Urteil des SozG Berlin vom 24.02.2010
SozG Berlin: rücknahme der klage, grundsatz der identität, vertretung, objektive klagenhäufung, aufschiebende wirkung, form, eltern, lieferung, auflage, höchstbetrag
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Gericht:
SG Berlin 164.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 164 SF 1396/09 E,
S 165 SF 1629/09 E,
S 164 SF 1512/09 E
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 RVG, § 15 Abs 2 S
1 RVG, § 16 RVG, § 17 RVG, Nr
1008 RVG-VV
(Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsanwaltsvergütung -
"dieselbe Angelegenheit" iS des Gebührenrechts - Bekanntgabe
mehrerer Verwaltungsakte in Form eines Bescheides durch
Grundsicherungsträger - Erhöhung von Geschäfts- und
Verfahrensgebühr bei mehreren Auftraggebern - Erstattung nur
der "notwendigen" außergerichtlichen Kosten - fiktive
Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG -VV - Annahme eines
Teilanerkenntnisses außerhalb der mündlichen Verhandlung)
Leitsatz
1. "Eine Angelegenheit" im Sinne des RVG kann auch mehrere Gegenstände umfassen. Ob
mehrere Gegenstände dieselbe oder mehrere Angelegenheiten darstellen, hängt davon ab,
ob sie von einem einheitlichen Auftrag umfasst werden, zwischen ihnen ein innerer
Zusammenhang besteht und der Rechtsanwalt einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen wahrt
(vgl. BVerwG vom 09.05.2000 in NJW 2000, 2289; BayVGH vom 05.11.2007 -23 ZB 07.2340).
2. Ein Grundsicherungsträger ist rechtlich nicht gehindert, mehrere Verwaltungsakte, die
unterschiedlichen Adressaten gegenüber wirksam werden sollen, in der Form eines
Bescheides bekannt zu geben, sofern Bescheidadressaten und Inhaltsadressaten hinreichend
bestimmt sind. Die gewählte Form der Bescheiderteilung ist daher kein
entscheidungserheblicher Grund zur Klärung der Frage, ob eine Angelegenheit im Sinne des
Gebührenrechts vorliegt.
3. Hat ein Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber, so sind die Gebührenrahmen für die
Geschäfts- und die Verfahrensgebühr nach Nrn 2400 und 3103 RVG-VV bei Mindest- und
Höchstbetrag um 60 v.H. nach Nr 1008 RVG-VV zu erhöhen.
4. Es steht nicht im Beliebten eines Rechtsanwalts bzw. der Beteiligten, durch die Wahl einer
bestimmten Verfahrensvariante ein Aufblähen des Verfahrens in kostenrechtlicher Hinsicht zu
bewirken. Auch wenn dies vom Auftraggeber ausdrücklich gewünscht sein sollte, dies steht
einer Kostenbegrenzung auf das notwendige Maß im Kostenerstattungsverfahren nicht
entgegen (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 30.10.2009 -6 WF 400/08-).
5. Eine Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV in Form der "fiktiven Terminsgebühr" setzt
voraus, dass das Verfahren nach Annahme eines vollständigen Anerkenntnisses ohne
mündliche Verhandlung geendet hat; lediglich ein Teilanerkenntnis löst keine Terminsgebühr
nach Nr 3106 RVG-VV aus.
Tenor
Auf die Erinnerungen gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 07.04.2009 (S 107
AS 1…./08), vom 13.05.2009 (S 106 AS 1…./08) und vom 23.04.2009 (S 107 AS 1…./08)
werden die Kostenfestsetzungsbeschlüsse aufgehoben und der Betrag der zu
erstattenden außergerichtlichen Kosten für die drei vorgenannten Verfahren wird auf
1.054,34 EUR festgesetzt. Dieser Betrag ist vom 09.02.2009 an mit fünf Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 247 BGB) zu verzinsen.
Die Kosten der Erinnerungsverfahren trägt der Erinnerungsgegner.
Gründe
I.
