Urteil des SozG Braunschweig vom 03.09.2008

SozG Braunschweig: Sozialgericht Braunschweig Az. S 19 AS 2467/08, verfügung, einwilligung, darlehen, verwaltungsakt, niedersachsen, unterlassen, kenntnisnahme

Sozialgericht Braunschweig
Beschluss vom 03.09.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Braunschweig S 19 AS 2467/08
Es wird festgestellt, dass die Anfechtungsklage vom 28.08.2008 - Sozialgericht Braunschweig Az. S 19 AS 2467/08 -
gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2008
hinsichtlich der Rückzahlungsverpflichtung des Antragstellers aufschiebende Wirkung hat.
Die Antragsgegnerin erstattet dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller bezog durch die Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Am 03.03.2008 trat er eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Firma D. AG, Wolfsburg, als
Produktionshelfer an. Er beantragte bei der Antragsgegnerin am 11.03.2008 eine Übergangsbeihilfe zum
Lebensunterhalt in Höhe von 1.000,00 EUR als Darlehen anlässlich dieser Arbeitsaufnahme. Mit Bescheid vom
26.03.2008 bewilligte die Antragsgegnerin die Übergangsbeihilfe in beantragter Höhe als Darlehen. Der Bescheid
enthält zugleich die Regelung einer Rückzahlungsverpflichtung des Antragstellers in zehn gleichen Teilbeträgen,
beginnend zwei Monate nach der Auszahlung. Gegen den Bescheid legte der Antragsteller am 07.04.2008
Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2008 zurückgewiesen. Der
Antragsteller hat hiergegen am 28.08.2008 u. a. Anfechtungsklage erhoben - S 19 AS 2467/08; am 29.08.2008
beantragte er den Erlass einer Einstweiligen Anordnung.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Diese Entscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in Fällen, in denen Widerspruch oder
Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung auf Antrag ganz oder teilweise
anordnen. Diese Regelung wird in entsprechender Anwendung dann herangezogen, wenn die Behörde die
aufschiebende Wirkung nicht beachtet und den angefochtenen Verwaltungsakt trotzdem vollzieht (faktischer Vollzug).
Das Gericht kann dann durch Beschluss (deklaratorisch) aussprechen, dass der Widerspruch bzw. die Klage
aufschiebende Wirkung hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b Rn. 15).
Grundsätzlich haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung, § 86 a Abs. 1 S. 1 SGG. Sie entfällt
u. a. bei einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitssuchende entscheidet, § 39 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG. Die Eingliederungsleistungen über
§ 16 SGB II unterfallen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II dieser Ausnahmeregelung (vgl. Eicher in Eicher/Spellbrink,
SGB II Komm., 2. Aufl. 2008, § 39 Rn. 10).
Doch enthält der angefochtene Bescheid zwei teilbare Regelungen - einerseits die Leistungs-/Darlehensgewährung,
andererseits die Rückzahlungsverpflichtung und -regelung im Einzelnen. Die Anfechtungsklage gegen die
Leistungsgewährung selbst hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, hinsichtlich der
Rückzahlungsverpflichtung ist hingegen von einer aufschiebenden Wirkung auszugehen. Denn die Entscheidung der
Antragsgegnerin über die Rückzahlungsverpflichtung und deren verfügte Modalitäten stellen im engeren Sinne keine
Regelung über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende dar; vielmehr dienen sie der Abwicklung und
Tilgung einer ggf. bestehenden Forderung der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller. Es besteht insoweit kein
Unterschied zu den Fallkonstellationen, in denen ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ergangen ist (vgl. dies
betreffend: LSG Niedersachsen-Bremen vom 23. März 2006, L 9 AS 127/06 ER; LSG Berlin-Brandenburg vom 04.
Dezember 2007, L 18 B 2041/07 AS ER; Conradis in LPK-SGB II zu § 39, Rn. 7 m.w.N.).
Das Gericht sieht unter Bezugnahme auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 02.09.2008 zudem Veranlassung,
auf Nachfolgendes hinzuweisen:
Für die Zulässigkeit des Antrages kommt es auf die Anhängigkeit der Anfechtungsklage an. Wie der Antragsgegnerin
bereits in der Verfügung vom 01.09.2008 mitgeteilt wurde, hat der Antragsteller am 28.08.2008 Anfechtungsklage
erhoben; ob der Antragsgegnerin bereits eine Klageabschrift vorliegt, ist insoweit unerheblich. Aufgrund der lediglich
deklaratorischen Feststellung der aufschiebenden Wirkung kommt es zudem auf eine Abwägung des
Aussetzungsinteresses gegenüber dem Vollzugsinteresse nicht an. Ferner ist im Verfahren gemäß § 86 b Abs. 1 Nr.
2 SGG das etwaige Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht Prüfungsgegenstand. Auch kann die Rechtmäßigkeit
des angefochtenen Bescheides - entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerin - abschließend erst im anhängigen
Hauptsacheverfahren entschieden werden; eine dies betreffende, bindende "Entscheidung"/Feststellung im
Einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist rechtlich unmöglich.
Ferner führt der Verweis auf die im Antragsformular erklärte Einwilligung des Antragstellers u. a. in eine
Gehaltspfändung zur Sicherung der etwaigen Ansprüche der Antragsgegnerin zu keiner anderen Beurteilung des
Sachverhalts; denn diese Einwilligung, erklärt am 11.03.2008, dürfte mit dem Widerspruch vom 07.04.2008 widerrufen
worden sein. Es liegt schließlich in der Organisationsverantwortung der Antragsgegnerin, Vollstreckungsmaßnahmen
zu unterlassen bzw. deren Unterlassung intern sicherzustellen, sobald ein Widerspruch mit aufschiebender Wirkung
bei ihr eingegangen ist; hierzu hatte die Antragsgegnerin zwischen der Widerspruchseinlegung am 07.04.2008 und
dem ersten Fälligkeitstermins am 26.05.2008 ausreichend Zeit.
Die richterliche Verfügung vom 01.09.2008 mit den darin enthaltenen Anregungen und Hinweisen ist den Beteiligten
selbstverständlich gleichlautend per Telefax am 01.09.2008 übermittelt worden. Weitere Verfügungen an den
Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers sind nicht ergangen. Die dies betreffende Bitte der Antragsgegnerin um
Übersendung und Kenntnisnahme, "soweit richterliche Verfügungen an die Gegenseite ergingen", erschließt sich dem
Gericht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.