Urteil des SozG Berlin vom 06.03.2007

SozG Berlin: untätigkeitsklage, reformatio in peius, gebühr, erlass, verwaltungsverfahren, auflage, vorverfahren, vergütung, lieferung, quelle

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Gericht:
SG Berlin 165.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 165 SF 127/09 E
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 197 SGG, § 308 Abs 1 ZPO
Sozialgerichtliches Verfahren - Kostenfestsetzungsverfahren -
Rechtsanwaltsvergütung - Festsetzungstenor - Gesamtbetrag -
Falschbezeichnung einer Gebühr - Nichtbeantragung einer
bestimmten Gebühr - Möglichkeit des Gebührentausches -
richterliche Überprüfung im Erinnerungsverfahren
Leitsatz
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzt einen Gesamtbetrag fest; damit ist ein
Gebührentausch bei den einzelnen Berechnungspositionen jederzeit möglich.
Tenor
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Urkundsbeamten des Sozialgerichts vom 6. März 2007 werden die von dem
Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf 232,00 EUR festgesetzt. Die
weitergehende Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens hat der
Erinnerungsgegner zu erstatten.
Gründe
Auf die zulässige Erinnerung waren die zu erstattenden Kosten auf den Betrag von
232,00 EUR lt. nachstehender Berechnung festzusetzen:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (16% 2006)
Summe
Die die Kammer weist zunächst darauf hin, dass der Urkundsbeamte zu Recht die
Festsetzung der Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG abgelehnt hat.
Nach der Vorschrift entsteht die Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise
nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen
Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich
eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten
Verwaltungsakts erledigt.
Im Gegensatz dazu ist Streitgegenstand einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG generell
der bloße Erlass eines – aufgrund reiner Untätigkeit ausstehenden - Verwaltungsaktes,
nicht dessen Anfechtung und auch nicht der Erlass eines von der Behörde abgelehnten
Verwaltungsaktes.
Die von dem Erinnerungsführer zitierten Entscheidungen der Sozialgerichte Mannheim
(vom 6. September 2005 – S 4 KR 2037/05 -) und Nürnberg (vom 4. Oktober 2006 – S 14
R 813/05 KO) stellen Mindermeinungen dar. Entgegen stehen die von dem
Urkundsbeamten im angefochtenen Beschluss und vom Erinnerungsgegner in seinem
Schriftsatz vom 6. Januar 2009 zitierten Beschlüsse der Sozialgerichte Berlin (vom 18.
Januar 2006 – S 81 KR 378/05 -), Reutlingen (vom 9. Juni 2006 – S 12 AS 2202/06 A -)
und Würzburg (vom 2. November 2007 – S 2 SF 10/07 Ko und vom 13. März 2008 – S 2
SF 25/08 Ko -).
Allerdings haben der Urkundsbeamte sowie der Erinnerungsführer verkannt, dass
vorliegend eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG angefallen ist. Nach dem
eindeutigen Wortlaut der Vorschrift fällt die Terminsgebühr auch an, wenn das Verfahren
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eindeutigen Wortlaut der Vorschrift fällt die Terminsgebühr auch an, wenn das Verfahren
nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (dazu für den
vorliegenden Fall einer „fiktiven“ Terminsgebühr bei der Untätigkeitsklage weiter unten).
Eine Falschbezeichnung schadet ebenso wenig wie im vorliegenden Fall die Tatsache,
dass eine Terminsgebühr nicht beantragt und vom Urkundsbeamten auch nicht im Wege
des Gebührentausches festgesetzt wurde, da die Gebührenbezeichnung nicht
Gegenstand des Festsetzungstenors wird, sondern lediglich der Gesamtbetrag der
festzusetzenden Kosten. Darüber hinaus überprüft das Gericht die Festsetzung in vollem
Umfang und entscheidet nach eigenem Ermessen. Zwar ist eine Verböserung
(reformatio in peius) nicht zulässig, einzelne Posten können allerdings anders
abgegrenzt werden, sofern nur der Gesamtbetrag nicht unterschritten wird (Meyer-
Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 9. Aufl. 2008, § 197 Rz. 10). Wenn nach
Auffassung der erkennenden Kammer aufgrund der nachfolgenden Darlegungen ein
Gebührentausch durch den Urkundsbeamten grundsätzlich möglich ist, so gilt dies erst
recht für das Gericht im Rahmen der Überprüfung im Erinnerungsverfahren.
