Urteil des SozG Chemnitz vom 08.12.2005

SozG Chemnitz: eheliche gemeinschaft, besondere härte, haushalt, eltern, meinung, eingliederung, aufenthalt, vergleich, beendigung, getrenntleben

Sozialgericht Chemnitz
Urteil vom 08.12.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 6 AS 260/05
I. Die Beklagte wird in Abänderung der streitigen Bescheide verurteilt, den Arbeitslosengeld II-Anspruch der Klägerin
mit der Maßgabe zu berechnen, dass aus dem Einkommen des Ehegatten der Klägerin nur der Teil berücksichtigt
wird, den die Klägerin nach dem Unterhaltsrecht des Bürger-lichen Gesetzbuches von ihrem Ehegatten beanspruchen
kann. II. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendig entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die am ... 1947 geborene Klägerin beantragte am 06.10.2004 die Zahlung von Leistun-gen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Mit streitigem Bescheid vom 17.12.2004 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, sie sei
aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nicht hilfebedürftig. Der Ehegatte der Klägerin beziehe eine Rente. Er könne
mit dieser Rente seinen eigenen Bedarf decken. Das übersteigende Einkommen werde bei der Klägerin
bedarfsmindernd berücksichtigt.
Dagegen legte die Klägerin am 28.12.2004 Widerspruch ein. Die Altersrente ihres Ehegat-ten könne nicht, wie von der
Beklagten durchgeführt, angerechnet werden. Überdies leide ihr Ehegatte an mehreren chronischen Erkrankungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbe-gründet zurück. Die Klägerin
habe einen Gesamtbedarf von monatlich 443,16 EUR. Das Ein-kommen des Ehegatten der Klägerin betrage 970,45
EUR monatlich. Als eigener Bedarf des Ehegatten seien 524,16 EUR monatlich anzusetzen. Der Restbetrag aus dem
Einkommen des Ehegatten der Klägerin in Höhe von 446,29 EUR sei bei der Klägerin zu berücksichtigen. Die-ser
Betrag von 446,29 EUR übersteige den Gesamtbedarf der Klägerin von 443,16 EUR, so dass mangels
Hilfebedürftigkeit der Klägerin ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bei der Klägerin nicht
bestehe.
Dagegen hat die Klägerin am 26.04.2005 Klage erhoben. Für das Klageverfahren wurde das Aktenzeichen S 6 AS
260/05 verteilt.
Gleichzeitig wurde die Durchführung eines Eilverfahrens beantragt. Das Eilverfahren er-hielt das Aktenzeichen S 6 AS
258/05 ER. Der Schriftverkehr wurde zunächst im ER-Verfahren weitergeführt.
Zur Begründung der Klage wies die Klägerin im Schriftsatz vom 27.04.2004 darauf hin, dass bei ihrem Ehegatten ein
Betrag von 666,36 EUR monatlich anrechnungsfrei bleiben müs-se.
Mit Schriftsatz vom 09.05.2005 wies die Beklagte darauf hin, dass der Ehegatte der Kläge-rin nicht zur
Bedarfsgemeinschaft der Klägerin gehöre, da er wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nicht selbst die
Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfülle. Leistun-gen an die Klägerin könnten jedoch nur erbracht werden, falls
sie hilfebedürftig sei. Hierzu sei auch zu prüfen, ob die Hilfebedürftigkeit aus dem zu berücksichtigenden Partnerein-
kommen beseitigen werden könne (§ 9 Abs. 2 SGB II).
Mit Schreiben vom 11.05.2005 an die Beklagte bat das Gericht um Mitteilung, nach wel-chen Vorschriften denn der
"eigene Bedarf des Ehepartners" der Klägers errechnet worden sei, wenn der Ehegatte der Klägerin nicht zur
Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zähle. Gegebenenfalls seien hierbei die Vorschriften des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB) zum Ehegattenunterhalt heranzuziehen.
Mit Schriftsatz vom 19.05.2005 wies die Beklagte darauf hin, dass der Bedarf des Ehegat-ten der Klägerin nach § 42
SGB XII berechnet worden sei. Die Vorschriften des BGB zum Ehegattenunterhalt seien nicht anwendbar, denn dafür
sei u.a. Voraussetzung, dass die Ehegatten getrennt lebten. Überdies würde eine Anwendung dieser Vorschriften zu
einer Schlechterstellung gegenüber denjenigen Ehegatten führen, die eine Bedarfsgemeinschaft bilden.
Unterhaltsrechtliche Bestimmungen seien in einer Bedarfsgemeinschaft nicht an-wendbar.
