Urteil des SozG Berlin vom 04.03.2009

SozG Berlin: gebühr, androhung, zwangsvollstreckungsverfahren, verwaltungsgerichtsbarkeit, verwaltungsakt, hauptsache, verfügung, auflage, höchstbetrag, vergütung

Sozialgericht Berlin
Beschluss vom 04.03.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 164 SF 194/09 E
Auf die Anschlusserinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 16.05.2008 (S
61 AS 26610/07 ER) werden die aus der Landeskasse zu erstattenden Kosten für das Zwangsvollstreckungsverfahren
(Zwangsgeldverfahren) auf 19,28 EUR festgesetzt. Die Erinnerung des Erinnerungsführers wird zurückgewiesen.
Gründe:
Auf die zulässige Anschlusserinnerung hin waren die aus der Landeskasse zu vergütenden Kosten des
Zwangsgeldverfahrens auf den Betrag von 19,28 EUR festzusetzen. Gegenstandswert: 500,00 EUR 0,3 Gebühr aus §
13 Abs. 1 RVG 13,50 EUR Gebühr nach Nr. 7002 VV RVG 2,70 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 3,08 EUR
Gesamt: 19,28 EUR.
Die Kammer hat bereits Zweifel, ob das hier im Zwangsvollstreckungsverfahren angegangene Gericht zuständiges
Vollstreckungsgericht gewesen ist. Bei dem am 19.12.2007 durch den Vorsitzenden im Eilverfahren S 61 AS
26610/07 ER erlassenen Beschluss handelt es sich nicht um einen Beschluss iS eines Verpflichtungsurteils nach §
131 SGG oder eines Grundurteils mit vollstreckbarem Inhalt nach § 130 SGG. Vielmehr hat der Vorsitzende den
Antragsgegner zur Erfüllung einer eindeutig bestimmbaren und bestimmten Geldforderung verpflichtet, weshalb sich
die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss nicht nach § 201 SGG richtet, sondern nach § 202 SGG iVm § 882a
ZPO. Vollstreckungsgericht wäre hier das Amtsgericht. Für die Vergütung des im Wege der Prozesskostenhilfe
beigeordneten Rechtsanwalts sind jedoch die Erfolgsaussichten des Antrages, ist er denn einmal beigeordnet,
hinsichtlich seines Vergütungsanspruches nicht mehr relevant. Der Gegenstandswert bei dem von dem
Prozessbevollmächtigten beschrittenen Weg der Zwangsvollstreckung über § 201 SGG (Androhung eines
Zwangsgeldes bis 1000 EUR, Festsetzung des Zwangsgeldes bis zu 1000 EUR) kann sich dann jedoch nicht mehr
nach der Summe der zu vollstreckenden Leistungen richten. Die sich aus dem Antrag des Vollstreckungsgläubigers
für ihn ergebende Bedeutung der Sache bemisst sich zunächst an der Höhe des von ihm beantragten Zwangsgeldes
nach § 201 SGG. Dies war hier die vom Gesetz als Höchstbetrag bestimmte Summe von 1000,00 EUR. In Anlehnung
an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 Ziff. 1.6.1. Satz 2 ist
im vorliegenden selbständigen gerichtlichen Vollstreckungsverfahren dieser Betrag auf die Hälfte herabzusetzen, weil
das Verfahren zunächst nicht die Festsetzung, sondern lediglich die Androhung des Zwangsgeldes betraf; der Wert
des Verfahrensgegenstandes war deshalb auf 500,00 EUR festzusetzen.
Demgegenüber haben die Erinnerung sowie auch die Anschlusserinnerung den Wert des Verfahrensgegenstandes des
Vollstreckungsverfahrens zu Unrecht an dem Wert orientiert, der in dem vorausgegangenen Erkenntnisverfahren als
Wert des Verfahrensgegenstandes zu Grunde zu legen gewesen wäre (so aber zu § 172 VwGO: VGH Baden-
Württemberg NVwZ 2004, 459; NVwZ-RR 2001, 72; sowie Beschl. v. 14. 3. 2003, - 4 S 128/03, zitiert nach juris; OVG
Lüneburg, Beschl. v. 31.10.2005 -5 OB 192/05-, zitiert nach juris; Schoch/Pietzner, VwGO, Band II, Stand April 2006;
Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage, Anhang I B § 52 GKG Rdnr. 11).
