Urteil des SozG Bremen vom 17.11.2009

SozG Bremen: ernährung, diät, hauptsache, roggen, lebensmittel, haselnuss, niedersachsen, stadt, zöliakie, vergleich

Sozialgericht Bremen
Beschluss vom 17.11.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 23 AS 2087/09 ER
Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechts-schutzes verpflichtet, dem Antragsteller in der Zeit vom
4. No-vember 2009 bis zum 31. März 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung
eines Mehrbe-darfs in Höhe von 53,00 Euro im Monat zu gewähren. Die Aus-zahlung der Leistungen erfolgt vorläufig.
Sie stehen unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
Im Übrigen – soweit der Antragsteller darüber hinaus weitere 18,80 Euro im Monat begehrte – wird der Antrag
abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 74 vom Hundert.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe – ohne Ratenzah-lung – unter Beiordnung von Rechtsanwalt R., A-Stadt,
bewil-ligt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung eines Mehrbedarfs für
kostenaufwändige Ernährung gem. § 21 Abs. 5 SGB II wegen einer Laktoseintoleranz, einer Fruktoseintoleranz sowie
verschiedenen Nahrungsmittelallergien (gegen Erdnuss, Haselnuss, Sellerie, Roggen, Tomaten und – ab einer
bestimmten Menge – gegen andere Getreidemehle).
Der heute 33 Jahre alte ledige Antragsteller steht seit 2005 im laufenden Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin, der
Trägerin der Grundsicherung in A-Stadt. Zuletzt bewilligte die An-tragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen für die
Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 in Höhe von 691,30 Euro monatlich. Bereits mit Schreiben vom 22.
November 2004 beantragte er die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung (Bl. 34). Zur
Begründung erklärte er, das Sozialamt habe bisher eine Krankenkostzulage ü-bernommen. Er fügte eine ärztliche
Bescheinigung seiner Hausärztin vom 4. Oktober 2004 (Bl. 36) bei, nach der er an Hypertonie, kardialen und renalen
Ödemen und chronischem Reflux leidet. Die Antragsgegnerin gewährte dem Antragsteller darauf einen Mehrbedarf in
Höhe von 25,56 Euro im Monat (Bescheid vom 16. März 2005, Bl. 58, Bescheid vom 17. Mai 2008, Bl. 208). Im Juli
2007 absolvierte der Antragsteller auf Kosten der Rentenversicherung eine Rehabilitationsmaßnahme. Seit Januar
2008 nimmt der Antragsteller auf Kosten der An-tragsgegnerin an einer Umschulung zum Bürokaufmann teil. Mit
Weiterbewilligungsantrag vom 17. August 2009 (Bl. 222) machte der Antragsteller die Gewährung eines Mehrbedarfes
für kostenaufwändige Ernährung geltend. Er legte eine Bescheinigung seiner Hausärztin vom 13. August 2009 bei,
nach der er an einer Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz und einer Nahrungsmittelkreuzallergie leidet, weshalb er auf
laktose- bzw. fruktosefreie Kost bzw. Diät angewiesen sei. Wegen der Nahrungsmittelallergie sei er auf einen Verzicht
bzw. auf eine Diät hinsichtlich der in der Anlage aufgeführten Lebensmittel angewiesen. Anliegend wurde ein
Allergiekalender über Pollen- und Sporenflug, pollenflugassoziierte Nahrungsmittel und Insekten übersandt. Mit
Bescheid vom 19. August 2009 (Bl. 227) lehnte die Antragsgegnerin die Weitergewährung des Mehrbedarfs ab. Zur
Begründung erklärte sie, der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge gebe regelmäßige Empfehlungen
aus, für welche Krankheiten aus medizinischen Gründen ein erhöhter Ernährungsbedarf bestehe. Nach bisherigen
medizinischen Erkenntnissen bestehe für die beim Antragsteller festgestellte Krankheit kein erhöhter
Ernährungsbedarf. Am 28. August 2009 erhob der Antragsteller Widerspruch. Zur Begründung verwies er auf die von
ihm beigefügten Empfehlungen des Deutschen Vereins, die sich weder zur Laktose-, noch zur Fruktoseintoleranz und
