Urteil des SozG Berlin vom 13.03.2017
SozG Berlin: aufschiebende wirkung, wichtiger grund, öffentliches interesse, auflösung, hauptsache, rechtsgrundlage, sanktion, auflage, anwendungsbereich, arbeitslosigkeit
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Gericht:
SG Berlin 185.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 185 AS 24298/10
ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst b
SGB 2, § 31 Abs 1 S 1 Nr 1
Buchst c SGB 2, § 31 Abs 4 Nr 3
Buchst b SGB 2, § 144 Abs 1 S 1
SGB 3, § 144 Abs 1 S 2 Nr 1
SGB 3
(Absenkung des Arbeitslosengeld II - Verhältnis von § 31 Abs 4
Nr 3 Buchst b SGB 2 zu § 31 Abs 1 SGB 2 - Sanktion wegen
Aufgabe eines selbst gesuchten Beschäftigungsverhältnisses -
Sperrzeit - kein wichtiger Grund - Zumutbarkeit von
Abhilfebemühungen und der Klage auf Überstundenvergütung)
Leitsatz
1. Die vorzeitige einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses, das nicht auf die
Initiative des SGB-II-Leistungsträgers zustande gekommen war, kann auch während des
laufenden Arbeitslosengeld-II-Bezuges zu einer Absenkung der Leistung nach § 31 Abs 4 Nr 3
Buchst b SGB 2 führen, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt des ihm vorgeworfenen
Verhaltens in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und somit in einem
Sozialrechtsverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit stand (Anschluss am Bundessozialgericht
(BSG), Urteil vom 22.03.2010 -B 4 AS 68/09 R-).
2. Der von § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2 geforderte Sanktionssachverhalt liegt danach nur
dann nicht vor, wenn ein Antragsteller für die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses einen
wichtigen Grund im Sinne von § 144 Abs 1 S 1 SGB 3 hatte.
3. Die sofortige Auflösung eines Beschäftigungsverhältnisses ohne den Versuch, bei den
strittigen Punkten auf Abhilfe zu dringen oder eine weitere Klärung zu versuchen, begründet
einen Sanktionssachverhalt, weil dadurch vereitelt wird, dass die Hilfebedürftigkeit nach dem
SGB 2 entfällt oder zumindest substantiell verringert wird.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner
Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.Urteil:
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Absenkung seiner Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts.
Der Antragsteller bezieht von dem Antragsgegner seit dem 24. Juli 2009 Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch -
Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Zum 4. Mai 2010 nahm der Antragsteller eine Beschäftigung als Reinigungskraft bei der
Firma … Gebäude ... GmbH auf. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 4. Mai 2010
erhielt der Antragsteller einen Lohn von 8,40 Euro brutto pro Stunde. Die Arbeitszeit
betrug täglich 3,5 Stunden, 17,5 Stunden wöchentlich bei einer 5-Tage-Woche. Der
Antragsteller war arbeitsvertraglich verpflichtet, je nach betrieblichem Bedarf
abweichend hiervon Mehrarbeit (Überstunden) zu leisten. Das Arbeitsverhältnis, über
das der Antragsteller den Antragsgegner im Rahmen einer Veränderungsmitteilung am
11. Mai 2010 unterrichtete, war befristet bis zum 31. Oktober 2010. Im gegenseitigen
Einvernehmen wurde das Arbeitsverhältnis jedoch bereits zum 31. Mai 2010 vorzeitig
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Einvernehmen wurde das Arbeitsverhältnis jedoch bereits zum 31. Mai 2010 vorzeitig
wieder aufgelöst.
Unter dem 1. Juni 2010 schlossen der Antragsteller und der Antragsgegner eine
Eingliederungsvereinbarung. Darin verpflichtete der Antragsteller sich unter anderem
dazu, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die bestehende Hilfebedürftigkeit
schnellstmöglich zu verringern bzw. abzuwenden und seinen Lebensunterhalt aus
eigenen Mitteln bestreiten zu können. Der Eingliederungsvereinbarung war eine
Belehrung über die Rechtsfolgen etwaigen Fehlverhaltens des Antragstellers beigefügt.
