Urteil des SozG Bremen vom 09.10.2009

SozG Bremen: örtliche verhältnisse, leukämie, anerkennung, dienstzeit, strahlung, wahrscheinlichkeit, wissenschaft, tod, berufungsschrift, witwe

Sozialgericht Bremen
Urteil vom 09.10.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 3 VS 27/05
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wegen einer Wehrdienstbeschädigung
(WDB).
Die Klägerin ist die Witwe des am 02. September 1996 im Alter von 55 Jahren verstorbenen G. (im Folgenden:
Verstorbener). Dieser absolvierte in der Zeit vom 01. April 1960 bis zum 31. März 1964 seinen Wehrdienst als
Zeitsoldat und war vom 24. Februar 1961 bis zum 31. März 1964 bei dem Fernmelderegiment X. in der Stellung X. als
Radarflugmelder eingesetzt. Er verstarb an einer akuten lymphatischen Leukämie, an der er ab Januar 1995 erkrankt
war.
Am 25. Juli 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung, woraufhin
die Beklagte die Ermittlungen zunächst an die Beigeladene abgab. Diese hielt in einer Aktenverfügung vom 15. April
2002 fest, der Verstorbene sei während seiner Dienstzeit als Operator an Bildschirmkonsolen tätig geworden.
Tätigkeiten unmittelbar an Senderschränken habe er nicht ausgeübt. Eine Exposition durch Röntgenstörstrahlung oder
durch Hochfrequenzstrahlung komme daher nicht in Betracht. Daraufhin lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 23.
Mai 2002 den Antrag der Klägerin ab und führte aus, der Tod des Verstorbenen sei nicht auf eine WDB
zurückzuführen. Insbesondere könne eine gesundheitliche Gefährdung des Verstorbenen durch Röntgenstörstrahlung
ausgeschlossen werden.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, es seien weder alle möglichen Strahlenquellen noch die Dauer
der Strahlenbelastung berücksichtigt worden. Insbesondere müsse auch radioaktive Leuchtfarbe als Strahlenquelle in
Betracht gezogen werden. Die Beklagte bat hierauf wiederum die Beigeladene um Stellungnahme.
In einer Aktenverfügung vom 04. August 2004 führte die Arbeitsgruppe Radar des Bundesministeriums der
Verteidigung (BMVg) aus, der Verstorbene sei während seiner Dienstzeit nicht als Radarmechaniker oder
entsprechendes Unterstützungspersonal eingesetzt gewesen. Er habe somit keine im Bericht der Radarkommission
(BdR) vorgegebenen qualifizierenden Tätigkeiten ausgeübt, und es könne nicht von einer Exposition des Verstorbenen
mit Röntgenstörstrahlung ausgegangen werden. Eine Inkorporation radioaktiv strahlenden Radiums-226 durch
Inhalation, Ingestion bzw. perkutane Resorption des Abriebs von nicht berührungssicher auf Schaltern angebrachter
Leuchtfarbe sowie externe Einwirkung radioaktiver Strahlung aus berührungssicher abgedeckter Leuchtfarbe mit
Ra226 sei nicht auszuschließen, wenngleich wenig wahrscheinlich. Selbst wenn man unterstelle, dass Geräte, an
denen der Verstorbene seinen Dienst verrichtet habe, mit Ra226-haltiger Leuchtfarbe versehen gewesen seien, lasse
sich ein Zusammenhang der Gesundheitsstörungen mit der unterstellten Strahlenexposition durch Ra226-haltige
Leuchtfarbe nicht herleiten. Ausgehend von einer zu berücksichtigenden Ortsdosisleistung bei durchschnittlich vier
Stunden täglichem Dienst an der Konsole wäre nach den Kriterien der Radarkommission eine für eine Anerkennung
von Leukämien und myelodysplastischen Syndromen als WDB-Folgen maßgebliche Organdosis von 20 mSv erst
nach 3 Jahren und 4 Monaten erreicht. Die Dienstzeit des Verstorbenen habe aber nur 3 Jahre, 3 Monate und 11 Tage
betragen.
Sodann wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 01. August 2005 den Widerspruch der Klägerin als
unbegründet zurück.
