Urteil des SozG Berlin vom 24.12.2003

SozG Berlin: aufnahme einer erwerbstätigkeit, arbeitsmarkt, eugh, zugang, republik, arbeitssuche, zusicherung, leistungsausschluss, unionsbürger, europäische union

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Gericht:
SG Berlin 26.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 26 AS 27018/09 ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 2 Nr 2 SGB 2 vom
24.12.2003, § 7 Abs 1 S 1 Nr 2
SGB 2 vom 23.12.2007, § 7 Abs
1 S 2 Nr 2 SGB 2 vom
23.12.2007, § 8 Abs 2 SGB 2
vom 24.12.2003, Art 12 EG
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für
ausländische Staatsangehörige bei Aufenthalt zur Arbeitsuche -
Unionsbürger - polnischer Staatsangehöriger - Beschränkung
des Zugangs zum deutschen Arbeitsmarkt - Erwerbsfähigkeit -
Erfordernis einer Arbeitsgenehmigung-EU -
europarechtskonforme Auslegung
Leitsatz
1. "Erwerbsfähig" im Sinne von § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 2 können Ausländer nur sein (§ 8 SGB
2), wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte.
2. Den priviligierten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt und damit die grundsätzliche
Erlaubnis zur einer Aufnahme einer Beschäftigung genießen nur Unionsbürger im Sinne von §
2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU 2004). Für polnische Staatsangehörige gilt hingegen (§ 13
FreizügigG/EU 2004), dass das FreizügigG/EU 2004 nur anzuwenden ist, wenn die
Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 284 Abs 1 SGB 3 genehmigt
worden ist.
3. Allein die abstrakte Möglichkeit, dass der Personengruppe, der der Antragsteller zugehört,
nach § 284 SGB 3 grundsätzlich die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestattet werden
könnte, genügt nicht, um den Antragsteller als erwerbsfähig im Sinne von §§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2,
8 Abs 2 SGB 2 anzusehen.
4. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 ist mit höherrangigem Recht, insbsondere mit den Vorschriften
des des europäischen Primär- und Sekundärrechts, vereinbar, als hierdurch
Staatsangehörige eines anderen Mitgliedsstaates der Europäsichen Union, der nicht
Vertragspartei des Europäischen Fürsorgeabkommens ist, vom Bezug von Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 ausgeschlossen sind, soweit sie ihr
Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein aus dem Zweck der Arbeitssuche
herleiten können.
5. Das SGB 2 unterscheidet grundlegend zwischen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 1 Abs 2 SGB 2). Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts, die an die Stelle der früheren Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe traten,
stellen danach staatliche Fürsorgeleistungen dar, die allein der Sicherung eines
menschenwürdigen Lebens des Hilfebedürftigen dienen und "erleichtern" nicht "den Zugang
zum Arbeitsmarkt"; sie sind als "Sozialhilfe" im Sinne des Art 24 Abs 2 EGRL 2004/38
anzusehen.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird mit Wirkung ab dem 02.09.2009 für das Verfahren
des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe
bewilligt und Rechtsanwalt C F, G… Str. .. 1.. B, beigeordnet.
Gründe
I.
Der 1957 geborene Antragsteller ist polnischer Staatsangehöriger und wohnt seit
Dezember 2008 in B, wo er vorübergehend verschiedene Obdachlosenunterkünfte
bewohnte. Er ist derzeit obdachlos.
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Der Antragsteller war bislang in der Bundesrepublik Deutschland weder als Arbeitnehmer
noch selbständig tätig. Seinen Antrag auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU lehnte
die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 06.07.2009 ab.
Der Antragsteller beantragte am 16.03.2009 beim JobCenter Friedrichshain-Kreuzberg
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des
Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II). Dieser Antrag wurde
abgelehnt, der gegen den ablehnenden Bescheid erhobene Widerspruch des
Antragstellers wurde zurückgewiesen.
Am 02.04.2009 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, über den Antrag entschied der
Antragsgegner zunächst nicht. Mit Schreiben vom 31.07.2009 bat der Bevollmächtigte
des Antragstellers um Sachstandsmitteilung im Hinblick auf diesen Antrag und stellte
vorsorglich erneut einen Leistungsantrag für den Antragsteller.