Mit drei Bescheiden vom 31.10.2007 verfügte der Erinnerungsführer zulasten der von
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Mit drei Bescheiden vom 31.10.2007 verfügte der Erinnerungsführer zulasten der von
dem Erinnerungsgegner vertretenen Mandanten die Aufhebung von
Leistungsbewilligungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2007 bis 31.07.2007 und
verlangte die Erstattung vermeintlich zu Unrecht gezahlter Leistungen gegenüber jedem
einzelnen Mandanten und zwar in Höhe von zweimal 659,64 EUR (Ehegatten) und einmal
444,79 EUR (Sohn). Die drei Mandanten des Erinnerungsgegners sind eine Familie und
bildeten zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Bedarfsgemeinschaft iSd SGB II. Die
Aufhebung der Leistungsbewilligungen begründete der Erinnerungsführer mit dem
Wegfall der Hilfebedürftigkeit, da die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit
dem eigenen sowie mit dem einzusetzenden Einkommen der übrigen Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft in der Lage seien, ihren Bedarf zu decken.
Gegen die einzelnen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 31.10.2007 erhob der
Erinnerungsgegner namens und in Vollmacht jedes einzelnen Mandanten Widerspruch,
die der Erinnerungsführer mit (drei) Widerspruchsbescheiden vom 04.03.2008 und
05.03.2008 zurückwies.
Dagegen richteten sich die drei am 10.04.2008 bei dem Sozialgericht Berlin
eingegangenen, nahezu wortgleichen Klagen. Die Klagen wurden unter den
Verfahrensaktenzeichen S 107 AS 1…../08, S 107 AS 1…../08 und S 106 AS 1…./08
registriert. Die Klagen waren auf Aufhebung der erlassenen Aufhebungs- und
Erstattungsbescheide gerichtet.
Mit Bescheiden vom 11.12.2008 ermäßigte der Erinnerungsführer die
Erstattungsforderung gegenüber den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft auf zweimal
355,87 EUR (Ehegatten) und einmal 166,56 EUR (Sohn) wegen fehlerhafter Anwendung
der Vorschrift des § 40 Abs. 2 SGB II. Der Erinnerungsgegner erklärte daraufhin für die
Mandanten die „Annahme der Anerkenntnisse“ und beantragte zugleich, die
notwendigen außergerichtlichen Kosten nach § 193 SGG dem Beklagten aufzugeben.
Der Beklagte erkannte daraufhin die Kostentragungslast in allen drei gerichtlichen
Verfahren in voller Höhe an.
Mit Abtretungsvertrag vom 12.02.2009 traten die Mandanten ihre
Kostenerstattungsansprüche gegen den Beklagten in dieser Sache in gesetzlicher Höhe
an den Erinnerungsgegner ab, der diese Abtretung annahm. Mit seinen drei
gleichlautenden Kostenfestsetzungsanträgen begehrte der Erinnerungsgegner die
Festsetzung je folgender Gebühren und Beträge:
Der Erinnerungsführer machte im Kostenfestsetzungsverfahren Unbilligkeit geltend. Er
verwies auf die Anwendung der Vorschrift der Nr. 1008 VV RVG und auf die Parallelität
der durchgeführten Verfahren.
Mit den oben näher bezeichneten Kostenfestsetzungsbeschlüssen wurden die geltend
gemachten Kosten weitestgehend antragsgemäß festgesetzt. Lediglich in einem
Kostenfestsetzungsbeschluss nahm die Urkundsbeamtin einen Gebührentausch
dahingehend vor, als dass anstatt der beantragten Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV
RVG eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Höhe von netto 190,00 EUR
festgesetzt worden ist.
Dagegen wendet sich der Erinnerungsführer mit seinen drei Erinnerungen. Die Kammer
hat die Erinnerungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
verbunden.
Der Erinnerungsführer meint, in den drei Verfahren hätte eine Identität der Sach- und
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Der Erinnerungsführer meint, in den drei Verfahren hätte eine Identität der Sach- und
Rechtslage bestanden, weshalb eine kostenseitige Bewertung als drei verschiedene
Verfahren nicht in Betracht käme. Nur aus dem Umstand heraus, dass der
Erinnerungsführer verpflichtet sei, Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen an jedes
Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II gesondert zu verfügen und
bekanntzugeben, könne nicht geschlossen werden, dass sich der anwaltliche
Arbeitsaufwand potenziere. Der Lebenssachverhalt, nämlich die Einkommenserzielung
eines Mitgliedes einer Bedarfsgemeinschaft, sei ein einheitlicher. Der Erinnerungsführer
macht geltend, dass vorliegend die Geschäfts- und Verfahrensgebühr nur einmal unter
Anwendung des Gebührentatbestandes Nr. 1008 VV RVG für zwei weitere Auftraggeber
erstattungsfähig ist.