Dagegen richtet sich die am 02. September 2005 erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung
von Hinterbliebenenversorgung weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, von den zum Erreichen der
Organdosis von 20 mSv erforderlichen 1581 Tagen fehlten dem Verstorbenen lediglich 19 Tage. Diese Differenz sei
irrelevant, da die Vorgaben der Radarkommission keine naturwissenschaftliche Größe, sondern einen
durchschnittlichen Mittelwert darstellten. Überdies habe der Verstorbene nicht vier, sondern mindestens sechs
Stunden täglich an den Konsolen Dienst geleistet. Auch sei der Verstorbene ohne jede Frage Hochfrequenzstrahlung
ausgesetzt gewesen.
Die Beigeladene hat hierauf, ausgehend von einer Operator-Arbeitszeit im Radarführungsdienst von 1440 Stunden
jährlich, konkret für den Verstorbenen eine Organdosisberechnung für eine – unterstellte – externe Strahlenexposition
durch radioaktive Leuchtfarbe vorgenommen und hat berechnet: Rotes Knochenmark (Sternum): 9,1 mSv und Rotes
Knochenmark (Becken): 6,3 mSv. Ferner hat sie ausgeführt, die in der Aktenverfügung vom 04. August 2004
vorgenommene Berechnung sei keine Organdosisfestlegung, sondern eine worst-case-Abschätzung ohne
Berücksichtigung der für die betroffenen Körperteile maßgeblichen Abstände. Die nunmehr erfolgte genaue
Organdosisfestlegung sei unter Berücksichtigung einer Arbeitszeit von sechs Stunden täglich an den Konsolen (=
1440 Stunden pro Jahr) erfolgt. Keineswegs handele es sich, wie von der Klägerin vorgetragen, bei dem
Schwellenwert der Radarkommission für Leukämien von 20 mSv um einen durchschnittlichen Mittelwert. Dieser Wert
sei vielmehr zehnmal niedriger als der in der für das Unfallversicherungsrecht maßgeblichen
Berufskrankheitenverordnung (BKV) festgelegte Organdosiswert von 200 mSv, welcher der Verdopplungsdosis
entspreche, d.h. bei dieser Dosis sei die Erkrankungswahrscheinlichkeit gegenüber einer nicht strahlenexponierten
Person verdoppelt. Da nach dem BdR bei Leukämien von einer linear-quadratischen Dosis-Wirkungs-Beziehung
auszugehen sei, falle die Abnahme der Erkrankungswahrscheinlichkeit bei einer Organdosis von 20 mSv gegenüber
derjenigen bei 200 mSv noch erheblicher ins Gewicht. Hier sei aber selbst der Wert von 20 mSv deutlich
unterschritten. Im Übrigen müsse dem Vortrag, der Verstorbene sei auch Hochfrequenzstrahlung ausgesetzt
gewesen, nachdrücklich widersprochen werden. Während der Dienstzeit und am Dienstort des Verstorbenen seien die
Radargeräte der Typen T-80 und T-13 eingesetzt gewesen. Diese hätten einige Kilometer entfernt von den CRC-
Stellungen (also den Arbeitsplätzen der Operatoren) gestanden, welche allesamt verbunkert gewesen seien. Der
Verstorbene sei damit hundertprozentig gegen die Radarstrahlen abgeschirmt gewesen.
Die Klägerin hat demgegenüber – ohne nähere Ausführungen – die Ansicht vertreten, die Ausführungen der
Beigeladenen zur Hochfrequenzstrahlung träfen nicht zu. Außerdem scheide eine natürliche Ursache für die Leukämie
des Verstorbenen aus, was sich aus einem vorgelegten Bericht des Zentrums für Humangenetik vom 18. April 1995
ergebe. Es müsse ein unabhängiges Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 07. Februar 2007 sind die Beteiligten, insbesondere die Klägerin darauf hingewiesen
worden, dass eine ausreichende Grundlage für die Veranlassung eines Sachverständigengutachtens nicht gegeben
erscheine. Insbesondere sei kein Nachweis für die tatsächliche Verwendung radiumhaltiger Leuchtfarbe und für eine
Arbeitszeit von sechs Stunden täglich erfolgt. Es werde Gelegenheit zu weiterem Vortrag und zur Benennung
geeigneter Beweismittel gegeben.
Die Beigeladene hat Bezug genommen auf einen Aktenvermerk der Schwerpunktgruppe Radar vom 10. Dezember
2007, wonach selbst bei einer für den Verstorbenen unterstellten Inkorporierung von Ra-226 der gesamte
Organdosisbetrag für das Sternum aus externer und inkorporierter Gamma-Strahlung des etwaig vorhandenen Ra-226
sich auf 12,225 mSv belaufe und die Anerkennungsschwelle von 20 mSv deutlich unterschreite.