auch nicht zu den Nahrungsmittelallergien abschließend äußern. Der Antragsteller verwies darauf, dass in den
Empfehlungen bezüglich der Nahrungsmittelallergien vielmehr eine Prüfung durch den Grundsicherungsträger
empfohlen werde. Der Antragsteller erklärte, dass seine Erkrankung mit der Zöliakie vergleichbar sei, bei der nach den
Empfehlungen ein Mehrbedarf zu gewähren ist. Seine Ernährung sei wegen der Verbindung der Krankheiten und
Allergien sehr schwierig. Er benötige besonders teure Lebensmittel, und habe hierdurch insgesamt einen höheren
Kostenaufwand. Mit Schreiben vom 2. September 2009 lehnte die Antragsgegnerin eine Überprüfung des Bescheides
vom 19. August 2009 gem. § 44 SGB X ab. Eine Überprüfung habe ergeben, dass der Bescheid nicht zu beanstanden
sei. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Anwaltsschreiben am 10. September 2009 Widerspruch. Er führte aus, die
Antragsgegnerin könne eine Ablehnung nicht auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins stützen. Denn diese stelle
keine abgeschlossene Liste dar. Überdies habe die Rechtsprechung der Landessozialgerichte München und Celle
einen Mehrbedarf bei Laktoseintoleranz bereits bejaht. Wegen der bestehenden Mehrfachunverträglichkeiten sei der
Mehrbedarf nach der Rechtsprechung des LSG München auf 71,80 Euro zu beziffern. Wenn der Antragsteller die
erforderlichen Diäten nicht einhalten, müsse er erhebliche körperliche Auswirkungen – u.a. Schleimhautentzündungen,
schwerste Magen- und Darmkrämpfe - befürchten. Am 1. Oktober 2009 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als
unbegründet zurück. Zur Begründung erklärte sie, bei Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz sowie
Nahrungsmittelkreuzallergie sei in aller Regel ein krankheits-bedingter Mehrbedarf zu verneinen, sodass der in der
Regelleistung enthaltene Anteil für Er-nährung den notwendigen Aufwand für Vollkost decke. Von dieser Regel
abweichende Vor-aussetzungen seien vom behandelnden Arzt nicht angegeben worden. Ein ernährungsbeding-ter
Mehrbedarf könne daher nicht gewährt werden. Am 2. November 2009 erhob der Ast. Kla-ge, über die noch nicht
entschieden ist (S 23 AS 2067/09).
Am 4. November 2009 hat d. Ast. das Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht. Er wiederholt
seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren und erklärt ergänzend, die Antragsgegnerin sei offenbar außerstande,
ihre eigenen Vordrucke zu verstehen. Die Hausärztin habe ausdrücklich bestätigt, dass der Antragsteller einen
ernährungsbedingten Mehrbedarf habe. Er reiche nun eine erneute Bescheinigung vom 22. Oktober 2009 ein, die dies
nochmals bekräftige. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragsgegnerin im Wi-derspruchsbescheid erklärt
habe, der ärztlichen Bescheinigung sei gerade dies nicht zu ent-nehmen. Eine Nichteinhaltung der Diät hätte schwere
Durchfälle, Magen- und Darmkrämpfe sowie Übelkeit zur Folge. Überdies würden hierdurch chronische Magen- und
Darmentzün-dungen begünstigt. Der Antragsteller müsse spezielle Diätlebensmittel ohne Gluten erwerben. Dies sei
aus der Regelleistung nicht möglich. Nach der Rechtsprechung des LSG München sei wegen
Mehrfachunverträglichkeit ein Mehrbedarf in Höhe von 20% der Regelleistung an-zusetzen (71,80 Euro im Monat). Die
Angelegenheit sei wegen der zu befürchtenden Folgen bei Nichteinhaltung der Diät auch eilbedürftig. Auf Anfrage des
Gerichts hat der Ast. erklärt, er sei gegen Erdnuss, Haselnuss, Sellerie, Roggen und Tomaten allergisch und vertrage
diese Nahrungsmittel überhaupt nicht. Andere Getreidemehle vertrage er in Maßen. Beim Verzehr von Kartoffeln
bestünden keine Probleme. Er hat zudem einen Allergietestbogen des behan-delnden Facharztes für Dermatologie
vom 28. Mai 2009, das Ergebnis einer Blutuntersuchung sowie einen Laktose- und Fruktosetoleranztest des
Klinikums XY. vom 15. und 16. Juli 2009 vorgelegt.
