Urteil des SozG Berlin vom 15.03.2017
SozG Berlin: reformatio in peius, sinn und zweck der norm, gebühr, aufwand, vorverfahren, bischof, vorbefassung, vergütung, rechtsschutz, vergleich
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Gericht:
SG Berlin 165.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 165 SF 1563/09 E
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 RVG, § 14 Abs 1 RVG,
Nr 3102 RVG-VV, § 197 SGG
Sozialgerichtliches Verfahren; Rechtsanwaltsvergütung;
einstweiliges Rechtsschutzverfahren; Verfahrensgebühr;
Tätigkeit im Vorverfahren; Synergieeffekte; Billigkeitskriterien;
Besonderheiten; überdurchschnittlicher zeitlicher Umfang;
unterdurchschnittliche Schwierigkeit; überdurchschnittliche
Bedeutung; unterdurchschnittliche Einkommens- und
Vermögensverhältnisse
Leitsatz
Zur Bestimmung der konkreten Gebührenhöhe nach § 14 RVG:
1. Die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren führt unzweifelhaft zu einem
geringeren Einarbeitungsaufwand im Eilverfahren. Dieser ist innerhalb des Gebührenrahmens
der Nr 3102 RVG-VV zu berücksichtigen, wobei die Absenkungsquote auf zwei Drittel der
Mittelgebühr billig erscheint.
2. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Anordnungsverfahren ist als
unterdurchschnittlich anzusehen, wenn keine nennenswerten Rechtsfragen auftraten, der
Bevollmächtigte sich nicht mit Rechtsprechung und Literatur und auch nicht mit einer
Antragserwiderung des Erinnerungsgegners auseinandersetzen musste, der anwaltliche
Vortrag sich vielmehr auf einfache Sachverhaltsfragen zum Verahrensablauf und der geltend
gemachten Notlage der Erinnerungsführer beschränkte.
3. Ein überdurchschnittlicher zeitlicher Umfang anwaltlicher Tätigkeit wird durch die
unterdurchschnittliche Schwierigkeit im Sinne der Kompensationstheorie ausgeglichen (BSG,
Urteil vom 01.07.2009 -B 4 AS 21/09 R-, BSGE 104,30). Ebenfalls ausgeglichen wird die
überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Erinnerungsführer durch deren
unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Tenor
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des
Sozialgerichts vom 16. April 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Erinnerung ist im Ergebnis nicht begründet.
Nach § 3 Abs. 1 RVG entstehen Betragsrahmengebühren in Verfahren vor den Gerichten
der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist. In
sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn
der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes genannten Personen
gehört. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr nach § 14 Abs. 1
RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und
der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der
Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen.
Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung
herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert
richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu
ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn
sie unbillig ist, § 14 Abs. 1 RVG.
Das Gericht überprüft die Festsetzung in vollem Umfang und entscheidet nach eigenem
Ermessen. Zwar ist eine Verböserung (reformatio in peius) nicht zulässig, einzelne
Posten können allerdings in den Grenzen des Gesamtbetrages anders abgegrenzt
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Posten können allerdings in den Grenzen des Gesamtbetrages anders abgegrenzt
werden (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 9. Aufl. 2008, § 197 Rz.
10).
Die von dem Bevollmächtigten der Erinnerungsführer im Kostenfestsetzungsantrag vom
wäre
Auffassung der Kammer gemäß folgender Berechnung zu ersetzen:
Dass der Erinnerungsgegner in seinem Schriftsatz vom 6. März 2009 bei der
Berechnung der von ihm für billig erachteten Gebühren eine Terminsgebühr nach Nr.
3106 VV RVG in Höhe von 200,00 EUR zugrunde gelegt hat, ist dabei unerheblich, denn
jedenfalls konnte er vorliegend wirksam nur einen Betrag der zu erstattenden Kosten
anerkennen, da im Kostenfestsetzungsverfahren Anerkenntnisse hinsichtlich des Anfalls
einzelner Gebührentatbestände nicht abgegeben und folglich auch nicht angenommen
Betrag
erstattenden Kosten fest. Wie sich dieser Betrag nach dem Vergütungsverzeichnis zum
RVG zusammensetzt, ist Teil der Begründung des Kostenfestsetzungsantrages sowie
des Kostenfestsetzungsbeschlusses; die Gebührenbezeichnung nimmt am
Festsetzungstenor nicht teil. Allerdings geht der von dem Erinnerungsgegner anerkannte
Gesamtbetrag von 585,48 EUR über den von der Kammer für billig erachteten
Gesamtbetrag hinaus und war daher der Festsetzung zugrunde zu legen (im übrigen
stünde der Festsetzung des von der Kammer für billig erachteten Gesamtbetrages auch
ein damit verbundener Verstoß gegen das Verböserungsverbot (reformatio in peius)
entgegen).
Zwar ist nach dem Beschluss der 165. Kammer vom 10. Juni 2009 – S 165 SF 601/09 E
(in juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de ) die Verfahrensgebühr – auch bei Tätigkeit des
Anwaltes im Verwaltungs- oder Vorverfahren - nach Nr. 3102 VV RVG anzusetzen und
nicht nach Nr. 3103 VV RVG wie im angegriffenen Beschluss. Diese grundsätzliche
Auffassung der Kammer ändert im vorliegenden Fall allerdings nichts am
diesbezüglichen Ergebnis, nämlich dass der von der Kammer für billig erachtete Betrag
von 170,00 EUR (nach Nr. 1008 VV RVG erhöht um den Faktor 0,6 auf 272,00 EUR wegen
zwei weiterer Auftraggeber) für die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG
festzusetzen ist.
