Urteil des SozG Bremen vom 06.05.2010

SozG Bremen: örtliche zuständigkeit, anspruch auf bewilligung, pflege, wohnung, sachliche zuständigkeit, bezirk, sozialhilfe, niedersachsen, vermietung, stadt

Sozialgericht Bremen
Beschluss vom 06.05.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 15 SO 32/10 ER
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anord-nung verpflichtet, der Antragstellerin Pflegegeld nach §
64 Abs. 3 SGB XII in Höhe von monatlich 228,33 Euro ab dem 09.02.2010 und bis zu einer rechtskräftigen
Entscheidung in dem Klageverfahren S 15 SO 33/10, längstens aber zunächst für die Dauer von sechs Monaten, zu
gewähren. Die Leistungen werden vorläufig erbracht und stehen unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Die
außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu
erstatten. II. Der Antragstellerin wird für das Antragsverfahren rückwir-kend Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung
unter Beiord-nung von Rechtsanwältin B. bewilligt.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten (noch) um die Gewährung von (Rest-)Pflegegeld nach dem Siebten Kapitel des Zwölften
Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XII - Hilfe zur Pflege). Die am 00.00.0000 geborene Antragstellerin ist
schwerstpflegebedürftig. Anerkannt ist ein GdB von 100 mit den Merkzeichen G und aG. Sie ist auf den Rollstuhl
angewiesen. Von der Pflegekas-se wurde sie in die Pflegestufe III eingestuft. Von dort erhält sie
Pflegesachleistungen. Als Einkommen erhält die Antragstellerin in erster Linie eine Rente wegen voller Erwerbsminde-
rung.
Im November 2008 zog die Antragstellerin von F-Stadt in der Samtgemeinde E., die im Bezirk des beigeladenen
Landkreises liegt, (zurück) nach Bremen, wohl weil ihr die Bewältigung des Alltags in ihrer alten Wohnung und in einer
ländlich geprägten Gegend zunehmend schwerer fiel (vgl. den Bericht des Sozialdienstes vom 04.03.2009, Bl. 55 der
Behördenakte der An-tragsgegnerin). In Bremen, wo sie bereits 1986 bis ca. 2001 wohnhaft war (Bl. 80 BA), bezog sie
eine auch für eine Rollstuhlfahrerin geeignete Wohnung bei einem privaten Vermieter.
Die Antragstellerin wird von der Assistenzgenossenschaft Bremen ambulant gepflegt. Eine Verbindung zwischen der
Vermietung der Wohnung und dem genossenschaftlich organisier-ten Pflegedienst besteht nicht.
Bereits unmittelbar nach dem Umzug nach Bremen kam es zu Unklarheiten im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit
der Leistungsträger. Im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens vor dem Sozialgericht (S 15 SO 32/09 ER)
bewilligte die Antragsgegnerin nach erfolgter Be-darfsfeststellung vorläufig nach § 43 SGB I Hilfe zur Pflege
(Grundpflege und hauswirtschaftli-che Verrichtung) sowie Eingliederungshilfe in einem Umfang von zunächst zwei
Stunden täg-lich (Bescheid vom 05.03.2009, Bl. 65 BA).
Im Hinblick auf die Gewährung des (Rest-)Pflegegeldes heißt es in einem internen Vermerk der Antragsgegnerin (Bl.
72 BA), ein Anspruch bestehe nach § 64 Abs. 5 SGB XII nur, wenn damit die erforderliche Pflege in geeigneter Weise
selbst sichergestellt werde. Das wäre nicht der Fall, wenn der Pflegebedarf mit der (gewährten) Leistung der
individuellen Schwerstbe-hindertenbetreuung (ISB) voll abgegolten sei und keine weitere Person tätig sei oder tätig
sein müsse. Nach erneuter Bedarfsfeststellung durch das Gesundheitsamt bewilligte die Antrags-gegnerin, Amt für
Soziale Dienste - Sozialzentrum X. -, gleichwohl (allerdings noch immer vorläufig) Pflegegeld gemäß § 64 Abs. 3 SGB
XII in Höhe von monatlich 224,98 Euro. Ermes-senserwägungen lassen sich dem Bescheid vom 18.06.2009 nicht
entnehmen. In dem ange-fügten Berechnungsbogen heißt es allerdings, von dem Pflegegeld bei schwerster Pflegebe-
dürftigkeit in Höhe von 675,00 Euro seien "wg. Einsatz besond. Pflegekraft" 450,02 Euro ab-gezogen worden.
