Urteil des SozG Berlin vom 06.07.2001

SozG Berlin: auflösung der gesellschaft, gesellschafter, eintragung im handelsregister, komplementär, kommanditgesellschaft, erlass, firma, verjährung, öffentlich, beitragsschuld

Sozialgericht Berlin
Urteil vom 06.07.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 72 KR 2122/00
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 746/01
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juli 2001 wird zurückgewiesen. Kosten
sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Klägers, als ehemaliger persönlich haftender Gesellschafter einer
Kommanditgesellschaft von dieser geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen und
Kosten in Höhe von insgesamt 1.702,82 DM / 870,64 Euro zu zahlen.
Der 1951 geborene Kläger war ab dem 21. März 1997 einziger persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär) der
P Garten- und Landschaftsbau KG. Für diese Gesellschaft wurden bei der Beklagten M O für die Zeit vom 12. bis
zum 30. Oktober 1998 sowie M M vom 20. Oktober bis zum 30. November 1998 als Beschäftigte angemeldet. Die für
sie anfallenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.495,92 DM (Oktober: 971,20 DM und November
524,72 DM) zahlte die Kommanditgesellschaft nicht. Unter dem 08. Januar 1999 meldeten der Kläger und der bis
dahin als Kommanditist der Gesellschaft auftretende M P u.a. das Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft als
persönlich haftender Gesellschafter, das Eintreten des M P in diese Rolle sowie das Eintreten des Klägers als
Kommanditist in die Gesellschaft zur Eintragung im Handelsregister an (Urkundenrolle-Nr. 6/1999 des Notars D G. Ob
eine Eintragung und Bekanntmachung tatsächlich erfolgte, steht nicht fest.
Nachdem ein Zwangsvollstreckungsversuch bei der Kommanditgesellschaft erfolglos geblieben und der
Gerichtsvollzieher der Beklagten hierfür 21,30 DM in Rechnung gestellt hatte, teilte diese dem Kläger mit Bescheid
vom 23. August 1999 mit, dass er als Komplementär persönlich für die von der P Garten- und Landschaftsbau KG
geschuldeten Beiträge hafte. Mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
17. Juli 2000 forderte sie ihn auf, rückständige Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.495,92 DM zzgl. der darauf
entfallenden Säumniszuschläge (177,00 DM), Verwaltungsgebühren (8,60 DM) und Kosten des Beitragseinzuges
(21,30 DM), mithin insgesamt 1.702,82 DM zu zahlen. Zur Begründung führte sie aus, dass die durch Ablehnung des
Insolvenzantrages mangels Masse am 28. Juli 1999 erloschene Firma P Garten- und Landschaftsbau KG nach § 28 e
Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) als Arbeitgeberin Beitragsschuldnerin des
Gesamtsozialversicherungsbeitrages sei. Er hingegen sei in der Zeit, in der die Beitragsforderung entstanden sei,
persönlich haftender Gesellschafter der Firma gewesen. Seine Haftung für die nicht abgeführten
Gesamtsozialversicherungsbeiträge ergebe sich aus § 161 Handelsgesetzbuch (HGB) in Verbindung mit § 128 HGB.
Mit seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft habe seine Haftung nicht geendet, da ausscheidende Gesellschafter
nach § 160 HGB für die bis dahin begründeten Verbindlichkeiten weiterhin hafteten. Bei öffentlich-rechtlichen
Verbindlichkeiten genüge für die Geltendmachung der Erlass eines Verwaltungsaktes. Aus § 613 a Abs. 2 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) lasse sich eine Haftung des Betriebsübernehmers für rückständige
Sozialversicherungsbeiträge des alten Betriebsinhabers nicht herleiten. Der Betriebsübernehmer hafte nicht für
rückständige Beiträge, die vor seiner Betriebsübernahme fällig gewesen seien. Auch § 25 HGB spreche nicht gegen
eine Haftung des Klägers. Nach dieser Vorschrift hafte der Erwerber gesamtschuldnerisch neben dem Veräußerer,
sofern keine Haftungsbeschränkung im Sinne des § 25 Abs. 2 HGB vereinbart und im Handelsregister eingetragen
worden sei. Eine derartige Regelung sei weder ersichtlich noch werde sie von dem Kläger vorgetragen.
Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 06. Juli 2001 unter Hinweis auf die Gründe des
Widerspruchsbescheides abgewiesen. Der Einwand des Klägers, sein Rechtsnachfolger in der Gesellschaft hätte sich
verpflichtet, die Gesellschaftsschulden zu übernehmen, sei nicht erheblich. Eine Übernahme der Verbindlichkeiten
des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft durch den Erwerber der Gesellschaft beseitige
die Haftung des Veräußerers nicht, vielmehr hafteten sie beide für die so genannten Altschulden
gesamtschuldnerisch, so dass jeder beliebig vom Gläubiger in Anspruch genommen werden könne.
Gegen dieses ihm am 16. August 2001 zugestellte Urteil richtet sich die von dem Kläger am 11. September 2001
eingelegte Berufung. Zur Begründung führt er aus, dass es sich bei der Übernahme der Gesellschaft um eine solche
nach § 25 HGB ohne jedwede Sondervereinbarungen gehandelt habe. Er meint, daraus folge, dass der Erwerber auch
für ältere Verbindlichkeiten der Gesellschaft allein hafte, da auch nur er berechtigt sei, ausstehende Forderungen
beizutreiben, die in der Zeit vor der Gesellschaftsübernahme entstanden seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juli 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 1999 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, dass Rechtsfolge einer Geschäfts- und
Firmenfortführung nach § 25 Abs. 1 HGB ein gesetzlicher Schuldbeitritt sei, d.h. der Erwerber kraft Gesetzes als
Gesamtschuldner neben dem Veräußerer hafte. Dadurch entfalle die Haftung des Klägers jedoch nicht. Es bestehe
auch kein Anspruch des Klägers darauf, dass zunächst der neue Gesellschafter für die vor der Geschäftsübernahme
fällig gewordenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten
verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Berlin ist nicht zu
beanstanden.
Der den Bescheid vom 23. August 1999 ersetzende, als Haftungsbescheid im Sinne der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (vgl. Urteile vom 08.12.1999, - B 12 KR 10/98 R und B 12 KR 18/99 R -, BSG SozR 3-2400 § 28
e Nrn. 1 und 2) zu qualifizierende Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 1999 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Als
ehemaliger Komplemantär der P Garten- und Landschaftsbau KG haftet er für die in der Zeit vom 12. Oktober bis zum
30. November 1998 entstandenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmer M O und M M in Höhe von
1.495,92 DM / 764,85 Euro nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 177,00 DM / 90,50 Euro sowie als
Verwaltungsgebühren bezeichnete Mahngebühren in Höhe von 8,60 DM / 4,40 Euro und als Kosten des
Beitragseinzuges deklarierte Kosten für einen erfolglosen Pfändungsversuch in Höhe von 21,30 DM / 10,89 Euro.
Nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen.
Arbeitgeberin der beiden Beschäftigten war die P Garten- und Landschaftsbau KG. Neben dieser haftete zum
Zeitpunkt des Entstehens der Verbindlichkeit nach §§ 161 Abs. 2, 128 HGB der Kläger als jedenfalls damals
persönlich haftender Gesellschafter der KG. Entgegen seiner Auffassung ändert sich an seiner Haftung nicht dadurch
etwas, dass er möglicherweise seit dem 08. Januar 1999 nicht mehr persönlich haftender Gesellschafter, sondern
Kommanditist der Gesellschaft war, und diese zwischenzeitlich nicht mehr existiert. Denn dies würde seine Haftung
nicht beseitigen, wie die über § 161 Abs. 2 HGB anwendbaren Regelungen des § 159 HGB über die Verjährung bei
Auflösung der Gesellschaft und des § 160 HGB über die Nachhaftungsbegrenzung bei Ausscheiden zeigen. Denn
nach § 159 Abs. 1 HGB verjähren die Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft
in fünf Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren
Verjährung unterliegt. § 160 HGB enthält hingegen eine zeitliche Begrenzung der Haftung des ausgeschiedenen
Gesellschafters. Nach seinem Absatz 1 haftet ein aus der Gesellschaft ausscheidender Gesellschafter für ihre bis
dahin begründeten Verbindlichkeiten, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig werden und
daraus Ansprüche gegen ihn gerichtlich geltend gemacht sind; bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten genügt für
die Geltendmachung der Erlass eines Verwaltungsakts. Absatz 3 Satz 1 sieht schließlich vor, dass für einen
Gesellschafter, der Kommanditist wird, für die Begrenzung seiner Haftung für die im Zeitpunkt der Eintragung der
Änderung in das Handelsregister begründeten Verbindlichkeiten die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden sind.