Innerhalb des Gebührenrahmens der Nr. 3102, ist die dortige, nach Nr. 1008 VV RVG auf
400,00 EUR zu erhöhende Mittelgebühr vorliegend nämlich zunächst um 1/3 (auf 266,67
EUR, aufgerundet auf 272,00 EUR) herabzusetzen, da der Bevollmächtigte der
Erinnerungsführer bereits im Widerspruchsverfahren tätig war und der anwaltliche
Aufwand entsprechend dem dadurch entstandenen Synergieeffekt entsprechend
geringer war - und zwar aus den Gründen des genannten Beschlusses vom 10. Juni 2009
– S 165 SF 601/09 E –. Dazu heißt es darin:
„Zur Bestimmung der konkreten Gebührenhöhe nach § 14 RVG gilt nach
Auffassung der Kammer bei der Berücksichtigung von Synergieeffekten grundsätzlich
folgendes:
Eine Tätigkeit des Bevollmächtigten im Vorverfahren führt unzweifelhaft zu einem
geringeren Einarbeitungsaufwand im Eilverfahren. Dieser ist innerhalb des
Gebührenrahmens der Nr. 3102 VV RVG zu berücksichtigen, wobei die Absenkungsquote
auf 2/3 der Mittelgebühr billig erscheint und nach folgender Überlegung zu bilden ist:
Der mit der vorgenommenen Absenkung um 1/3 erfasste Synergieeffekt bei Vor-
bzw. gleichzeitiger Befassung mit einem parallelen Verwaltungs- oder Vorverfahren
betrifft regelmäßig die Erfassung und Darstellung des (insoweit) einheitlichen
Sachverhaltes sowie des geltend gemachten Anspruches und muss daher eine
entsprechenden Verminderung von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
i.S.v. § 14 RVG bewirken, wobei immerhin ein anerkennungsfähiger Spielraum von 2/3 für
die besonderen Gegebenheiten des einstweiligen Rechtsschutzes verbleibt. Eine weitere
Absenkung alleine aus Gründen der Synergie auf unter 2/3 der Mittelgebühr der Nr. 3102
VV RVG erscheint der Kammer dagegen als unbillig, denn eine solche befände sich im
Ergebnis selbst unterhalb der Mittelgebühr der Nr. 3103 VV RVG und würde insoweit zu
einem Wertungswiderspruch führen. Dies rechtfertigt auch generell die vorgenommene
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einem Wertungswiderspruch führen. Dies rechtfertigt auch generell die vorgenommene
Aufrundung von rechnerisch 2/3 der Mittelgebühr (250,00 €) i.H.v. 166,66 € auf 170.00
€.“
Umfang und Schwierigkeit der weiteren, über die Vorbefassung hinausgehenden
anwaltlichen Tätigkeit lagen vorliegend nach Auffassung des Gerichts insgesamt im
Durchschnitt, so dass sich kein weiterer Grund für eine Erhöhung über den von der
Kammer für billig erachteten Betrag von 272,00 EUR bilden lässt bzw. die geltend
gemachte Mittelgebühr nur ohne die gebotene Berücksichtigung der Vorbefassung hätte
gehalten werden können.
Der Anordnungsantrag vom 15. Januar 2009 zum Ursprungsaktenzeichen – S 110 AS
2119/09 ER – ging auf Auszahlung bereits bescheidmäßig bewilligter Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Dazu vertritt die 165. Kammer des SG Berlin nach der Entscheidung vom 23. November
2010 - S 165 SF 941/09 E - grundsätzlich folgende Auffassung:
„Die im Ursprungsverfahren begehrte einstweilige Anordnung richtete sich
ausschließlich auf die (ausstehende) Zahlung aus dem Bewilligungsbescheid vom 25. Juli
2007. Der dazu erforderliche anwaltliche Aufwand stellte nach Umfang und Schwierigkeit
lediglich geringe Anforderungen. In der Antragsschrift musste lediglich der – jeweils kurze
und einfache – Sachverhalt sowie der Anordnungsanspruch und -grund dargestellt
werden, ohne nennenswerte tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten, nämlich bei
unstreitig bestehender Zahlungspflicht des Erinnerungsgegners. Bei insoweit gleichem
Gebührenrahmen des einstweiligen Zahlungsrechtsschutzes wie bei einer Zahlungsklage
in der Hauptsache stellen diese zwar keine Untätigkeitsklagen nach § 88 SGG dar und
sind insoweit mit einer solchen auch nicht „identisch“. Der in Zahlungsklagen
notwendige - regelmäßig relativ geringere – anwaltliche Aufwand ist allerdings
grundsätzlich und auch im hiesigen Ursprungsverfahren mit dem einer Untätigkeitsklage
vergleichbar, da es in beiden Fällen in der Regel „nur“ um die Verwirklichung einer
ausstehenden „Handlung“ des Beklagten, hier: des Antragsgegners, geht, nämlich die
Zahlung der bereits bewilligten Leistung bzw. der Erlass eines (Widerspruchs)Bescheides
als solcher bei entsprechend geringerem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und deren
Schwierigkeit.
Zur Frage des anzuwendenden Gebührenrahmens für die Verfahrensgebühr
sowie deren Höhe bei Untätigkeitsklagen setzen die Kostenkammern des SG Berlin
grundsätzlich (seit den Musterbeschlüssen – S 164 SF 12/09 E - vom 21. Januar 2009
und - S 165 SF 11/09 E - vom 2. Februar 2009, in juris , www.sozialgerichtsbarkeit.de )
den Gebührenrahmen der Nr. 3102 VV RVG an und halten zur Frage der konkreten Höhe
regelmäßig 40% der Mittelgebühren für angemessen, was vorliegend bei analoger
entspräche
Auf dieser Grundlage sind (wie auch sonst) die Besonderheiten des Einzellfalles
zu berücksichtigen, die allerdings vorliegend keine weitere Anhebung der festgesetzten
Verfahrensgebühr begründen können.“
Nach diesen Grundsätzen ist die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit auch im
vorliegenden Anordnungsverfahren als unterdurchschnittlich anzusehen, da keine
nennenswerten Rechtsfragen auftraten, der Bevollmächtigte sich nicht mit
Rechtsprechung und Literatur und auch nicht mit einer Antragserwiderung des
Erinnerungsgegners auseinandersetzen musste und Kostenvortrag nicht erforderlich
wurde, der anwaltliche Vortrag sich vielmehr auf einfache Sachverhaltsfragen zum
Verfahrensablauf und der geltend gemachten Notlage der Erinnerungsführer
beschränkte.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war dagegen abweichend von dem soeben
dargestellten „typischen“ Zahlungsverfahren überdurchschnittlich und zwar aufgrund
des von dem Bevollmächtigten auf S. 4, 5 der Erinnerungsbegründung im einzelnen
aufgelisteten – vom Erinnerungsgegner als solchen nicht bestrittenen – besonderen
zeitlichen Aufwandes im Einzelfall, wobei der überdurchschnittliche Umfang allerdings
durch die unterdurchschnittliche Schwierigkeit im Sinne der Kompensationstheorie (vgl.
BSGE 104, 30, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R -, in juris Tz. 38) ausgeglichen
wird.
Ebenfalls ausgeglichen wird die auch nach Ansicht der Kammer überdurchschnittliche
Bedeutung der Angelegenheit für die Erinnerungsführer durch deren
unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, ein besonderes
anwaltliches Haftungsrisiko war nicht erkennbar und wurde auch nicht geltend gemacht.
