2005 – 1 K 720/04.MZ Rn. 29).
Die Kostenforderung gem. § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI hat mithin zwei Grundsätzen zu folgen:
- Kosten im Sinne des § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI sind nur zusätzliche Aufwendungen, nicht aber Verwaltungs- oder
Vorhaltekosten, die auch ohne die Wiederholungsprüfung angefallen wären.
- Geltend gemacht werden können nur tatsächlich im konkreten Einzelfall angefallene Aufwendungen. Pauschalen
oder Durchschnittswerte können nicht angesetzt werden.
Diesen Anforderungen genügt die Kostenforderung der Beklagten im vorliegenden Fall nicht. Die Berechnung
insbesondere des MDK-Stundensatzes basiert auf Durchschnittswerten und setzt in Teilbereichen Pauschalen an. Er
beinhaltet außerdem Verwaltungs- und Vorhaltekosten.
Schon die Grundlage der Berechnung des MDK-Stundensatz bildet ein Durchschnittswert. Angesetzt wird nicht der
konkrete Stundenlohn des eingesetzten Prüfers, sondern der Durchschnittsverdienst eines Tarifbeschäftigten in einer
– wohl – durchschnittlichen Tarif-Stufe mit zwei Kindern. Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese Annahme den
Durchschnitt aller MDK-Prüfer abbildet, wovon sich die Kammer kein Bild machen konnte, entspricht diese
Vorgehensweise nicht den Anforderungen, die Kosten im Einzelfall zu berechnen.
Dasselbe gilt für die Anwendung einer Reisekosten- und Bearbeitungspauschale in Höhe von 320,00 EUR. Es ist für
die Kammer zwar nachvollziehbar, dass diese Pauschale sich der Höhe nach wohl letztlich in der Regel zugunsten
der geprüften Pflegeeinrichtung auswirken dürfte. Dies ist aber nicht zwingend. Insbesondere ist es durchaus
vorstellbar, dass im Einzelfall auch niedrigere Reisekosten anfallen. Schließlich beinhaltet der Stundensatz unstreitig
auch Verwaltungs- und Vorhaltekosten des MDK, die im Verhältnis auf den Wiederholungsprüfdienst umgelegt werden
(vgl. Pressemitteilung des MDS vom 24.2.2009; www.mds-ev.de/3178.htm; siehe auch Bachem a. a. O. S. 172).
Nach dem oben Gesagten, sind die diese Kosten nicht erstattungsfähig im Rahmen des § 114 Abs. 5 S. 2 SGB XI.
Eine Forderung in Höhe des von den Beklagten geltend gemachten Betrags besteht also gegen die Klägerin nicht.
Die Kammer war zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung auch nicht in der Lage, auch nur eine begründete Teilforderung der
Beklagten zu ermitteln. Hierzu hätte es eines substantiierten Vorbringens bedurft, welche tatsächlichen
Aufwendungen aufgrund der Wiederholungsprüfung am 13.7.2009 angefallen sind. Da die Darlegungslast insoweit bei
den Beklagten liegt, war der Klage vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Hierbei war zu beachten, dass die Klägerin mit ihrem tatsächlichen Klagebegehren und dem diesbezüglichen
Hilfsantrag vollständig obsiegt hat.