Der Erinnerungsgegner erwidert, dass die drei getrennt geführten Verfahren der
Bedarfsgemeinschaft kostenrechtlich getrennt behandelt werden müssten. Es bestünde
zwar zwischen den einzelnen Klagen ein innerer Zusammenhang, jedoch müsse
berücksichtigt werden, dass Anlass der Klageverfahren die von dem Erinnerungsführer
veranlasste getrennte Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II von jedem
einzelnen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft in unterschiedlicher Höhe gewesen sei.
Daher habe auch hinsichtlich jedes einzelnen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft eine
getrennte Überprüfung und Berechnung der Rückforderungsbeträge stattfinden müssen,
was erheblich Zeit in Anspruch genommen habe. Die Behauptung, es handele sich um
sachlich identische Verfahren, sei daher falsch. Hinsichtlich des weiteren Vortrags wird
auf den Schriftsatz vom 08.06.2009 verwiesen.
Das Gericht hat im Termin am 16.02.2010 den Sachverhalt mit dem Erinnerungsgegner
erörtert sowie die Mandanten des Erinnerungsgegners als Zeugen vernommen. Auf die
Niederschrift insoweit wird Bezug genommen.
II.
Die Erinnerungen sind begründet und führen zur Aufhebung der angefochtenen
Beschlüsse und Festsetzung eines Betrages von 1.054,34 EUR gemäß nachstehender
Berechnung:
In der Sache hätte eine Festsetzung höherer Gebühren und Auslagen nicht erfolgen
können, weil die von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger eingeleiteten drei Vor-
und Hauptsacheverfahren dieselbe Angelegenheit im Sinn des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG
darstellen, für die der Rechtsanwalt die Gebühren nur ein Mal fordern kann.
Eine Angelegenheit iSd des Vergütungsrechts ist das Recht oder Rechtsverhältnis, auf
das sich die Tätigkeit des Rechtsanwaltes aufgrund des Auftrages bezieht (BVerwG vom
9.5.2000 NJW 2000, 2289; BayVGH vom 5.11.2007 Az. 23 ZB 07.2340). Eine
Angelegenheit im Sinne des RVG kann auch mehrere Gegenstände umfassen. Ob
mehrere Gegenstände dieselbe oder mehrere Angelegenheiten darstellen, hängt davon
ab, ob sie von einem einheitlichen Auftrag umfasst werden, zwischen ihnen ein innerer
Zusammenhang besteht und der Rechtsanwalt einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen
wahrt (vgl. BVerwG vom 9.5.2000 und BayVGH vom 5.11.2007 jeweils a.a.O. zu § 7 Abs.
2 BRAGO; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., § 15 RVG RdNrn. 9 bis 12, 20 und 28;
Gerold/Schmidt, RVG, 17. Aufl., § 15 RdNrn. 6 ff., RdNrn. 16 ff.).
Unter diesen Voraussetzungen ist es im Hinblick auf das dem RVG (früher BRAGO)
zugrunde liegende Pauschsystem gerechtfertigt, eng zusammengehörige anwaltliche
Tätigkeiten auch zu einer Gebührenbemessungseinheit zusammen zu fassen (vgl.
BVerwG, Urt. v. 09.05.2000 - 11 C 1.99 -, NJW 2000, 2289 f.; OVG NRW, Beschl. v.
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BVerwG, Urt. v. 09.05.2000 - 11 C 1.99 -, NJW 2000, 2289 f.; OVG NRW, Beschl. v.