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Zu den grundsätzlichen weiteren Ausführungen der Erinnerungsbegründung merkt die
Kammer folgendes an:
Soweit der Erinnerungsführer die Auffassung vertritt, auch im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes sei grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen,
entspricht dies der ständigen Rechtsprechung der Kostenkammern des Sozialgerichts
Berlin, welche keineswegs einen pauschalen Gebührenabschlag für Eilverfahren
vornehmen. In der Entscheidung der 165. Kammer vom 22. Februar 2010 – S 165 SF
949/09 E -, in juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de , wird dazu wie folgt ausgeführt:
„Soweit der Erinnerungsführer geltend macht, der Umfang der anwaltlichen
Tätigkeit in ER-Verfahren sei im Allgemeinen deutlich geringer als in Klageverfahren
vertritt die Kammer folgende Auffassung:
Der Erinnerungsführer verkennt, dass in Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz
vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, grundsätzlich ein
Abschlag auf die Verfahrensgebühr um ein Drittel/um die Hälfte oder um zwei Drittel (
hier: um 20%) nicht der gesetzgeberischen Intention des § 14 Abs. 1 RVG entspricht,
denn bei Betragsrahmengebühren stehen nach § 14 RVG andere Möglichkeiten für die
Korrektur unbilliger Gebührenbestimmungen bzw. zur Würdigung des Charakters eines
Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz zur Verfügung. Sollte der Erinnerungsführer
auf die gerichtliche Praxis bei der Festsetzung des Streitwerts der
Regelungsanordnungen nach § 86b SGG (vgl. Streitwertkatalog für die
Sozialgerichtsbarkeit 2009, B 7.1 – NZS 2009, 427) abstellen wollen, wird darauf
hingewiesen, dass dies einen Fall des § 197a SGG voraussetzt; diese Vorschrift ist aber
gerade nicht einschlägig. Eine analoge oder entsprechende Anwendung dieser Praxis ist
hier nicht denkbar (Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 06.03.2008 - L 6 B
198/07 SF).
Die Bestimmung der Gebühr durch die Klägerbevollmächtigte ist nicht unbillig im
Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. Das durch den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz
eingeleitete Verfahren löst unabhängig vom Verfahren der Hauptsache eigenständig
einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch aus (BSG vom 06.09.1993 - 6 RKA 25/91
-). Das Sozialgericht Hildesheim hat am 15.11.2005 - S 12 SF 49/05 - ausgeführt, dass
sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine
individuelle Einzelfallbetrachtung der gebührenrechtlichen Bestimmungsmerkmale
vorzunehmen sei. Während dies im Hauptsacheverfahren in der ganz überwiegenden
Zahl der Fälle zu der Festsetzung der Mittelgebühr führe, fielen im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren oftmals niedrigere Gebühren als im Hauptsacheverfahren an. Ein
Gebührenansatz oberhalb der Drittelgebühr sei in der Regel unbillig.
Das LSG Mainz vertrat am 11.11.2004 - L 5 ER 75/04 KA - die Auffassung, dass
im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel ein niedrigerer Streitwert
festzusetzen sei als im Hauptsacheverfahren, da es dabei nur um eine vorläufige
Regelung gehe. Grundsätzlich sei 1/4 des Streitwerts des Hauptsacheverfahrens
angemessen.
Dieser Rechtsprechung folgt die Kammer nicht. Bei durchschnittlichem Umfang
der Tätigkeit und durchschnittlicher Schwierigkeit ist auch im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes der Ansatz der Mittelgebühr nicht unbillig. Denn der Rechtsanwalt ist
berechtigt, den vom Gesetzgeber vorgesehenen Gebührenrahmen entsprechend den
Kriterien des § 14 RVG auszufüllen und die für den konkreten Einzelfall angemessene
Gebühr zu bestimmen. Der Gesetzgeber geht in allen erstinstanzlichen Verfahren vor
den Sozialgerichten von der Anwendbarkeit des Gebührenrahmens der Nr. 3102 VV RVG
bzw. Nr. 3103 VV RVG aus. Der Gesetzgeber unterscheidet nicht zwischen
Hauptsacheverfahren und Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz.
Dass bei der Festsetzung der Gebühr nicht zwischen Hauptsacheverfahren und
Antragsverfahren zu unterscheiden ist, hat auch das Bayerische Landessozialgericht in
seiner Entscheidung vom 18.01.2007 - L 15 B 224/06 AS Ko - ausgeführt. Wenn
ausschließlich die Einleitung eines Antragsverfahrens erforderlich geworden ist, ohne
dass es zu einem (parallelen) Widerspruchs- oder gar Hauptverfahren gekommen ist,
dann fällt nur die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG an, wobei ein Ansatz der
Mittelgebühr von 250,00 Euro nicht unbillig im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ist (SG
Würzburg vom 29. Mai 2007 - S 9 AS 460/06.ER.Ko -).
Indes rechtfertigt dabei allein der Umstand, dass ein Verfahren gemäß § 86b
Abs. 2 SGG betrieben worden ist, für sich genommen keine Kürzung der Gebühren. Denn
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Abs. 2 SGG betrieben worden ist, für sich genommen keine Kürzung der Gebühren. Denn
der regelmäßig kürzeren Verfahrensdauer einerseits stehen die gedrängtere
Bearbeitung, die Eilbedürftigkeit sowie die Dringlichkeit andererseits gegenüber (SG
Lüneburg, Beschluss vom 14.08.2009 - S 12 SF 94/09 E).“
Im Einklang mit dem weiteren Vortrag gehen die Berliner Kostenkammern auch nicht
„pauschal“ davon aus, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht die
Höchstgebühr anfallen kann, denn es kommt - wie immer - auf die jeweiligen
Besonderheiten des Einzelfalles nach den Billigkeitskriterien des § 14 RVG an.
Soweit der Bevollmächtigte auf Seite 6 der Erinnerungsbegründung Beispiele für
überdurchschnittlich schwierige Tätigkeiten auflistet, stellt die Kammer diese als solche -
mit Ausnahme des „Spezialgebiets des Anwalts“ (dazu sogleich) - ebenfalls
grundsätzlich nicht in Abrede, wobei diese allerdings nicht fallbezogen sind, mit
Ausnahme des Punktes „Vertretung mehrerer Auftraggeber“. Dem damit verbundenen
erhöhten Aufwand ist allerdings abschließend durch den eigenständigen
„Erhöhungstatbestand“ der Nr. 1008 RVVVG Rechnung getragen und würde bei einer
Berücksichtigung im Rahmen der Verfahrensgebühr als solcher zu einer unzulässigen
Doppelberücksichtigung führen. Soweit der Punkt „Spezialgebiet des Anwalts“ auf Seite
6 und 8 der Erinnerungsbegründung weiter ausgeführt wird, gilt nach den Gründen des
Urteils des BSG vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R -, BSGE 104, 30, juris Tz. 32, 35,
folgendes:
„Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist vorliegend durchschnittlich. Die
vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die
Intensität der Arbeit (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, RdNr 16). Ausgehend
von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der
Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den
einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von
Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Dies beinhaltet aber auch, dass
hierfür spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten in eingeschränktem Umfang erforderlich
sein können (BVerwG, Urteil vom 17.8.2005 - 6 C 13/04 = juris RdNr 28). Damit ist auf
der einen Seite unerheblich, ob der Rechtsanwalt wegen geringer Berufserfahrung
Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Aufgabe hat. Andererseits spielt es keine Rolle,
dass der Anwalt zB auf Grund vertiefter Fachkenntnisse oder Erfahrung das Mandat
leichter als andere Rechtsanwälte bewältigen kann (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG,