Die Klägerin hat ein Gutachten der Strahlenmessstelle Süd der Bundeswehr vom 11. September 2001 zur
Strahlenbelastung eines von 1958 bis 1964 in der Radarfrühwarnstelle Freising beschäftigten Zeitsoldaten vorgelegt,
zu welchem die Beigeladene unter anderem eingewandt hat, dass die Verhältnisse in der Stellung Freising mit Zelten
und Behelfsbaracken nicht mit der verbunkerten CRC-Stellung in X. vergleichbar seien. Schließlich hat die Klägerin
noch eine gutachtliche Stellungnahme eines Sozialmediziners Dr. L. vom 17. November 2005 zum Fall eines an
chronischer myeloischer Leukämie erkrankten Soldaten vorgelegt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass der Tod des Verstorbenen durch eine WDB verursacht worden und dies
durch ein von Amts wegen einzuholendes Sachverständigengutachten nachzuweisen sei.
Sie beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
01. August 2005 zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenversorgung seit dem 25. Juli 2001 zu gewähren.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
Sie halten den angefochtenen Bescheid für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozessakte, die Verwaltungsakten der
Beklagten und die Verwaltungsakten der Beigeladenen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und waren Gegenstand
der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung
abgelehnt. Die akute lymphatische Leukämie, an welcher der Ehemann der Klägerin verstorben ist, ist nicht Folge
einer WDB.
Ein Soldat, der eine WDB erlitten hat, erhält nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der
gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der WDB auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der
Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit im Soldatenversorgungsgesetz (SVG) nichts
Abweichendes bestimmt ist (§ 80 Satz 1 SVG). WDB ist dabei eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine
Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem
Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist (§ 81 Abs. 1 SVG). Dabei müssen das schädigende
Ereignis, die dadurch eingetretene gesundheitliche Schädigung und die darauf beruhenden Gesundheitsstörungen
(Schädigungsfolgen) erwiesen sein, während nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG für die Frage des ursächlichen
Zusammenhangs die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (BSG, Urteil vom 22. September 1977
- 10 RV 15/77 - BSGE 45, 1; BSG, Urteil vom 19. März 1986 - 9a RVi 2/84 - BSGE 60, 58). Der ursächliche
Zusammenhang ist vor allem nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist.
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber
jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, d. h. dass unter Berücksichtigung der herrschenden
medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den behaupteten ursächlichen Zusammenhang
spricht. Ist ein Sachverhalt nicht beweisbar oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen, so hat
nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der
Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt bzw. dem nicht wahrscheinlich
gemachten Zusammenhang Rechte für sich herleitet (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52;
BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 -
BSGE 43, 110).
Nach § 38 Abs. 1 BVG hat, wenn ein Beschädigter an den Folgen einer Schädigung gestorben ist, die Witwe
Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Der Tod gilt im Sinne der Bestimmungen des §§ 36 Abs. 1 und 38 Abs. 1 BVG
stets dann als Folge einer Schädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung
rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war.
Das Auftreten der akuten lymphatischen Leukämie ist nicht auf ein zeitlich begrenztes traumatisches Ereignis
(Strahlen-Unfall) während des Wehrdienstes des Verstorbenen zurückzuführen. Die Klägerin macht vielmehr geltend,
der Verstorbene sei radioaktiver Strahlung ausgesetzt gewesen, aufgrund derer sich die Leukämie entwickelt habe.
Für unfallunabhängige Krankheiten/Gesundheitsstörungen (Alternativen 1. und 3. des § 81 Abs. 1 SVG) bestimmt sich
der versorgungsrechtlich geschützte Bereich nach dem SVG nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl.
hierzu z.B. BSG, Urteil vom 5. Mai 1993, 9/9a RV 25/92 sowie Beschluss vom 11. Oktober 1994, Az.: 9 BV 55/94,
jeweils zitiert nach Juris) nach dem Vorbild des Berufskrankheitenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung, es sei
denn, es handelt sich um besondere außerordentliche Belastungen, die typischerweise nur unter den Bedingungen
des Krieges auftreten.