27.03.2001 - 10 E 84/01 -, BauR 2001, 1402). Dabei wird die Durchführung verschiedener
gerichtlicher Verfahren regelmäßig dafür sprechen, dass ein innerer Zusammenhang
zwischen den Verfahrensgegenständen nicht besteht und der Rechtsanwalt wegen der
unterschiedlichen materiell-rechtlichen und prozessualen Voraussetzungen und
Anforderungen an einer einheitlichen Vorgehensweise gehindert ist (vgl. BVerwG, a.a.O.;
ferner von Eiken, in: Gerold/Schmidt/von Eiken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl. 2004,
§ 7 RdNr. 12). Allerdings ist nicht ausnahmslos von der Identität von Verfahren und
Angelegenheiten in der Weise auszugehen, dass mehrere Verfahren auch zwingend
mehrere Angelegenheiten darstellen. Ob ein Ausnahmefall von dem Grundsatz der
Identität von Verfahren und Angelegenheit vorliegt, ist in Anwendung der dargelegten
allgemeinen Abgrenzungskriterien zu entscheiden, also danach, ob die Tätigkeiten in
den verschiedenen Verfahren von einem einheitlichen Auftrag umfasst werden, zwischen
ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und der Rechtsanwalt einen einheitlichen
Tätigkeitsrahmen wahrt (BVerwG, a.a.O.).
Dies kann die Kammer vorliegend bejahen. Der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt
war für alle drei Kläger bereits in den Vorverfahren tätig und wurde sodann für die
Klageerhebung mandatiert. Die Aufklärung des Sachverhalts im Termin zur Erörterung
hat darüber hinaus ergeben, dass der Kontakt und die Besprechungen mit dem
Erinnerungsgegner durch die Mandantschaft ausschließlich über die Zeugin R D
bestanden haben, wobei diese die anderen Familienmitglieder – wie auch üblich – über
die Vorgehensweise und das Ergebnis der Besprechungen informiert hat. Insoweit kann
die Kammer dem Vorbringen des Zeugen O D keine entscheidungserhebliche
Beachtung schenken, denn soweit dieser im Rahmen seiner Vernehmung ausgesagt
hat, ihm sei es in einem schützenswerten Ausmaß auf die getrennte und gesonderte
Vertretung durch den Erinnerungsgegner – getrennt von der Vertretung seiner Eltern -
angekommen, da seinerzeit das Verhältnis zu seinen Eltern „schwierig“ gewesen sei,
kann die Kammer dem nur entgegenhalten, dass er sich um die anwaltliche Vertretung
mitnichten gekümmert hat. Er hat den Erinnerungsgegner weder persönlich aufgesucht
noch fernmündlich kontaktiert. Stattdessen hat er sich auch dabei von seiner Mutter
vertreten lassen, wobei die Kammer Zweifel hat, dass dies mit dem so „schwierigen“
Verhältnis zu seinen Eltern in Einklang gebracht werden kann. Grundsätzlich muss die
Kammer vorliegend nicht der Frage nachgehen, wie die Sache zu entscheiden wäre,
wenn alle drei Familienmitglieder unterschiedliche Rechtsanwälte mit der Vertretung
beauftragt hätten. Unter Hinweis auf die Regelung des § 193 Abs. 2 SGG, nach der nur
die notwendigen Aufwendungen zu erstatten sind, würde die Kammer bei einer
entsprechenden Entscheidung jedoch die Frage, ob eine Vertretung in diesem Umfang
notwendig ist, problematisieren und beantworten müssen. Die Kammer zieht das Recht
des einzelnen, sich von einem Anwalt seines Vertrauens vertreten zu lassen, nicht in
Zweifel. Die Frage der Kostenerstattung durch den Gegner ist damit jedoch nicht
untrennbar verknüpft.
Die Klagen sind wortgleich, bis auf die Bezeichnung der Rückforderungsbeträge und die
Parteibezeichnung, ohne dass es auf die Darstellung individueller Besonderheiten bei
den einzelnen Klägern angekommen wäre. Der Gegenstand der Klagen war zwar nicht
identisch, denn nach § 95 SGG ist Gegenstand der Klage der Verwaltungsakt in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides. Allerdings bestand der innere Zusammenhang
zwischen den Gegenständen, denn einerseits beruht die Aufhebung der
Leistungsbewilligung auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt, nämlich der
Einkommenserzielung nur eines Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft und andererseits
kann eine Überprüfung und Berechnung des Leistungsanspruches nach dem SGB II
wegen der gesetzlichen Konstruktion der horizontalen Einkommensverteilung in § 9 Abs.