18. Aufl 2008, RdNr 16).
Hinsichtlich der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich, über-
oder unterdurchschnittlich ist, hält es der Senat hingegen nicht für angebracht, nach
einzelnen Rechtsgebieten zu differenzieren (aA Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl
2008, RdNr 16; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 26 ff). Ohne Aussagekraft
ist daher auch, ob hierfür ein Fachanwaltstitel erworben werden kann (aA Jungbauer in
Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 31). Von einer nur durchschnittlich schwierigen
anwaltlichen Tätigkeit ist dann nicht mehr auszugehen, wenn der zu bearbeitende Fall
unter Berücksichtigung des aufgezeigten Maßstabs von einem Normal- bzw Routinefall
abweicht; und zwar bezogen auf jedes Rechtsgebiet (zB Sozialrecht), nicht aber jedes
Teilrechtsgebiet (zB Sozialhilferecht). Damit ist gewährleistet, dass in Rechtsgebieten,
die gemeinhin nur deshalb als schwierig empfunden werden, weil kein Fall dem anderen
gleicht, überwiegend eine überdurchschnittliche Schwierigkeit angenommen werden
kann. Der Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts ist danach etwa die Darlegung
eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der
einschlägigen Rechtsvorschriften, aber ohne umfangreichere Beweiswürdigung und
eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur. In einer
Anfechtungssituation wäre dies die vergleichbare Begründung, warum die
Voraussetzungen der Rechtsgrundlage, auf die sich der Leistungsträger stützt, nicht
vorliegen. Dass eine Teilrechtsmaterie einer sehr dynamischen Entwicklung unterliegt,
besagt dann für sich aber noch nicht, dass die rechtliche Schwierigkeit
überdurchschnittlich ist (aA OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.8.2008
- 1 Verg 1/08 = juris RdNr 5). Auch das Tätigwerden in einem "neuen Teilrechtsgebiet",
mithin die Anwendung von Normen kurz nach ihrem Inkrafttreten, genügt für sich allein
nicht, eine mehr als durchschnittliche rechtliche Schwierigkeit anzunehmen.“
Soweit im Rahmen des Erinnerungsvortrages zum Ausdruck gebracht werden soll, dass
nach der - inzwischen gefestigten - Rechtsprechung der Kostenkammern des SG Berlin
bei Vorbefassung des Rechtsanwaltes im Verwaltungs- bzw. Vorverfahren dort zu
verzeichnende Synergieeffekte unzulässigerweise die durchschnittlichen Gebühren
senken, wurde die Möglichkeit und Notwendigkeit der Berücksichtigung von faktischen
Synergieeffekten im Rahmen der Prüfung des Umfangs und der Schwierigkeit der
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Synergieeffekten im Rahmen der Prüfung des Umfangs und der Schwierigkeit der
anwaltlichen Tätigkeit nach § 14 RVG innerhalb des Gebührenrahmens der Nr. 3102 VV
RVG nach den Regeln der juristischen Methodenlehre im Beschluss der 165. Kammer
vom 10. Juni 2009 – S 165 SF 601/09 E – (in juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de )
ausführlich begründet. Soweit die Erinnerungsführer den Umfang und die Schwierigkeit
der Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten bei einer einstweiligen Anordnung
„regelmäßig“ als außergewöhnlich hoch ansehen, könnte man daran denken, dass hier
genau die „pauschalierte“ Betrachtungsweise eingeführt wird, welche der
Bevollmächtigte (und – noch bzw. wiederholt - vereinzelt andere Erinnerungsführer in
vergleichbaren Erinnerungsverfahren) dem Gericht an anderer Stelle vorwirft. Allerdings
geht die Kammer davon aus, dass der Bevollmächtigte hier - ebenso wie das Gericht
etwa bei „durchschnittlichen“ Untätigkeitsklagen, aber eben auch bei einer in ER-
Verfahren u.U. erfolgten Vorbefassung des Anwaltes im Verwaltungs- und/oder
Vorverfahren „regelmäßig“ – nicht(!): pauschal - auftretenden Synergieeffekten -
ebenfalls keiner „pauschalen“ Betrachtungsweise folgt, sondern grundsätzliche
Überlegungen zu typisierungsfähigen und oftmals, d.h. eben „regelmäßig“ auftretenden
Fall- bzw. Verfahrenskonstellationen anstellt.
Inwieweit durch die erfolgreiche Durchführung eines einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens (u.U. durch Vorwegnahme) ein Hauptsacheverfahren vermieden
werden kann, hat auf die Beurteilung des ER-Verfahrens grundsätzlich keinen Einfluss,
d.h. ein „hypothetischer“ Umfang eines durch das ER-Verfahren vermiedenen
Hauptsacheverfahrens als solcher kann beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im ER-
Verfahren zwar nicht gebührenerhöhend zu berücksichtigen sein, allerdings - nach den
allgemeinen Regeln des § 14 RVG - ein dem Umfang (und auch der Bedeutung) eines
Hauptsacheverfahrens vergleichbarer, faktisch im Einzelfall erhöhter Umfang im ER-
Verfahren, ebenso wie umgekehrt – und entgegen dem Vortrag der Erinnerungsführer -
eine Tätigkeit in einem parallel laufenden Hauptsacheverfahren aus faktischen Gründen
der Mitbefassung gebührenmindernd sein kann, vgl. zu letzterem SG Berlin vom 11.
