Urteil des SozG Bremen vom 02.09.2009

SozG Bremen: fernseher, erlass, darlehen, wohnung, hauptsache, aufschub, obsiegen, unterliegen, radio, fernsehapparat

Sozialgericht Bremen
Beschluss vom 02.09.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bremen S 23 AS 1526/09 ER
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird ab-gelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (d. Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen nach dem SGB II zur
Anschaffung eines Fernsehers.
Der Ast. steht im laufenden Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin, der Trägerin der Grund-sicherung in A-Stadt. Am
11. August 2009 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegne-rin die Zahlung eines Zuschusses zur Anschaffung
eines Fernsehers. Er begründete dies da-mit, dass sein bisheriges Gerät irreparabel defekt sei. Die Antragsgegnerin
lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. August 2009 ab. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass der gel-tend
gemachte Bedarf durch Ansparungen aus der Regelleistung zu decken sei.
Am 17. August 2009 hat d. Ast. beim Sozialgericht die Gewährung einstweiligen Rechtsschut-zes beantragt. Er
begehrt die Gewährung eines Zuschusses – hilfsweise eines Darlehens – zur Anschaffung eines Fernsehers. Zur
Begründung wird ausgeführt, bei einem Fernseher handele es sich inzwischen um einen sozialtypischen Standard.
Auch das Sozialgericht Frankfurt hätte dies so gesehen (Az. S 17 AS 388/06 und S 17 AS 87/08).
Die Antragsgegnerin ist dem Eilantrag entgegengetreten. Sie meint, für die Anwendung des § 23 SGB II sei kein
Raum gegeben. Auch eine darlehensweise Leistungserbringung käme nicht in Betracht. Denn eine solche setze
voraus, dass ein unabweisbarer Bedarf vorliege. Hierfür fehle es am Nachweis.
Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen. Die Verwaltungsakte ist vom Gericht am 17. August
2009 per Fax unter Fristsetzung zum 24. August 2009 angefordert worden. Die Antragsgegnerin hat die
Verwaltungsakten gleichwohl bisher ohne Begründung nicht vorgelegt.
II. Der gem. § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Antrag auf Erlass einer einstwei-ligen Anordnung ist
zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige
Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung we-sentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus (vgl. Meyer-
Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rn. 27, 29). Ein materieller Anspruch ist im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren nur einer summarischen Überprüfung zu unterziehen; hierbei muss der Antragsteller glaubhaft
machen, dass ihm aus dem Rechtsverhältnis ein Recht zusteht, für das wesentliche Gefahren drohen (Meyer-
Ladewig, a. a. O., Rn. 28). Der Anordnungsgrund setzt Eilbedürftigkeit voraus, dass heißt, es müssen erhebliche
belastende Auswirkungen des Verwaltungshandelns schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Dabei muss
die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen, § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Dies bedeutet
zugleich, dass nicht alle Nachteile zur Geltendmachung vorläufigen Rechtsschutzes berechtigen. Bestimmte
Nachteile müssen hingenommen werden (Binder in Hk-SGG, 2003, § 86 b Rn. 33). Es kommt damit darauf an, ob ein
Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hingenommen werden kann. Ob dies der Fall ist, be-misst sich
an den Interessen der Antragssteller und der öffentlichen sowie gegebenenfalls weiterer beteiligter Dritter. Dabei
reichen auch wirtschaftliche Interessen aus (vgl. Binder, a. a. O.).
1. Es ist schon kein Anordnungsanspruch gegeben. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die Gewährung von
Mitteln für die Anschaffung eines Fernsehers, und zwar weder als Zu-schuss, noch als Darlehen.
a) Der Antragsteller kann insbesondere die Gewährung eines Zuschusses nicht als Erstaus-stattung seiner Wohnung
gem. § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II verlangen. Es handelt sich bei dem anzuschaffenden Fernseher nämlich nicht
um eine erstmalige Bedarfsdeckung, sondern um eine Ersatzbeschaffung. Dies ergibt sich schon daraus, dass der
Antragsteller schon bis-her einen Fernsehapparat hatte. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von den
beiden vom Antragsteller herangezogenen Verfahren des SG Frankfurt, denn dort war die Gewährung von
Erstausstattung strittig. Daher sei nur am Rande erwähnt, dass auch die be-schließende Kammer bereits entschieden
hat, dass – entgegen der senatorischen Verwal-tungsanweisung zu § 23 Absatz 2 SGB II
(http://www.soziales.bremen.de/sixcms/media.php/13/Verwaltungsanweisung%20zu%20%2023%20Abs.%203%20SGB%20II%20Stand%202009-
02-25.pdf) - zur Erstausstattung einer für die Wohnung gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II ein Fernseher gehört
(Beschluss der Kammer vom 2. Juli 2009 – S 23 AS 894/09 ER – (http://www.sozialgericht-
bremen.de/sixcms/media.php/13/23 AS 894 09 ER Beschluss 20090702Anonym.pdf).
b) Der Antragsteller kann nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage auch keine Ge-währung eines Darlehens
zur Anschaffung eines Fernsehers gem. § 23 Abs. 1 SGB II verlan-gen. Denn ein solches Darlehen setzt nach dem
Gesetz voraus, dass der Bedarf "unabweis-bar" ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Abdeckung des Bedarfs
keinen Aufschub duldet (z.B.: Wintermantel im BAM.; vgl. Lang/Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, §
23 Rn. 27). Daran fehlt es hier. Die Kammer hält es für zumutbar, von der Regelleistung einen gebrauchten Fernseher
anzusparen. Dabei schätzt die Kammer, dass ein solches Ge-brauchtgerät über Kleinanzeigen etc. derzeit für ca.
20,00 bis 50,00 Euro erhältlich ist. Es müsste daher möglich sein, diesen Betrag innerhalb weniger Monate
anzusparen. So viel Aufschub duldet nach der Auffassung der Kammer die Anschaffung eines Fernsehers, zumal
grundrechtlich verbürgte Informationsbedürfnisse auch durch das Radio gedeckt werden kön-nen.
2. Insofern braucht die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) nicht geprüft zu werden.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwen-dung. Sie entspricht dem
Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten. Der An-tragssteller ist voll unterlegen. Seine
außergerichtlichen Kosten sind deshalb nicht zu erstat-ten. Gerichtskosten fallen im vorliegenden Verfahren nicht an.
4. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes für kei-nen Beteiligten 750,00
Euro übersteigt und wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr nicht im Streit sind (§ 172 Abs. 3
Nr. 1 SGG in Verbindung mit § 144 Abs. 1 SGG). Der Antragsteller ist mit einem Betrag von ca. 50,00 Euro
beschwert.