2 SGB II zwischen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft gar nicht getrennt und einzeln
für die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft erfolgen, sondern muss zwangsläufig
zusammen für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zusammen errechnet werden.
Genauso verhält es sich bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung.
Auch hier muss zunächst berechnet werden, welche Beträge an Leistungen den
einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft unter Anrechnung des erzielten
Einkommens zugestanden hätten, um diese dann vom den Beträgen der tatsächlich
gewährten Leistungen in Abzug zu bringen.
Den einheitlichen Tätigkeitsrahmen hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger auch
dadurch gewahrt, dass er in allen aufgeführten Verfahren unter dem gleichen Datum
inhaltlich gleich lautende Schriftsätze vorgelegt hat.
Dem Erinnerungsgegner ist zwar insofern Recht zu geben, als dass die Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als Individualrechtsansprüche
ausgestaltet sind, was jedoch das gefundene Ergebnis nicht beeinflusst, denn durch die
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ausgestaltet sind, was jedoch das gefundene Ergebnis nicht beeinflusst, denn durch die
Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft und der horizontalen Einkommensverteilung kann
die Höhe der Leistungen nicht ohne Berechnungen zur Höhe der Leistungsansprüche
anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erfolgen.
In diesem Zusammenhang muss die Kammer darauf hinweisen, dass der
Erinnerungsführer rechtlich nicht gehindert ist, mehrere Verwaltungsakte, die
unterschiedlichen Adressaten gegenüber wirksam werden sollen, in der Form eines
Bescheides bekannt zu geben, sofern Bescheidadressaten und Inhaltsadressaten
hinreichend bestimmt sind. Die gewählte Form der Bescheiderteilung ist daher kein
entscheidungserheblicher Grund zur Klärung der Frage, ob eine Angelegenheit im Sinne
des Gebührenrechts vorliegt.
Allerdings kann bei der Vertretung einer Bedarfsgemeinschaft nichts stets davon
ausgegangen, dass mehrere Gegenstände eine Angelegenheit bilden, denn dass eine
Identität von Verfahren und Gegenstand nicht gegeben sein kann, ist ein Ausnahme-
und nicht der Regelfall. Von daher stellt die Kammer fest, dass grundsätzlich nur dann,
wenn von einem einheitlichen Lebenssachverhalt ausgegangen werden kann, der Erlass
der Verwaltungsakte in einem engen zeitlichen Zusammenhang steht, keine
Besonderheiten bei der anwaltlichen Bearbeitung erforderlich sind und der Rechtsgrund
identisch ist, von der Annahme eines Ausnahmefalles ausgegangen werden kann, was
bedeutet, dass die Führung mehrerer Verfahren nicht zwingend die Bearbeitung
mehrerer Angelegenheiten darstellt.
Im Übrigen entspricht dies der breiten anwaltlichen Praxis bei der Geltendmachung
höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, beispielsweise höherer
Leistungen für die Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II. Auch hier existieren
hinsichtlich mehrerer Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft Regelungen zur Höhe der
Kosten für die Unterkunft, da diese nach § 22 Abs. 1 SGB II kopfteilig gewährt werden.
Auch wenn bezüglich der Höhe der Kosten für die Unterkunft durch den Rechtsanwalt für
jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ein eigenständiges Vor- und Klageverfahren
durchgeführt werden würde, so handelte es sich doch um eine Angelegenheit im Sinne
des Gebührenrechts. Für die Kammer gibt es keinen Grund, die Fälle der
Leistungsaufhebung und –rückforderung anders zu behandeln, jedenfalls dann nicht,
wenn ein innerer Zusammenhang besteht und ein einheitlicher (Tätigkeits-)Rahmen
gewahrt bleibt.