Mit Bescheid vom 14. Juli 2010 senkte der Antragsgegner die Leistungen des
Antragstellers für die Zeit vom 1. August 2010 bis 31. Oktober 2010 um 107,70 Euro
monatlich ab. Zur Begründung hieß es, dass der Antragsteller sich mit der Aufhebung
des Arbeitsverhältnisses bei der Firma … Gebäude … GmbH einverstanden erklärt und
sich somit geweigert habe, die Tätigkeit, die ihm unter Berücksichtigung seiner
Leistungsfähigkeit und seiner persönlichen Verhältnisse zumutbar gewesen sei,
fortzuführen. Gründe, die dieses Verhalten erklärten und als wichtig im Sinne des SGB II
anerkannt werden könnten, seien nicht angegeben und nachgewiesen worden. Als
Rechtsgrundlage wurde in dem Bescheid § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c und Abs. 6
SGB II genannt.
Gegen den Bescheid vom 14. Juli 2010 erhob der Antragsteller am 4. August 2010
Widerspruch. Zur Begründung trug der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass der
Bescheid rechtswidrig sei, weil entgegen der Vorgabe aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II
keine Belehrung über die Rechtsfolgen erfolgt sei. Außerdem, so trug der Antragsteller
weiter vor, sei er berechtigt gewesen, die Arbeit aufzugeben. Nach Aufnahme des
Arbeitsverhältnisses habe sich herausgestellt, dass er 6,5 Stunden täglich arbeiten
müsse, aber nur 3,5 Stunden bezahlt bekomme. Der Arbeitgeber habe hierzu erklärt,
dass er nicht mehr bezahlen werde, er aber bereit sei, das Arbeitverhältnis
einvernehmlich zu beenden, was dann auch geschehen sei.
Zugleich mit dem Widerspruch hat der Antragsteller am 4. August 2010 bei dem
Sozialgericht (SG) Berlin um einstweiligen Rechtsschutz ersucht.
Zur Begründung wiederholt und vertieft der Antragsteller seinen Vortrag aus dem
Widerspruch. Ergänzend trägt der Antragsteller vor, dass auf die Rechtsfolgenbelehrung
aus der Eingliederungsvereinbarung vom 1. Juni 2010 hier nicht abgestellt werden könne,
weil die Sanktion auf einem Ereignis gründe, das vor dem Abschluss der
Eingliederungsvereinbarung liege. Ob § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II in einem Fall wie
dem vorliegenden anwendbar sei, sei ungeklärt. Jedenfalls beziehe sich der Bescheid
vom 14. Juli 2010 ausdrücklich nur auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II und nicht
auf § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II. Ein Wechsel zwischen den Rechtsgrundlagen sei
nicht möglich, da die beiden Sanktionstatbestände unterschiedliche Voraussetzungen
hätten und dem Hilfebedürftigen auch ersichtlich sein müsse, warum die Sanktion
erfolge, damit er entsprechend reagieren könne. Außerdem, so trägt der Antragsteller
weiter vor, dürfe einem Langzeitarbeitslosen, der sich weigere, zu Dumpinglöhnen zu
arbeiten, das Arbeitslosengeld II nicht gekürzt werden.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2
SGG zu verpflichten, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 4. August 2010
wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner trägt im Wesentlichen vor, dass mit der Eingliederungsvereinbarung
vom 1. Juni 2010 eine Rechtsfolgenbelehrung erfolgt sei. Da die Leistungsabsenkung
aber auch auf § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II habe gestützt werden können, habe es
keiner Rechtsfolgenbelehrung bedurft. Der Antragsteller habe eine selbst gesuchte
Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht fortgeführt. Da eine konkrete, auf die einzelne
Arbeitsstelle abgestimmte Rechtsfolgenbelehrung in derartigen Fällen nicht erfolgen
könne, sei der Sachverhalt unter den Tatbestand des § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II
zu subsumieren. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II greife allein bei durch den SGB
II-Träger initiierten Arbeitsstellen bzw. Maßnahmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des
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auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des
Antragsgegners, die der Kammer zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig (a.), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg (b.).
a. Der Antrag ist bei verständiger Würdigung dahingehend auszulegen, dass der
Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 4.