Mit Schriftsatz vom 01.06.2005 weisen die Klägerin und ihr Ehegatte darauf hin, der Ehe-gatte sei weder hilfebedürftig
noch gehöre er einer Bedarfsgemeinschaft an. Deswegen sei die Lebensgrundlage des Ehegatten nicht nach dem
SGB XII zu berechnen. Die unterhalts-rechtlichen Vorschriften aus dem BGB seien auch auf nicht geschiedene
Ehepaare anzu-wenden.
Mit Schriftsatz vom 14.06.2005 wies die Beklagte darauf hin, dass gemäß § 9 Abs. 2 SGB II auch das Einkommen
des Partners eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen anzu-rechnen sei, und zwar in der Höhe, wie es nach dem Abzug
des eigenen Bedarfs eines nicht zur Bedarfsgemeinschaft zählenden Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft verbleibt.
Würde der Ehepartner der Klägerin zur Bedarfsgemeinschaft gehören, ergäbe sich dessen Bedarf aufgrund der
Bestimmungen zum SGB II. Es könne kein anderes Ergebnis gelten, wenn ein Mitglied einer Haushaltsgemeinschaft
z.B. wegen Bezuges einer Rente nicht zur Be-darfsgemeinschaft zähle und sich dessen Bedarf nach den
Bestimmungen des SGB XII zu bemessen habe.
In der mündlichen Verhandlung am 23.06.2005 im ER-Verfahren schlossen die Beteiligten einen widerruflichen
Vergleich dahingehend, dass für die Klägerin ab 01.01.2005 Arbeits-losengeld II in Höhe von monatlich 134,91 EUR
zu zahlen sei. Die mündliche Verhandlung wurde daraufhin vertagt.
Dieser Vergleich wurde innerhalb der Widerrufsfrist von beiden beteiligten Seiten widerru-fen.
Der weitere Schriftverkehr wurde nunmehr im Klageverfahren S 6 AS 260/05 geführt.
Mit Schriftsatz vom 30.11.2005 wies das Gericht darauf hin, dass der Schriftverkehr im Eilverfahren auch Gegenstand
des vorliegenden Klageverfahrens sei. Die Ehe sei grundge-setzlich geschützt. Die Art und Weise, wie die Beklagte
die Anrechnung des Einkommens des Ehegatten der Klägerin vornehme, sei gegebenenfalls deswegen nicht mit
Artikel 6 des Grundgesetzes vereinbar, weil dadurch gegebenenfalls ein Anreiz gesetzt werde, die eheli-che
Gemeinschaft zu beenden. Der Ehegatte der Klägerin wäre dann nur noch den Unter-haltsansprüchen nach dem BGB
ausgesetzt. Überdies gab das Gericht zu bedenken, ob die Bedarfsgemeinschaft im Sinn des § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB
II nicht als Gemeinschaft Bedürftiger zu verstehen sei mit der Folge, dass zunächst bei jedem Einzelnen abzuprüfen
sei, ob ein Bedarf nach §§ 19 ff. SGB II bestehe und nur dann eine Bedarfsgemeinschaft entstehe, wenn mehre
Einzelbedarfe vorhanden seien. Immerhin sei Hauptzweck des § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II ja die Leistungsgewährung
an Hilfebedürftige.
In der mündlichen Verhandlung am 08.12.2005 benannte die Klägerin ihren Ehegatten als Prozessbevollmächtigten.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt:
I. Die Beklagte wird in Abänderung der streitigen Bescheide verurteilt, den Ar-beitslosengeld II-Anspruch der Klägerin
mit der Maßgabe zu berechnen, dass aus dem Einkommen des Ehegatten der Klägerin nur der Teil berücksichtigt
wird, den die Klägerin nach dem Unterhaltsrecht des Bürgerlichen Gesetzbu-ches von ihrem Ehegatten beanspruchen
kann.
II. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendig entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Auf diese, die Prozessakten in den Verfahren S 6 AS 258/05
ER und S 6 AS 260/05 sowie die jeweiligen Niederschriften der mündlichen Verhandlung wird zur Ergänzung des
Tatbestandes verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben und insgesamt zulässig.
Die Klage ist auch entsprechend des Antrages in der mündlichen Verhandlung begründet. Dies ergibt sich daraus,
dass der Ehegatte der Klägerin nicht zu deren Bedarfsgemeinschaft gehört (unten "A"). Eine Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt nicht vor (unten "B").