November 2010 - S 127 SF 1266/09 E -:
„Zu Recht hat der Urkundsbeamte in dem angegriffenen Beschluss die sich aus
der Vorbefassung des Erinnerungsführers mit der Sache im bereits anhängigen
Hauptsacheverfahren ergebenden Synergieeffekte berücksichtigt. Durch die Kenntnis
und Prüfung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren werden sowohl Umfang
als auch Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gegenüber einem durchschnittlichen
vorläufigen Rechtsschutzverfahren deutlich herabgesetzt. Das zeigt sich vorliegend
bereits daran, dass der Erinnerungsführer im Rahmen der Antragsschrift weitgehend auf
das Vorbringen im Hauptsacheverfahren verwiesen hat. Lediglich zum Anordnungsgrund
mussten noch kurze Ausführungen gemacht werden. Im Übrigen brauchte der
Erinnerungsführer weder Akteneinsicht zu nehmen noch zu neuem Vorbringen des
Antragsgegners Stellung beziehen, weil das SG unverzüglich entschieden hat. Die
Angelegenheit hatte zwar überdurchschnittliche Bedeutung, dies wird durch die –
bezogen auf den Einkommensdurchschnitt der Gesamtbevölkerung –
unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten des
Erinnerungsführers aber ausgeglichen (Kompensationstheorie, vgl. BSGE 104, 30). Die
Dauer des Verfahrens als solche spielt für die Bewertung der Angelegenheit nach den
Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG keine Rolle (BSG a.a.O).“
Zu den von den Erinnerungsführern aufgeworfenen Argumenten zur Berücksichtigung
der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist zunächst deren Annahme, würde man
im Sozialrecht und insbesondere in Fällen, in denen es um die Grundsicherung gehe, die
Einkommensverhältnisse der Antragsteller oder Kläger gebührenmindernd
immer
Grundsicherungsleistungen erhalte, der eben kein Geld habe, so nicht zutreffend.
Vielmehr ist auch in Angelegenheiten der Grundsicherung einschließlich von
Anordnungsverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes selbst die Höchstgebühr (wie in
jedem sozialrechtlichen Verfahren) auch bei unterdurchschnittlichen Einkommens- und
Vermögensverhältnissen gesetzlich vorgesehen, und daher denkbar und möglich. Denn
diese kann nämlich nicht nur dann anfallen, wenn sämtliche Umstände
überdurchschnittlich sind (vgl. Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz,
Kommentar, 19. Aufl. 2010, § 14 Rz. 13, § 3 Rz.25). In der Regel wird die Annahme der
Höchstgebühr allerdings erfordern, dass mehrere Umstände überdurchschnittlich sind
bzw. dass die Höchstgebühr nur bei einer komplexen Zuordnung aller Kostenkriterien
des § 14 RVG im konkreten Fall in Betracht kommen dürfte (LSG Sachsen-Anhalt vom 1.
August 2006 - L 2 B 89/06 SF -), d.h. auch bei unterdurchschnittlichen Einkommens- und
Vermögensverhältnissen kann die Höchstgebühr aufgrund der im übrigen
überdurchschnittlichen Umstände des Einzelfalles durchaus in Betracht kommen (und
wird von den Kostenkammern des SG Berlin auch vergeben, so zuletzt in - S 165 SF
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wird von den Kostenkammern des SG Berlin auch vergeben, so zuletzt in - S 165 SF
3706/10 E - vom 9. März 2011, - S 164 SF 1784/09 E – vom 23. Februar 2011, allerdings
in, mit dem vorliegenden Fall nicht ansatzweise vergleichbaren Billigkeitsumständen).
Dass sich unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse (zunächst)
an sich gebührenmindernd wirken können (vorbehaltlich der Prüfung der weiteren
Kriterien), nämlich ebenso wie jedes andere unterdurchschnittliche Billigkeitskriterium,
ergibt sich dabei aber bereits aus den allgemeinen Regeln, jedenfalls aus der
Gleichwertigkeit der einzelnen Billigkeitskriterien (vgl. BSG a.a.O., Tz. 20, 21).
Nicht stichhaltig ist auch der Vortrag, die Berücksichtigung der Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Mandanten kämen nur im Verhältnis Anwalt - Mandant zum
Tragen, sie könnten bei der Erstattung der Gebühren durch einen Dritten jedenfalls dann
keine Rolle spielen, wenn die Abrechnung nach Rahmengebühren und nicht nach
Streitwert erfolge, ferner könnten sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des
Mandanten bei der Erstattungspflichtigkeit Dritter nicht Gebühren reduzierend zu
Gunsten des Dritten auswirken. Würde man im sozialrechtlichen Verfahren, in denen ein
Dritter zur Erstattung der Gebühren verpflichtet sei, die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Mandanten bzw. Klägers berücksichtigen müssen, so führe
dies unweigerlich dazu, dass der Prozessbevollmächtigte regelmäßig nicht einmal die
Mittelgebühr verlangen könne, da es in sozialrechtlichen Angelegenheiten regelmäßig so
sei - und insbesondere in Verfahren gegen den hiesigen Erinnerungsführer-, dass der
Mandant bedürftig sei. Denn dieser Vortrag ist weder mit dem Wortlaut und dem
Gesetzeszweck der §§ 193 Abs. 2, 197 Abs. 1 SGG, §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 RVG in
Einklang zu bringen noch mit der entgegenstehenden Rechtsprechung des BSG (a.a.O.,
Tz. 20, 21):
„Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind objektive Kriterien. Zu
diesen treten die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie dessen
Einkommens- und Vermögensverhältnisse als subjektive Kriterien hinzu. Darüber hinaus
ist nach § 14 Abs 1 Satz 3 RVG bei Verfahren, auf die Betragsrahmengebühren
anzuwenden sind, ein besonderes Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Diese Norm
ergänzt für die Betragsrahmengebühren die allgemeine Regelung in § 14 Abs 1 Satz 1
RVG (Otto NJW 2006, 1472). Nach Systematik und Struktur ist das "besondere
Haftungsrisiko" deshalb lediglich ein weiteres Kriterium für die Bemessung der
Betragsrahmengebühren. Es begründet keinen eigenen Gebührentatbestand (BSG,
Urteil vom 27.1.2009 - B 7/7a AL 20/07 R = juris RdNr 13 f) .
Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs 1 Satz 1 RVG ist nach dem
Wortlaut der Vorschrift ("vor allem") nicht abschließend, sodass weitere, unbenannte
Kriterien mit einbezogen werden können (Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl 2008, § 14
RdNr 2). Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig
nebeneinander, auch wenn der Gesetzgeber seine früher in § 12 Abs 1 Satz 1 BRAGO
getroffene Wortwahl ("insbesondere") geändert und das Kriterium "Bedeutung der
Angelegenheit" in der Aufzählung von der ersten an die dritte Stelle gesetzt hat (im
Ergebnis wohl auch BGH, Urteil vom 31.10.2006 - VI ZR 261/05 = NJW-RR 2007, 420,
421; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, § 14 RdNr 2; Mayer in Gerold/Schmidt, aaO,
§ 14 RdNr 10; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl 2008, RdNr 2; Winkler in Mayer/Kroiß,
RVG, 2004, § 14 RdNr 15; aA Otto, NJW 2006, 1472 f).“
Soweit der Bevollmächtigte der Erinnerungsführer sein Ermessen nach § 14 RVG
dahingehend ausübt, die Einkommens und Vermögensverhältnisse „nicht
gebührenreduzierend berücksichtigen zu wollen“, ist diese Ermessensausübung unbillig.