August 2010 gegen den Bescheid vom 14. Juli 2010 begehrt. Der so verstandene Antrag
ist nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im
Übrigen zulässig.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den
Fällen, in denen der Widerspruch und die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung
haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Zwar haben
Widersprüche grundsätzlich aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG). Die
aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II
jedoch bei Sanktionsbescheiden nach § 31 SGB II, weil solche Bescheide Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende aufheben bzw. herabsetzen (vgl. nur
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Juli 2006, L 13 AS
1709/06 ER-B, Rn. 3 - zit. nach juris; , in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz. Kommentar, 9. Auflage 2008, § 86a Rn. 16b; , in: Münder
Praxiskommentar, 3. Auflage 2009, § 39 Rn. 5).
b. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
aa. Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist,
dass bei einer Abwägung das Interesse des Antragstellers, den Vollzug des mit seinem
Rechtsbehelf in der Hauptsache angegriffenen Bescheids bis zur Entscheidung in der
Hauptsache auszusetzen (privates Aussetzungsinteresse), das Interesse der
Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung des Bescheids (öffentliches
Vollzugsinteresse) überwiegt (vgl. z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.
Dezember 2008, L 10 B 2154/08 AS ER, Rn. 3 - zit. nach juris; Beschluss vom 29. Juli
2009, L 24 KR 157/09 B ER, Rn. 19 - zit. nach juris; Beschluss vom 7. September 2009, L
24 KR 173/09 B ER, Rn. 23 - zit. nach juris). Dabei besteht in den Fällen des § 86a Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 bis 4 SGG ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des öffentlichen
Vollzugsinteresses, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst einmal
angeordnet hat. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss in diesen Fällen
daher eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. zum
Vorstehenden nur , in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, a.a.O., § 86b Rn. 12c
m.w.Nachw.). Im Übrigen sind bei der Interessenabwägung vorrangig die
Erfolgsaussichten in der Hauptsache in den Blick zu nehmen (vgl. dazu sowie zum
Folgenden nur LSG Württemberg, a.a.O., Rn. 4). Danach kann die aufschiebende Wirkung
angeordnet werden, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich begründet
ist. Denn es besteht grundsätzlich kein öffentliches Interesse an der sofortigen
Vollziehung eines aller Voraussicht nach aufzuhebenden Verwaltungsaktes (vgl. etwa
auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2008, a.a.O.). Abzulehnen
ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hingegen, wenn der
Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich keinen Erfolg haben kann. Sind die
Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung,
wobei der Grad der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt
werden kann (vgl. auch , a.a.O., Rn. 12f m.w.Nachw.).
bb. Nach diesen Maßstäben konnte die Kammer dem Begehren des Antragstellers nicht
entsprechen. Der streitgegenständliche Sanktionsbescheid vom 14. Juli 2010 begegnet
bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen und dem Gericht allein
möglichen summarischen Prüfung keinen Bedenken.
(1) Der Bescheid vom 14. Juli 2010 ist formell rechtmäßig. Insbesondere wurde der
Antragsteller vor Erlass des Bescheids, wie es § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes
Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) vorsieht, unter dem
8. Juni 2010 rechtzeitig zum möglichen Eintritt der Sanktion angehört. Ob sich der
Bescheid auf die richtige Rechtsgrundlage stützt, ist keine Frage der formellen, sondern
allein eine solche der materiellen Rechtmäßigkeit. Insbesondere führt die Nennung einer
falschen Rechtsgrundlage nicht zu einem (formellen) Begründungsmangel nach § 35
Abs. 1 SGB X.
(2) Auch die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 14. Juli 2010 sieht sich zur
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(2) Auch die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 14. Juli 2010 sieht sich zur
Überzeugung der Kammer keinen Zweifeln ausgesetzt.
(a) Rechtsgrundlage des Bescheids ist § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II. Danach gelten
die Bestimmungen des § 31 Abs. 1 bis 3 SGB II über die Absenkung und den Wegfall des
Arbeitslosengeldes II entsprechend bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der die in
dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) genannten
Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt, die das Ruhen oder Erlöschen
eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen. Mit diesem Tatbestand angesprochen
sind die Voraussetzungen unter anderem des § 144 Abs. 1 SGB III.
§ 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II wird hier nicht verdrängt durch § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Buchst. c SGB II. Allerdings ist das Verhältnis zwischen § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II
und § 31 Abs. 1 SGB II umstritten (vgl. zur Diskussion unlängst , Sanktionierung
von Pflicht- und Obliegenheitsverletzungen im Bereich der Grundsicherung für
Arbeitsuchende. Bestandsaufnahme und Änderungsvorschläge, Zeitschrift für die
sozialrechtliche Praxis 2010, S. 340, 342 ff.).
