Urteil des SozG Braunschweig vom 17.03.2010

SozG Braunschweig: physikalische therapie, versorgung, stationäre behandlung, rehabilitation, klinik, index, drg, dokumentation, entlassung, krankengymnastik

Sozialgericht Braunschweig
Urteil vom 17.03.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Braunschweig S 40 KR 87/05
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Streitwert wird auf 2.889,11 EUR festgesetzt. 3. Die Klägerin hat die Kosten des
Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Vergütungsansprüche für eine Frührehabolitation als Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus gemäß §§ 108, 109 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch –
gesetzliche Krankenversicherung– (SGB V).
Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte, 1924 geborene F. war in der Zeit vom 12. September 2003 bis
21. Oktober 2003 dort stationär aufgenommen. Wegen eines rumpfnahen Oberarmmehrfragmentbruchs links fand die
Behandlung bis zum 1. Oktober auf der chirurgischen Abteilung statt. Danach befand sich die Versicherte in der
geriatrischen Abteilung (medizinische Klinik IV). Die Versicherte ist am 21. 10. 2003 nach Hause entlassen worden.
Mit Rechnung vom 22. 10. 2003 forderte die Klägerin von der Beklagten 6.749,49 EUR. Abgerechnet wurde die DRG-
Fallpauschale I75B (2.808,81 EUR) zuzüglich eines Zuschlags wegen Überschreitens der oberen Grenzverweildauer
(OGVD) für die Zeit vom 12. September 2003 bis 2. Oktober 2003 (richtig wäre 3. Oktober bis 21. Oktober 2003) von
18 mal 218,91 EUR, gleich 3.940,38 EUR und der DRG-Zuschlag von 0,30 EUR. Die Beklagte zahlte darauf 2.809,11
EUR (Fallpauschale plus Systemzuschlag). Ab dem 1. Oktober 2003, mit der Verlegung auf die geriatrische Abteilung,
sei ein stationärer Krankenhausaufenthalt nicht mehr medizinisch notwendig gewesen. Der Zuschlag wegen
Überschreitens der oberen Grenzverweildauer, welche mit dem 2. Oktober 2003 erreicht sei, sei deshalb nicht zu
berechnen.
Mit der dagegen am 7. Februar 2005 erhobenen Klage machte die Klägerin zunächst die Zahlung von 2.889,11 EUR
nebst Zinsen geltend. Im weiteren Verfahrensverlauf stellte sich heraus, dass es sich bei dieser Summe um einen
Schreibfehler handelte (8 statt 0 in der Zehnerstelle), richtigerweise aber ohnehin der Betrag von 3.940,38 EUR hätte
eingeklagt werden sollen. Dieser Fehler fiel der Klägerin jedoch erst nach Eintritt der Verjährung auf. Sie nahm
deshalb von einer Klageerweiterung Abstand.
Die Klägerin ist der Auffassung, bei der Behandlung der Versicherten ab dem 1. Oktober 2003 habe es sich um eine
Frührehabilitation im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3, Halbsatz 2 SGB V gehandelt. Der Aufenthalt könne deshalb als
vollstationärer Krankenhausaufenthalt abgerechnet werden. Sie beruft sich dabei unter anderem auf Anlage 1 zum
Versorgungsvertrag Geriatrie (Abgrenzungskriterien zwischen Akutbehandlung und Rehabilitation). Es sei auch über
den 1. Oktober 2003 hinaus eine Ruhigstellung von Schultern und Oberarm durch einen Gilchristverband erforderlich
gewesen. Zwar habe bei der Verlegung in die geriatrische Klinik ein Barthel-Index von 75 und bei Entlassung von 90
vorgelegen. Der Barthel-Index habe jedoch für die Abgrenzung zwischen akutstationärer und rehabilitativer
Behandlungsnotwendigkeit nur eine untergeordnete Bedeutung. Rehabilitationsfähigkeit habe nur in eingeschränktem
Maße im Sinne einer Frührehabilitationsfähigkeit, nicht jedoch im Sinne einer Rehabilitationsfähigkeit mit aktiver
Teilnahme an Mobilisation und Rehabilitation, wie sie für die Verlegung in eine Rehabilitationsklinik erforderlich