Am 15.08.2009 beantragte der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz bei dem
erkennenden Gericht. Er ist der Ansicht, ein Anordnungsgrund liege vor, da sein
Existenzminimum ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gesichert sei.
Auch bestehe ein Anordnungsanspruch. Der Antragsteller sei erwerbsfähiger
Hilfebedürftiger im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Auch der Leistungsausschluss
nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II stehe dem Anordnungsanspruch nicht entgegen, da
dieser auf Unionsbürger nicht anwendbar sei. Gemäß Art. 12 EGV sei im
Anwendungsbereich des EGV jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit
verboten. Im Grundsatz seien daher alle Mitgliedsstaaten verpflichtet, Unionsbürgern auf
ihrem Territorium Leistungen der Sozialhilfe und der Arbeitsförderung zu gewähren. Eine
Ausnahme könne nur durch eine „besondere Bestimmung“ im Sinne von Art. 12 EGV
legitimiert werden. Eine Rechtfertigung durch Artt. 24 Abs. 2, 14 Abs. 2 Buchstabe b der
Freizügigkeitsrichtlinie scheide aus, denn die Grundsicherung für Arbeitssuchende sei
insgesamt keine „Sozialhilfe“ im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie. Der EuGH habe
ausdrücklich klargestellt, dass finanzielle Leistungen, die unabhängig von ihrer
Einstufung im nationalen Recht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollten, nicht
als „Sozialhilfeleistungen“ im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie angesehen werden
könnten. Eine Differenzierung nach Leistungsarten des SGB II sei absurd. Auch könnten
sich Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates, die auf Arbeitssuche in einem anderen
Mitgliedsstaat seien und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses
Staates hergestellt hätten, auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um eine finanzielle Leistung
in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern solle. Die
tatsächliche Verbindung eines Arbeitssuchenden zum Arbeitsmarkt eines
Mitgliedsstaates könne sich u.a. aus der Feststellung ergeben, dass der Betroffene
während eines angemessenen Zeitraumes tatsächlich eine Beschäftigung in dem
betreffenden Mitgliedsstaat gesucht habe. Da der Antragsteller seit mehr als acht
Monaten eine Beschäftigung in Deutschland suche, sei er als Arbeitnehmer im Sinne von
Art. 39 EGV anzusehen und dürfe nicht von der Gewährung von Arbeitslosengeld II
ausgeschlossen werden. Im Übrigen sei anerkannt, dass ein Aufenthalt schon dann nicht
allein dem Zweck der Arbeitssuche diene, wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt oder eine
mindestens dreimonatige Arbeitssuche vorliege, beides sei bei dem Antragsteller der
Fall.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
1. dem Antragsteller vorläufig ab dem 14.08.2009 Arbeitslosengeld II als
Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 359,00 Euro monatlich zu
gewähren,
2. dem Antragsteller zuzusichern, die Aufwendungen einer von diesem anzu-
mietenden Unterkunft zu tragen, wenn diese angemessen sind.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er trägt vor, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II, da der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr.
2 SGB II eingreife. Der Antragsteller sei Ausländer, auch sei er weder in der
Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer oder Selbständiger tätig, noch lägen die
Voraussetzungen von § 2 Abs. 3 FreizügG/EU vor. Aus dem Recht zum Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU folge nicht
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Bundesrepublik Deutschland gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU folge nicht
automatisch der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II.
Den Antrag des Antragstellers auf Leistungen nach dem SGB II wies der Antragsgegner
mit Bescheid vom 18.08.2009 mit der Begründung zurück, die gesetzlichen
Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, da der Antragsteller
lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik
Deutschland habe; die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den
Inhalt der Gerichtsakte.
II.
1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG zulässig, jedoch unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr
besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte
(Sicherungsanordnung). Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen
auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass
einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §
920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) stets voraus, dass die Voraussetzungen für
einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind.
Zu berücksichtigen ist hierbei die verfassungsrechtliche Dimension des einstweiligen
Rechtsschutzes. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, Artikel 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes (GG), verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn
ohne sie dem Rechtsschutzsuchenden eine erhebliche Verletzung in seinen Rechten
droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann.
Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch
auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05; zitiert nach
www.bundesverfassungsgericht.de ). Besondere Anforderungen ergeben sich aus Art. 19
Abs. 4 GG dann, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und
unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die
durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. In diesen Fällen ist eine
an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientierte Entscheidung in dem Verfahren
des einstweiligen Rechtsschutzes nur zulässig, wenn das erkennende Gericht die Sach-
und Rechtslage abschließend prüft (Bundesverfassungsgericht, a.a.O.).
Ausgehend von diesem rechtlichen Maßstab ist einstweiliger Rechtsschutz hier nicht zu
gewähren. Der Antragsteller hat die tatsächlichen Voraussetzungen eines
Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht.
Von einem Anordnungsanspruch ist dann auszugehen, wenn nach summarischer
Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache überwiegende Erfolgsaussichten für
das Hauptsacheverfahren bestehen. Das ist hier nicht der Fall. Eine Klage des
Antragstellers, gerichtet auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab
dem 14.08.2009 unter Abänderung entgegenstehender Bescheide, hat bei
summarischer Prüfung ebenso wenig Aussicht auf Erfolg wie eine auf Erteilung einer –
abstrakten – Zusicherung zu den Aufwendungen für eine noch zu suchende Unterkunft
gerichtete Klage.
a. Einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II kann der Antragsteller nicht herleiten.
Anspruchsgrundlage für die von ihm begehrten Leistungen ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in
Verbindung mit §§ 19ff. SGB II. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach
dem SGB II Personen, die mindestens 15 Jahre alt sind und die Altersgrenze aus § 7a
SGB II nicht überschritten haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, soweit sie nicht von
einem Leistungsausschluss erfasst werden. Diese Voraussetzungen liegen bei dem
Antragsteller nicht vor.
aa. Der Antragsteller ist nicht erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II.
Erwerbsfähig im vorgenannten Sinne können gemäß § 8 Abs. 2 SGB II Ausländer nur
sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden
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sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden
könnte. Dies aber ist bei dem ausländischen Antragsteller nicht der Fall. Denn während
Unionsbürger grundsätzlich privilegierten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt
genießen und ihnen – wie sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine
Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) ergibt – die Aufnahme einer
Beschäftigung generell erlaubt ist, gilt dies für den Antragsteller als polnischen
Staatsangehörigen nicht. Vielmehr bestimmt § 13 FreizügG/EU ausdrücklich, dass in den
Fällen, in denen nach Maßgabe des Vertrages vom 16. April 2003 über den Beitritt u.a.
der Republik Polen abweichende Regelungen anwendbar sind, das FreizügG/EU nur
Anwendung findet, wenn die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gemäß §
284 Abs. 1 SGB III genehmigt wurde. Aufgrund des Regelungsvorbehaltes aus Anhang XII
Nr. 2.2. der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der
Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der
Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der
Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden
Verträge ist es den „alten“ Mitgliedsstaaten gerade möglich, im Interesse einer
Anpassung ihrer arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Lage an die erweiterte Union
die Freizügigkeit gegenüber den Staatsangehörigen der neuen Mitgliedsstaaten – mit
Ausnahme der Staatsangehörigen Maltas und Zyperns – zu beschränken, wovon die
Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht hat.
Hieraus folgt vorliegend, dass dem Antragsteller eine Arbeitsgenehmigung-EU nach §
284 Abs. 1 SGB III durch die Bundesagentur für Arbeit erteilt worden sein müsste
(ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.12.2007 – L 5 B 2073/07 AS ER, Rn.
15; zitiert nach JURIS). Dies ist hier jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat die
Bundesagentur für Arbeit einen Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer
Arbeitsgenehmigung-EU mit Bescheid vom 06.07.2009 abgelehnt.
Auch ist nicht glaubhaft gemacht, dass dem Antragsteller eine Arbeitserlaubnis-EU nach
§§ 284 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB III i.V.m. § 39 Abs. 2 bis 4, 6 des Aufenthaltsgesetzes
erteilt werden könnte. Dies setzt u.a. voraus, dass ansonsten für die konkret
gewünschte Beschäftigung keine vermittlungsfähigen Arbeitnehmer zur Verfügung
stehen (§ 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Aufenthaltsgesetz). Dafür ist hier nichts
glaubhaft gemacht noch sonst erkennbar. Aussicht auf eine konkrete Beschäftigung zu
haben hat der Antragsteller ebenso wenig vorgetragen wie konkrete Arbeitsbemühungen
oder auch nur Tätigkeitsfelder, in denen er nach Arbeit sucht. Überdies ist – das
Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU
unterstellt – derzeit keine Reduzierung des nach § 284 Abs. 3 SGB III eröffneten
Ermessens ersichtlich.