Die Antragsgegnerin beruft sich zur Begründung ihres Ablehnungsantrages auf ihre bisheri-gen Bescheide. Sie meint,
dem habe sie nichts hinzuzufügen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwal-tungsakte Bezug
genommen.
II.
Der gem. § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Antrag auf Erlass einer einstwei-ligen Anordnung ist
zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7.
Auflage 2002, § 86b Rn. 27, 29). Ein materieller Anspruch ist im einstweiligen Rechts-schutzverfahren nur einer
summarischen Überprüfung zu unterziehen; hierbei muss der An-tragsteller glaubhaft machen, dass ihm aus dem
Rechtsverhältnis ein Recht zusteht, für das wesentliche Gefahren drohen (Meyer-Ladewig, aaO, Rn. 29, 36). Der
Anordnungsgrund setzt Eilbedürftigkeit voraus, dass heißt, es müssen erhebliche belastende Auswirkungen des Ver-
waltungshandelns schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Dabei muss die An-ordnung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheinen, § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Dies bedeutet zugleich, dass nicht alle Nachteile
zur Geltendmachung vorläufigen Rechts-schutzes berechtigen. Bestimmte Nachteile müssen hingenommen werden
(Binder in Hk-SGG, 2003, § 86 b Rn. 33). Es kommt damit darauf an, ob ein Abwarten bis zu einer Ent-scheidung in
der Hauptsache hingenommen werden kann. Ob dies der Fall ist, bemisst sich an den Interessen der Antragssteller
und der öffentlichen sowie gegebenenfalls weiterer betei-ligter Dritter. Dabei reichen auch wirtschaftliche Interessen
aus (vgl. Binder, a.a.O.).
1. Es liegt ein Anordnungsanspruch vor. Der Antragsteller hat nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage
Anspruch auf die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenauf-wändiger Ernährung gem. § 21 Abs. 5 SGB II.
a) Dem Antragsteller steht wegen der bei ihm vorliegenden Laktoseintoleranz ein Mehrbedarf gem. § 21 Abs. 5 SGB II
zu. Die Kammer folgt insofern der Auffassung des 6. Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen im
Beschluss vom 21. Oktober 2008 – L 6 AS 458/08 ER -. Dort heißt es im Einzelnen (Rn. 19 – 20):
a) Die Frage eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung infolge einer Laktoseintoleranz ist in
Rechtsprechung und Literatur umstritten (s nur LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 16. Mai 2008 - L 19 B 69/08
AS ER - mwN). Schon deshalb könnte über eine in dieser Situation zu treffende Folgenabwägung eine einstweilige
Anordnung erlassen werden. Indes besteht aus den folgenden Erwägungen kein ver-nünftiger Zweifel, dass die
Antragstellerin aus medizinischen Gründen kostenaufwän-diger Ernährung bedarf. Zwar wird in den Empfehlungen des
Deutschen Vereins für die Gewährung von Kran-kenkostzulagen 2. Aufl 1997 eine Laktoseintoleranz nicht genannt. Zu
berücksichtigen ist jedoch, dass die Empfehlungen den Kenntnisstand der Jahre 1991 bis 1996, der nicht mehr dem
jetzigen Stand der Wissenschaft entsprechen muss (BSG Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 64/06 R - Rn 27),
wiedergeben. Darüber hinaus ist in den Empfehlungen vom 1. Oktober 2008 (3. Aufl) klargestellt (III.4), dass die
Empfeh-lungen ausschließlich für die aufgeführten Erkrankungen gelten und dass die in der Vergangenheit - wie hier -
vorgekommene Praxis einer Ablehnung, weil die Erkrankung nicht in den Empfehlungen stehe, unzulässig ist. Der
Sachverhalt ist dann im Einzelfall aufzuklären. Eine Laktose- und Fruktoseintoleranz wird ausdrücklich auch in der 3.
