Urteil des SozG Braunschweig vom 17.02.2009

SozG Braunschweig: grobe fahrlässigkeit, eheähnliche gemeinschaft, arglistige täuschung, einkommen aus erwerbstätigkeit, erwerbseinkommen, rechtswidrigkeit, witwenrente, verwaltungsakt, arbeitsentgelt

Sozialgericht Braunschweig
Urteil vom 17.02.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Braunschweig S 18 AS 1463/08
Die Bescheide der Beklagten vom 24.7.2007 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 20.5.2008 werden
aufgehoben. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Aufhebung und Rückforderung überzahlten Arbeitslosengeldes II.
Der 1947 geborene Kläger zu 1. und die 1951 geborene Klägerin zu 2. leben in eheähnlicher Gemeinschaft. Sie
beziehen seit dem 10.6.2005 Arbeitslosengeld II von der Beklagten.
In ihrem Erstantrag vom 10.6.2005 gaben sie u.a. an, der Kläger zu 1. beziehe Arbeitslosengeld und die Klägerin zu 2.
erhalte Lohn. Im Zusatzblatt 2 "Einkommenserklärung/Verdienstbescheinigung" konkretisierten sie ihre Angaben wie
folgt: Die Klägerin zu 2. erhalte neben einer Witwenrente von 488,99 EUR monatlich Arbeitsentgelt aus einer
Beschäftigung. Der Arbeitgeber der Klägerin zu 2., die Shell Station G. GmbH, bescheinigte der Klägerin zu 2. unter
dem 7.6.2005 ein monatliches Einkommen von 855,04 brutto sowie steuerfreien Sonn- und Feiertagszuschlägen von
50,38 EUR. Das Einkommen werde in schwankender Höhe bezogen.
Die Beklagte gewährte den Klägern laufende Leistungen ab Juni 2005.
Am 12.7.2005 erklärte der Kläger zu 1. anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten, er sei nicht damit
einverstanden, dass die Klägerin zu 2. bei ihm mit angerechnet werde. Die Beklagte erklärte dem Kläger, dies sei
geschehen, weil der Kläger zu 1. die Klägerin zu 2. im Antrag mit angegeben habe und den Vordruck "eheähnliche
Gemeinschaft" unterschrieben habe. Der Kläger zu 1. erklärte, dass er damals falsch aufgeklärt worden sei. Die
Klägerin zu 2. sei nur eine gute Freundin, mit der er ab und zu das Bett teile. Der Widerspruch sei unterwegs.
Am 7.10.2005 übersandte der Kläger zu 1. der Beklagten die Einkommensbescheinigungen der Klägerin zu 2. für Juli
bis September 2005 mit der Anmerkung, da sein Widerspruch immer noch nicht bearbeitet sei, übersende er anbei die
Unterlagen seiner Mitbewohnerin zur Berechnung. Mit Schreiben vom 30.7.2005 bekräftigte der Kläger zu 1.
nochmals, er und die Klägerin zu 2. lebten nicht in eheähnlicher Gemeinschaft.
Auch in der Folgezeit übersandten die Kläger stets zeitnah aktuelle Einkommensbescheinigungen der Klägerin zu 2.
Im Mai 2006 übersandten sie letztmalig die Einkommensbescheinigung der Klägerin zu 2. für April 2006.
Am 24.5.2006 stellten die Kläger einen Fortzahlungsantrag. Im Zusatzblatt 2 hinsichtlich der Klägerin zu 2. gaben sie
an "unverändert".
Die Beklagte gewährte den Klägern mit Bescheid vom 26.5.2006 Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1.6.2006 bis
30.11.2006 in Höhe von monatlich 557,40 EUR. In diesem Leistungsbescheid war das Erwerbseinkommen der
Klägerin zu 2. nicht mehr enthalten. Mit Änderungsbescheiden vom 22.8.2006 änderte die Beklagte die
Leistungsgewährung ab 1.10.2006 bis 30.11.2006 auf 621,89 EUR ab (Darlehenstilgung ab 1.10.) und ab 1.8.2006 bis
30.11.2006 auf 621,89 EUR ab (neue Abschlagshöhe). Auch in diesen Bescheiden fehlte jeweils eine Anrechnung des
Einkommens der Klägerin zu 2.
Am 31.10.2006 stellten die Kläger einen weiteren Fortzahlungsantrag, in dem sie wiederum "keine Änderungen"
angaben.