Die 165. Kammer teilt zur Möglichkeit des Gebührentausches grundsätzlich die von der
164. Kammer in deren Beschluss vom 21. Januar 2009 – S 164 SF 10/09 E- dargelegte
Auffassung und macht sich deren Begründung zu eigen. In dieser
Grundsatzentscheidung heißt es:
„Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die von der Urkundsbeamtin
vorgenommene Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG, obgleich diese
Gebühr in dem Kostenfestsetzungsantrag des Bevollmächtigten der
Erinnerungsgegnerin … nicht benannt ist. Der Erinnerungsführer rügt einen
fundamentalen Verstoß gegen geltendes Prozessrecht. Dem kann die Kammer im
Ergebnis nicht beitreten.
Bereits nach dem Wortlaut des § 197 Abs. 1 SGG setzt der Urkundsbeamte den
BETRAG der zu erstattenden Kosten fest. Daraus folgt, dass auch nur der (Gesamt-
)Betrag an dem Festsetzungstenor des Beschlusses teilnimmt. Wie sich dieser Betrag
zusammensetzt, ist Teil und Sache der Begründung, sowohl des
Kostenfestsetzungsantrages, auch als des Kostenfestsetzungsbeschlusses. Dem
Urkundsbeamten ist es von Gesetzes wegen verwehrt, über den Betrag der zu
erstattenden Kosten, welcher beantragt worden ist, bei der Festsetzung hinaus zu
gehen. Dies ist vorliegend jedoch nicht geschehen, … . Insoweit kann es sich auch nicht
um eine Überraschungsentscheidung gehandelt haben.
Die Kammer weist darauf hin, dass sie nicht die Ansicht des Erinnerungsführers teilt,
es sei in Verfahren nach § 197 SGG ausgeschlossen, eine Gebühr festzusetzen, die nicht
beantragt war. Der Umstand, dass der Urkundsbeamte in Anlehnung an § 308 Abs. 1
ZPO an den Festsetzungsantrag des Bevollmächtigten des Klägers gebunden ist,
bedeutet zwar, dass eine Festsetzung über den von dem Rechtsanwalt beantragten
Betrag hinaus nicht zulässig ist. Beantragt in diesem Sinne ist aber der Betrag, dessen
Festsetzung der Rechtsanwalt nach dem Gesamtinhalt des Antrags verlangt (so
Hamburgisches OVG, Beschluss vom 22.08.2007, Az.: 3 So 79/07 – JURIS -). Die Bindung
an den Antrag bedeutet somit - ebenso, wie ein Zivilgericht nicht durch § 308 Abs. 1
ZPO an eine vom Kläger genannte unzutreffende Rechtsgrundlage für den eingeklagten
Anspruch gebunden ist - nicht, dass der Urkundsbeamte rechtlich daran gehindert wäre,
innerhalb des beantragten Betrags und im Rahmen des zugrunde gelegten Sachverhalts
einen Positionsaustausch dahin vorzunehmen, statt einer geforderten, aber nicht
entstandenen eine nicht geforderte, aber ersichtlich entstandene (gleich hohe oder
niedrigere) Gebühr zu berücksichtigen (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 18.
Aufl. 2008, § 55 Rdnr. 24; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 55 Rdnr. 24;
Hartung in: Hartung/Römermann/Schoms, RVG, 2. Aufl. 2006, § 55 Rdnr. 57; jeweils für
das Verfahren der Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts aus der Staatskasse).“
Die Kammer teilt zur Frage der Verfahrens- und (fiktiven) Terminsgebühr und deren
Höhe bei Untätigkeitsklagen auch grundsätzlich (seit S 165 SF 11/09 E vom 2. Februar
2009) die Auffassung der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin, die nunmehr neben
der 165. Kammer für die Entscheidungen nach § 197 Satz 2 SGG eine
Alleinzuständigkeit hat, vgl. den Beschluss der 164. Kammer vom 21. Januar 2009 – S
164 SF 12/09 E -. Darin heißt es:
„Zu Recht ist die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bezüglich der
Verfahrens- bzw. Geschäftsgebühr von dem Gebührenrahmen der Nr. 3102 VV RVG (40
€ bis 460 €) ausgegangen. Eine (verminderte) Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG, die dann
anfällt, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung
des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren (Vorverfahren) vorausgegangen
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des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren (Vorverfahren) vorausgegangen
ist, kann im Verfahren der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG nicht anfallen. Das
Verfahren der Untätigkeitsklage setzt weder ein eigenes Verwaltungsverfahren noch ein
Vorverfahren voraus, weshalb schon begrifflich der Tatbestand der Nr. 3103 VV RVG
nicht einschlägig ist (so auch SG Berlin, Beschluss vom 01.12.2004; Az.: S 54 AL
4073/04; SG Nürnberg, Beschluss vom 04.10.2006, Az.: S 14 R 813/05 KO; Schneider,
RVGreport 2007, 1)
Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb dieses
Gebührenrahmens angeht, ist die Kammer der Auffassung, dass grundsätzlich auch bei
einer Untätigkeitsklage zunächst von der Mittelgebühr auszugehen ist. Es entspricht
allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein
angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht
durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge
für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Klageverfahren
vorzunehmen. Die Maßstäbe für diese Einordnung lassen sich der Regelung des § 14
RVG entnehmen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr sind nach § 14 Abs. 1 S. 1
RVG alle Umstände des Einzelfalls, vor allem Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Bei den hier
einschlägigen Betragsrahmengebühren ist außerdem das (besondere) Haftungsrisiko
des Rechtsanwalts zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG).
