Urteil des SozG Braunschweig vom 17.04.2009

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Sozialgericht Braunschweig
Urteil vom 17.04.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Braunschweig S 17 AS 2140/08
Der Bescheid vom 08.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2008 wird aufgehoben. Die
Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Rückforderung gewährter Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch
(SGB II) für den Zeitraum von April bis Juli 2006.
Ende Januar 2005 trennte sich die Klägerin von ihrem damaligen Ehemann und zog aus dem gemeinsamen Haus aus
und in den Landkreis F ... Sie stand dann im Leistungsbezug bei der Arbeitsgemeinschaft F ...
Sie war mit ihrem mittlerweile geschiedenen Ehemann Inhaberin eines Erbbaurechts und Eigentümerin eines Hauses.
Der geschiedene Ehemann bewohnt dieses Haus. Die Klägerin hatte mit ihm die Vereinbarung geschlossen, dass sie
auf Unterhalt verzichtet und er im Gegenzug für die Verbindlichkeiten für das Haus und den Unterhalt für die beiden
Töchter aufkommt.
Weiterhin ist die Klägerin Eigentümerin eines Grundstückes mit Wohnhaus, in dem ihre Mutter wohnt. Die Eltern der
Klägerin übereigneten das Grundstück im Jahre 2003 im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge. Im Gegenzug
gewährte die Klägerin ihren Eltern ein lebenslanges Wohnrecht an dem Einfamilienhaus. Nebenkosten übernehmen die
Eltern der Klägerin. Die Klägerin verpflichtete sich, ihre Eltern zu betreuen und zu pflegen. Diese als Altenteil
bezeichnete Belastung wurde im Grundbuch eingetragen.
Schließlich verfügt die Klägerin noch über einen Bausparvertrag und einen Rentenversicherungsvertrag.
Zum 01.04.2006 zog sie in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten um. Mit Bescheid vom 12.04.2006 wurden der
Klägerin Leistungen für April bis September 2006 nach dem SGB II erstmals von der Beklagten bewilligt. Die
Arbeitsgemeinschaft F. hatte an die Klägerin für April 2006 bereits die Regelleistung und Kosten der Unterkunft von
315,00 EUR gezahlt. Daher bewilligte die Beklagte für April Kosten der Unterkunft in Höhe von 407,27 EUR, zahlte
aber nur Differenz von 92,27 EUR aus. Ein entsprechender Hinweis ist im Bescheid erhalten.
Mit Datum vom 13.04.2006 erging ein Änderungsbescheid. Es wurden Kosten der Unterkunft in Höhe von 308,00 EUR
bewilligt, da darüber hinausgehende Kosten unangemessen seien. Es erging der Hinweis, dass für April 2006 keine
Auszahlung erfolgt, da bereits die Arbeitsgemeinschaft F. geleistet habe.
Mit Datum vom 26.04.2006 erging ein weiterer Änderungsbescheid. Die Leistungen wurden darlehnsweise bewilligt, da
nicht sofort verwertbares Vermögen vorhanden und der Abschluss eines Arbeitsvertrages bevorstehe.
Am 16.05.2006 schlossen die Klägerin und ihr geschiedener Mann einer Erbbaurechtsübertragungsvertrag. Danach
verpflichtete sich der geschiedene Ehemann zu Zahlung von 13.000,00 EUR und die Klägerin zur Übereignung
Miteigentums. Damit wurde auch der Zugewinnausgleich geregelt.
Der geschiedene Ehemann der Klägerin überwies am 26.06.2006 13.000,00 EUR an die Klägerin. Der Betrag ging am
29.06.2006 auf ihr Konto ein.
Am 01.07.2006 zog der jetzige Ehemann der Klägerin in ihre Wohnung. Er bezog am Mai 2006 eine Rente von der
Rentenversicherung sowie eine Betriebsrente.
Mit Schreiben vom 25.07.2006 hörte die Beklagte die Klägerin hinsichtlich einer beabsichtigten Rückforderung für Juni
und Juli 2006 in Höhe von 1.306,00 EUR und mit Schreiben vom 23.01.2007 bzgl. einer beabsichtigten Rückforderung
für April bis Juli 2006 in Höhe von 2.267,00 EUR an.
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 08.02.2007 den Bewilligungsbescheid vom 13.04.2006 auf und forderte
Leistungen in Höhe von 2.267,00 EUR für April bis Juli 2006 zurück.
Am 15.10.2007 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, den die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 03.07.2008 zurückwies
Die Klägerin hat am 29.07.2007 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor,
die Beklagte habe Sie gezwungen, von ihrem Schonvermögen zu leben. Ihr Ehemann sei insolvent und lebe am
Existenzminimum. Auch habe kein eheähnliches Zusammenleben vorgelegen. Eine finanzielle Versorgung durch ihn
war nicht gewährleistet. Vor dem Insolvenzgericht habe er als Einzelperson gegolten, der Pfändungsfreibetrag sei
geringer gewesen.
Wenn ein eheähnliches Verhältnis vorgelegen haben sollte, so stünde auch ihm ein Freibetrag zu. Sie habe am
31.10.2006 geheiratet. Bis zu diesem Zeitpunkt stünden ihr Leistungen zu.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 08.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt begründend aus, die Klägerin habe über Vermögen von 13.738,11 EUR aus der Zahlung ihres geschiedenen
Ehemannes und aus ihrem Bausparvertrag verfügt. Ihr stünde ein Vermögensfreibetrag von 10.350,00 EUR zu. Es
ergebe sich ein verwertbares Vermögen von 3.388,11 EUR, das vorrangig zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes
einzusetzen sei. Der Rücknahmebescheid sei nicht zu beanstanden, da der Bescheid vom 13.04.2006 in Gestalt der
Änderungsbescheide vom 13.04.2006 und 26.04.2006 rechtswidrig gewesen sei.