Mit Schreiben vom 15.07.2009 gab der Beigeladene gegenüber der Antragsgegnerin nach "Prüfung der Sach- und
Rechtslage" und gemäß § 98 Abs. 5 SGB XII ein Kostenanerkenntnis, zunächst befristet bis zum 31.12.2010, ab;
bewilligte dann aber anscheinend (zunächst) der Antragstellerin keine Leistungen. Mit Bescheid vom 31.08.2009 hob
die Antragsgegnerin die Bewilligung des (Rest-)Pflegegeldes mit Wirkung vom 01.10.2009 auf und wies zugleich dar-
auf hin, dass die Bewilligung der Eingliederungshilfe und der ergänzenden Hilfe zur Pflege bis zum 30.09.2009
befristet sei. Aufgrund der nunmehr anerkannten Zuständigkeit des Beigela-denen erfolge ab dem 01.10.2009 eine
Leistungsbewilligung von dort. In der Folgezeit äußer-te die Antragsgegnerin gegenüber dem Beigeladenen Zweifel, ob
die Voraussetzungen zur Gewährung des (Rest-)Pflegegeldes vorlagen. Im Hinblick auf die Prüfung eines
Kostenerstat-tungsanspruchs für den Zeitraum bis 30.09.2009 bat sie den Beigeladenen insoweit um Prü-fung und
Bescheidung.
Gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31.08.2009 legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.09.2009
Widerspruch ein. In der Widerspruchsbegründung wies sie darauf hin, dass § 98 Abs. 5 SGB XII keine Anwendung
finde. Bei ihrer Wohnung in Bremen handele es sich um keine ambulant betreute Wohnform im Sinne der Vorschrift.
Vielmehr bediene sie sich eines anerkannten ambulanten Pflegedienstes, der mit der Vermietung der Wohnung nichts
zu tun habe. Im Übrigen habe sie auch einen Anspruch auf Weitergewährung des Pfle-gegeldes, mit dem sie einen
Bedarf abdecke, der über den regelmäßig anfallenden Pflege- und Unterstützungsbedarf hinausgehe. Sie benötige das
Pflegegeld für weitere Aktivitäten und plötzlich erforderliche Hilfeleistungen. Im Übrigen ließen sich auch den
bisherigen Bewilli-gungsentscheidungen keine Ermessenserwägungen entnehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2010 wies die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales
den Widerspruch für die Antragsgegnerin unter Verweis auf das von dem Beigeladenen abgegebene
Kostenanerkenntnis als unbegründet zurück.
Am 09.02.2010 hat die Antragstellerin den vorliegenden Eilantrag gestellt und zugleich Klage erhoben (S 15 SO
33/10), die bei der Kammer noch anhängig ist. Im Rahmen des Eilverfah-rens verweist sie darauf, dass sie seit
nunmehr über vier Monaten keine Leistungen der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe erhalten habe. Der
Pflegedienst sei nicht länger bereit, in Vorleistung zu treten. Im Übrigen weist sie noch einmal - diesmal unter Hinweis
auf Recht-sprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen - darauf hin, dass in ihrem Fall keine ambulant
betreute Wohnmöglichkeit vorliege. § 98 Abs. 5 SGB XII sei nicht anwendbar.
Mit - wohl inzwischen bestandskräftigem - Bescheid vom 16.02.2010 bewilligte der Beigelade-ne - zunächst befristet
bis zum 30.09.2011 - Hilfe zur Pflege (Grundpflege und hauswirtschaft-liche Versorgung) im Umfang von 8 ½ Stunden
am Tag sowie Eingliederungshilfe im Umfang von 2 Stunden am Tag.
Vor dem Hintergrund der Teilbewilligung durch den Beigeladenen beantragt die Antragstelle-rin nunmehr noch
(sinngemäß),
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr im Rahmen der Hilfe zur Pflege
Pflegegeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Ansicht, die Zuständigkeit des Beigeladenen auch für die Gewährung des Pflege-geldes folge aus seiner
Bewilligung im Übrigen. Die (streitige) Frage nach dem Anwendungs-bereich des § 98 Abs. 5 SGB XII könne erst im
Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Der mit Beschluss vom 25.02.2010 beigeladene Landkreis hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Er verweist
allerdings darauf, dass sein Kostenanerkenntnis vor dem Hintergrund der Argumentation der Antragstellerin wohl zu
Unrecht erfolgt sei. Deswegen könne er auch kein Pflegegeld (mehr) bewilligen. Vor einem Widerruf seiner
Kostenzusage insgesamt sei aller-dings der Abschluss des Eilverfahrens abzuwarten.