gewesen wäre, bestanden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 2.889,11 EUR nebst Zinsen von zwei Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 21.Dezember 2004 für die stationäre Behandlung der Versicherten F. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der stationäre Krankenhausaufenthalt könne lediglich mit der DRG I75B, ohne OGVD-
Zuschlag abgerechnet werden. Nach dem 1. Oktober 2003 sei eine vollstationäre Akutkrankenhausbehandlung nicht
mehr medizinisch erforderlich gewesen. Zwar werde die Rehabilitationsbedürftigkeit der Versicherten nicht
angezweifelt. Auf der geriatrischen Abteilung der Klägerin seien für die Versicherte auch Rehabilitationsmaßnahmen
erbracht worden. Diese könne die Klägerin jedoch nicht abrechnen, da mit ihr kein Rehabilitationsversorgungsvertrag
nach § 111 SGB V bestehe. Die Beklagte beruft sich für ihre Auffassung auf ein Gutachten des Dr. G. (Medizinischer
Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen – MDKN -) vom 19. März 2008 und auf dessen gutachterliche
Stellungnahme vom 24. März 2009 sowie auf das vom Gericht eingeholte Gutachten des Dr. H ...
Einen Verhandlungstermin am 10. März 2009 hat das Gericht zur weiteren Beweiserhebung vertagt. Es hat ein
Gutachten des Dr. I. vom 26. Februar 2009 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, die unfallchirurgische
Primärbehandlung sei am 1. Oktober 2003 abgeschlossen gewesen. Die weitere Behandlung der Versicherten sei
zwar ebenfalls erforderlich und medizinisch notwendig gewesen, trage jedoch keinerlei Zeichen und Merkmale, die
eine Eingruppierung als Akutversorgung erlauben würden. Es sei ohne jeglichen Zweifel und vollinhaltlich eine
Behandlung im Sinne einer rehabilitativen Versorgung im Sinne der frührehabilitativen Komplexbehandlung gewesen.
Die Versorgung als geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung hebe sich deutlich von der primären
Akutbehandlung in der unfallchirurgischen Klinik ab.
Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die
Krankenhausakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung am 17. März 2010 waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin macht zu Recht den Anspruch auf Zahlung der Vergütung für die
Krankenhausbehandlung einer Versicherten gegen die Beklagte mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5
Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend. Sie hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert. Die Klage eines
Krankenhausträgers wie der Klägerin auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine
Krankenkasse ist ein Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in
Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen ist und keine Klagefrist zu beachten ist (ständige Rechtsprechung,
vgl. z.B. BSG, Urteil vom 10.4.2008, B 3 KR 14/07 R mwN, Breithaupt, 2009, 395 ff).
Die Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Rechtsgrundlage des
geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der
Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten sowie dem "Vertrag zu den Bereichen des § 112 Abs. 2, Ziffern 1, 2, 4 und 5
SGB V" (Niedersächsischer Sicherstellungsvertrag) zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und
den Spitzenverbänden der Krankenkassen.
Nach den für den Abrechnungszeitraum im Kalenderjahr 2003 geltenden Regelungen war der vollstationäre
Krankenhausaufenthalt der Versicherten von der Klägerin richtigerweise mit der DRG Fallpauschale I75B abgerechnet
worden.
Der Zuschlag für das Überschreiten der oberen Grenzverweildauer (die am 2. Oktober 2003 erreicht war) hätte jedoch
nur abgerechnet werden können, wenn ab dem 3. Oktober weiter Krankenhausbehandlung stattgefunden hätte und
medizinisch notwendig gewesen wäre. Das war nicht der Fall.