Allein die Möglichkeit, dass der Personengruppe, der der Antragsteller
zugehört, nach § 284 SGB III grundsätzlich die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestattet
werden kann, genügt nach Ansicht der Kammer nicht, um den Antragsteller als
erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 Abs. 2 SGB II anzusehen (ebenso
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.07.2008 – L 7 AS 3031/08 ER-B, Rn. 7; LSG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.12.2007 – L 5 B 2073/07 AS ER, L 5 B 2092/07 AS
PKH; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.10.2006 – L 3 ER 175/06 AS; Rn. 19ff.; offen
gelassen von LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.04.2008 – L 7 B 70/08 AS ER;
a.A.: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2007 – L 32 B 1558/07 AS ER, Rn.
18; alle zitiert nach JURIS). Ein solches Verständnis entspricht auch der
gesetzgeberischen Intention, die der Regelung in § 8 Abs. 2 SGB II (in dem
ursprünglichen Gesetzesentwurf noch § 8 Abs. 3) zugrunde liegt: Die Frage, ob ein
unbeschränkter oder nachrangiger Arbeitsmarktzugang gewährt wird, sollte durch das
SGB II unberührt bleiben und sich weiterhin ausschließlich nach den
arbeitsgenehmigungsrechtlichen Regelungen richten (Entwurf eines Vierten Gesetzes für
moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Ds. 15/1516, S. 52).
Schließlich hat der Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht, dass bei ihm die
tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer
Arbeitsberechtigung-EU aus § 284 Abs. 5 SGB III in Verbindung mit § 12a der
Arbeitsgenehmigungsverordnung vorliegen. Der Antragsteller war bislang nicht für einen
Zeitraum von mindestens zwölf Monaten im Bundesgebiet zum Arbeitsmarkt
zugelassen.
bb. Überdies ist der Antragsteller nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Bezug von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II – und wegen § 23 Abs.
3 Satz 1 Var. 2 SGB XII auch von Leistungen der Sozialhilfe – ausgeschlossen.
Ausgenommen sind hiernach u.a. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem
Zweck der Arbeitsuche ergibt. Dies ist bei dem Antragsteller der Fall.
Insbesondere kann sich der Antragsteller nicht auf ein gemeinschaftsrechtlich
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Insbesondere kann sich der Antragsteller nicht auf ein gemeinschaftsrechtlich
begründetes, allgemeines und voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht stützen. Art. 18
Abs. 1 EGV gewährleistet das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht der Unionsbürger nur
vorbehaltlich der in dem EGV und
. Ein allgemeines, unbefristetes, von keinerlei
Voraussetzungen abhängiges Aufenthaltsrecht für Unionsbürger in anderen
Mitgliedsstaaten lässt sich hieraus nicht herleiten. Vielmehr sieht Art. 6 der Richtlinie
2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (sog.
Unionsbürgerrichtlinie; Abl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77) ein – abgesehen von der Pflicht
zum Besitz eines gültigen Personalausweises bzw. Reise-passes – voraussetzungsloses
Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern nur für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten vor.
Dieser Zeitraum ist hinsichtlich des Antragstellers bereits verstrichen.
Da der Antragsteller ersichtlich keiner der sonstigen in § 2 Abs. 2 und 3 FreizügG/EU
geregelten Fallgruppen zugehört, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland nicht
als Arbeitnehmer oder Selbständiger erwerbstätig ist, ihm überdies unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt nach dem Aufenthaltsgesetz eine günstigere Rechtsstellung
als nach dem FreizügG/EU zuwächst, die ihm nach § 11 Abs. 1 Satz 5 FreizügG/EU
erhalten bleiben würde, da der Antragsteller auch die Voraussetzungen von § 4 Satz 1
FreizügG/EU nicht erfüllt, weil er nicht über ausreichende Existenzmittel und einen
ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügt, und da in der Person des
Antragstellers schließlich auch die Voraussetzungen eines Daueraufenthaltsrechts aus §
4a FreizügG/EU nicht vorliegen, vermag er sein Aufenthaltsrecht gegenwärtig allein aus
dem Aufenthaltszweck der Arbeitssuche im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2
FreizügG/EU herzuleiten.