Nach einer in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Meinung soll § 31 Abs. 1 SGB II
die gegenüber § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II speziellere und damit auch
abschließende Vorschrift in solchen Fällen darstellen, in denen die dem erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen vorgeworfene Handlung - wie hier - nach Eintritt in den Leistungs- und
Betreuungszusammenhang nach dem SGB II begangen wurde (vgl. z.B. LSG Baden-
Württemberg, Urteil vom 18. Februar 2009, L 3 AS 3530/08, Rn. 28 - zit. nach juris; LSG
Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Januar 2008, L 2 B 96/07 AS ER, Rn. 42 - zit. nach
juris; SG Düsseldorf, Urteil vom 8. Oktober 2010, S 28 AS 6/05, Rn. 27 f. - zit. nach juris;
SG Freiburg, Beschluss vom 26. März 2008, S 2 AS 474/08, Rn. 24 - zit. nach juris; ,
in: Münder, a.a.O., § 31 Rn. 132). Dafür spreche vor allem, dass der SGB II-
Leistungsträger andernfalls immer auf § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II zurückgreifen
könne, wenn die in § 31 Abs. 1 SGB II genannten Voraussetzungen nicht vorlägen. Das
könne z.B. der Fall sein, wenn der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nicht
nachgewiesen werden könne oder eine Absenkung nach § 31 Abs. 1 SGB II an der
mangelnden Rechtsfolgenbelehrung - die in § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst b SGB II nicht
vorgesehen ist - scheitere. Sowohl der (rechtzeitige) Abschluss einer
Eingliederungsvereinbarung als auch die Vornahme einer ordnungsgemäßen Belehrung
seien dem Leistungsträger in der Regel jedoch objektiv möglich und müssten ihm, wenn
die Voraussetzungen vorlägen, abverlangt werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.;
SG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 27). Die gegenteilige Auffassung würde letztlich das
ausdifferenzierte System der Sanktionsvoraussetzungen von § 31 Abs. 1 SGB II
aushebeln (vgl. SG Freiburg, a.a.O.; s. auch LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O., wonach sich
ansonsten die Konsequenz ergäbe, dass für § 31 Abs. 1 SGB II kaum noch ein
eigenständiger Anwendungsbereich verbliebe).
Demgegenüber wird in § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II teilweise auch eine allgemeine
Auffangregelung gesehen, die neben § 31 Abs. 1 SGB II grundsätzlich uneingeschränkt
Anwendung finde (vgl. z.B. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 7; LSG Hamburg, Urteil
vom 16. Juli 2009, L 5 AS 20/07, Rn. 24 ff.; , a.a.O., S. 342). Weder dem Wortlaut
noch der Systematik des § 31 SGB II lasse sich ein eingeschränkter Anwendungsbereich
des § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II entnehmen (vgl. LSG Hamburg, a.a.O., Rn. 31 f.;
, a.a.O., S. 343). Auch bedeute es einen nicht hinzunehmenden
Wertungswiderspruch, einerseits denjenigen ohne vorherige Rechtsfolgenbelehrung
sanktionieren zu können, der vor dem SGB II-Leistungsbezug sein - von der
Bundesagentur für Arbeit vermitteltes oder selbst gesuchtes - Beschäftigungsverhältnis
aufgegeben habe, gegenüber dem aber mangels Anspruchsberechtigung nach dem
SGB III keine Sperrzeit festgestellt worden sei, andererseits denjenigen, der während des
SGB II-Leistungsbezugs ein selbst gesuchtes Beschäftigungsverhältnis aufgegeben
habe, nicht sanktionieren zu können (vgl. LSG Hamburg, a.a.O., Rn. 26 ff.). Schließlich
unterfalle § 31 Abs. 1 SGB II nur ein Teil der von § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II
erfassten Sachverhalte, sodass die Bedenken, bei Anwendbarkeit des § 31 Abs. 4 Nr. 3
Buchst. b SGB II verbleibe kaum noch ein eigenständiger Anwendungsbereich für § 31
Abs. 1 SGB II, unbegründet seien (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat sich in zwei jüngeren Entscheidungen
nunmehr zum Verhältnis von § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II und § 31 Abs. 1 SGB II
geäußert.
In seinem Urteil vom 17. Dezember 2009 hat der Senat ausgeführt, dass § 31 Abs. 4 Nr.