Nach der ständigen sozialgerichtlichen Rechtsprechung seit dem Beschluss des Großen Senats (GS) des
Bundessozialgerichts vom 25. September 2007 (GS 1/06) richtet sich die Beurteilung, ob einem Versicherten
vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, allein nach medizinischen Erfordernissen. Für den geltend
gemachten Klaganspruch kommt es deshalb darauf an, ob eine vollstationäre Krankenhausbehandlung im Sinne des §
39 SGB V erstens objektiv stattgefunden hat und zweitens medizinisch notwendig war. Nach der Rechtsprechung des
dritten Senats des Bundessozialgerichts (siehe BSG, Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 19/05 R – BSGE 100, 164 bis
186 -) ist die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung in Abrechnungsstreitigkeiten erst dann zu prüfen, wenn
feststeht, dass im Einzelfall auch tatsächlich eine den Kriterien der Krankenhausbehandlung entsprechende
Versorgung stattgefunden hat (aaO., Leitsatz 1). Jedoch ergibt sich daraus keine starre Prüfungsreihenfolge (so der
erste Senat des BSG im Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KN 1/07 KR – BSGE 102, 172 bis 181 -).
Vorliegend steht schon nicht fest, ob in der Zeit vom 2. Oktober bis 21. Oktober 2003 überhaupt eine den Kriterien der
Krankenhausbehandlung entsprechende Versorgung stattgefunden hat. Unzweifelhaft hat zwar eine vollstationäre
Versorgung in einem Akutkrankenhaus stattgefunden. Die Versorgung der Versicherten wegen des Oberarmbruchs
fand bis 1. Oktober 2003 in der chirurgischen Abteilung statt. Die Qualität dieser Behandlung und deren Einordnung
als Krankenhausbehandlung steht außer Frage. Zweifelhaft ist jedoch die Qualifizierung der nachfolgenden
Behandlung in der geriatrischen Abteilung (medizinische Klinik IV).
Dort hat jedenfalls eine (zur Abrechnung als Krankenhausbehandlung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3, Halbsatz 2 SGB V
berechtigende) "geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung" im Sinne des OPS 8–550 (Operationen- und
Prozedurenschlüssel -internationale Klassifikation der Prozeduren in der Medizin–, bis 2004: OPS 301;
herausgegeben vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information –DIMDI-) nicht
stattgefunden. Die dafür erforderlichen Mindestmerkmale sind ausweislich der Krankenakte auch nicht annähernd
erfüllt. Es lässt sich z.B. nicht erkennen, dass eine wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller
Berufsgruppen mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer
Behandlungsziele stattgefunden hätte. Insbesondere jedoch lassen sich nicht die bei mehr als 14-tägiger
Behandlungsdauer erforderlichen mindestens 20 Therapieeinheiten aus zwei der vier Therapiebereiche
Physiotherapie/physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/fazioorale Therapie und
Psychologie/Neuropsychologie feststellen.
Auch eine "fachübergreifende und andere Frührehabilitation" im Sinne des OPS 8-559 hat nicht stattgefunden. Auch
diese hätte neben einem standardisierten Frührebilitationsassessment eine wöchentliche Teambesprechung mit
wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele und den
kontinuierlichen Einsatz von mindestens drei der Therapiebereiche Physiotherapie/Krankengymnastik, physikalische
Therapie, Ergotherapie, Neuropsychologie, Psychotherapie, Logopädie/fazioorale Therapie/Sprachtherapie,
künstlerische Therapie (Kunst- und Musiktherapie) und Dysphagietherapie erfordert.
Auch eine allgemeine (nicht vom OPS beschriebene) Frührehabilitation im Sinne des § 39 SGB V hat entgegen den
missverständlichen Formulierungen des Dr. G. und des Dr. H. nicht stattgefunden.
Ob Frührehabilitation im Sinn des § 39 SGB V deckungsgleich ist mit den OPS-Prozeduren 8-55 bis 8-60 erschließt
sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht. Auch die Gesetzesbegründung und die einschlägigen Kommentierungen geben
keine konkreten Hinweise auf Abgrenzungskriterien zwischen Frührehabilitationen im Sinne des § 39 SGB V und
Rehabilitation im Sinne des § 40 SGB V.
Das Bundessozialgericht hat in seinen Urteilen vom 20. Januar 2005 (B 3 KR 9/03 R, BSGE 94, 139, 142 f) und 10.