Aufl der Empfehlungen ebenso wenig erwähnt wie die von der Antragstellerin weiter geltend gemachten
Nahrungsmittelallergien. Und in dem Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe 2002 (S 21)
wird - entgegen der Behauptung des Gesundheitsamtes des Antragsgegners - darauf hingewiesen, dass diese Ge-
sundheitsstörungen eine Kost erforderlich machen können, die Mehrkosten verursacht (s auch
Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernäh-rungsmediziner ua, Aktuelle
Ernährungsmedizin 2004, 245/250f). Die Antragstellerin hat durch fachärztliche Bescheinigungen glaubhaft gemacht,
dass die erforderliche Er-nährung mit einem finanziellen Mehraufwand im Vergleich zur gesunden Normalbevöl-kerung
verbunden ist. Der von ihr begehrte Betrag von 53,20 EUR, der gem § 41 Abs 2 SGB II auf 53 EUR abzurunden ist,
ist plausibel, zumal er deutlich unter der Zulage, die bei einer Durchfallerkrankung (Zöliakie/Sprue) für eine glutenfreie
Kost nach den Emp-fehlungen des Deutschen Vereins gewährt und in der Verwaltungspraxis auch bei ei-ner
Laktoseintoleranz herangezogen wird (s Bay LSG Urteil vom 13. September 2007 - L 11 AS 258/06), liegt.
Demgegenüber bedingen die im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Gesundheitsstörungen der Hyperurikämie
und der Hyperlipidämie auch nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins 3. Aufl 2008 (II.2 4.1, III.2) nach dem
aktuellen Stand der Ernährungsmedizin keine einen Mehrbedarf rechtfertigende kos-tenaufwändige Ernährung (s auch
Begutachtungsleitfaden Landschaftsverband West-falen-Lippe S 17 f; Rationalisierungsschema aaO, 248 sowie die
Empfehlungen zur Ernährung von Wahrburg/Assmann bei Hyperlipoproteinämien und von Gröbner bei Hyperurikämie
und Gicht in: Biesalski ua [Hrsg], Ernährungsmedizin, 3. Aufl 2004, Kap 28 und 39).
Dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise die Laktoseintoleranz keinen Mehrbedarf rechtfer-tigen sollte, ist nicht
ersichtlich. Der Antragsteller hat das Vorliegen der Erkrankung ärztlich bescheinigt bekommen; er hat die typischen
Folgen anschaulich und nachvollziehbar geschil-dert.
b) Wegen der bei ihm vorliegenden Nahrungsmittelallergien steht dem Antragsteller nach vor-läufiger Prüfung der
Sach- und Rechtslage kein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernäh-rung gem. § 21 Abs. 5 SGB II zu. Zwar ist
der Antragsteller nach den vorliegenden medizini-schen Unterlagen gegen Erdnuss, Haselnuss, Sellerie, Roggen und
Tomaten allergisch und er verträgt andere Getreidemehle (nur) in Maßen. Daraus folgt jedoch nicht ohne weiteres,
dass deshalb kostenaufwändige Ernährung erforderlich ist. Die Kammer vermag vielmehr – jedenfalls beim derzeitigen
Stand – nicht zu erkennen, inwiefern diese Allergien eine beson-ders kostenaufwändige Ernährung erforderlich
machen sollten. Es erscheint möglich, die ge-nannten Lebensmittel zu vermeiden, ohne dass dies mit besonderen
Kosten verbunden wäre.