Insbesondere hat der Antragsteller nicht bereits Arbeitnehmerstatus im Sinne von § 2
Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 FreizügG/EU, Art. 39 EGV erlangt. Dabei vertritt der EuGH in ständiger
Rechtsprechung einen sehr weiten Arbeitnehmerbegriff, dem zufolge Arbeitnehmer jeder
ist, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt – ohne dass es darauf ankäme,
dass das Beschäftigungsverhältnis nach nationalem Recht ein Rechtsverhältnis sui
generis ist, wie hoch die Produktivität des Betreffenden ist, woher die Mittel für die
Vergütung stammen oder dass sich die Vergütung in Grenzen hält – wobei allerdings
jene Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie
sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (EuGH, Urteil vom 07.09.2004,
Rechtssache C-456/02 – , EuZW 2005, S. 307, 308; Urteil vom 23.03.2004,
Rechtssache C-138/02 – , EuZW 2004, S. 507). Das wesentliche Merkmal des
Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während
einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt,
für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, a.a.O. – ). Auch
diesem weiten Arbeitnehmerbegriff unterfällt der Antragsteller indes nicht, da er keinerlei
dergestalt geartete Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ausübt.
Auch ist nach Überzeugung der Kammer der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 SGB II jedenfalls insofern mit höherrangigem Recht – insbesondere mit den
Vorschriften des europäischen Primär- sowie Sekundärrechts – vereinbar, als hierdurch
Staatsangehörige eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union, der nicht
Vertragspartei des Europäischen Fürsorgeabkommens ist, vom Bezug von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen sind, soweit sie ihr
Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein aus dem Zweck der
Arbeitssuche herleiten können (ebenso im Ergebnis LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 08.06.2009 – L 34 AS 790/09 B ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 03.04.2008 – L
9 AS 59/08 B ER; OVG Bremen, Beschluss vom 15.11.2007 – S 2 B 426/07, Rn. 15ff.;
Mangold/Pattar, Ausschluss von Leistungen für arbeitssuchende Ausländer:
Notwendigkeit einer europa-, völker- und grundrechtskonformen Auslegung des § 7 Abs.
1 S. 2 SGB II, in: VSSR 2008, 243ff.; ebenso, aber einen Anspruch nach dem SGB XII
bejahend: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.06.2007 – L 9 B 80/07 AS ER, Rn.
25ff.; Beschluss vom 03.11.2006 – L 20 B 248/06 AS ER, Rn. 22ff.; a.A.: LSG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 25.04.2007 – L 19 B 116/07 AS ER; Schreiber, Frank, Der
Arbeitslosengeld II-Anspruch von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen, in: info also
2008, 3ff.)
Zwar ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des EuGH auch jene
Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates, die in einem anderen Mitgliedsstaat eine
Beschäftigung suchen, in den Anwendungsbereich von Art. 39 EGV fallen und daher
einen Anspruch auf die in Art. 39 Abs. 2 EGV vorgesehene Gleichbehandlung haben mit
der Folge, dass es nicht mehr möglich ist, vom Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2
EGV eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines
Mitgliedsstaates erleichtern soll (EuGH, a.a.O. – , ebenso EuGH, Urteil vom
15.09.2005, Rechtssache C-258/04 – , EuZW 2005, 663, 664; Urteil vom
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15.09.2005, Rechtssache C-258/04 – , EuZW 2005, 663, 664; Urteil vom
04.06.2009, Rechtssachen C-22/08 und C-23/08 – ). Indes ist es
legitim, dass ein Mitgliedsstaat solche Beihilfen erst gewährt, nachdem das Bestehen
einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitssuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses
Staates festgestellt wurde, wobei sich eine solche Verbindung auch aus der Feststellung
ergeben kann, dass der Betroffene in dem in Rede stehenden Mitgliedsstaat während
eines angemessenen Zeitraumes tatsächlich eine Beschäftigung gesucht hat. Daher
können sich Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates, die zur Arbeitssuche in einem
anderen Mitgliedsstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt
dieses Staates hergestellt haben, auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um in diesem
Mitgliedsstaat eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum
Arbeitsmarkt erleichtern soll. (EuGH, a.a.O. – , Rn. 38ff.).