Zur - auch bei geringen wirtschaftlichen Verhältnissen - notwendigen Berücksichtigung
von Einkommen und Vermögen, und deren Verhältnis zur Bedeutung der Angelegenheit
hat das BSG (a.a.O., Tz. 38) grundsätzlich ausgeführt:
„Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers sind weit
unterdurchschnittlich. Es kann dahingestellt bleiben, ob für die Bestimmung dieser
wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Erteilung des Mandats oder einen späteren
Zeitpunkt abzustellen ist (vgl hierzu Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, RdNr
18; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 48) . Unerheblich ist weiter, ob der
heranzuziehende Vergleichsparameter das Durchschnittseinkommen und -vermögen
der Gesamtbevölkerung ist, oder ob hiervon deshalb noch ein Abschlag vorzunehmen
ist, weil das Durchschnittseinkommen die Personenkreise vernachlässigt, die kein
eigenes Einkommen haben (so Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, RdNr 18,
der daher den Durchschnitt bei 1 500 Euro ansetzt) . Denn dem vermögenslosen Kläger
selbst stand nach dem Änderungsbescheid vom 5.8.2005 jedenfalls kein höheres
Einkommen als 420,16 Euro zu (Februar 2005: Regelleistung in Höhe von 264,90 Euro,
KdU in Höhe von 153,26 Euro, Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 2 Euro). Seine
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KdU in Höhe von 153,26 Euro, Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 2 Euro). Seine
Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind damit in jedem Fall weit
unterdurchschnittlich. Dieser Umstand würde es allein zwar rechtfertigen, eine
Herabbemessung der Mittelgebühr vorzunehmen (Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl
2008, RdNr 18; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 45; aA LSG Nordrhein-
Westfalen, Urteil vom 23.4.2007 - L 19 AS 54/06 = NJW-RR 2008, 87, 88, anhängig BSG,
Az: B 14 AS 1/08 R). Denn die Kriterien nach § 14 Abs 1 Satz 1 RVG stehen selbstständig
und gleichwertig nebeneinander. Entgegen der Auffassung des Klägers ist hierin jedoch
keine "unzulässige Doppelberücksichtigung" zu sehen, zumal der Wortlaut des § 14 Abs
1 Satz 1 RVG die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ausdrücklich als
Bemessungskriterium aufführt. Im Übrigen ist der in § 183 Satz 1 SGG genannte
Personenkreis, der unter den Gebührenrahmen von Nr 2500 VV RVG aF fällt, hinsichtlich
der Einkommens- und Vermögensverhältnisse heterogen, sodass dieses Merkmal
durchaus einer differenzierten Betrachtung zugänglich ist. In den allermeisten Fällen
werden jedoch, wie hier, schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit einer
überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit einhergehen, sodass eine
Kompensation dieser Kriterien eintritt (vgl hierzu OLG Thüringen, Beschluss vom
2.2.2005 - 9 Verg 6/04 = JurBüro 2005, 303, 305 f; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl
2007, RdNr 72 mwN).“
Der weitere Vortrag, bei einer Ersatzpflicht eines Dritten müssten die die Einkommens-
und Vermögensverhältnisse des Dritten entscheidend sein, wobei sich der
Sozialversicherungsträger nicht auf Vermögenslosigkeit berufen könne, geht fehl, denn
die wirtschaftlichen Verhältnisse eines erstattungspflichtigen Dritten sind nicht zu
berücksichtigen (Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 19. Aufl.
2010, § 14 Rz. 18 m.w.N.).
Zu den von den Erinnerungsführern zitierten Entscheidungen des LSG Nordrhein-
Westfalen vom 23. April 2007 – L 19 AS 54/06 – und des Sächsischen LSG vom 7.
Februar 2008 – L 6 B 33/08 AS-KO - ist folgendes anzumerken:
Nach § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete
Rechtsanwalt seine gesetzliche Vergütung, die er sonst vom Mandanten verlangen
könnte, aus der Staatskasse, soweit im 8. Abschnitt des RVG (§§ 44 - 59) nichts anderes
bestimmt ist. Er kann dabei nach § 48 Abs. 1 RVG sämtliche Gebühren und Auslagen
beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab dem Wirksamwerden seiner Beiordnung
ergeben. Die von ihm danach aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird auf
Antrag des Rechtsanwalts grundsätzlich (vgl. aber § 55 Abs. 2 RVG) vom
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges festgesetzt
(§ 55 Abs. 1 Satz 1 RVG). Aus der Ausgestaltung des Festsetzungsverfahrens als
antragsabhängiges Parteiverfahren folgt, dass eine über den vom Rechtsanwalt
gestellten Antrag hinausgehende Festsetzung nicht zulässig ist, § 308 ZPO analog
(Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 19. Aufl. 2010, § 55 Rz.
23). Dazu bestimmt gemäß § 3 Abs. 1 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG der
Rechtsanwalt bei Rahmengebühren eine Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung
aller Umstände, vor allen Dingen des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen.
Die Geltendmachung des Vergütungsfestsetzungsanspruches der Höhe nach setzt
danach zwingend voraus, dass der Rechtsanwalt von seinem Bestimmungsrecht nach §
14 Abs. 1 Satz 1 RVG Gebrauch gemacht hat. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG gilt auch im
Rahmen der Prozesskostenhilfe, da Vergütungsschuldner hier die Staatskasse ist
(Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Handkommentar, 3. Aufl. 2008, § 14 Rz.
9). Zwar ist § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG im Rahmen der PKH-Vergütung nicht anwendbar, weil
die Staatskasse nicht „Dritter“, sondern Vergütungsschuldner ist. Dennoch findet zu
ihren Gunsten eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB statt, die der
Urkundsbeamte vornehmen muss. Entspricht die Bestimmung der Rahmengebühr durch
den Rechtsanwalt nicht der Billigkeit, so ist sie entsprechend niedriger festzusetzen. §
315 Abs. 3 Satz 2 BGB sieht zwar eine Bestimmung durch „Urteil“ vor. Da es indessen
für die Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse kein Urteilsverfahren gibt, ist
der Festsetzungsbeschluss der gegebene Ort für diese Entscheidung (Gerold/Schmidt,
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 19. Aufl. 2010, § 55 Rz. 29). Bei den hier
einschlägigen Rahmengebühren ergibt sich der zu berechnende Betrag nicht aus dem
Gesetz selbst, sondern der Rechtsanwalt muss innerhalb des im Gesetz festgelegten
Gebührenrahmens die Gebühr, die er letztlich für billig hält und berechnen will, unter
Berücksichtigung der Vorgaben des § 14 RVG selbst bestimmen. Die Bestimmung der
Leistung durch den Rechtsanwalt ist rechtsgestaltender Natur, ihre Angabe somit
Ausübung des Gestaltungsrechts. Das Gestaltungsrecht ist durch seine Ausübung
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Ausübung des Gestaltungsrechts. Das Gestaltungsrecht ist durch seine Ausübung
verbraucht. Ausübung ist gem. § 315 Abs. 2 BGB die Mitteilung der Bestimmung
gegenüber dem anderen Teil, hier die Erteilung der Abrechnung gegenüber der
Landeskasse.