Mit Bescheid vom 2.11.2006 gewährte die Beklagte den Klägern monatliche Leistungen in Höhe von 621,89 EUR für
die Zeit vom 1.12.2006 bis 31.5.2007. Mit Änderungsbescheid vom 9.3.2007 änderte die Beklagte ihre Gewährung für
die Zeit vom 1.3.2007 bis 31.5.2007 auf 694,80 EUR (März 07) und 724,80 EUR (April und Mai 07) ab (Ende des
Arbeitslosengeldes des Klägers zu 1.). Auch hier fehlte durchweg eine Anrechnung des Erwerbseinkommens der
Klägerin zu 2.
Im April 2007 stellten die Kläger erneut einen Fortzahlungsantrag, in dem sie wiederum das Arbeitsentgelt der Klägerin
zu 2 und ihre Witwenrente angaben. Mit Änderungsbescheid vom 19.4.2007 setzte die Beklagte die Leistungen für
April und Mai 2007 neu auf 717,63 EUR fest (Änderung der Witwenrente der Kl. zu 2.), aber erneut ohne Anrechnung
des Erwerbseinkommens der Klägerin zu 2.
Mit Bescheid vom 19.4.2007 gewährte die Beklagte den Klägern Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1.6.2007 bis
30.11.2007 in Höhe von 717,63 (Juni bis September) und in Höhe von 648,84 EUR (Oktober und November) ohne
Anrechnung von Erwerbseinkommen.
Im Mai 2007 bemerkte die Beklagte ihren Fehler und forderte die Kläger mit Schreiben vom 11.5.2007 dazu auf,
Verdienstbescheinigungen ab April 2006 bis laufend für die Klägerin zu 2. vorzulegen.
Als daraufhin zunächst keine Antwort erfolgte, da die Kläger unbekannt verzogen waren, fragte die Beklagte bei dem
Arbeitgeber der Klägerin zu 2., der H. GmbH an und bat um Mitteilung des Arbeitsentgelts der letzten 12 Monate.
Im Mai 2007 übersandte der Kläger zu 1. die angeforderten Unterlagen, allerdings ohne die Verdienstbescheinigungen
für April bis August 2006 sowie eine Ummeldebescheinigung zum 1.6.2007 nach I ... Mit diesem Umzug war die
Beklagte für die Kläger nicht mehr zuständig.
Mit Schreiben vom 15.6.2007 teilte der Arbeitgeber der Klägerin zu 2. ihre Verdienste ab Juni 2006 mit.
Am 2.7.2007 schrieb die Beklagte die Kläger an und teilte mit, nach ihren Erkenntnissen hätten die Kläger in der Zeit
vom 1.6.2006 bis 31.5.2007 Arbeitslosengeld II in Höhe von 6.184,31 EUR zu Unrecht bezogen. Die Klägerin zu 2.
habe Einkommen erzielt, was nicht angerechnet worden sei. Es ergebe sich ein überzahlter Betrag für den Kläger zu
1. von 3.092,15 EUR und für die Klägerin zu 2. von 3.092,16 EUR.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24.7.2007 hob die Beklagte ihre Entscheidungen vom 26.5.2006 und
2.11.2006 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom
1.6.2006 bis 31.5.2007 ganz auf. Es seien Arbeitslosengeld II (Regelleistung) in Höhe von 492,89 EUR und
Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 2.599,27 EUR, insgesamt 3.092,16 EUR überzahlt worden. Zur
Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin zu 2. habe während des genannten Zeitraums Einkommen aus
Erwerbstätigkeit erzielt. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen seien der Kläger zu 1. und die Mitglieder
der Bedarfsgemeinschaft nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II, so dass ein Anspruch auf Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nicht mehr bestehe.
Der Kläger zu 1. habe Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs
geführt habe (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X). In der Zeit vom 1.6.2006 bis
31.5.2007 seien ihm Leistungen nach dem SGB II in der genannten Höhe zu Unrecht gezahlt worden. Diese Beträge
seien vom Kläger zu 1. gemäß § 50 SGB X zu erstatten.
Ein wortgleicher Bescheid über eine Forderung von 3.092,15 EUR (Regelleistung: 492,79 EUR, Leistungen für
Unterkunft und Heizung: 2.599,36 EUR) erging unter dem 24.7.2007 an die Klägerin zu 2.