Unter Würdigung all dieser Umstände ist das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass in
dem hier vorliegenden Fall einer Untätigkeitsklage, die sich nach Klageerhebung ohne
weiteres durch Erlass des Widerspruchsbescheides unstreitig erledigt, ein deutlich
unterdurchschnittliches Klageverfahren gegeben ist. Diesem Umstand trägt die
streitgegenständliche Gebührenrechnung des klägerischen Prozessbevollmächtigten
nicht hinreichend Rechnung. Seine Bestimmung der Verfahrensgebühr ist daher nicht
verbindlich, weil sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Eine Kürzung der Mittelgebühr auf
(nur) 50% hält das Gericht nicht für ausreichend. Auf der anderen Seite würde die von
der Urkundsbeamtin vorgenommene Festsetzung lediglich in Höhe der doppelten
Mindestgebühr keine angemessene Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit bedeuten. Die
Kammer meint vielmehr, dass eine Gebühr in Höhe von 40% der Mittelgebühr als
angemessene Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG für ein durchschnittliches
Untätigkeitsklageverfahren zu bezeichnen ist (vgl. SG Nürnberg, Beschluss vom 4.
Oktober 2006, Az.: S 14 R 813/05 KO; SG Augsburg, Beschlüsse vom 10. August 2007
bzw. 21. November 2006, Az.: S 10 KR 58/06 KO und S 9 AS 286/06). Dabei ist
entscheidend zu beachten, dass die Untätigkeitsklage des § 88 SGG eine reine
Bescheidungsklage ist. Gegenstand des Verfahrens ist also allein der Erlass des
begehrten Verwaltungsakts. Auf die materielle Rechtslage kommt es folglich nicht an; sie
muss vom Rechtsanwalt weder geprüft noch dargelegt werden. Der anwaltliche
Arbeitsaufwand beschränkt sich daher auf die vorgerichtliche Überwachung der Frist des
§ 88 SGG, die Fertigung der Klageschrift, die Abgabe der nach Eintritt des erledigenden
Ereignisses angezeigten Prozesserklärung sowie den Kostenantrag. Dabei handelt es
sich um anwaltliche Tätigkeiten einfacher Art. Andererseits ist aber nicht zu verkennen,
dass die Untätigkeitsklage dem betroffenen Anspruchsinhaber mittelbar zur Erreichung
seines eigentlichen Ziels dient. Dazu ist der von dem Beklagten begehrte Erlass des
Verwaltungsakts ein notwendiger Zwischenschritt, da er zwingende Voraussetzung für
die Klageerhebung in der Sache ist. Unnötige zeitliche Verzögerungen auf diesem Weg
können daher auch ein Haftungsrisiko des Rechtsanwalts begründen, allerdings kein
besonderes Haftungsrisiko, welches vorliegend zu berücksichtigen wäre.
Zu Recht hat die Urkundsbeamtin auch eine Terminsgebühr als sog. „fiktive“
Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG festgesetzt. Gemäß VV 3106 Satz 2 Nr. 3
entsteht die Terminsgebühr auch, wenn das Verfahren nach angenommenem
Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Ein solcher Fall lag hier vor.