3 SGB II - und damit auch dessen Buchst. b - nicht anwendbar sei, wenn das dem
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen abverlangte Verhalten bereits in § 31 Abs. 1 SGB II
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erwerbsfähigen Hilfebedürftigen abverlangte Verhalten bereits in § 31 Abs. 1 SGB II
geregelt sei und eine Beziehung des Hilfebedürftigen zum Rechtskreis des SGB III nicht
vorliege. Hierfür sprächen die Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck der Regelung
unter Berücksichtigung der Rechtsentwicklung. Für den in § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. a
SGB II genannten Personenkreis komme demnach in erster Linie die Sperrzeit wegen
Arbeitsaufgabe in Betracht (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 20/09 R, Rn. 18
u. 24 - zit. nach juris).
In seinem Urteil vom 22. März 2010 hat der Senat seine Auffassung weiter präzisiert und
in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgehalten, dass das Verhältnis von § 31 Abs.
1 SGB II und § 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II nicht so zu verstehen sei, dass § 31 Abs. 4 Nr. 3
SGB II im Sinne einer speziellen Gesamtregelung nur für pflichtwidrige Handlungen
Anwendung finden könne, die zeitlich vor einer Antragstellung oder dem Beginn des
Leistungsbezugs nach dem SGB II lägen. Zwar habe sich der Gesetzgeber in vielen
Fallgestaltungen des § 31 Abs. 1, 3 und 4 SGB II bei der Ausdifferenzierung der
Absenkungs- und Wegfallgründe bei der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und
Sozialhilfe konkret auf die für SGB II-Bezieher im Grundsicherungsrecht neu
geschaffenen Obliegenheiten bezogen. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes sei
bei den in § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II in Bezug genommenen Sperrzeitregelungen
des § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 7 SGB III grundsätzlich unabhängig von einem
Leistungsbezug nach dem SGB II im Einzelfall zu prüfen, ob die Pflichtverletzung von
dem Sanktionstatbestand erfasst werde. Die Heranziehung des § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst.
b SGB II setze allerdings im Sinne von einschränkenden Anwendungsvoraussetzungen
voraus, dass das von dem Hilfebedürftigen abverlangte Verhalten nicht bereits von § 31
Abs. 1 SGB II erfasst sei und das sperrzeitrelevante Ereignis zu einem Zeitpunkt
eintrete, in dem eine Beziehung des Hilfebedürftigen zum Rechtskreis des SGB III
vorliege. Diese Anwendungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II
ergäben sich nicht bereits aus dem Wortlaut der Norm, sondern aus der
Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung
der Rechtsentwicklung, insbesondere der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden
Vorgängervorschrift des § 25 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Diese habe ausweislich der Gesetzesmaterialien Hilfeempfänger erfassen sollen, bei
denen das Arbeitsamt den Eintritt einer Sperrzeit nach § 119 Arbeitsförderungsgesetz
(AFG) festgestellt habe und der Anspruch auf Leistungen nach dem AFG ruhe oder
erloschen sei. Ihnen gleichgestellt worden seien diejenigen Hilfeempfänger, die ihre
Arbeit aufgegeben und keinen Anspruch auf Leistungen nach dem AFG hätten. Vor
diesem Hintergrund wolle § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. a SGB II - wie zuvor § 25 Abs. 2 Nr. 3
Buchst. a BSHG - sicherstellen, dass der Ruhens- oder Erlöschenstatbestand wegen
einer im Geltungsbereich des SGB III eingetretenen Sperrzeit nicht folgenlos bleibe, wenn
zwischenzeitlich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II dem Grunde nach entstanden sei.
Ergänzend hierzu ordne § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II die entsprechende Geltung
des § 144 SGB III für Personen an, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld noch nicht
erworben hätten, aber die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllten. Die
übereinstimmende Rechtfertigung für die Einbeziehung beider Personengruppen liege
darin, dass sie aufgrund der zurückgelegten Versicherungszeiten zur
Arbeitslosenversicherung in einem Sozialversicherungsverhältnis zur Bundesagentur für
Arbeit als SGB III-Trägerin stünden, die sich ihrerseits typisierend gegen den Risikofall der
Arbeitslosigkeit zur Wehr setzte, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten habe
oder an deren Behebung er nicht in der gebotenen Weise mitwirke (vgl. insoweit zuvor
auch schon BSG, a.a.O., Rn. 24). Es würden daher diejenigen Beschäftigen erfasst, die in
einem für die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 123 SGB III
zu berücksichtigenden Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigte gegen
Arbeitsentgelt nach § 25 Abs. 1 SGB III stünden und nicht als Personen in einer
geringfügigen Beschäftigung versicherungsfrei seien (§ 27 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 8 Abs. 1
Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung
durch Beitragszahlung bzw. den Aufbau einer Anwartschaft auf Arbeitslosengeld
vermittelten Sozialversicherungsverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit und damit an
einer Beziehung des Hilfebedürftigen zum Rechtskreis des SGB III (BSG, Urteil vom 22.