Vor diesem Hintergrund ist auch die Regelung in Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie
im Einklang mit Art. 39 Abs. 2 EGV auszulegen, und zwar dahingehend, dass finanzielle
Leistungen, die unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht den Zugang
zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, nicht als „Sozialhilfeleistungen“ im Sinne von Art.
24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie angesehen werden können, wobei es Sache der
nationalen Behörden und Gerichte ist, die grundlegenden Merkmale einer finanziellen
Leistung, ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung zu prüfen (EuGH,
a.a.O. – Vatsouras, Koupatantze; Rn. 41, 45).
Dies zugrunde gelegt, ergibt sind dennoch kein Anspruch des Antragstellers auf
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Regelung in § 7
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist nicht im Hinblick auf den Ausschluss von Unionsbürgern
aus den mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II europarechtskonform einschränkend auszulegen,
denn jedenfalls bei den hier im Streit stehenden Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts im Sinne des 2. Abschnitts des 3. Kapitels des SGB II handelt es sich
nicht um
in dem vorgenannten Sinne.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB II soll die Grundsicherung für Arbeitssuchende erwerbsfähige
Hilfebedürftige bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen
und den Lebensunterhalt sichern. Indes ist die Regelung in § 1 Abs. 1 SGB II nach
Auffassung der Kammer nicht so zu verstehen, dass jede Grundsicherungsleistung nach
dem SGB II gleichermaßen jedem der in § 1 Abs. 1 SGB II beschriebenen Zwecke zu
dienen bestimmt ist. Vielmehr unterscheidet das SGB II, wie sich aus § 1 Abs. 2 SGB II
ergibt, grundlegend zwischen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit, die zur Beendigung
oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit dienen, und Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts. Diese Unterscheidung zwischen aktiven Leistungen, die den
Erwerbsfähigen bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen sollen, und
passiven Leistungen, die den Lebensunterhalt der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und
ihrer Familienangehörigen sichern sollen, war von Anfang an im
Gesetzgebungsverfahren zu dem Vierten Gesetz über moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt, dem u.a. das SGB II entstammt, angelegt (so ausdrücklich: Gesetzentwurf
eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 15/1516, S. 50) und wurde durch
den Gesetzgeber seither nicht aufgegeben. Vor diesem Hintergrund ist davon
auszugehen, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die
an die Stelle der früheren Arbeitslosenhilfe sowie Sozialhilfe traten, staatliche
Fürsorgeleistungen darstellen, die allein der Sicherung eines menschenwürdigen Lebens
der Hilfebedürftigen dienen und gerade nicht
. Sie sind als „Sozialhilfe“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie
anzusehen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.06.2009 – L 34 AS
790/09 B ER, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de ; OVG Bremen, Beschluss vom
15.11.2007 – S2 B 426/07, Rn. 14, zitiert nach JURIS).
Selbst wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – die Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Leistungen ansehen würde, die
, so fehlt es dem Antragsteller
jedenfalls an einer tatsächlichen Verbindung mit dem deutschen Arbeitsmarkt.
Wenngleich sich eine solche nach der Rechtsprechung des EuGH auch aus tatsächlicher
Arbeitssuche über einen angemessenen Zeitraum hinweg ergeben können soll, so hat
der Antragsteller bislang konkrete Bemühungen, in Deutschland eine Erwerbstätigkeit zu
finden, weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
Offen bleiben kann hier, ob andere Leistungen nach dem SGB II – insbesondere solche
nach dem 1. Abschnitt des 3. Kapitels – als finanzielle Leistungen im vorgenannten
Sinne, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, anzusehen sind und der
Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Lichte dessen
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Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Lichte dessen
europarechtskonform einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass er sich nicht auf
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erstreckt, denn solche Leistungen begehrt der
Antragsteller in dem hiesigen Verfahren nicht.