Der weitere, grundlegende Vortrag des Bevollmächtigten der Erinnerungsführer zur
Frage des Anfalls und der Höhe (fiktiven) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV Ziff. 3 RVG
erfolgte –soweit gerichtsbekannt – inhaltsgleich in zwei Verfahren der 127. Kammer des
Sozialgerichts Berlin, welche sich in den Entscheidungen vom 21. September 2010 – S
127 SF 1480/09 E – und vom 15. November 2010 – S 127 SF 1410/09 E - dazu
umfassend wie folgt geäußert hat:
„Soweit die Erinnerung für das Entstehen der Terminsgebühr im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren nach angenommenem Anerkenntnis den Wortlaut der Anm. Nr. 3
zu Nr. 3106 VV RVG anführt, ist darauf hinzuweisen, dass sich die 165. Kammer in dem
angeführten Beschluss mit dieser Problematik auseinandergesetzt hat. Die
Erinnerungsführerin wird nicht bestreiten wollen, dass der Wortlaut der hier vertretenen
Auffassung jedenfalls nicht entgegensteht. Er spricht sogar dafür: Denn die Anm. Nr. 3
zu Nr. 3106 VV RVG wird mit den Worten „das Verfahren“ eingeleitet, nimmt über den
bestimmten Artikel also Bezug auf ein bestimmtes Verfahren, während in Anm. Nr. 1
von „einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist“ die Rede ist.
Über das Bindewort „oder“ am Ende der Anm. Nr. 2 wird die sprachliche Verbindung zu
Anm. Nr. 1 und 2 hergestellt und damit klargestellt, dass mit dem bestimmten
Verfahren der Anm. Nr. 3 das in Nr. 1 genannte „Verfahren, in dem mündliche
Verhandlung vorgeschrieben ist“, gemeint ist. Durch die Verwendung des bestimmten
Artikels wird vermieden, die Verfahren, für die die fiktive Terminsgebühr entstehen soll,
erneut und wiederholend zu definieren. Hätte der Gesetzgeber in Anm. Nr. 3 auch
andere als von der Anm. Nr. 1 umfasste Verfahren aufnehmen wollen, so hätte er auch
hier den unbestimmten Artikel („ein Verfahren“) verwenden müssen.
Daher verfangen auch die Ausführungen der Erinnerungsführerin zur
systematischen Auslegung nicht, die darauf abstellen, dass der Gesetzgeber in Anm. Nr.
3 zu Nr. 3106 VV RVG keine Einschränkung wie in Anm. Nr. 1 gemacht hätte. Das
Gegenteil ist jedoch der Fall.
Die Ausführungen zu Sinn und Zweck der Norm überzeugen ebenfalls nicht. Sinn
und Zweck ist es, dem Gericht den Aufwand zu ersparen, der mit der Durchführung
eines Termins verbunden ist, nicht aber, die unstreitige Verfahrensbeendigung zu
fördern, was für die von der Kammer vertretene Lösung spricht. Denn wenn eine
mündliche Verhandlung – wie im Fall des vorläufigen Rechtsschutzes – nicht obligatorisch
bzw. für den Regelfall vorgeschrieben ist, so wird durch die Annahme des
Anerkenntnisses dem Gericht nicht der Aufwand für die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung, sondern für die Absetzung einer Entscheidung erspart.
Für die unstreitige Verfahrensbeendigung nach Abgabe eines Anerkenntnisses
durch den Gegner und damit zur Vermeidung einer Entscheidung durch das Gericht
bedarf es jedoch keinerlei weiterer Anreize und Motivation für den Rechtsanwalt. Dieser
wird die prozessbeendenden Erklärung aus folgender Überlegung abgeben: Gibt der
Antragsgegner im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens ein Anerkenntnis ab, so
entfallen in diesem Moment die Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen
Anordnung, namentlich das Eilbedürfnis oder das Rechtsschutzbedürfnis. Sollte die
Annahme des Anerkenntnisses nicht erfolgen, bedürfte es nicht einer mündlichen
Verhandlung, sondern das Verfahren würde regelmäßig durch für den Antragsteller
nunmehr negativen Beschluss enden. Ein negativer Beschluss hätte aber regelmäßig
auch eine negative Kostengrundentscheidung zur Folge, so dass außergerichtliche
Kosten nicht erstattungsfähig wären. Kurz ausgedrückt: Würde das Anerkenntnis im ER-
Verfahren nicht angenommen, bräuchte die anerkennende Behörde regelmäßig keine
Kosten zu erstatten. Dies dürfte für den Anwalt Motivation genug sein, das Anerkenntnis
auch ohne weitere „Belohnung“ mit einer fiktiven Terminsgebühr anzunehmen und auf
die unstreitige Verfahrensbeendigung hinzuwirken. Der damit verbundene Aufwand wird
durch die Verfahrensgebühr hinreichend abgedeckt.
Soweit die Erinnerung bezogen auf die zitierten Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts -4 KSt 1007.07 (4 A 1070.06)- und des Bundesgerichtshofs -
V ZB 110/06- einwendet, das BVerwG habe gar nicht über den Fall der Gebühr nach Nr.
3104 Ziff. 3 oder 3106 Ziff. 3 VV RVG und der BGH über das Entstehen der
Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 zu Teil III VV RVG entschieden, trifft dies zwar zu.
Sie übersieht jedoch, dass der allgemeine und vom speziellen Rechtsgebiet
unabhängige Rechtsgedanke der Entscheidungen, wonach in Verfahren, in denen eine
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unabhängige Rechtsgedanke der Entscheidungen, wonach in Verfahren, in denen eine
mündliche Verhandlung von der Verfahrensordnung nicht als Regelfall vorgesehen ist,
eine fiktive Terminsgebühr nicht anfallen kann, auf die vorliegende Konstellation sehr
wohl übertragbar ist und von der Kammer übertragen wird. Die Erinnerung bestreitet
nicht, dass nach dem SGG für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b
SGG eine mündliche Verhandlung regelmäßig nicht vorgesehen ist.
Soweit gegen den Beschluss des BGH auf die Argumentation von Mayer
verwiesen wird, ist dieser Argumentation entgegenzuhalten, dass sie nicht zutrifft.