Wegen des weiteren Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen ergänzend Bezug
genommen auf die Prozessakte des Klageverfahrens sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand
der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid 08.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2008 ist rechtswidrig und die Klägerin
dadurch in ihren Rechten verletzt und war daher gemäß § 131 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
aufzuheben.
Offenbleiben kann hier, wann eine Rückzahlungspflicht von Leistungen, die gemäß § 23 Absatz 5 SGB II als Darlehen
gewährt werden, weil verwertbares Vermögen nicht sofort verbraucht werden kann, entsteht. Der Gesetzgeber hat in §
23 Absatz 5 SGB II nicht geregelt, wann und unter welchen Voraussetzungen das gewährte Darlehen zurückzuzahlen
ist. Jedoch dürfte dafür einer Ermächtigungsgrundlage notwendig sein.
Zunächst käme eine Rückforderung gemäß § 50 Absatz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 40
Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch (SGB III) in Betracht. Danach
sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.
Eine Rückforderung gemäß § 50 Absatz 1 SGB X scheidet hier jedoch aus. Die Beklagte hat in dem Bescheid vom
08.02.2007 ausdrücklich den Bescheid vom 13.04.2006 aufgehoben, nicht aber den Darlehensbescheid vom
26.04.2006. Zum Zeitpunkt der Aufhebung existierte der Bescheid vom 13.04.2006 in dieser Form nicht mehr, da er
durch den Darlehensbescheid abgeändert worden war.
Die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 08.02.2007 kann nicht so ausgelegt werden, dass auch der
Darlehensbescheid vom 26.04.2006 aufgehoben wurde. Einer Auslegung entgegen dem eindeutigen Wortlaut ist die
Entscheidung der Beklagten nicht zugänglich.
Durch den Widerspruchsbescheid hat die Beklagte den Darlehensbescheid ebenfalls nicht aufgehoben. Zwar wird der
Bescheid vom 26.04.2006 in der Begründung des Widerspruchsbescheides erwähnt, eine eindeutige, rechtswirksame
Aufhebung liegt jedoch nicht vor.
Gemäß § 50 Absatz 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III sind
Leistungen, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten. Auch danach scheidet eine
Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin aus. Zum einen wurden die Leistungen aufgrund eines Verwaltungsakts, dem
Darlehensbescheid vom 26.04.206 erbracht. Auch erhielt die Klägerin die Leistungen nicht zu Unrecht, da sie zum
Zeitpunkt der Bewilligung verwertbares Vermögen nicht sofort verbrauchen konnte.
Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Beklagte allein aufgrund der Tatsache, dass die Leistungen nicht als
Zuschuss, sondern als Darlehen gewährt worden sind, zur Geltendmachung des Rückzahlungsanspruches berechtigt
ist.
Bedenken bestehen dagegen allerdings, da es an einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage fehlt.
Nebenbestimmungen im Sinne von 32 SGB X enthält der Darlehensbescheid nicht, unabhängig von der Frage, ob
diese rechtlich zulässig wären. Unter Zugrundelegung zivilrechtlicher Grundsätze über einen Darlehensvertrag, der
keine Rückerstattungsvereinbarung trifft, muss gemäß § 488 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches selbst ein
Darlehensvertrag zuerst gekündigt werden, bevor eine Rückzahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers entsteht. So
ist es naheliegend, dass ein Darlehensbescheid zumindest aufgehoben werden müsste. § 48 Absatz 1 Satz 1 SGB X
ermöglicht eine Aufhebung für die Zukunft bei wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, hier der
eingetretenen Verbrauchsmöglichkeit des Vermögens. Auch ist eine Aufhebung für die Zukunft ausreichend und würde
zur Rückzahlungspflicht nach § 50 Absatz 1 SGB X führen, da es um die Rückzahlung eines Darlehens und nicht um
die Rückzahlung zu Unrecht erbrachter Leistungen geht. Die Bewilligung eines Darlehens beinhaltet, im Unterscheid
zur Zuschussgewährung, dass das Darlehen in der Zukunft zurückzuzahlen ist.
Dieses außer Acht gelassen, führt die Entscheidung der Beklagten auch aus anderen Gründen nicht zu einer
Rückzahlungspflicht der Klägerin. Die Beklagte hat die Zahlungen gemäß § 50 Absatz 1 SGB X zurückgefordert. Die
Voraussetzungen liegen -wie bereits ausgeführt - nicht vor. Eine Umdeutung dieses Verwaltungsaktes gemäß § 43
SGB X in einen anderen Verwaltungsakt - Rückzahlungsverpflichtung allein aufgrund der Darlehensgewährung ohne
spezielle Ermächtigungsgrundlage - kommt nicht in Betracht.
Selbst unter Annahme, dass die Beklagte in dieser Form berechtigt wäre, dass Darlehen zurückzufordern, könnte es
sich dabei nicht um eine gebundene Entscheidung - wie in § 50 SGB X- handeln. Soweit wäre der Grundsatz des
Vorbehaltes des Gesetzes nicht unberücksichtigt zu lassen. Insbesondere wäre im Rahmen dieser Form der
Darlehensrückforderung die Voraussetzungen eines Erlasses gemäß § 44 SGB II zu prüfen. Eine Umdeutung einer
gebundenen Entscheidung in eine Ermessensentscheidung ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB X unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.