c) Auch ist nicht glaubhaft gemacht, dass dem Antragssteller wegen der ärztlich bescheinigten Fruktoseintoleranz ein
ernährungsbedingter Mehrbedarf zusteht. Dabei kann dahinstehen, ob beim Antragsteller tatsächlich, wie von der
Hausärztin bescheinigt, eine "Fruktoseintoleranz" eine sehr seltene erbliche Erkrankung – oder lediglich eine
Fruktosemalabsorbtion vorliegt. Hierauf kommt es im vorliegenden Fall im Ergebnis nicht an. Denn nach dem
Laktose- und Fruktosetoleranztest des Klinikums XY. vom 15. und 16. Juli 2009 wurde dem Antragsteller lediglich
empfohlen, eine laktosearme Diät einzuhalten, nicht aber, auf fruktosehaltige Nah-rungsmittel zu verzichten. Daher
geht die Kammer nach dem derzeitigen Stand davon aus, dass die Fruktosewerte, die nach dem Test ohnehin "im
Grenzbereich" sind, eine fruktosefreie Kost nicht erforderlich machen (entgegen der hausärztlichen Stellungnahme,
die vom 13. Au-gust 2009 datiert).
d) Wegen der Höhe des Mehrbedarfs orientiert sich die Kammer an dem Beschluss des LSG Niedersachsen –
Bremen vom 21. Oktober 2009 – L 6 AS 458/08 ER -, das bei Laktoseintole-ranz einen Mehrbedarf in Höhe von 53,00
Euro für angemessen erachtet hat (s. Tenorierung des Beschlusses).
2. Der Anordnungsgrund folgt aus der finanziell prekären Situation des Antragstellers sowie daraus, dass er aktuell auf
die Gewährung der streitigen Leistungen angewiesen ist, um sei-nen Ernährungsbedarf decken zu können. 3. Die
Kammer hat die Entscheidung in zeitlicher Hinsicht – wie in ihrer Praxis üblich - auf die Zeit seit Antragstellung bei
Gericht (4. November 2009) bis zum Ende des laufenden Bewilli-gungszeitraums (31. März 2010) begrenzt.
4. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwen-dung. Sie entspricht dem
Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten. D. Ast. hat in Höhe von 53,00 Euro monatlich obsiegt,
während die Gewährung von 71,80 Euro monatlich beantragt war. Die Kammer schätzt das Ausmaß des Obsiegens
auf 74 Prozent. Dement-sprechend sind die außergerichtlichen Kosten d. Ast. zu 74 vom Hundert zu erstatten. Ge-
richtskosten fallen im vorliegenden Verfahren nicht an.
5. D. Ast. war gem. § 73a SGG Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen. Sowohl die finanziellen, als
auch die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung waren gegeben. Der Eilantrag hatte
insbesondere – was sich aus den obigen Ausführungen ergibt – zumindest teilweise hinreichende Erfolgsaussichten
und war zudem nicht mutwillig.
6. Der Beschluss ist gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht anfechtbar, weil in der Hauptsache die Berufung nicht
zulässig wäre. Die Antragsgegnerin ist mit einem Betrag von weniger als (5 volle Monate mal 53,00 Euro gleich)
265,00 Euro beschwert, der Antragsteller mit einem Betrag von weniger als (5 volle Monate mal (71,80 Euro monatlich
minus 53,00 Euro gleich 18,80 Euro im Monat) gleich) 94,00 Euro. Der Schwellenwert für eine zulässige Berufung liegt
bei 750,00 Euro, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG.
gez. Dr. Schnitzler Richter am Sozialgericht