März 2010, B 4 AS 68/09 R, Rn. 14 ff. - zit. nach juris).
Nach dieser Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, ist die Regelung des § 31
Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II im vorliegenden Fall anwendbar.
Das dem Antragsteller vorgeworfene Verhalten - die Arbeitsaufgabe - ist nicht bereits in
§ 31 Abs. 1 SGB II geregelt. Insbesondere wird die Arbeitsaufgabe nicht vom
Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II erfasst. Zwar kann in
der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages
grundsätzlich eine Weigerung, eine Arbeit fortzuführen, im Sinne dieses
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grundsätzlich eine Weigerung, eine Arbeit fortzuführen, im Sinne dieses
Sanktionstatbestandes liegen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 12). Jedoch kann dann, wenn das
Arbeitsverhältnis - wie vorliegend - nicht auf die Initiative des SGB II-Leistungsträgers
zustande gekommen ist, schon begrifflich von einem Weigern nicht die Rede sein (vgl.
LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Darüber hinaus setzt § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c
SGB II voraus, dass sämtliche dort aufgeführten Maßnahmen Gegenstand einer
Eingliederungsvereinbarung sind (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, a.a.O., Rn. 17).
Das bedeutet, dass § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II nur dann einschlägig sein
kann, wenn das Verhalten, das sanktioniert werden soll, zuvor in einer
Eingliederungsvereinbarung geregelt ist ( , a.a.O.). Auch daran fehlt es hier.
Der Antragsteller weist darüber hinaus auch eine Beziehung zum Rechtskreis des SGB III
auf. Diese ergibt sich daraus, dass er zum Zeitpunkt des ihm vorgeworfenen Verhaltens
in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und somit in einem
Sozialversicherungsrechtsverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit als SGB III-Träger
stand. Dabei handelte es sich bei der erforderlichen prognostischen Betrachtung (vgl.
BSG, Urteil vom 22. März 2010, a.a.O., Rn. 17) nicht um eine geringfügige Beschäftigung
(vgl. § 8 Abs. 1 SGB IV).
Für die Anwendbarkeit des § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II kommt es schließlich auch
nicht darauf an, ob die von dem Antragsteller aufgenommene versicherungspflichtige
Beschäftigung zum vollständigen Wegfall der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II geführt
hat oder das Entgelt aus seiner Beschäftigung mit SGB II-Leistungen aufgestockt werden
musste (vgl. BSG, a.a.O.).
(b) Der materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 14. Juli 2010 steht nicht
entgegen, dass der Bescheid ausweislich seiner Begründung ursprünglich auf § 31 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II gestützt wurde. Der Antragsgegner hat sich im
gerichtlichen Verfahren zuletzt - und nach dem zuvor Gesagten zutreffend - auf § 31
Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II berufen. Ein solches Nachschieben einer anderen
Rechtsgrundlage ist als Unterfall des Nachschiebens von Gründen nur dann unzulässig,
wenn der Verwaltungsakt dadurch in seinem Wesen verändert oder der Betroffene in
seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird. Das kann jedenfalls bei rechtlich
gebundenen Verwaltungsakten nur in seltenen Ausnahmefällen angenommen werden
(vgl. eingehend nur , in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, a.a.O., § 54 Rn. 35 ff.
m.w.Nachw.; zur Diskussion für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ausführlich auch
, Verwaltungsgerichtsordnung. Kommentar, 16. Auflage 2009, § 63 ff.
m.w.Nachw.). Ein derartiger Ausnahmefall ist nach Auffassung der Kammer hier nicht
gegeben. Insbesondere ergibt sich eine Wesensänderung des Bescheids vom 14. Juli
2010 infolge des Austauschs der Rechtsgrundlage nicht daraus, dass der Bescheid
nunmehr an einen anderen Lebenssachverhalt anknüpfen würde. Dieser bleibt vielmehr
derselbe. Ungeachtet der im Detail unterschiedlichen Zielsetzungen von § 31 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II einerseits, § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II andererseits
(vgl. nur LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.), erscheinen der Kammer zudem auch die Zwecke,
die die beiden Vorschriften verfolgen, im Kern zumindest so ähnlich, dass von einer
Wesensänderung nicht ausgegangen werden kann.