Die Kläger erhoben Widerspruch gegen die Bescheide vom 24.7.2007. Der Kläger zu 1. begründete seinen
Widerspruch vom 20.8.2007 damit, er habe seine Folgeanträge immer ordnungsgemäß gestellt. Er habe immer, wie
man ihm gesagt habe, "keine Veränderungen" hineingeschrieben. Bis zum 1.7.2006 habe er die
Verdienstabrechnungen seiner Lebensgefährtin eingereicht. Zum 1.6.2007 habe er den neuen Bescheid bekommen
und gedacht, dass das so in Ordnung sei. Seine Lebensgefährtin sei zu keiner Zeit arbeitslos gemeldet gewesen, so
dass die Beklagte nicht hätte davon ausgehen dürfen, dass sie arbeitslos sei. Zudem seien die Bescheide für einen
normal gebildeten Menschen kaum zu verstehen.
Die Klägerin zu 2. begründete ihren Widerspruch vom 24.8.2007 damit, sie hätten die Anträge ihres Lebensgefährten
immer ordnungsgemäß ausgefüllt. Bis zum 1.7.2006 habe sie regelmäßig Verdienstbescheinigungen eingereicht, so
dass sie davon hätten ausgehen müssen, dass der Bescheid von Juni 2006 so in Ordnung sei. Sie sei zu keiner Zeit
arbeitslos gemeldet gewesen, so dass die Beklagte nicht hätte annehmen dürfen, dass sie arbeitslos sei. Sie könne
sich nicht erklären, wie die Beklagte zu der Annahme gelangt sei, dass sie nicht mehr arbeite.
Die Beklagte wies die Widersprüche der Kläger mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 20.5.2008 zurück, jeweils
gerichtet an den Kläger zu 1. und an die Klägerin zu 2.
Darin änderte sie ihre Bescheide vom 24.7.2007 dahingehend ab, dass von dem Kläger zu 1. noch 2.790,94 EUR und
von der Klägerin zu 2. noch 2.791,73 EUR zu erstatten waren. Die Beklagte stützte ihre Aufhebung nunmehr auf § 45
Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Die Kläger hätten die Rechtswidrigkeit der Bescheide erkennen müssen; ihnen sei
diesbezüglich grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Hierzu führte die Beklagte unter anderem aus, grundsätzlich handele
ein Leistungsempfänger grob fahrlässig, wenn er einen erhaltenen Bewilligungsbescheid nach den ihm möglichen
Sorgfaltsmaßstäben nicht überprüfe; er dürfe sich nicht darauf verlassen, dass die Leistungsbewilligung dem Grunde
und der Höhe nach rechtmäßig sei. Vielmehr habe er die im Bescheid enthaltenen Angaben und Berechnungen
nachzuvollziehen und ggf. beim Leistungsträger hinsichtlich unklarer Punkte nachzufragen. Nehme er Leistungen
lediglich entgegen, ohne den Bewilligungsbescheid entsprechend zu prüfen, liege bei offensichtlichen Fehlern grobe
Fahrlässigkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X vor.
Der Bewilligungsbescheid vom 26.5.2006 z.B. enthalte auf den Seiten 4-6 die Berechnung für die Ermittlung des
Bedarfs der Bedarfsgemeinschaft und das Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft. In der Einkommens-Tabelle
auf Seite 5 seien aufgeführt in der Spalte J. "Arbeitsagentur Einkommen 102,90 EUR abzüglich der
Einkommensbereinigung" und in der Spalte K. "Renten Einkommen 488,99 EUR". Bei Durchsicht des
Bewilligungsbescheides habe sich den Klägern aufdrängen müssen, dass das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 2.
nicht berücksichtigt worden sei.
Gem. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB II sei der Bescheid für die Vergangenheit
zurückzunehmen, ohne dass es einer Ermessensentscheidung bedürfe.
Die Kläger haben am 11.6.2008 Klage erhoben. Sie tragen vor, sie hätten nie angegeben, dass die Klägerin zu 2.
arbeitslos geworden sei. Ihr Erwerbseinkommen hätten sie ebenfalls durchgehend mitgeteilt, indem sie in den
Fortzahlungsanträgen jeweils "keine Änderungen" angekreuzt hätten. Der Kläger zu 1. trägt vor, er habe sich die
Berechnungsbögen der Leistungsbescheide nie durchgelesen. Für ihn sei der Gesamtbetrag auf Seite 1 allein
erheblich gewesen. Als die Beklagte ab dem 1.6.2006 höhere Leistungen gewährt habe, sei er davon ausgegangen,
sie sei seinem Begehren gefolgt, die Klägerin zu 2. aus seiner Leistungsgewährung außen vor zu lassen. Die Klägerin
zu 2. trägt vor, sie sei erst stutzig geworden, als sie von der Beklagten zu einem Gespräch über ihren beruflichen
Werdegang eingeladen worden sei. Sie hätten sich zudem eine Zeitlang verkracht. Während dieser Zeit hätten sie
zwar noch zusammen gewohnt, aber der Kläger zu 1. habe sich nicht mehr um die Angelegenheiten der Klägerin zu 2.
gekümmert und deswegen auch keine Verdienstbescheinigungen der Klägerin zu 2. mehr eingereicht.