April 2008 (B 3 KR 14/07 R, Breithaupt 2009, 395 bis 410) ausgeführt, "dass die Abgrenzung zwischen vollstationärer
Krankenhausbehandlung und stationärer medizinischer Rehabilitation ( ) bisweilen schwierig ist, weil
Rehabilitationseinrichtung und Krankenhaus sich darin decken, dass beide auf die Behandlung von Krankheiten und
die Beseitigung ihrer Folgen beim Betroffenen gerichtet sind. Deshalb kann eine Unterscheidung im Wesentlichen nur
nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden und dem Hauptziel der Behandlung getroffen werden, die
sich auch in der Organisation der Einrichtung widerspiegeln. Anhaltspunkte zur Differenzierung bietet vor allem § 107
SGB V: Danach ist für eine Rehabilitationseinrichtung insbesondere kennzeichnend, dass die Behandlungsziele nach
einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik,
Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie zu verfolgen sind (§ 107 Abs. 2 Nr. 2
SGB V). Dem gegenüber ist ein Krankenhaus mit jederzeit verfügbarem ärztlichem Pflege-, Funktions- und
medizinisch/technischem Personal darauf eingerichtet, die Behandlungsziele vorwiegend durch ärztliche und
pflegerische Hilfeleistungen zu erbringen (§ 107 Abs. 1 Nr. 3 SGB V). Die Zuordnung einer Versorgung entweder zum
Sektor der Krankenhausbehandlung oder zu dem der stationären Rehabilitation hängt deshalb weitgehend von der
Intensität der ärztlichen Tätigkeiten und den verfolgten Behandlungszielen ab. ( ) Wichtige Anhaltspunkte können
dabei die Behandlungsleitlinien der medizinischen Fachgesellschaften geben." (BSG vom 10. April 2008, a. a. O.,
Randnummer 19, Nr. 20).
Solche Behandlungsleitlinien finden sich in dem "Positionspapier zur fachübergreifenden Frührehabilitation" der
gemeinsamen Arbeitsgruppe DRG der Bundesarbeitsgemeinschaft der Akutkrankenhäuser mit Abteilungen für
fachübergreifende Frührehabilitation, des Berufsverbandes der Rehabilitationsärzte und der deutschen Gesellschaft für
physikalische Medizin und Rehabilitation aus dem Jahr 2009. Danach ist Frührehabilitation die frühestmöglich
einsetzende kombinierte akutmedizinische und rehabilitationsmedizinische Behandlung von Krankenhauspatienten
verschiedener medizinischer Fachgebiete mit einer akuten Gesundheitsstörung und relevanter Beeinträchtigung von
Körperfunktionen und –strukturen, Aktivitäten und Antizipation gemäß der ICF (International Classification of
Functioning, Disability and Health). Die Frührehabilitation beschränkt sich auf die Krankheitsphase, in der noch akut
stationärer Handlungsbedarf besteht und ist von der weiterführenden Rehabilitation (zum Beispiel
Anschlussrehabilitation) abzugrenzen. Sie hat das Ziel, die Rehabilitationsfähigkeit der Patienten für weiterführende
Rehabilitationsformen so rasch wie möglich zu bewerten sowie diese zu planen und einzuleiten (aaO., Executive
Summery, Punkt 8 und 4). Die Leistungserbringung erfolgt dabei durch Frührehabilitationsteams, unter anderem auch
Intensivstationen, stroke units und anderen hoch spezialisierten Fachstationen oder auf eigenständigen, Betten
führenden und fachübergreifenden Frührehabilitationsstationen (aaO., Hintergrundpapier, Punkt 5). Das
Frührehabilitationsteam wird insbesondere dann eingesetzt, wenn hoch spezialisierter akutmedizinischer
Behandlungsbedarf besteht und dieser nur auf einer bestimmten Fachstation erbracht werden kann. Eine Verlegung
auf eine Frührehabilitationsstation ist dann indiziert, wenn – bei nach wie vor hohem akut stationärem
Behandlungsbedarf – der Bedarf an gleichzeitiger rehabilitativer Intervention einschließlich der therapeutischen Pflege
hoch ist oder sogar in den Vordergrund tritt.