Die Fälle, in denen als Schädigungsfolge eine durch allmähliche Einwirkungen des
Wehrdienstes/wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse verursachte Erkrankung geltend gemacht wird, teilt das BSG in
drei Gruppen ein: a) Die angebliche Schädigungsfolge ist in der BKV als Berufskrankheit anerkannt (§ 551 Abs. 1
Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), jetzt § 9 Abs. 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)); b) die
angebliche Schädigungsfolge müsste in der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit anerkannt werden
können (§ 551 Abs. 2 RVO, jetzt § 9 Abs. 2 SGB VII); c) die angebliche Schädigungsfolge fällt weder unter a) noch
unter b), die angeschuldigten wehrdiensttypischen Belastungen gehen aber auf kriegsähnliche Belastungen zurück,
wie sie in Zivilberufen typischerweise nicht vorkommen.
Diese Regelung erklärt sich daraus, dass Krankheiten regelmäßig nicht auf ein äußeres Ereignis zurückgeführt werden
können, sondern sich aufgrund vielfältiger Einflüsse entwickeln. Als Mitursachen kommen persönliche Lebensweise,
Erbanlagen, Störungen während der Entwicklungsphase, private Unfälle, Umwelteinflüsse und anderes in Frage. Ob
eine Krankheit auf bestimmte Einwirkungen zurückzuführen ist, denen ein Wehrpflichtiger oder Wehrdienstleistender
ausgesetzt war, ist daher in der Regel nicht allein mit Hilfe medizinischer Sachverständiger im Einzelfall feststellbar.
Vielmehr kann nur nach statistischen Grundsätzen festgestellt werden, ob die Erkrankungsgefahr durch solche
Einflüsse erhöht worden ist. Wegen der Vielfalt möglicher Ursachen und der nicht uneingeschränkten
Leistungsfähigkeit auch der medizinischen Wissenschaft kann dies nur allgemein entschieden werden. Eine solche
allgemeine Antwort hat der Gesetzgeber für das Gebiet des Berufskrankheitenrechts mit der BKV gegeben. Darin sind
die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen im Bereich der Berufskrankheiten eingeflossen, wonach
bestimmte Tätigkeiten im Arbeitsleben in auffallender Weise mit Erkrankungen verbunden sind (vgl. Bayerisches
LSG, Urteil vom 27. Juni 2006, L 15 VS 12/98, zitiert nach Juris; BSG SozR 3-3200 § 81 Nr 3).
Für die von der Klägerin geltend gemachten Strahlenschäden des Verstorbenen ist vorliegend die BK 2402
"Erkrankungen durch ionisierende Strahlen" einschlägig.
Eine Erkrankung durch ionisierende Strahlen in Form von Röntgenstörstrahlung oder Hochfrequenzstrahlung liegt nicht
vor. Der Verstorbene war nämlich als Operator in der verbunkerten CRC-Stellung nicht an Radargeräten, sondern an
einem abgeschirmten Arbeitsplatz eingesetzt, wie sich aus den schlüssigen Darlegungen der Beigeladenen ergibt. Die
abweichende Behauptung der Klägerin, der Verstorbene sei Hochfrequenzstrahlung ausgesetzt gewesen, ist nicht
einmal ansatzweise substantiiert und durch nichts belegt.
Auch aufgrund der von der Klägerin behaupteten Exposition gegenüber Ra226 ist eine WDB nicht anzuerkennen.