Die maßgeblichen Vorschriften aus dem SGB II lauten wie folgt:
§ 7 Absätze 1 bis 4:
"(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfä-hige Hilfebedürftige). Ausländer haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
der Bun-desrepublik Deutschland und erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn die Vor-aussetzungen nach § 8
Abs. 2 vorliegen; dies gilt nicht für Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt. (2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden
ihnen nur er-bracht, wenn dadurch 1. die Hilfebedürftigkeit der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft beendet oder
verrin-gert, 2. Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähige Hilfebedürftigen beseitigt oder vermindert werden.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören 1. die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, 2. die im Haushalt lebenden Eltern oder
der im Haushalt lebende Elternteil eines min-derjährigen, unverheirateten erwerbsfähigen Kindes und der im Haushalt
lebende Partner dieses Elternteils, 3. als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen a. der nicht dauernd getrennt
lebende Ehegatte, b. die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, c.
der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, 4. die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten
Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen
die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können. (4) Leistungen nach diesem Buch erhält
nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters
bezieht."
§ 9:
"(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm
in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor
allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder
Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern
anderer Sozialleistungen, erhält. (2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen
und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei minderjährigen unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder
einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht
aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der
Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Be-darf aus
eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs
zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig. (3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist
oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut. (4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der
sofortige Verbrauch oder die sofortige Ver-wertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für
den dies eine besondere Härte bedeuten würde; in diesem Falle sind die Leistungen als Darlehen zu erbringen. (5)
Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwäger-ten, so wird vermutet, dass sie
von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Ein-kommen und Vermögen erwartet werden kann."
A. Nach dem Gesetzestext des § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen auch Perso-nen, die mit erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Haupt-zweck des § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist damit die
Leistungsgewährung an Hilfebedürftige. Das Gericht schließt sich hier der Meinung von Brühl im Lehr- und
Praxiskommentar zum SGB II, Rdnr. 32 zu § 7 SGB II, an. Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft kann daher nur
derjenige sein, an den Leistungen nach dem SGB II erbracht werden können. Nachdem der Ehegatte der Klägerin eine
Rente wegen Alters bezieht, gehört er gemäß § 7 Abs. 4 SGB II nicht zu den Personen, die Leistungen nach dem
SGB II erhalten können. In Verbindung mit § 7 Abs. 4 SGB II ist daher die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II so
zu verste-hen, dass zur Bedarfsgemeinschaft nur der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte gehört, der Leistungen
nach dem SGB II erhalten kann. Dies ist beim Ehegatten der Klägerin auf-grund seines Bezuges von Rente wegen
Alters nicht möglich. Der Ehegatte der Klägerin gehört daher nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin.
Dementsprechend kann das Einkommen des Ehegatten der Klägerin nicht gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II
berücksichtigt werden. Diese Vorschrift setzt die Zugehörigkeit des Ehegatten der Klägerin zu der
Bedarfsgemeinschaft der Klägerin voraus.
Die Beklagte verweist zur Anrechnung des Einkommens des Ehegatten der Klägerin auf § 9 Abs. 5 SGB II. Diese
Vorschrift kann jedoch die Anrechnung des Einkommens des Ehegatten der Klägerin, wie von der Beklagten
vorgenommen, nicht rechtfertigen. Einer-seits wird bei Personen in einer Haushaltsgemeinschaft bei denjenigen, deren
Einkommen berücksichtigt werden soll, keine Bedarfsberechnung nach dem SGB II vorgenommen. Hier ist lediglich
von Leistungen die Rede, die insoweit in Ansatz gebracht werden kön-nen, als es nach dem Einkommen und
Vermögen der Einkommensbezieher erwartet wer-den kann.
Für den vorliegenden Fall ist § 9 Abs. 5 SGB II jedoch schon deswegen nicht anzuwenden, weil diese Vorschrift eine
Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten voraussetzt. Die Klägerin ist mit ihrem Ehegatten
jedoch nicht verwandt oder verschwä-gert.
Das Einkommen des Ehegatten der Klägerin ist daher nach Ansicht des Gerichts nicht über die Vorschrift des § 9
SGB II bei der Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu berücksichtigen.
Eine Anrechnung kann, wie tenoriert, nach Ansicht des Gerichts daher nur über die Vor-schriften des Unterhaltsrechts
im Bürgerlichen Gesetzbuch erfolgen.
B. Die Beklagte begründet die vorgenommene Einkommensanrechnung auch damit, dass Ehegatten, die lediglich in
einer Haushaltsgemeinschaft zusammen leben, bei der Ein-kommensanrechnung nicht besser gestellt werden dürfen
als Ehepaare, die zu einer Be-darfsgemeinschaft zählen. Diese Ansicht dringt nach Meinung des Gerichts nicht durch.
