Urteil des SozG Bremen vom 06.05.2009

SozG Bremen: aufschiebende wirkung, wichtiger grund, verletzung der meldepflicht, anhörung, auflage, sanktion, erlass, hauptsache, vorverfahren, nummer

Sozialgericht Bremen
Beschluss vom 06.05.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 23 AS 267/09 ER
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der An-tragsstellerin.
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt die Übernahme außergerichtlicher Kosten eines erledigten Eilver-fahrens. Die 1980
geborene Antragsstellerin bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II von der Antragsgegnerin. Mit Bescheid
vom 30.07.2008 wurden der Antragsstellerin monatliche Leistungen in Höhe von 379,53 Euro im Zeitraum vom
01.09.2008 bis 28.02.2009 bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 13.01.2009 wurden für den Monat Februar 2009
insgesamt 409,53 Euro bewilligt. Mit Bescheid vom 13. Januar 2009 verminderte die Antragsgegnerin außerdem die
der Antragsstellerin zustehenden Leistungen im Zeittraum vom 01.02.2009 bis zum 30.04.2009 um monatlich 70,00
Euro wegen wiederholter Verletzung der Meldepflicht. Die Antragsstellerin sei ohne wichtigen Grund einem
Meldetermin am 15.12.2008 ferngeblieben. Den hiergegen am 11. Februar 2009 erhobenen Widerspruch begründet die
Antragstellerin damit, dass der Sanktionsbescheid rechtswidrig sei, weil sie nicht zuvor angehört worden sei; ferner
habe sie am Tag des Meldetermins arbeiten müssen. Hierzu reichte sie eine Bestäti-gung ihres Arbeitgebers ein. Am
13. Februar 2009 beantragte die Antragsstellerin beim Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des vorgenannten
Widerspruchs der Antragsstellerin gegen den streitgegenständli-chen Sanktionsbescheid anzuordnen. Nach
Übermittlung der Antragsschrift an die Antragsgegnerin erklärte die Antragsgegnerin, dass sie nicht mehr an dem
Sanktionsbescheid festhalte und nahm den Sanktionsbescheid mit Bescheid vom 24.02.2008 zurück. Zudem regte
sie an, den Rechtstreit für erledigt zu er-klären. Eine Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Antragsstellerin
lehnte die An-tragsgegnerin ab, da die Antragsstellerin nicht im Rahmen der Anhörungen mitgeteilt habe, dass sie
zum Zeitpunkt des Meldetermins habe arbeiten müssen. Somit habe sie nicht ord-nungsgemäß mitgewirkt und sogar
erst veranlasst, dass ein Sanktionsbescheid erlassen wur-de. Am 02.03.2009 erklärte daraufhin die Antragstellerin
das Eilverfahren für erledigt. Die An-tragsstellerin ist der Ansicht, dass die Antragsgegnerin die außergerichtlichen
Kosten der An-tragsstellerin zu tragen hat. Die Antragsgegnerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass eine Anhörung
vor Erlass des Sanktionsbescheides stattgefunden hat, somit habe die Antragsstel-lerin überhaupt nicht die
Möglichkeit gehabt, den wichtigen Grund des Meldeversäumnisses mitzuteilen. Die Antragsstellerin beantragt, der
Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen. Sie
habe die Antragsstellerin vor Erlass des Sanktionsbescheides angehört; diese habe nicht auf die Anhörung reagiert.
Dass eine Anhörung stattgefunden habe, ergäbe sich aus den Vermerken vom 18.12.2008 und 05.01.2009. II. Der
Antrag auf Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten ist zulässig und be-gründet; die Antragsgegnerin
hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsstellerin zu tragen. Das Verfahren ist durch die bei Gericht am 02. März
2009 eingegangene Erledigungserklä-rung beendet worden. Über die Kosten des Verfahrens ist gem. § 193 Absatz 1
Satz 3 Sozial-gerichtsgesetz (SGG) in entsprechender Anwendung auf Antrag zu entscheiden (Meyer-Ladewig, SGG,
9.Auflage 2008, § 193 Rn. 2d; Hennig-Knittel, SGG, Band 2, 13. Ergänzungs-lieferung 2007, § 193 Rn. 9). Bei
Erledigung des Rechtsstreits durch übereinstimmende Erle-digungserklärung entscheidet das Gericht unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Maßgebend für die Entscheidung
über die Kosten sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Antrages im Einstweiligen Verfahren. Weiter sind die
Gründe für die Antragserhebung und die Erledigung zu prüfen. Hat zum Beispiel die Antrags-gegnerin sofort anerkannt
oder sonst der Änderung Rechung getragen, nachdem die Antrags-stellerin erstmals schlüssig vorgetragen hat, sind
der Antragsstellerin ihre außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten, sofern sich nicht schon im Vorverfahren die
Notwendigkeit erweiter-ter Ermittlungen hätte aufdrängen müssen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Antragsstel-
lerin im Vorverfahren erhebliches Vorbringen zurückgehalten hat (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 193 Rn.