(c) Der von § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. b SGB II geforderte Sanktionssachverhalt liegt hier
bei summarischer Prüfung vor.
Der Antragsteller erfüllt den Sperrzeittatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III.
Danach liegt ein versicherungswidriges Verhalten vor, wenn der Arbeitslose das
Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass
für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder
grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Der
Antragsteller nahm zum 4. Mai 2010 während des Bezugs von SGB II-Leistungen eine
Beschäftigung als Reinigungskraft bei der Firma … Gebäude …. GmbH auf, ohne
dadurch unmittelbar aus dem Leistungsbezug auszuscheiden. Nach kurzer Zeit, am 31.
Mai 2010, einigte er sich jedoch mit seinem Arbeitgeber über die vorzeitig Auflösung des
Beschäftigungsverhältnisses. Hierdurch hat der Antragsteller im Sinne des
Sperrzeitrechts sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und zumindest grob fahrlässig
seine erneute Arbeitslosigkeit herbeigeführt, denn über die konkrete Aussicht auf ein
Anschlussarbeitsverhältnis verfügte er nicht, und er hat dadurch - gewendet auf das SGB
II - seine Hilfebedürftigkeit wieder begründet bzw. erweitert (vgl. LSG Hamburg, a.a.O.,
Rn. 63).
Näherer Erörterung bedarf es mit Blick auf den Sanktionssachverhalt allein, ob der
Antragsteller einen wichtigen Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die
Auflösung des Arbeitsverhältnisses hatte. Das ist zur Überzeugung der Kammer zu
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Auflösung des Arbeitsverhältnisses hatte. Das ist zur Überzeugung der Kammer zu
verneinen.
Ein wichtiger Grund kommt in Betracht, wenn Umstände vorliegen, die nach
verständigem Ermessen dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des
Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheinen lassen, weil sonst sein
Interesse in unbilliger Weise geschädigt würde. Dabei muss der wichtige Grund auch den
Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses decken, d.h. der Arbeitnehmer
müsste einen wichtigen Grund dafür haben, dass er das Beschäftigungsverhältnis zu
dem bestimmten, von ihm gewählten Zeitpunkt auflöst. Ein wichtiger Grund ist immer
dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen zur
fristlosen Kündigung berechtigt wäre (LSG Hamburg, a.a.O., Rn. 64 m.w.Nachw.).
Der Antragsteller hat angegeben, nach Aufnahme des Arbeitsverhältnisses habe sich
herausgestellt, dass er 6,5 Stunden täglich arbeiten müsse, aber nur 3,5 Stunden
bezahlt bekomme. Der Arbeitgeber habe hierzu erklärt, dass er nicht mehr bezahlen
werde.
Ein wichtiger Grund vermag hieraus nach Auffassung der Kammer indes nicht zu folgen.
Selbst wenn die Schilderung des Antragstellers zutreffen sollte, so wäre es dem
Antragsteller zuzumuten gewesen, die geforderten Überstunden, die im Arbeitsvertrag
vom 4. Mai 2010 grundsätzlich angelegt waren, zu leisten und das ihm hierfür jedenfalls
nach § 612 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gebührende Entgelt erforderlichenfalls
gerichtlich einzuklagen (vgl. dazu, dass der Arbeitnehmer auch unabhängig von einer
vertraglichen Regelung einen Anspruch auf Vergütung von Sonderleistungen unmittelbar
aus § 612 Abs. 1 BGB hat, zuletzt nur Bundesarbeitsgericht , Urteil vom 5. Januar
2010, 5 AZR 986/08, Rn. 15 - zit nach juris). Dies insbesondere auch vor dem
Hintergrund, dass es sich bei der Tätigkeit des Antragstellers um eine auf 17,5
Wochenstunden begrenzte Teilzeitbeschäftigung handelte, also hinreichend Raum für
Mehrarbeit bestand, und der Antragsteller kein weiteres geringfügiges oder
sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis hatte, wie er im Arbeitsvertrag vom 4.
Mai 2010 ausdrücklich versichert hatte. Zudem war die Beschäftigung bis zum 31.