Ohne Erfolg trägt der Erinnerungsgegner dagegen vor, dass der einheitliche Rahmen
schon deshalb nicht gewahrt sei, weil der Erinnerungsführer die Erstattungsforderung nur
hinsichtlich zweier seiner Mandanten ruhend gestellt habe und damit die aufschiebende
Wirkung von Widerspruch und Klage beachtet hat, denn das nach § 86b Abs. 1 SGG für
den Mandanten geführte Verfahren auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung stellte
unzweifelhaft eine gesonderte Angelegenheit dar, für die nach Aktenlage eine Erstattung
der Aufwendungen iSd § 193 SGG auch bereits erfolgt ist.
Etwas anderes ergibt auch nicht aus den Vorschriften der §§ 16, 17 RVG. In § 16 RVG und
§ 17 RVG werden die Fälle aufgeführt, in denen es ohne diese Regelungen zweifelhaft
wäre, ob sie eine gemeinsame Angelegenheit bilden oder verschiedene Angelegenheiten
darstellen. Die vorliegende Frage, ob mehrere Klageverfahren mit unterschiedlichen
Gegenständen dieselbe Angelegenheit sind, regeln sie nicht. Hierfür bleibt es bei den
Vorschriften der §§ 22 Abs. 1, 15 Abs. 2 RVG.
Da der Erinnerungsgegner insoweit mehrere Auftraggeber hatte, waren die
Gebührenrahmen für die Geschäftsgebühr und die Verfahrensgebühr nach Nrn. 2400
und 3103 VV RVG bei Mindest- und Höchstbetrag um 60% nach Nr. 1008 VV RVG zu
erhöhen.
Darüber hinaus muss die Kammer darauf hinweisen, dass im Rahmen von § 193 Abs. 2
SGG nur die „notwendigen“ außergerichtlichen Kosten erstattungsfähig sind. Notwendig
zur Rechtsverfolgung sind die von der Kammer oben dargestellten Gebühren und
Auslagen. Der Rechtsanwalt ist daher grundsätzlich gehalten, bei der Auswahl zwischen
verschiedenen verfahrensrechtlich statthaften Varianten, z. B. Erhebung einer Klage mit
mehreren Gegenständen (objektive Klagenhäufung) bzw. Rechtsverfolgung für mehrere
Beteiligte in einer Klage (subjektive Klagehäufung) etc. auch Kostengesichtspunkte zu
berücksichtigen. Tut er dies nicht, verletzt er u. U. seine Pflichten aus dem
Mandatsvertrag und macht sich schadensersatzpflichtig. Im Rahmen der
Kostenerstattung durch einen Dritten kann ihm der Vorhalt der Kostenbegrenzung auf
die „notwendigen“ Kosten gemacht werden. Es steht nicht im Belieben des
Rechtsanwalts bzw. der Beteiligten, durch die Wahl einer bestimmten Verfahrensvariante
ein Aufblähen des Verfahrens in kostenrechtlicher Hinsicht zu bewirken. Soweit dies vom
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ein Aufblähen des Verfahrens in kostenrechtlicher Hinsicht zu bewirken. Soweit dies vom
Auftraggeber ausdrücklich gewünscht sein sollte, steht dies einer Kostenbegrenzung auf
das notwendige Maß im Kostenerstattungsverfahren nicht entgegen (vgl. hierzu OLG
Hamm, Beschluss vom 30.10.2008, 6 WF 400/08 – juris-).
Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Form der „fiktiven Terminsgebühr ist nicht
angefallen, da dies voraussetzen würde, dass das Verfahren nach Annahme eines
Anerkenntnisses ohne mündliche Verhandlung geendet hat. Dem war vorliegend nicht
so, denn mit der Ermäßigung der Erstattungsforderung wegen Neuberechnung unter
Anwendung des § 40 Abs. 2 SGB II hat der Beklagte und Erinnerungsführer lediglich ein
Teilanerkenntnis abgegeben, was der Erinnerungsgegner für die Kläger zwar
angenommen hat, dies jedoch den Rechtsstreit nur insoweit beendet hat, § 101 Abs. 2
SGG. Auch das Kostengrundanerkenntnis des Beklagten in allen drei Verfahren führt
nicht etwa zu der Annahme, dass vorliegend ein vollständiges Anerkenntnis abgegeben
worden sei, denn nach § 101 Abs. 2 SGG ist auf den Rechtsstreit in der Hauptsache und
nicht im Hinblick auf die Nebenentscheidungen abzustellen. Weshalb der Beklagte hier in
allen drei Verfahren ein vollumfängliches Kostengrundanerkenntnis abgegeben hat,
erschließt sich der Kammer bei dem Verlauf der Verfahren allerdings nicht.