Eine radioaktive Strahlenbelastung des Verstorbenen während seines Wehrdienstes ist nicht anzunehmen. Nach
Auffassung der Kammer ist hier allerdings nicht der allgemeine Beweismaßstab anzuwenden. Dabei berücksichtigt die
Kammer die Ergebnisse des BdR. Die entsprechende Expertenkommission war durch das BMVg eingesetzt worden,
weil die Situation, dass von Seiten der Bundeswehr in der Zeit bis 1975 (Phase 1) Beobachtungen und
Dokumentationen der Strahlenbelastungen unterlassen wurden und potentielle Strahlenopfer nicht zu entschädigen
waren, da sie die objektive Beweislast für die Schädigung tragen, als unbefriedigend erlebt wurde. Deshalb ist in
diesem Bereich von einer Beweiserleichterung auszugehen. Dies gilt angesichts der vergleichbaren Situation der
Klägerin in Bezug auf die Frage einer Exposition des Verstorbenen gegenüber Ra226 in der Zeit seines Einsatzes als
Radarflugmelder vom 24. Februar 1961 bis zum 31. März 1964 auch im vorliegenden Fall. Jedoch verwundert es,
dass die Klägerin auch nach dem gerichtlichen Hinweisschreiben vom 07. Februar 2007 keinerlei konkrete Angaben
über eine Exposition ihres Ehemannes gemacht, geschweige denn hierzu geeignete Beweise angeboten hat. Es
bestehen auch außerhalb des Vortrages der Klägerin keine konkreten Hinweise darauf, dass irgendwelche Geräte am
Arbeitsplatz des Verstorbenen nicht nur mit irgendeiner Leuchtfarbe, sondern gerade mit Ra226-haltiger Leuchtfarbe
versehen waren; ebenso fehlen dementsprechend jegliche Anhaltspunkte dafür, wo genau sich im Umfeld des
Verstorbenen radiumhaltige Leuchtfarbe befunden haben soll: Nur auf Anzeigeinstrumenten und Skalen, d.h. mit nur
externer Strahlenexposition, oder auf nicht abgedeckten Schaltern mit der Möglichkeit der Inkorporation?
Ferner folgt aus der überzeugenden Dosisberechnung der Beigeladenen, dass, selbst wenn man einen Kontakt des
Verstorbenen mit Ra226 unterstellen würde, der in der BKV und auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche
Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2008 (Nr. 122
Abs. 6) genannte Wert von 200 mSv für die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs selbst bei
ungünstigster Berechnung weit unterschritten ist. Dabei ist zwischen Inkorporation und externer Exposition zu
differenzieren. Es ergab sich nämlich bei angenommenen 1440 Jahresarbeitsstunden, welche einer täglichen
Arbeitszeit von sechs Stunden entsprechen - wiewohl diese der Kammer unter Abzug von Urlaubs- und
Lehrgangstagen durchaus fraglich und möglicherweise zu hoch erscheint -, mit einer Ortsdosisleistung von 3,69
mSv/a unter Zugrundelegung eines berücksichtigungsfähigen Zeitraums von 37,5 Monaten Tätigkeit als
Radarflugmelder eine externe Strahlenexposition von 9,1 mSv. Unter Hinzurechnung einer internen Strahlenexposition
in Höhe von 1 mSv pro Jahr aus – unterstellt - inkorporierter Ra226-haltiger Leuchtfarbe folgte hieraus eine Belastung
in Höhe von insgesamt maximal 12,225 mSv.
Der von der Klägerin vorgelegte Bericht des Zentrums für Humangenetik vom 18. April 1995 ist nicht zum Nachweis
einer radioaktiven Strahlenbelastung des Verstorbenen geeignet. Der Bericht schließt lediglich bestimmte genetische
Veränderungen bei dem Verstorbenen aus. Hieraus ist aber keineswegs zu schließen, dass nicht schicksalhafte
andere Ursachen die Leukämie verursacht haben könnten und diese ausschließlich auf einer WDB beruhen müsste.
Auch soweit die Klägerin Gutachten aus anderen Verfahren um die Anerkennung von Strahlenschäden als WDB
vorgelegt hat, vermögen diese nicht den hier notwendigen Nachweis zu ersetzen. Sie betreffen andere örtliche
Verhältnisse und/oder andere Erkrankungen.
Angesichts des Fehlens jeglicher konkreter Angaben und Nachweise zu einem Kontakt des Verstorbenen mit
radiumhaltiger Leuchtfarbe konnte die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht kommen.
Auch die Voraussetzungen für eine sogenannte Kannversorgung nicht vor. Nach § 81 Abs. 6 S. 2 SVG kann eine
Gesundheitsstörung als Folge einer WDB anerkannt werden, wenn die zur Anerkennung dieser Gesundheitsstörung
als Folge einer WDB erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des
festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Im vorliegenden Fall scheitert die
Anerkennung der Leukämie des Verstorbenen als WDB aber gemäß § 81 Abs. 1 SVG nicht an einer Ungewissheit
über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft, sondern an dem fehlenden Nachweis
der entsprechenden schädigenden Einwirkung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Niedersachsen-
Bremen, Georg-Wilhelm-Straße 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-
Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem
Sozialgericht Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das
angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden
Tatsachen und Beweismittel angeben.
Ist das Urteil im Ausland zuzustellen, so gilt anstelle der oben genannten Monatsfrist eine Frist von drei Monaten.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.