Allerdings handelt es sich im Rahmen einer Untätigkeitsklage nicht stets um ein
Anerkenntnis im Sinne von § 101 Abs. 2 SGG und VV 3106 Satz 2 Nr. 3, wenn die
Beklagte den Antrag bzw. den Widerspruch des Klägers durch Erlass eines - wie auch
immer gearteten - Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides bescheidet, auch wenn die
Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG auf bloße Bescheidung gerichtet ist. Da eine
Untätigkeitsklage nur dann begründet ist, wenn die Beklagte ohne zureichenden Grund
über den Antrag bzw. den Widerspruch nicht innerhalb einer Frist von 6 bzw. 3 Monaten
entschieden hat, und auch nur dann eine Verurteilung des Beklagten zu der beantragten
Bescheidung erfolgen kann (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.
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Bescheidung erfolgen kann (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.
Aufl. 2008, § 88 Rn. 9), liegt ein Anerkenntnis im Rechtssinne vielmehr nur vor, wenn die
Frist des § 88 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGG abgelaufen ist und der Beklagte zusätzlich zum
Erlass des Bescheids bzw. des Widerspruchsbescheids uneingeschränkt zugesteht, dass
er keinen zureichenden Grund für die verspätete Entscheidung hatte. Dies kann sich
nicht nur aufgrund einer ausdrücklichen Erklärung des Beklagten, sondern auch aus den
gesamten Umständen der Bescheiderteilung ergeben. So liegt es nahe, dass der
Beklagte eingesteht, dass er ohne zureichenden Grund binnen angemessener Frist nicht
entschieden hat, wenn er nichts zum Vorliegen eines zureichenden Grundes vorträgt, da
er grundsätzlich zureichende Gründe darzulegen hat (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 7a).
Gleiches gilt, wenn der Beklagte ohne Einschränkungen oder Erläuterungen ein
Kostenanerkenntnis dem Grunde nach abgibt, da er damit eingesteht, dass die
Untätigkeitsklage begründet war und er Anlass zur Klage gegeben hat. Ansonsten
müsste er nämlich die außergerichtlichen Kosten des Klägers nicht übernehmen (vgl. SG
Köln, Beschluss vom 02.11.2007, Az.: S 6 AS 231/06).
Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte und Antragsgegner durch Erlass des
Widerspruchsbescheides vom 08.04.2008 ein Anerkenntnis abgegeben. Zudem hat der
Beklagte nicht geltend gemacht, es habe für die verspätete Entscheidung einen
zureichenden Grund gegeben, und sich folgerichtig auch bereit erklärt, die notwendigen
außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu übernehmen. Nach den Umständen ist
damit der Erlass des Widerspruchsbescheide vom 20. März 2008 als uneingeschränktes
Zugeständnis, dass der nach § 88 Abs. 2 SGG geltend gemachte Klageanspruch
bestand, zu werten. Die Erledigungserklärung der Antragstellerin im Schriftsatz stellt die
Annahme dieses Anerkenntnisses dar mit der Folge, dass der Rechtsstreit nach § 101
Abs. 2 SGG beendet wurde.
Grundsätzlich ist die Terminsgebühr unabhängig von der Verfahrensgebühr zu
beurteilen (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 12.09.2006, Az.: L 1 B 320/05
SF SK; SG Reutlingen, Beschluss vom 19.06.2007, Az.: S 3 KR 1396/07 A), damit dem
Umstand Rechnung getragen werden kann, dass etwa eine sehr aufwändige schriftliche
Vorbereitung zu einer extrem kurzen mündlichen Verhandlung geführt hat oder
umgekehrt (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 12.09.2006, Az.: L 1 B 320/05
SF SK). Maßgeblich ist insoweit nicht zuletzt die Dauer der Verhandlung (vgl. Schleswig-
Holsteinisches LSG, Beschluss vom 12.09.2006, Az.: L 1 B 320/05 SF SK; LSG Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 15.01.2007, Az.: L 19 B 13/06 AL).