13). In der Hauptsache handelte es sich um einen zulässigen Antrag nach § 86b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, der in
der Sache begründet war. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 Sozialge-richtsgesetz (SGG) kann das Gericht der
Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Wi-derspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung
haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ob die aufschiebende Wirkung angeordnet wird, ist
im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Verwaltung am Vollzug und dem Interesse des
Antragsstellers am Aufschub zu ermitteln. Dies hängt von den Erfolgsaus-sichten in der Hauptssache ab. Der
Widerspruch gegen einen Sanktionsbescheid hat gem. § 39 Nummer 1 Sozialgesetzbuch II (SGB II) keine
aufschiebende Wirkung (Landessozialge-richt (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.03.2007, L 28 B 153/07
AS; Eicher in Ei-cher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 39 Rn. 12f; Loose in Hohm, SGB II, § 31 Rn. 142). Der
Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin war rechtswidrig. Vorraussetzung für den Erlass einer Sanktion, die zur
Kürzung des Anspruches wegen einer wiederholten Meldepflichtverlet-zung führt ist, dass der Hilfeempfänger
ordnungsgemäß zum Termin eingeladen wurde, über seine Pflicht und die mögliche Folge des Nichterscheinens
ausdrücklich und eindeutig belehrt wurde und dass der Hilfeempfänger ohne einen wichtigen Grund dem Meldetermin
fern-geblieben ist (§ 31 Absatz 2, 3 Satz 3, 4 SGB II). Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Zum einen lässt sich
aus den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin überhaupt nicht entnehmen, ob, wann und in welcher Form die
Antragsstellerin zum Meldetermin aufgefordert wurde. Der Grundsicherungsträger hat dem Leistungsempfänger aber
mitzuteilen, wann und wo sich der Leistungsempfänger zu melden hat und aus welchen Grund (Loose in Hohm, SGB
II, 7. Er-gänzungslieferung, Februar 2009, § 31 Rn. 70). Insbesondere die Mitteilung des Grundes ist ein wichtiges
Merkmal der Aufforderung zum Meldetermin. Dies ergibt sich aus der Verwei-sung des § 59 SGB II auf § 309 SGB III
und den hierzu entwickelten Grundsätzen (Rixen in Eicher/Spellbrink, § 31 Rn. 26). Hinzu kommt, dass sich mangels
in der Akte befindlicher Auf-forderungsschreiben zur Meldung nicht feststellen lässt, ob die Antragsstellerin überhaupt
über die Rechtsfolge des Nichterscheinens belehrt worden ist. Denn ohne verständliche, kon-krete, richtige und
vollständige Belehrung unter Hinweis auf eine mögliche Sanktion, kann keine Sanktion in rechtmäßiger Weise
erlassen werden (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.03.2007, L 28 B 153/07 AS ER; LSG Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 15.04.2008, L 20 B 24/08 AS; Rixen in Eicher/Spellbrink, § 31 Rn. 43f; Loose in Hohm,
SGB II, § 31 Rn. 81). Weiter kommt hinzu, dass der Antragsstellerin ein wichtiger Grund zur Seite stand, da sie zum
Zeitpunkt des Meldetermins ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen musste. Dies hat der Ar-beitgeber der
Antragsstellerin auch schriftlich bestätigt. Dies wurde auch von der Antragsgeg-nerin schließlich als wichtiger Grund
anerkannt. Auch aus anderen Gesichtpunkten ergibt sich in Rahmen der Ermessensausübung kein ande-res Ergebnis.
Zwar könnte in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Antragsstellerin sich im Rahmen der Anhörung nicht
zum wichtigen Grund eingelassen hat, eine erhebliche Bedeutung haben. Doch lässt sich überhaupt nicht feststellen,
ob eine Anhörung stattgefun-den hat. Denn die Antragsstellerin stellt in Abrede, dass ihr ein Anhörungsbogen
zugegangen ist. Bestehen Zweifel daran, ob ein Anhörungsbogen überhaupt zugegangen ist, so hat der
Grundsicherungsträger dies nachzuweisen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.03.2008, L 8 AS 5579/07; LSG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.03.2007, L 28 B 153/07 AS ER; Sächsisches LSG, Beschluss vom
16.12.2008, L 7 B 613/08 AS-ER; Engelmann in von Wulf-fen, SGB X, 6. Auflage 2008, § 37 Rn. 13; Loose in Hohm,
SGB II, § 31 Rn. 73). Dies gelingt der Antragsgegnerin vorliegend aber nicht. Zwar befindet sich in der
Verwaltungsakte der An-tragsgegnerin ein Anhörungsschreiben vom 18.12.2008 (Bl. 236 der Verwaltungsakte (d.VA)),
doch hieraus ergibt sich nicht, ob dieses Schreiben der Antragsstellerin zugegangen ist. Fer-ner spricht auch der
Umstand, dass die Antragsstellerin die Antragsgegnerin aufgefordert hat, ihr den Sanktionsbescheid zuzusenden (Bl.
237 d.VA.) dafür, dass es in diesem Zeitraum Probleme bezüglich des Zugangs von Schreiben der Antragsgegnerin
gegeben hat. Ferner handelt es sich ausweislich des abgedruckten Anhörungsschreibens lediglich um einen Ent-wurf.
Somit kann der Antragsstellerin auch bei jetziger Sachlage kein Vorwurf gemacht wer-den, der im Rahmen der
Ermessenserwägung zu berücksichtigen wäre. Nach Erhalt des Sanktionsbescheides hat die Antragstellerin den
Grund für ihr Fernbleiben vorgetragen, daher ist sie – soweit ersichtlich - ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen.
Hinweis Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 172 Absatz 3 Nr. 3 SGG))