Zunächst ist schon fraglich, ob eine unterschiedliche Behandlung nicht schon dadurch ge-rechtfertigt wäre, weil auch
unterschiedliche Sachverhalte vorliegen. Immerhin gibt es – wie im vorliegenden Fall – auch Ehegatten mit
Einkommen, denen der Zugang zu den Leistungen des SGB II verwehrt ist. Diese Frage kann jedoch offen bleiben,
denn auch für den Fall einer Gleichbehandlungspflicht liegt nach dem Lösungsansatz des Gerichts eine Verletzung
dieser Gleichbehandlungspflicht nicht vor. Nach Ansicht des Gerichts gehört ein Ehegatte nur dann zu der
Bedarfsgemeinschaft eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, wenn der Ehegatte selbst hilfebedürftig ist und dadurch
Leistungen nach dem SGB II erhalten kann.
Wie schon oben ausgeführt, ist Hauptzweck der Bedarfsgemeinschaft, Haushaltsangehöri-ge, die selbst nicht zu den
leistungsberechtigten erwerbsfähigen Personen gehören, zwecks Leistungsgewährung dem SGB II zuzuordnen (vgl.
Brühl, a.a.O., mit Hinweis auf die BT-Drucksache 15/1516, 52, 59, 63). Ein Ehegatte jedoch, der aus einem eigenen
Verdienst heraus seinen Lebensunterhalt sichern kann, ist nicht hilfebedürftig. Die Einordnung eines solchen
Ehegatten in eine Bedarfsgemeinschaft entspricht damit nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Dieser Ansatz des
Gerichts wird auch gestützt durch die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Danach gehören z.B. minderjährige
unverheiratete Kinder eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dann nicht zur Bedarfsgemeinschaft, wenn sie sich aus
eigenem Einkommen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beschaffen kön-nen. Diese Vorschrift nimmt
also diejenigen Kinder, die im Haushalt eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen leben und das 15. Lebensjahr vollendet,
das 18. Lebensjahr jedoch noch nicht vollendet haben, trotzdem als nicht zur Bedarfsgemeinschaft des
erwerbsfähigen Hil-febedürftigen gehörend an, soweit das Kind seinen Lebensunterhalt selbst sichern kann, also
soweit das Kind nicht bedürftig ist. Nach dieser Vorschrift gehört ein solches Kind nicht zur Bedarfsgemeinschaft mit
der Folge, dass auch das Einkommen des Kindes nicht gemäß § 9 Abs. 2 SGB II bei dem erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen angerechnet werden kann. Warum sollte ein Ehegatte, der aufgrund eigenen Einkommens nicht
hilfebedürftig ist, anders behandelt werden als ein minderjähriges unverheiratetes Kind, das ebenfalls wegen eigenen
Einkommens nicht hilfebedürftig ist?
Nach Ansicht des Gerichts folgt daher aus dem Sinn und Zweck des § 7 SGB II sowie aus dem inneren Aufbau des §
7 Abs. 3 SGB II, dass § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II auch für Ehegatten, die nicht unter § 7 Abs. 4 SGB II fallen,
erweiternd so zu lesen ist, dass zur Bedarfsgemeinschaft gehört der nicht dauernd getrennt lebende hilfebedürftige
Ehegatte.
Nach dieser Auslegung gehört also ein nicht hilfebedürftiger Ehegatte auch nicht zur Be-darfsgemeinschaft, so dass
das Einkommen des nicht hilfebedürftigen Ehepartners nicht gemäß § 9 Abs. 2 SGB II zu berücksichtigen ist.
§ 9 Abs. 5 SGB II trifft, wie oben ausgeführt, auf eine Haushaltsgemeinschaft unter Ehe-gatten nicht zu. Damit
verbleibt es nach Ansicht des Gerichts auch bei Ehepaaren, bei de-nen der verdienende Ehegatte nicht unter § 7 Abs.
4 SGB II fällt, bei der Berücksichtigung von Einkommen bei den Vorschriften des Unterhaltsrechts aus dem
Bürgerlichen Gesetz-buch.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Einbeziehung eines nicht hilfebedürftigen Ehegatten in die
Bedarfsgemeinschaft einen finanziellen Anreiz setzt, die eheliche Gemeinschaft zu beenden. Nach Beendigung der
ehelichen Gemeinschaft ist der verdienende Teil im Falle des Getrenntlebens schließlich nur noch den
Unterhaltsansprüchen nach dem BGB ausgesetzt. Durch das Getrenntleben wird die Bedarfsgemeinschaft nach dem
Wort-laut des § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II auf jeden Fall beendet. Eine Bedarfsminderung über § 9 Abs. 2 SGB II findet
bei dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dann nicht mehr statt.
Der Klage war daher, wie tenoriert, stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.