Das Gericht hat die Behördenakte der Antragsgegnerin und des Beigeladenen beigezogen.
II. Der nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- statthafte Antrag auf Erlass einer einst-weiligen Anordnung ist
begründet.
Voraussetzung für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist neben einer
besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein An-spruch der Antragstellerin auf die begehrte
Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungs-grund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs.
2 Satz 3 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Die Antragstellerin konnte sowohl einen Anordnungsanspruch (1.), als auch einen Anord-nungsgrund (2.) glaubhaft
machen.
1. Die Antragstellerin hat Anspruch auf Bewilligung eines (Rest-)Pflegegeldes in Höhe von monatlich 228,33 Euro (a.).
Dieser Anspruch richtet sich gegen die Antragsgegnerin als örtlich zuständigen Sozialhilfeträger (b.).
a. Der Anspruch auf Bewilligung des Pflegegeldes folgt aus § 64 Abs. 3 SGB XII i. V. m. § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3
Buchstabe b SGB XI. Nach Aktenlage erhält die Antragstellerin von der Pflegekasse alleine Sachleistungen.
Gleichwohl war das Pflegegeld in Höhe von nunmehr 685,00 Euro monatlich gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 SGB XII um
2/3 zu kürzen. Zwar hat die Antragstellerin zu Recht darauf hingewiesen, dass § 68 Abs. 2 Satz 2 SGB XII eine
Ermes-sensvorschrift darstellt, was sich den bisherigen Bewilligungen der Antragsgegnerin nicht er-sehen lässt.
Gleichwohl erscheint eine Kürzung um den Höchstsatz vor dem Hintergrund der Betreuungssituation nachvollziehbar
und war deshalb auch von dem Gericht - erst Recht im Eilverfahren - vorzunehmen.
Soweit sich der Behördenakte grundsätzliche Zweifel der Antragsgegnerin an den Anspruchs-voraussetzungen
entnehmen lassen, hat das Gericht vor dem Hintergrund der gleichwohl er-folgten Bewilligung zunächst keinen Anlass
gesehen, diese Frage im Eilverfahren zu vertie-fen. Insoweit war auch zu berücksichtigen, dass der Aufbau der
gesetzlichen Vorschrift eher dafür spricht, dass zumindest das Restpflegegeld in Höhe von einem Drittel immer - also
un-abhängig von der Betreuungssituation im Übrigen - zu gewähren ist (so wohl auch Grube in Grube/Wahrendorf,
Komm. zum SGB XII, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 13 ff. zu § 66), was nicht zuletzt zur Deckung plötzlich auftretender
"Bedarfsspitzen" auch sachgerecht erscheint.
b. Der Anspruch auf Gewährung des Pflegegeldes richtet sich gegen die Antragsgegnerin als örtlich und sachlich
zuständigen Sozialhilfeträger. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob sich die Zuständigkeit der Antragsgegnerin
als zuerst angegangener Leistungsträger aus § 43 Abs. 1 SGB I oder - da ursprünglich auch Leistungen der (sozialen)
Rehabilitation bean-tragt waren und bewilligt worden sind - aus § 14 SGB IX ergibt. Denn nach Auffassung der
Kammer ist die Antragsgegnerin auch endgültig zuständig. Die sachliche Zuständigkeit der Stadtgemeinde als
örtlicher Träger der Sozialhilfe folgt aus § 97 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 4 Nr. 5 des Gesetzes zur Ausführung des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 30.04.2007 (Brem.GBl. S. 315). Ihre örtliche Zuständigkeit folgt aus § 98
Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Danach ist für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bezirk
sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Das ist vorliegend der Bezirk der Stadtgemeinde Bremen.
§ 98 Abs. 5 SGB XII steht dem nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist für die Leistungen nach dem SGB XII an
Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII in Formen ambulanter betreuter
Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozial-hilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt
zuständig war oder gewesen wäre. Diese Vorschrift findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Die
Antragstellerin erhält keine Hilfe zur Pflege (Siebtes Kapitel) in der Form einer ambulant betreuten Wohn-möglichkeit.