Frührehabilitation in diesem Sinne setzt demnach immer intensive akutmedizinische Behandlung (neben intensiven
Rehabilitations- und Pflegeleistungen) voraus (so auch LSG Nds.-Bremen, Urteil vom 29.10.2008, L1 KR 130/06).
Eine solche Behandlung hat bei der Versicherten F. nach dem 1. Oktober 2003 ganz offensichtlich nicht
stattgefunden.
Ob die tatsächlich durchgeführte Versorgung aus anderen Gründen (zum Beispiel wegen der Weiterbehandlung der
Bruch- beziehungsweise Operationsfolgen) eine den Kriterien der Krankenhausbehandlung entsprechende Versorgung
war, kann offen bleiben. Eine vollstationäre Krankenhausbehandlung war nämlich medizinisch nach dem 1. Oktober
2003 nicht mehr notwendig.
Akut stationäre Krankenhausbehandlung außerhalb des Frührehabilitationskomplexes war medizinisch nicht
notwendig. Dies ergibt sich bereits aus der Argumentation der Klägerin. Auch die Klägerin beruft sich nur darauf, es
habe eine Frührehabilitation im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V stattgefunden. Das war aber, wie oben
ausgeführt, nicht der Fall. Akutkrankenhausbehandlung wegen des Oberarmbruchs war nach den überzeugenden
Ausführungen des gerichtlichen Gutachters Dr. H. im Gutachten vom 26. Februar 2009 und den gutachterlichen
Aussagen des Dr. G. vom MDKN (Gutachten vom 19. März 2008 und Stellungnahme vom 24. März 2009) nicht mehr
erforderlich. Diese Feststellung wird insbesondere belegt durch die Eintragungen in der Patientenakte des
Krankenhauses. Es haben in der medizinischen Klinik IV keine Behandlungen und Untersuchungen mehr
stattgefunden, die nicht auch ambulant hätten durchgeführt werden können. Zwar war die Versicherte am 1. Oktober
2003 noch mit einem Gilchristverband versorgt. Dieser hat aber einer Entlassung in die häusliche Umgebung
medizinisch nicht entgegen gestanden.
Zwar hätte die alleinstehende, fast 80-jährige Versicherte zu Hause noch fremder Hilfe bedurft. Diese hätte aber durch
einen Pflegedienst (ggf. mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege) sichergestellt werden können.
Möglich wäre auch die Entlassung in eine stationäre Kurzzeitpflege oder in eine Rehabilitationseinrichtung nach § 40
SGB V gewesen. Bei der Verlegung von der Chirurgie auf die medizinische Klinik IV lag bei der Versicherten ein
Barthel-Index von 75 vor. Der Barthel-Index ist ein Maßstab zur Bewertung von alltäglichen Fähigkeiten und dient der
systematischen Erfassung von Selbstständigkeit beziehungsweise Pflegebedürftigkeit. Dabei ist Akutbehandlung und
Frührehabilitation bei einer Punktzahl unter 25 erforderlich. Ab einem Barthel-Index von 30 wird allgemeine
Rehabilitationsfähigkeit angenommen.
Ob die Versorgung der Versicherten im Krankenhaus der Klägerin den Kriterien einer stationären
Rehabilitationsmaßnahme nach § 40 SGB V entsprach, ist unerheblich. Die Klägerin hat nur einen Versorgungsvertrag
als Akutkrankenhaus gemäß § 39 SGB V (§ 109 SGB V). Einen Versorgungsvertrag als Rehabilitationseinrichtung (§
111 SGB V) zur Erbringung von Rehabilitationsleistungen nach § 40 SGB V hat sie nicht abgeschlossen. Folglich
kann sie Rehabilitationsleistungen nicht mit der Beklagten abrechnen.
Der Streitwert ergibt sich aus der geltend gemachten Forderung. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm.
§ 154 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung.
C.