Oktober 2010 befristet, sodass es lediglich um einen begrenzten Zeitraum ging und der
Antragsteller deshalb zugleich auch etwaige Nachteile aus einer Klage gegen seinen
Arbeitgeber nicht zu fürchten brauchte. Jedenfalls hätte der Antragsteller vor einer
Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses auf eine Abhilfe dringen und hierzu auch
Rücksprache mit dem Antragsgegner halten können. Sogleich ohne weitere
Klärungsversuche das Beschäftigungsverhältnis aufzulösen und dadurch zu vereiteln,
dass die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II entfällt oder zumindest substanziell
verringert wird, erachtet die Kammer als untunlich und begründet den
Sanktionssachverhalt.
Nichts anderes ergibt sich, soweit sich der Antragsteller in diesem Zusammenhang
darauf beruft, dass eine Arbeitsaufgabe nicht zu einer Absenkung von SGB II-Leistungen
führen dürfe, wenn der Hilfebedürftige sich weigere, zu Dumpinglöhnen zu arbeiten. Zwar
teilt die Kammer die Auffassung, dass es in Fällen sittenwidrigen Lohnwuchers an der
Zumutbarkeit der Arbeit fehlt (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 2. Februar 2009, S 31 AS
317/07, Rn. 21 - zit. nach juris; im Grundsatz wohl auch LSG Hamburg, a.a.O., Rn. 67).
Die vereinbarte Lohnhöhe von 8,40 Euro brutto pro Stunde begegnet jedoch keinen
durchgreifenden Bedenken. Das BAG hat in Übereinstimmung mit einer in
Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten Auffassung ein auffälliges Missverhältnis
zwischen Leistung und Gegenleistung, das wegen Lohnwuchers zur Nichtigkeit des
Arbeitsvertrages führt, dann angenommen, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei
Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten
Tariflohns erreicht (vgl. BAG, Urteil vom 22. April 2009, 5 AZR 436/08, Rn. 17 m.w.Nachw.
- zit. nach juris; dem folgend auch LSG Hamburg, a.a.O.). Das ist vorliegend nicht der
Fall. Denn die unterste Lohnstufe im (allgemeinverbindlichen) Tarifvertrag zur Regelung
der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) vom 29. Oktober 2009 sieht für die Zeit
ab 1. Januar 2010 für Berlin einen Mindestlohn von 8,40 Euro pro Stunde vor. Das
entspricht dem Entgelt, das dem Antragsteller arbeitsvertraglich geschuldet war. Die von
dem Antragsteller vorgetragene (faktische) Weigerung seines Arbeitsgebers, einen Teil
des Lohns zu bezahlen, ändert nichts daran, dass die arbeitsvertraglichen Bedingungen
nicht zu beanstanden waren.
(d) Schließlich sind auch die weiteren Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines
Sanktionsbescheids gegeben.
Nach § 31 Abs. 6 Satz 1, 1. Hs. SGB II tritt die Absenkung des Arbeitslosengeldes II mit
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Nach § 31 Abs. 6 Satz 1, 1. Hs. SGB II tritt die Absenkung des Arbeitslosengeldes II mit
Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der
die Absenkung der Leistung feststellt, folgt. Nach § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB II dauert die
Absenkung drei Monate. Der Antragsgegner hat durch den Sanktionsbescheid vom 14.
Juli 2010 den Sanktionszeitraum somit zutreffend vom 1. August 2010 bis 31. Oktober
2010 festgesetzt.
Auch die Absenkungshöhe ist nicht zu beanstanden. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs.
SGB II wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer
ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20
SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt. Im Sanktionszeitraum betrug diese
359,00 Euro im Monat. Hiervon sind 30 vom Hundert 107,70 Euro. Das entspricht dem
Absenkungsbetrag aus dem Bescheid vom 14. Juli 2010.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 183,
193 SGG.
3. Ungeachtet der Ablehnung des Eilantrags war Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers hier zur Überzeugung der Kammer
zu bewilligen.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung
(ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten
aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese
Voraussetzungen sind im Fall des Antragstellers erfüllt. Insbesondere war dem Antrag
eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abzusprechen.
Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1
ZPO ist bereits dann gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers bzw.
Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen
zumindest für vertretbar hält (vgl. , in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., a.a.O., § 73a
Rn. 7a m.w.Nachw.). Davon war hier angesichts der schwierigen Rechtsfrage, die der Fall
aufwarf, sowie der verschiedenen Ansichten, die hierzu bestehen, auszugehen.
4. Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bzw. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 ZPO). Die
Staatskasse kann gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Beschwerde einlegen,
wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt
worden sind (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 3 ZPO).
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