Schließlich sieht die Kammer keine Veranlassung, grundlegend an der Vereinbarkeit von
Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie mit europäischem Primärrecht, namentlich mit
Art. 12 EGV in Verbindung mit Art. 39 EGV, zu zweifeln mit der Folge, dass unter diesem
rechtlichen Gesichtspunkt auch der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. SGB II
mit Blick auf Unionsbürger möglicherweise insgesamt gegen europäisches Primärrecht
verstieße. Diese Frage kann im Lichte der Entscheidung des Gerichtshofes der
Europäischen Gemeinschaften in den Rechtssachen Vatsouras und Koupatantze (EuGH,
Urteil vom 04.06.2009 – Rs. C-22/08 und C 23-08; veröffentlicht im Internet unter
www.curia.europa.eu ) als geklärt angesehen werden. Auf die Vorlagefrage des
Sozialgerichts Nürnberg hin, ob Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Art. 12 in
Verbindung mit Art. 39 EGV vereinbar sei, sah der EuGH keinen rechtlichen
Gesichtspunkt, der die Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie berühren
könnte (EuGH, a.a.O. – Rechtssachen Vatsouras, Koupatantze – Rn. 46).
Nach alledem scheitert ein Anordnungsanspruch des Antragstellers sowohl an dessen
fehlender Erwerbsfähigkeit als auch an dem Leistungsausschluss aus § 7 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 SGB II.
b. Auch hinsichtlich des Antrages zu 2., der auf die Erteilung einer – abstrakten –
Zusicherung zu den Aufwendungen einer noch zu suchenden Unterkunft gerichtet ist,
sind die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft
gemacht.
Die Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II setzt nämlich voraus,
dass der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Wohnung
angemessen sind. Aus letzterem folgt, dass sich die begehrte Zusicherung auf ein
konkretes Wohnungsangebot beziehen muss, weil sich ansonsten die Angemessenheit
der Aufwendungen für die neue Unterkunft nicht sinnvoll prüfen lässt. Steht ein
konkretes Wohnungsangebot nicht in Rede, kann die Erteilung einer Zusicherung nicht
mit Erfolg verlangt werden. Erst recht besteht kein Anspruch darauf, dass die Behörde
das Vorliegen einzelner Zusicherungsvoraussetzungen isoliert feststellt (LSG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 11.08.2008 – L 25 B 1659/08 AS, Rn. 2; Beschluss vom
16.01.2009 – L 5 B 2097/09 AS ER, Rn. 18; zitiert nach JURIS). Eine von einem konkreten
Wohnungsangebot losgelöste abstrakte Zusicherung für einen Umzug in eine neue
Unterkunft kann ein Hilfebedürftiger weder im Hauptsacheverfahren noch im Verfahren
des einstweiligen Rechtsschutzes verlangen, weil das Gesetz eine abstrakte
Zusicherungsentscheidung nicht vorsieht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom
28.08.2008 – L 34 B 1334/08 AS PKH, Rn. 5 – zitiert nach JURIS).
Hier indes hat der Antragsteller bislang kein konkretes Wohnungsangebot vorgelegt.
Vielmehr begehrt er ausdrücklich die Erteilung einer abstrakten Zusicherung zu den
Aufwendungen einer noch zu findenden Wohnung. Für die Erteilung einer solchen
Zusicherung fehlt es an einer rechtlichen Grundlage.
c. Auch führen die grundrechtlichen Belange des Antragstellers hier zu keinem anderen
Ergebnis, denn es ist nicht ersichtlich, dass für den Antragsteller ohne die Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare
Beeinträchtigungen entstünden, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu
beseitigen wären. Unterbleibt die begehrte einstweilige Anordnung, droht dem
Antragsteller, zunächst in die Republik Polen zurückkehren und dort – ggf. unter
zwischenzeitlicher Inanspruchnahme der dortigen sozialen Sicherungssysteme – den
Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten zu müssen. Diese Beeinträchtigungen
wiegen nach Ansicht der Kammer nicht derart schwer, dass sie für den Antragsteller
einem Rechtsverlust gleich kämen und vor diesem Hintergrund die Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes geboten erscheinen ließen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 183,
193 SGG.
3. Dem Antragsteller war ab dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife seines
Prozesskostenhilfegesuchs Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Wenngleich die
Rechtsverfolgung hier im Ergebnis keinen Erfolg hat, so ist angesichts der hier
entscheidungserheblichen, obergerichtlich nicht geklärten Rechtsfragen der
Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf
Unionsbürger sowie der Auslegung von § 8 Abs. 2 SGB II davon auszugehen, dass die
Rechtsverfolgung durch den Antragsteller zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife
Rechtsverfolgung durch den Antragsteller zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife
hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung
mit § 114 Satz 1 ZPO hatte.
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