Entscheidend ist, dass auch die Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG immer in Verbindung
mit den einzelnen (Termins-) Gebührentatbeständen des Teils 3 des VV RVG zu lesen ist
und keinen selbstständigen Gebührentatbestand darstellt (vgl. Müller-Rabe, in
Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., VV Vorb. 3 Rn. 94 m.w.N.). Die entgegenstehende
Auffassung (Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 95 ff., ebenso der von der Erinnerungsführerin
zitierte Mayer) beruft sich im Rahmen eines Vergleich des Wortlauts der Vorbemerkung
3 Abs. 3, 3. Alt. VV RVG mit (beispielsweise) der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG darauf,
dass die Vorbemerkung 3 Abs. 3, 3. Alt VV RVG eine Beschränkung auf bestimmte
Verfahren nicht kenne, übersieht aber dabei, dass die Rechtsprechung des BGH gerade
darauf abstellt, dass die Vorbemerkung 3 und die Gebührentatbestände nur einheitlich
betrachtet werden können. Im Übrigen führen die Kritiker der Rechtsprechung vor allem
die Aussage der Gesetzesbegründung an, nach der der Anwalt nach seiner Bestellung
zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer
möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des
Verfahrens motiviert werden soll. Dabei wird allerdings außer Betracht gelassen, dass
der Gesetzgeber ausweislich der weiteren Gesetzesbegründung dabei Fälle im Blick
hatte, in denen ein ausgehandelter Vergleich nach „Erörterung der Sach- und
Rechtslage“ protokolliert wird und damit nach der BRAGO zum Entstehen der
Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr führte. Daraus ist abzuleiten, dass eine in Teil 3
VV RVG genannte Terminsgebühr i.V.m. Vorbemerkung 3 Abs. 3, 3. Alt. VV RVG vor
allem dann entstehen soll, wenn dadurch ein gerichtlicher Termin vermieden werden
kann. Dieser Erfolg kann hier schon deshalb nicht erreicht werden, weil ein gerichtlicher
Termin im sozialgerichtlichen ER-Verfahren regelmäßig nicht durchgeführt wird (ebenso
OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27. März 2009, -OVG 1 K 116.08-, juris, Rn. 2, zum
Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO).
Die Kammer verwahrt sich gegen den Vorwurf, die Auslegung diene dazu, den im
Sozialrecht tätigen Anwälten die Ausdehnung des Honorars vorzuenthalten. Zu diesen –
von der Erinnerung selbst als polemisch erachteten – Ausführungen bedarf es keiner
juristischen Stellungnahme und Argumentation. Anzumerken ist lediglich, dass der
Bevollmächtigte der Erinnerungsführerin meint, seine Mischkalkulation nicht mehr
durchführen zu können, diese Kalkulation aber nicht offenlegt und seine Ausführungen
damit weder anschaulich noch nachvollziehbar macht.Soweit indirekt dargelegt wird,
dass die anwaltliche Tätigkeit im Sozialrecht nicht mehr kostendeckend bzw.
auskömmlich sei (Geld zur Bezahlung der Raummiete müsse durch Bearbeitung von
Fällen in anderen Rechtsgebieten verdient werden), so ist dies für die Kammer nicht
nachvollziehbar. Eine allgemeine wirtschaftliche Gefährdung der anwaltlichen
Berufsausübung wird ebenso wenig dargelegt wie eine konkrete Bedrohung des
Bestands der für die Erinnerungsführerin tätigen Rechtsanwaltskanzlei sowie deren aus
wirtschaftlichen Gründen fehlende Bereitschaft, Verfahren vor dem Sozialgericht zu
führen. Dies wäre zur Untermauerung der Behauptung jedoch notwendig. Im Übrigen
müsste sich die Anwaltschaft an den Gesetzgeber wenden und eine ggf. notwendige
Gebührenanpassung auf politischem Wege durchsetzen. Denn das Gericht kann die
Wertungen des Gesetzgebers bei der Bestimmung der angefallenen Gebühren bzw. des
Gebührenrahmens nicht ignorieren oder übergehen.
Ausführungen zur Höhe der Terminsgebühr erübrigen sich, weil diese nach dem
oben Gesagten nicht angefallen ist.“
Die erkennende Kammer teilt diese Ausführungen der 127. Kammer mit dem
ergänzenden Hinweis, dass der – hier nicht weiter relevante - Vortrag des
Bevollmächtigten zur Höhe der (fiktiven) Terminsgebühr nicht im Widerspruch mit der
inzwischen gefestigten Rechtsprechung der Kostenkammern des SG Berlin steht. Denn
die Kostenkammern bemessen die (fiktive) Terminsgebühr weder per se geringer (weil
kein Termin stattgefunden hat), noch wird generell die Mittelgebühr angesetzt noch wird
die Höhe nach „hypothetischen“ Kriterien unabhängig von den übrigen Gebühren
bestimmt, sondern vielmehr wird im Einklang mit der Auffassung der Erinnerungsführer
die (fiktive) Terminsgebühr seit - S 164 SF 12/09 E – vom 21. Januar 2009, - S 165 SF
11/09 E – vom 2. Februar 2009, in juris , www.sozialgerichtsbarkeit.de, in Anlehnung an
die Höhe der Verfahrensgebühr festgesetzt.
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Soweit die Erinnerungsführer auf den in der Anlage zur Erinnerungsbegründung
beigefügten Aufsatz von Hinne, Die gesetzliche Vergütung des Rechtsanwalts im
Sozialrecht gemäß § 3 RVG, BRAK-Mitt. 1/2009, S. 8 ff., und den dortigen
Vergleichsberechnungen zwischen Abrechnungen nach § 2 RVG und § 3 RVG (Ziff. II des
Aufsatzes, S. 9 f.) Bezug nehmen, entziehen sich Gebührentatbestände der §§ 13 und
14 RVG - Wertgebühren und Betragsrahmengebühren - von vornherein jedem Vergleich.
Alleiniges Kriterium in § 13 RVG ist der Gegenstandswert unabhängig von der Bedeutung
der Angelegenheit, wirtschaftlicher Stellung des Auftraggebers und Umfang und
Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Im Sinne einer Mischkalkulation sollen leichte
und einfache Verfahren mit hohem Gegenstandswert aufwendige Verfahren mit
niedrigerem Gegenstandswert kompensieren. Im Gegensatz hierzu wird in Verfahren,
welche nach Betragsrahmen abzurechnen sind, jeweils eine individuelle Bewertung nach
den in § 14 genannten Kriterien vorgenommen (SG Dresden vom 04.07.07 - S 4 SB
148/05 -). Die weiteren Ausführungen des Aufsatzes (Ziff. I. und III.) sind rechtpolitischer
Natur und können keine Grundlage für eine Anhebung der konkret zu bestimmenden
Gebührenhöhen innerhalb der Gebührenrahmen des VV zum RVG bilden. Wie Hinne
selbst (auf S. 12 a.E. des Aufsatzes) einräumt, ist hier der Gesetzgeber gefragt, nicht die
(Kosten)Rechtsprechung.
Die Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§
197 Abs. 2, § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG).
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