Es wird dabei verkannt, dass das regelmäßig für die Wertfestsetzung allein maßgebende unmittelbare Ziel des
gerichtlichen Vollstreckungsverfahrens die Androhung bzw. die Festsetzung eines Zwangsmittels ist, um die
Befolgung der vorausgegangenen gerichtlichen Entscheidung im Erkenntnisverfahren durchzusetzen. Das Interesse
an diesem Verfahren darf deshalb nicht mit der Bedeutung gleichgesetzt werden, die das Hauptsacheverfahren für den
Vollstreckungsgläubiger hat. Dies folgt schon aus der Erwägung, dass die Erzwingungswirkung eines Zwangsgeldes
von 1000,00 EUR für Gläubiger und Schuldner geringer ist als das Erfüllungsinteresse in der Hauptsache, zumal der
Zwang gegenüber dem Schuldner nicht in jedem Fall und nicht automatisch zum Erfolg führen muss. Schließlich lässt
sich auch keine überzeugende Begründung dafür finden, dass für den Vollstreckungsgläubiger die Bedeutung der
Sache im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren mit der des Erkenntnisverfahrens übereinstimmen soll, während in
behördlichen Verfahren, die selbständige Zwangsgeldandrohungen bzw. –festsetzungen durch Verwaltungsakt
betreffen, der Betrag des Zwangsgeldes maßstäblich sein soll (so Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 Ziff. 1.6.1., sowie VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2001, 72 und Beschl. v.
14.3. 2003 a.a.O.; ebenso Hartmann, Kostengesetze, a.a.O.).
Das Erzwingungsinteresse und dem folgend die Wertfestsetzung bemessen sich demzufolge an den vom
Gesetzgeber im Vollstreckungsrecht (hier in § 201 SGG) zur Verfügung gestellten Erzwingungsmöglichkeiten (wie hier
zu § 172 VwGO: OVG Münster NVwZ 1993, 383; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.2. 1997 – 5 S 173/97, zitiert
nach juris; Thüringer OVG, Beschl. v. 6.7.1999, - 2 VO 1261/98 -). Der Gesetzgeber hat mit § 201 SGG sowohl die
Vollstreckungsmöglichkeiten als auch den Umfang des einzigen Vollstreckungsmittels beschränkt. Es ist nicht
Aufgabe der Sozialgerichte, diese gesetzgeberische Entscheidung durch die Wertfestsetzung mit der Begründung zu
korrigieren, dass die im SGG vorgesehenen Vollstreckungsmöglichkeiten unzureichend seien (Beschluss des
Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12.12.2006, L 7 B 124/03 KA – JURIS-).
Das Vollstreckungsverfahren ist ein außergerichtliche Kosten auslösendes Verfahren, für welches nach der Gebühr
der Nr. 3309 VV RVG abzurechnen ist (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2006, L 10 B
752/06 AS ER – JURIS-).
Gemessen an diesem Gegenstandswert beträgt die volle Gebühr nach § 13 Abs. 1 RVG 25,- + 20,- EUR, zusammen
45,00 EUR, davon 0,3 = 13,50 EUR.
Die Kammer sah sich trotz des entgegenstehendes Antrages der Anschlusserinnerung nicht gehindert, vorliegend
über den Anschlusserinnerungsantrag hinaus die Kosten in rechtmäßiger Höhe festzusetzen, denn beide Beteiligte
haben Erinnerung eingelegt, so dass der Beschluss nach allen Seiten "offen" war.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 S. 2 u. 3 RVG.
Eine Beschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht statthaft, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 20.06.2008, L 1 B 60/08 SF AL.