Der Antragsgegnerin ist zuzugestehen, dass § 98 Abs. 5 SGB XII in der praktischen Anwen-dung bereits seit seiner
Einführung streitanfällig ist. Dies hängt zum einen mit der Vielgestal-tigkeit möglicher Wohnformen zusammen, wobei
Übergänge mit einer zunehmenden und ge-wünschten "De-Institutionalisierung" der Behindertenbetreuung fließend
sind. Zum anderen ist es Verwaltungspraxis und Rechtsprechung nicht gelungen, den Begriff der ambulant betreu-ten
Wohnmöglichkeit einer handhabbaren Klärung zuzuführen. Streitig ist nach wie vor, ob für eine ambulant betreute
Wohnform im Sinne des Gesetzes begrifflich zusätzlich bestimmte organisatorische Anforderungen zu stellen sind,
insbesondere ob sie von der betreuenden Institution oder Person eingerichtet oder betrieben werden muss (siehe zum
Meinungsstand Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Komm., Rdnr. 97 zu § 98; vgl. zum Begriff der betreuten
Wohnmöglichkeit nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX Löschau in GK-SGB IX, Rdnr. 66 ff. zu § 55; ausführlich auch
Gerlach "Streitfall § 98 Abs. 5 SGB XII - die örtliche Zuständigkeit für Leis-tungen ambulanten betreuten
Wohnmöglichkeiten" in ZfF 2008, 1, 7 sowie Josef/Wenzel, "Zu-ständigkeitsfragen beim ambulant betreuten Wohnen
nach § 98 Abs. 5 SGB XII", NDV 2007, 85 ff.). Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat - worauf die
Antragstellerin zutref-fend hingewiesen hat - in einer Entscheidung vom 21.06.2007 (L 13 SO 5/07, zit. n. juris) die
Ansicht vertreten, dass es sich bei dem "Wohnen" im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII um eine Wohnung handeln
muss, die vom freien Träger der Leistungen organisiert wurde. Denn die Regelung gehe davon aus, dass der freie
Träger dem Hilfesuchenden die Möglichkeit zum Wohnen biete. Damit sei es aber nicht zu vereinbaren, wenn der
Hilfesuchende selbstständig eine Wohnung suche und anmiete, in der er dann von den Mitarbeitern des freien Trägers
aufgesucht werde, um ihn ambulant zu betreuen (so auch SG Stade, Urt. v. 21.12.2009 - S 33 SO 16/07 -, zit. n. juris,
Sprungrevision anhängig beim BSG unter dem Aktenzeichen B 8 SO 7/10 R).
Die Antragsgegnerin stützt sich zum Beleg ihrer "erweiternden" Auslegung des § 98 Abs. 5 SGB XII ebenfalls auf
Rechtsprechung, ohne diese konkret zu benennen. Sie wird die bisheri-ge Rechtsprechung der bremischen
Verwaltungsgerichte meinen, doch stützen die insoweit ergangenen Entscheidungen ihre Rechtsansicht - soweit
erkennbar - nicht. Richtig ist, dass das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen im Rahmen seiner
(befristeten) Zuständigkeit für das SGB XII die enge Auslegung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
(wohl) nicht geteilt hat. In einem Beschluss vom 26.06.2006 (S3 B 188/06, zit. n. juris) heißt es, § 98 Abs. 5 SGB XII
finde Anwendung bei Leistungen in Formen ambulanter betreu-ter Wohnmöglichkeiten, was nach dem
Gesetzeswortlaut Wohnen in vielerlei verschiedenen Formen möglich mache, nämlich in Wohngruppen, in
Wohngemeinschaften, in Einzelwohnun-gen, in eigenen Wohnungen, z. B. unter Umständen auch in der bisherigen
eigenen Woh-nung, in Wohnungen, die von Wohnbetreuungsunternehmen zur Verfügung gestellt werden, sofern die in
diesen verschiedenen Formen von Wohnmöglichkeiten lebenden Personen eine ambulante Wohnbetreuung erfahren.
Es dürfe sich einerseits nicht um stationäre Leistungen i. S. d. § 98 Abs. 2 SGB XII handeln und andererseits auch
nicht lediglich um eine ambulante Eingliederungshilfe nach § 98 Abs. 1 SGB XII ohne spezifische qualifizierte
Wohnbetreuung i. S. d. § 98 Abs. 5 SGB XII (weiter gehend noch die Entscheidung 1. Instanz: vgl. VG Bre-men,
Beschl. v. 03.05.2006 - S5 V 693/06 -). Soweit ersichtlich mussten sich die bremischen Verwaltungsgerichte aber
bislang nicht mit der Frage beschäftigen, ob eine ambulant betreute Wohnmöglichkeit auch im Falle der Anmietung
einer Wohnung auf dem freien Wohnungs-markt vorliegen kann (offen gelassen in VG Bremen, Beschl. v. 08.02.2008
- S5 V 171/08 -). Insbesondere war der Sachverhalt, der der Entscheidung des OVG Bremen zugrunde lag, deutlich
anders gelagert. Denn dort hatten die Elbe-Weser-Werkstätten auf dem freien Woh-nungsmarkt eine Wohnung
angemietet, die sodann an den Hilfeempfänger untervermietet wurde.