Zur gänzlichen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache war dann noch die
Erledigungs-Erklärung bzw. Rücknahme der Klage im Übrigen erforderlich, wobei
allgemein unterstellt werden kann, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten von der
Fortführung des Rechtsstreits abrät bzw. auf ihn einwirkt, das Verfahren nicht
fortzuführen, wobei dies die Anwendung des Gebührentatbestandes der Nrn. 1002,
1005, 1006 VV RVG rechtfertigt. Die Kammer verweist insoweit sowie in Bezug auf den
vorgenommenen Gebührentausch auf die insofern zutreffenden Ausführungen der
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom
23.04.2009 zum Verfahren S 107 AS 1…../08.
Die Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren beruht auf analoger Anwendung
der §§ 197a SGG iVm 154 Abs. 1 VwGO. Der Erinnerungsgegner macht die
Erstattungsforderung in eigenem Namen und auf eigene Rechnung geltend. Er gehört
nicht zu dem Personenkreis, der in § 183 SGG in kostenrechtlicher Hinsicht privilegiert
ist. Der Erinnerungsführer gehört ebenfalls nicht zu den in § 183 SGG genannten
Personen, so dass nach § 197a SGG die zwingende Kostentragungsfolge des § 154 Abs.
1 VwGO auszusprechen war. Die Erhebung einer Gebühr nach § 34 GKG iVm Teil 7, Nrn.
7110 bis 7601 der Anlage 1 zum GKG – Kostenverzeichnis – ist nicht vorgesehen.
Die Kammer hält eine gesonderte Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren für
erforderlich, da das Erinnerungsverfahren im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren eine
gesonderte Angelegenheit i.S.d § 18 Nr. 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)
darstellt (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. September 2005 - L
2 B 40/04, AnwBl 2006, 146; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. November 2006 - L
6 B 221/06 SB, jeweils für das Beschwerdeverfahren; vgl. zur Verfahrensgebühr für
sozialgerichtliche Verfahren über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in dem
Verfahren Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen: Nr. 3501 des
Vergütungsverzeichnisses zum RVG; überdies Rohwer-Kahlmann, SGG, 4. Auflage, 42.
Lieferung 2004, § 197 RdNr. 18; Schneider, KostRsp., Nr. 1 § 18 Nr. 5 RVG, Lieferung 264,
Februar 2007; Schneider/Wolf, RVG, 3. Auflage 2006, § 16 RdNr. 108 ff.).
Die Kammer folgt ausdrücklich nicht dem Beschluss des Verwaltungsgerichts
Regensburg (VG Regensburg, 11. Kammer, Beschluss vom 01.07.2005, Az.: RN 11 S
03.2905), wonach nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nur Verfahren über
eine Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers in Angelegenheiten, in
denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses richten, eine
besondere Angelegenheit nach § 18 Nr. 5 RVG a. F. darstellen sollen. Das SGG kennt
den Rechtspfleger nicht. Aus dem Gebührentatbestand Nr. 3501 VV RVG ergibt sich
eindeutig, dass eine Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Gerichten der
Sozialgerichtsbarkeit über die Beschwerde und die Erinnerung, in denen
Betragsrahmengebühren entstehen, umfasst ist. Dass der Gesetzgeber in § 18 Nr. 5
RVG (aF) vom „Rechtspfleger“ spricht, darf als glattes (redaktionelles) Versehen des
Gesetzgebers gewertet werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18.06.2007 (Az.: 4 KSt 1002/07) und am
21.06.2007 (Az.: 4 KSt 1001/07) entschieden, dass § 18 Nr. 5 RVG (aF) auch
Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in
der Verwaltungsgerichtsbarkeit umfasst (entgegen VG Regensburg, a. a. O.).
Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§
197 Abs. 2 SGG), vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 09.11.2007, L 6 B 139/07 SF –
197 Abs. 2 SGG), vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 09.11.2007, L 6 B 139/07 SF –
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