Das heißt, dass die Ausschlussfrist auch für den persönlich haftenden Gesellschafter, der Kommanditist wird, gilt.
Vorliegend handelt es sich um 1998 entstandene Beitragsschulden, die die Beklagte spätestens mit Bescheid vom
15. Dezember 1999 und damit fristgerecht durch Verwaltungsakt geltend gemacht hat.
Entgegen der Ansicht des Klägers folgt auch aus der Regelung des § 25 Abs. 1 HGB, nach der derjenige, der ein
unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das
Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten
des früheren Inhabers haftet, nichts anderes. Diese Regelung, deren grundsätzliche Anwendbarkeit auf den
vorliegenden Fall dahinstehen kann, macht lediglich deutlich, dass der Erwerber zusätzlich für die vor seinem Eintritt
in die Gesellschaft entstandenen Verbindlichkeiten haftet, besagt aber gerade nicht, dass damit die Haftung des
früheren Gesellschafters entfiele. Im Gegenteil zeigt bereits § 26 HGB, dass es bei der Übernahme einer Gesellschaft
nach § 25 HGB bei der Haftung des Veräußerers bleibt. Andernfalls würde eine Vorschrift, die die Nachhaftung des
Veräußerers zeitlich begrenzt und in ihrem Regelungsgehalt § 160 HGB entspricht, keinen Sinn machen.
Auch aus § 613 a BGB kann nichts anderes folgen. Unabhängig davon, ob hier überhaupt ein Betriebsübergang im
Sinne der Norm vorliegt, sieht die Vorschrift jedenfalls lediglich einen Eintritt in die Rechte und Pflichten vor, die sich
aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis ergeben. Zu den beiden Beschäftigten O und
M bestand aber im Januar 1999 kein Arbeitsverhältnis mehr, vielmehr waren diese lediglich im Oktober / November
1998 bei der Gesellschaft beschäftigt.
Zu Recht hat die Beklagte ferner Säumniszuschläge in rechnerisch nicht zu beanstandender Höhe von 177,00 DM /
90,50 Euro festgesetzt. Nach § 24 Abs. 1 SGB IV sind für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der
Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis
ein Säumniszuschlag von 1% des rückständigen, auf 50 Euro – in der seinerzeit geltenden Fassung auf 100,00 DM -
nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Der Sozialversicherungsbeitrag für Oktober 1998 in Höhe von 971,20
DM war nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in Verbindung mit der Satzung der Beklagten spätestens am 15. November
1998, der für November 1998 in Höhe von 524,72 DM spätestens am 15. Dezember 1998 fällig. Bis zum Erlass des
angefochtenen Bescheides vom 15. Dezember 1999 waren mithin Säumniszuschläge in Höhe von 13 x 9,00 DM
sowie 12 x 5,00 DM, insgesamt also 177,00 DM angefallen. Für diese haftet der Kläger nach §§ 128, 160, 161 Abs. 2
HGB. Dass sie zum großen Teil erst zu einem Zeitpunkt fällig geworden sind, zu dem er möglicherweise nicht mehr
Komplementär der Gesellschaft war, steht dem nicht entgegen. Bereits § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB macht deutlich,
dass der ausscheidende – bzw. nach Absatz 3 in die Rolle des Kommanditisten wechselnde – Komplementär für
Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet, die vor seinem Ausscheiden begründet wurden, ohne dass es insoweit auf
deren Fälligkeit ankäme. Entscheidend für das Vorliegen von Altschulden ist vielmehr allein, dass der Rechtsgrund für
ihr Entstehen vor dem Ausscheiden gelegt wurde. Dass weitere Voraussetzungen ihres Entstehens erst später erfüllt
werden, ist hingegen irrelevant (Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., 1995, § 128 Rn. 29, vgl. auch
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.09.1999 – II ZR 356/98 – NJW 2000, 208 ff.). Der Rechtsgrund für die als Annex zur
Beitragsschuld anzusehenden Säumniszuschläge wurde jedoch zu einer Zeit gelegt, zu der der Kläger unstreitig
Komplementär der P Garten- und Landschaftsbau KG war. Nichts anderes gilt für die weiter gegen den Kläger
festgesetzten Mahngebühren in Höhe von 8,60 DM / 4,40 Euro und die Kosten des Beitragseinzuges in Höhe von
21,30 DM / 10,89 Euro, gegen deren Berechnung Einwände weder erhoben worden noch sonst ersichtlich sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.