Bei der hier in Rede stehenden fiktiven Terminsgebühr kann die Dauer der
Verhandlung denknotwendigerweise keine Rolle spielen (siehe auch SG Berlin, Beschluss
vom 10.09.2007, Az.: S 48 SB 2223/05). Ein Abstellen auf die zeitliche Beanspruchung
des Rechtsanwaltes würde nur die Festsetzung der Mindestgebühr rechtfertigen (so SG
Aachen, Beschluss vom 18.02.2005, Az.: S 3 SB 178/04). Damit wird aber der Zweck der
fiktiven Terminsgebühr, eine Erledigung des Rechtsstreites auch ohne mündliche
Verhandlung ohne nachteilige Kostenfolge für den Rechtsanwalt attraktiv zu machen,
unterlaufen (SG Berlin, Beschluss vom 10.09.2007, Az.: S 48 SB 2223/05; SG Lüneburg,
Beschluss vom 23.06.2006, Az.: S 4 SF 55/06). Die fiktive Terminsgebühr ist daher in den
Fällen, in denen es nicht zur Durchführung eines Termins kommt, in Anlehnung an die
Verfahrensgebühr bzw. die ihr zugrundeliegenden Kriterien festzulegen (SG Berlin,
Beschluss vom 10.09.2007, Az.: S 48 SB 2223/05; SG Lüneburg, Beschluss vom
23.06.2006, Az.: S 4 SF 55/06, SG Köln, Beschluss vom 02.11.2007, Az.: S 6 AS
231/06).“
Der vorliegende Rechtsstreit lässt keine Besonderheiten erkennen (insbesondere auch
nicht in den Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erinnerungsführers), die eine
abweichende Festsetzung der Verfahrensgebühr rechtfertigen könnten. Grundsätzlich
gelten die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Bezieher von Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als unterdurchschnittlich, weshalb
hierfür ein angemessener Abschlag vorzunehmen ist. Allerdings wird dieses Merkmal der
Unterdurchschnittlichkeit regelmäßig nach der sog. Kompensationstheorie dadurch
kompensiert, dass die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber entsprechend
höher ist. Nicht notwendig in diesem Zusammenhang ist die Erörterung weiterer
Problemlagen, die der Kläger im Rahmen der Leistungsgewährung mit dem
Leistungsträgers geklärt wissen will, denn die dafür anfallenden Kosten können jedenfalls
nicht als notwendig für die Einreichung einer Untätigkeitsklage angesehen werden.
Danach ist vorliegend die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG auf 100,00 EUR
festzusetzen (Gebührenrahmen 40,00 EUR bis 460,00 EUR; Mittelgebühr 250,00 EUR,
davon 40%), die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG auf 80,00 EUR (Gebührenrahmen
20,00 EUR bis 380,00 EUR; Mittelgebühr 200,00 EUR, davon 40%).
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Die Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren beruht auf § 193 SGG. Hierbei war
zu berücksichtigen, dass die Erinnerung im wesentlichen erfolgreich war, da der Betrag
der dem Erinnerungsführers zu erstattenden Kosten im Ergebnis (232,00 EUR) nahezu
seinem Kostenantrag (255,20 EUR) entspricht.
Die Kammer hält eine gesonderte Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren für
erforderlich, da das Erinnerungsverfahren im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren eine
gesonderte Angelegenheit i.S.d § 18 Nr. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)
darstellt (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. September 2005 - L
2 B 40/04, AnwBl 2006, 146; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. November 2006 - L
6 B 221/06 SB, jeweils für das Beschwerdeverfahren; vgl. zur Verfahrensgebühr für
sozialgerichtliche Verfahren über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in dem
Verfahren Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen: Nr. 3501 des
Vergütungsverzeichnisses zum RVG; überdies Rohwer-Kahlmann, SGG, 4. Auflage, 42.
Lieferung 2004, § 197 RdNr. 18; Schneider, KostRsp., Nr. 1 § 18 Nr. 5 RVG, Lieferung 264,
Februar 2007; Schneider/Wolf, RVG, 3. Auflage 2006, § 16 RdNr. 108 ff.).
Die Kammer folgt ausdrücklich nicht dem Beschluss des Verwaltungsgerichts
Regensburg (VG Regensburg, 11. Kammer, Beschluss vom 01.07.2005, Az.: RN 11 S
03.2905), wonach nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nur Verfahren über
eine Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers in Angelegenheiten, in
denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses richten, eine
besondere Angelegenheit nach § 18 Nr. 5 RVG darstellen sollen. Das SGG kennt den
Rechtspfleger nicht. Aus dem Gebührentatbestand Nr. 3501 VV RVG ergibt sich
eindeutig, dass eine Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Gerichten der
Sozialgerichtsbarkeit über die Beschwerde und die Erinnerung, in denen
Betragsrahmengebühren entstehen, umfasst ist. Dass der Gesetzgeber in § 18 Nr. 5
RVG vom „Rechtspfleger“ spricht, darf als glattes (redaktionelles) Versehen des
Gesetzgebers gewertet werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18.06.2007 (Az.: 4 KSt 1002/07) und am
21.06.2007 (Az.: 4 KSt 1001/07) entschieden, dass § 18 Nr. 5 RVG auch Erinnerungen
gegen Kostenfestsetzungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in der
Verwaltungsgerichtsbarkeit umfasst (entgegen VG Regensburg, a. a. O.).
Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§
197 Abs. 2 SGG).
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