Der vorliegende Fall bewegt sich nicht im Anwendungsbereich des § 98 Abs. 5 SGB XII. Die Antragstellerin hat
bereits im Widerspruchsverfahren darauf hingewiesen, es erschiene ihr abwegig, bei ihrer Wohnung von einer
ambulant betreuten Wohnform im Sinne der Vorschrift zu sprechen. Zu Recht hat sie insoweit darauf hingewiesen,
dass eine private Vermietung ohne Bezug zwischen Betreuungsleistungen und Wohnung schwerlich unter den
Wortlaut gefasst werden kann. Denn die Antragstellerin müsste ihre Sozialhilfe (Eingliederungshil-fe/Hilfe zur Pflege)
"in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten" erhalten, was er-sichtlich nicht der Fall ist. Aber auch unter
Hinzuziehung des Sinns und Zwecks der Vorschrift ergibt sich keine "erweiternde Auslegung" auf den vorliegenden
Fall. Die Regelung privilegiert den Träger des Aufenthaltsorts. Er soll nicht übermäßig mit Kosten belastet werden, nur
weil in seinem Bezirk solche Wohnformen angeboten werden. Darum geht es hier aber nicht. Denn die Antragstellerin
hat auch schon im Bezirk des Beigeladenen die Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch genommen und
ist auch jetzt wieder auf diese Hilfe angewiesen. Dass sie (wieder) in die Stadt zurückgezogen ist, hängt nach
Aktenlage nicht mit einer be-stimmten Wohnform am Zuzugsort zusammen, sondern mit dem größeren Angebot an
behin-dertengerechten Wohnungen, kürzeren Wegen und einer allgemein wohl besseren Infrastruk-tur. Das beschreibt
aber nur die allgemeine Attraktivität der Stadt gegenüber eher ländlich geprägten Regionen, ohne dass deswegen
Anlass bestünde, den Träger des Aufenthaltsortes über § 98 Abs. 5 SGB XII zu privilegieren.
2. Zuletzt hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen können. Zwar könnten tatsächlich
Zweifel bestehen, ob sie hinsichtlich der Durchsetzung des Rest-pflegegeldes nicht auch auf das
Hauptsacheverfahren verwiesen werden könnte. Dagegen spricht aber, dass sie im Verwaltungsverfahren
nachvollziehbar dargelegt hat, mit Hilfe des Pflegegeldes "Bedarfsspitzen" abfangen zu können, für die die "regulären"
Leistungen nicht ausreichten. Vor dem Hintergrund des hohen und unstreitigen Betreuungs- und Pflegebedarfs der
Antragstellerin hält das Gericht einen Verweis auf das Hauptsachverfahren nicht mehr für zumutbar. Dabei war auch
zu berücksichtigen, dass das Bestehen des Anspruchs dem Grun-de und der Höhe nach grundsätzlich unstreitig zu
sein scheint und sich Beigeladener und An-tragsgegnerin lediglich im Hinblick auf ihre örtliche Zuständigkeit nicht
einigen konnten.
Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass es keine Veranlassung gesehen hat, den Beigeladenen nur deshalb
zu verpflichten, weil er für die übrigen Leistungen - wohl zu Unrecht - ein Anerkenntnis abgegeben hat. An der
gesetzlichen Zuständigkeit der Antragsgegnerin vermag dieser Umstand nichts zu ändern. Der Beigeladene hat
bereits angekündigt, seine Bewilligung nach Abschluss des Eilverfahrens hier eventuell zurücknehmen zu wollen. Das
Gericht geht davon aus, dass die Antragsgegnerin sodann gegenüber der Antragstellerin eine Neubescheidung als
örtlich zuständiger Träger vornehmen wird, ohne dass die Antragstellerin gerichtlicher Hilfe bedarf, durch die nur
weitere Kosten entstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Vor dem Hintergrund der
Erfolgsaussichten des Antrags vor der Teilabhilfe durch den Beigelade-nen entspricht eine volle Kostentragung der
Antragsgegnerin der Billigkeit.