Sie beantragen sinngemäß,
die Bescheide vom 24.7.2007 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 20.5.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt ihr Vorbringen aus den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen und weist zudem darauf hin, den
Klägern seien bis zum 31.5.2006 Leistungen in Höhe von ca. 23 bis 184 EUR monatlich gewährt worden, in
schwankender Höhe, da auch das Einkommen der Klägerin zu 2. jeden Monat unterschiedlich hoch gewesen sei.
Wenn die Kläger ab dem 1.6.2006 plötzlich monatlich ca. 400 EUR mehr erhalten hätten, und das auch in monatlich
gleich bleibender Höhe, so hätte sich ihnen aufdrängen müssen, dass die Leistungsgewährung rechtswidrig war.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Die Beklagte war nicht
berechtigt, ihre Leistungsgewährung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 31.5.2007 teilweise aufzuheben und überzahltes
Arbeitslosengeld II von den Klägern in Höhe von 2.790,94 bzw. 2.791,73 EUR zurück zu fordern.
Die teilweise Aufhebung der Leistungsgewährung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 31.5.2007 richtet sich dabei nicht nach
§ 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X), da sich an den Verhältnissen nichts geändert hat. Die Klägerin zu 2.
bezog durchweg seit Beginn der Leistungsgewährung Erwerbseinkommen. Es liegt daher ein Fall der anfänglichen
Rechtswidrigkeit gemäß § 45 SGB X vor.
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung für die Vergangenheit nach § 45 SGB X sind jedoch nicht erfüllt. Nach § 45
Abs. 4 Satz 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 mit
Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.
§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X lautet wie folgt:
Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf
Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder
unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober
Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in
besonders schwerem Maße verletzt hat.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder haben die Kläger die Leistungsgewährung durch arglistige Täuschung,
Drohung oder Bestechung erwirkt, noch haben sie unvollständige Angaben gemacht. Sie haben die Rechtswidrigkeit
des Verwaltungsaktes auch nicht gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit verkannt.
Dies hat die Beklagte, die hierfür die Darlegungs- und Beweislast trägt, den Klägern nicht nachweisen können. Die
Kläger haben vielmehr plausibel erklärt, sie hätten sich aufgrund der richtigen und vollständigen Angaben, die sie
gemacht hatten, nichts Böses gedacht. Der Kläger zu 1. hat erklärt, er habe angenommen, die Beklagte sei seinen
Erklärungen, wonach keine eheähnliche Gemeinschaft vorliege, gefolgt und habe die Klägerin zu 2. deswegen aus der
Leistungsberechnung herausgenommen. Er hat zudem plausibel erklärt, sich die Berechnungsbögen der
Leistungsbescheide nicht genauer angesehen zu haben. Alle diese Einlassungen sind nicht zu widerlegen. Sie sind
auch plausibel und sprechen gegen eine grobe Fahrlässigkeit der Kläger. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass der
Kläger zu 1. über eine einfache Schulausbildung und keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt und dass die
Leistungsbescheide allein an den Kläger zu 1. adressiert waren. Es ist daher zweifelhaft, ob die Klägerin zu 2. die
Bescheide überhaupt gelesen hat und sich eine Meinung zu den konkreten Berechnungsschritten gebildet hat.
Da die Kläger allerdings vollständige und richtige Angaben gemacht haben, und der Fehler allein auf Seiten der
Beklagten liegt, waren die Kläger auch nicht zur Überprüfung der Leistungsbescheide der Beklagten verpflichtet. Wenn
Leistungsempfänger allen ihren Pflichten nachkommen, besteht keine Verpflichtung, die Behörde auf die Richtigkeit
ihrer Gewährung hin zu kontrollieren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der wenig aussagekräftigen,
überwiegend aus Satzbausteinen bestehenden Begründung der Bescheide sowie der an die Bescheide angehängten,
für den Laien unverständlichen Berechnungsbögen. Es kann von sozialrechtlich ungebildeten Laien, wie die Kläger es
sind, nicht erwartet werden, die Berechnungsbögen von Arbeitslosengeld II-Bescheiden zu lesen und dort
Unrichtigkeiten zu erkennen, die offenbar selbst den sozialrechtlich geschulten Sachbearbeitern der Beklagten über 12
Monate hinweg nicht aufgefallen sind.
Auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X sind nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.